Nachstehend der bisher auf meiner Arcor-Homepage veröffentlichte Bericht eines deutschen Offiziers (vermutlich des Festungskommandaten Fullriede)
Gefechtsbericht
über die Belagerung Kolbergs vom 4.3.-18.3.1945
I.
Im
November 1944 begann die Erkundung zum Ausbau der Stadt Kolberg als Festung. Es
wurden drei Verteidigungsringe festgelegt, von denen der Ausbau der
Stadtrandsiedlung Anfang Februar 1945 durch Stellv.Gen.Kdo.II A.K. befohlen
wurde. Am 26. Januar wurde der Festungsstab Kolberg aufgestellt. Es wurden in
Angriff genommen ein Panzergraben und Infanteriestellungen. Die Durchführung
der Stellungsbauarbeiten litt sehr unter dem Mangel an Arbeitskräften. So waren
am 1.3. bei Eintreffen des neuen Festungskommandanten, Oberst Fullriede, von
den vorgesehenen und in Angriff genommenen Stellungsbauten lediglich ein Teil
des Panzergrabens und der Infanteriestellungen sowie 16 behelfsmäßige
Stellungen für schwere Wurfkörper (28cm) ausgebaut.
Die
Festung war zu dieser Zeit verpflegungsmässig zu 85%, munitionsmässig lediglich
für schwere Wurfkörper und Flak bevorratet. Erst am 6. und 7.3. trafen über See
100 Tonnen Munition aller Art ein. An Truppen standen am 1.3. zur Verfügung:
1
Bat. des Feldausbildungs-Regiments Pz.A.O.K. 3 mit Regimentseinheiten und
Reg.Stab ein nur teilweise bewaffnetes Volkssturmbat., ein Volkssturmwerferzug
und Teile der Flak-Abteilung Heinzel. Am 2.3. trafen 8 Geschütze l.f. H 18 ohne
Bedienung, Protzen und Bespannung ein. Protzen wurden aus den Gerätelagern
Kolberg beschafft. Um wenigstens eine Batterie feuerbereit zu machen, wurden
von der 2.G.-Komp. zwei Beobachter und fünf Richtschützen und Kanoniere zur
Stabskompanie versetzt. Die fehlende (Batterie?) durch Volkssturm aufgefüllt.
Am 3.3. kam das Festungs-M.G.Bat.51(M.) hinzu. Am 4.3. der Panzerzug König.
Nach Beginn der Kämpfe wurde aus Versprengten das Bat. Hempel aufgestellt.
Seit
Ende Januar setzte ein ununterbrochener Flüchtlingsstrom ein. Die
Bevölkerungszahl stieg von 35.000 auf 85.000 Einwohner. Der Bahnhof war zu
dieser Zeit mit Zügen überfüllt. Ein Abfluss nach Stettin fand nur in ganz
geringem Maße statt, sodass sich die von Köslin und Belgard kommenden Züge vor
der Stadt stauten. Die Eisenbahn teilte auf Anfragen mit, dass Stettin Züge
nicht annehmen könne. So standen seit Beginn der Einschließung 22 Züge mit
Flüchtlingen, Verwundeten und Material aller Art auf der Strecke von Belgard
nach Kolberg.
Bei
der ersten Aufforderung durch den neuen Festungskommandanten am 1.3. für den
Abtransport der Zivilbevölkerung zu sorgen, erklärte der Kreisleiter, dass ihm
ein diesbezüglicher Befehl des Gauleiters nicht vorliege. Eine nochmalige
Aufforderung am 2.3. hat ebenfalls keinen Erfolg gehabt. Darauf erhielt der
Kreisleiter am 3.3. um 20 Uhr vom Festungskommandanten den Befehl, die
Flüchtlinge zum unverzüglichen Verlassen der Festung aufzufordern. Zu dieser
Zeit war ein Abfließen der Trecks über die Strandstrasse nach Gribow noch
möglich.
II.
Aufgrund
einer Feindorientierung durch Kampfgruppe Tettau wurde am 3.3. abends die
Besatzung alarmiert und am 4.3. früh ein Spähtrupp entsandt, der um 4 Uhr bei
Rossenthin erstmalig auf den Feind stieß. Um 5 Uhr erreichten feindliche Panzer
und Infanterie Sellnow. Damit war die Wasserversorgung aus dem Wasserwerk
Koppendieksgrund abgeschnitten. Gegen 7 Uhr erreichte der Feind den Stadtrand
von Geldervorstadt.
Mit
der Meldung von der ersten Feindberührung wurde am 4.3. um 4 Uhr das Standrecht
verhängt. Ein Versuch, durch die zuständigen Instanzen, Ordnung in den zivilen
Sektor zu bringen, misslang. Darauf wurden um 16 Uhr dem am 27.2.
eingetroffenen Kreiskommandanten SS-Oberführer Bertling sämtlich nicht
militärische Dienststellen unterstellt. Weiterhin wurden zur Erhöhung der
Abwehr und Kampfbereitschaft sämtliche Versprengten durch Offz. Polizei und
Feldgendarmeriestreifen einer Sammelstelle zugeführt, Waffen und Gerät
gesammelt und daraus das Bat. Hempel, die Artilleriegruppe Schleiff sowie die
Panzergruppe Beyer aufgestellt. Die Panzergruppe bestand aus vier Hetzern, die
als Schadpanzer von der Division Holstein nach Kolberg zur Instandsetzung
abgeschoben waren.
Der
erste Panzervorstoß des Feindes wurde am 4.3. durch 2 Flak-Geschütze und 6
Werfer des MG-Bat. in der Geldervorstadt abgewiesen. Der Feind zog sich
daraufhin zunächst nach Karlsberg zurück. An diesem und am folgendem Tag
fühlten sie nur mit schwächeren Panzer- und Infanteriekräften entlang der
Treptower und der Körliner Straße gegen die Stadt vor. Durch Artillerie,
schwere Wurfkörper, Flak und Panzervernichtungstrupps wurden die Vorstöße
abgewiesen, wobei die ersten vernichtet wurden.
Da
die Straßen von Köslin und Belgard noch frei sind, strömen immer neue
Flüchtlingstrecks in die Stadt. Sie können nur auf den Strandweg nach Gribow
weitergeleitet werden, jedoch auch hier nur unter Gefährdung durch einzelne
Panzer. Um vor allem die Eisenbahnstrecke nach Westen frei zu bekommen, sowie
die Strasse nach Gribow zu sichern und einen stärkeren Abschub von Flüchtlingen
zu ermöglichen, wird für den 6.3. ein Vorstoß beiderseits der Treptower Strasse
auf Neuwerder, Neugeldern und Karlsberg befohlen. Der Angriff begann um 6 Uhr
und erreichte um 6.36 Uhr den Südrand von Neugeldern, mittags Neuwerder.
Karlsberg konnte gegen überlegene feindliche Panzerkräfte, die in Altwerder,
Sellnow und später auch in Neuwerder auftauchten, nicht genommen werden.
Infolgedessen blieb die Treptower Strasse und die Eisenbahnlinie nach Treptow
unter Feindbeschuss. Lediglich die Strasse über Gribow nach Westen blieb durch
das Zurückdrängen des Gegners zunächst offen. In der Annahme, dass diese
Strecke auch weiter westlich noch offen sei, wurden die Flüchtlinstrecks auf
ihr abgeschoben. Eine diesbezügliche Funkanfrage über Feindlage nördlich
Stettin blieb von Stettin unbeantwortet.
Im
Laufe der Nacht zum 7.3. und in den ersten Morgenstunden des 7.3. stieß der
Feind westlich und ostwärts der Stadt endgültig bis zur See vor, sodass der
Einschließungsring nunmehr geschlossen war. Um 15.35 Uhr wurde durch Funkspruch
vom O.K.H. das weitere Freikämpfen einer Abschubstrasse nach Westen verboten
und der Befehl gegeben, die eigenen Kräfte zusammenzuhalten, um den Abtransport
der Bevölkerung über See zu schützen. Gegen Abend stieß der Feind mit
Panzerunterstützung entlang der Treptower Strasse bis in die Geldervorstadt.
Das Bat. Hempel riegelte sofort mit einer Kompanie an der Stettiner Strasse ab.
Die Feindverluste sind hoch. Jedoch gelingt es nicht, einzelne bis an die Ecke Kamminer
und Treptower Strasse vorgedrungene Feindgruppen wieder herauszuwerfen.
In
den frühen Morgenstunden des 8. März verlegt der Feind den Schwerpunkt seines
Angriffes von der Treptower Straße an die Lauenburger Vorstadt, wo er sich
unter starkem Feuerschutz mit Panzern und Infanterie über die Persantewiesen
entlang der Körliner Strasse gegen die Panzersperre am Stadteingang vorschiebt.
Jedoch gelingt es ihm nur, die Panzersperre im Laufe des Tages in seine Hand zu
bringen.
Inzwischen
hat der Gegner ringsum die Stadt immer neue Batterien aufgefahren. Zum Schluss
wurden mindestens 20 schwere Batterien festgestellt, dazu Stalinorgeln und
Granatwerferverbände schweren Kalibers. Mit ihnen eröffnet der Feind ein sich
ständig steigerndes Feuer auf alle Teile der Stadt, besonders auf Hafen und
Bahnhof sowie auf die Frontlinie. Die Verluste der eigenen Truppen sowie der
Zivilbevölkerung in der Stadt sind erheblich. Es machen sich Anzeichen einer
beginnenden Panik bemerkbar. Um den Abtransport zunächst der Frauen und Kinder
zu sichern, sind härteste Maßnahmen erforderlich. Gegen Plünderer und
Drückeberger muss mit exemplarischen Strafen vorgegangen werden. In der
Versorgung wird der Mangel an Trinkwasser immer spürbarer. Nach ständigem
Drängen des Einsatzleiters der Kriegsmarine für den Abtransport der
Zivilbevölkerung, Freg. Kpt. Kolbe, lief die Gestellung von Schiffsraum mehr
und mehr an und ergab täglich wachsende Erfolge.
Am
9. März gelang dem Gegner ein Einbruch in die Lauenburger Vorstadt. Um den
Georgenfriedhof und die Gasanstalt wechselten ständige Angriffe und
Gegenangriffe. Im Westen wurde ein starker Angriff gegen die Stellungen des
Volkssturmbat. Pfeiffer abgewiesen. Ein eigener Gegenangriff an der Treptower Strasse
durch Lt. Hempel mit Teilen seines Bat. brachte einen vollen Erfolg und eine Beute von 24 schweren Waffen.
Eigene Schiffsartillerie unterstützte die Abwehr durch wirksames Feuer auf die
Bereitschaftsräume des Gegners, wobei der Feind starke Verluste an Panzern und
Infanterie hatte.
Am
10.3. verschob der Feind den Schwerpunkt seines Angriffes nach Osten und
Südosten an die Bahnlinien nach Köslin und Körlin. Von Panzern und Pak
unterstützt, konnte er seinen Einbruch in der Lauenburger Vorstadt nach Osten
erweitern und in die Waldenfels-Kaserne eindringen. Die Georgenkirche musste,
um dem Feind nicht den Turm als B.-Stelle zu überlassen, durch einen Stosstrupp
in Brand gesetzt werden. Ständige, von Panzern unterstützte, Feindangriffe
gegen die Abschnitte des Volkssturms im Westen und des Bat. Hempel im Südwesten
werden immer wieder im Nahkampf abgewiesen. Von sieben Brücken über Persante
und Holzgraben waren zu dieser Zeit bereits vier zerstört.
Am
11.3. Fesselungsangriffe an der gesamten Front, überall von Panzern unterstützt.
Der Schwerpunkt des Angriffs lag in der Lauenburger Vorstadt, wo der Gegner
jedoch nur in die ersten Häuser eindringen kann. Wegen Fehlens eigener Pak ist
es ihm möglich, Haus um Haus systematisch mit Panzern und Pak zu zerschießen
und sich nach Ausfallen der Besatzung mit Infanterie weiter vorzuschieben. Die
eigenen Panzer der Panzergruppe Beyer sind ständig reparaturbedürftig und kaum
einsatzfähig. Sie müssen z. T. in ihre Stellungen geschleppt werden, wo meist
in kurzer Zeit ein Schaden an der Abzugsvorrichtung oder am Fahrwerk auftritt.
Am
12.3. morgens setzt nach schwerstem Art.-Beschuss in der Lauenburger Vorstadt
ein neuer schwerer Angriff des Feindes ein. Dem Gegner gelingt vom
Georgenfriedhof aus ein Einbruch nach Norden über die Kösliner Chaussee. Drei
Gegenangriffe bleiben erfolglos. Die Ostfront wird mit Einbruch der Dunkelheit
auf eine neue Linie längs der Wallstrasse zurück genommen. Hinter dieser neuen
Front wird im Verlauf der Nacht aus den letzten verfügbaren Reserven eine 2.
Linie aufgebaut. Im Westen und Südwesten wurden an diesem Tage insgesamt sechs von
Panzern unterstützte Feindangriffe
unter beiderseits hohen Verlusten abgewiesen.
Am
13.3. greift der Feind im Westen an der Maikuhle sowie in der Gelder Vorstadt
und im Osten an der Waldenfelsschanze mit starken Kräften an. Der Angriff an
der Maikuhle wird vom Volkssturm, der in der Gelder Vorstadt durch Teile des
Bat. Hempel im Nahkampf abgewiesen. Im Osten gelingt dem Gegner ein tiefer
Einbruch, der ihn in den Besitz der Gasanstalt
und
des Lokschuppens bringt. Der Einbruch wird im Gegenstoß unter Einsatz von zwei
Panzern abgeriegelt. Am Abend muss der Volkssturm an der Maikuhle wegen der
starken Ausfälle der letzten Tage in eine verkürzte Linie zurückgenommen
werden.
Am
14.3. setzt beim Morgengrauen an der gesamten Front bei außergewöhnlich starkem
Artilleriefeuer aller Kaliber, dabei starkem Panzer-, Pak-, Salvengeschütz- und
Granatwerferfeuer, ein neuer konzentrierter Großangriff ein. Er führt zu tiefen
Einbrüchen an der Maikuhle, in die Kaserne der Gelder Vorstadt, aus der
Lauenburger Vorstadt in das Stadtinnere und am Gleisdreieck westlich
Lokschuppen, die nur mit Mühe abgeriegelt werden können. Ein weiteres
Einsickern des Feindes in die eigenen Linien kann wegen hoher eigener Verluste
nicht verhindert werden. Die eigene Truppe leistet trotz ihrer körperlichen und
seelischen Erschöpfung und trotz ihrer Ausfälle erbitterten Widerstand. Gegen
14 Uhr ist der Druck des Feindes aufgefangen und die eigene Front, wenn auch
oft nur stützpunktartig und zunächst noch unübersichtlich, wieder hergestellt.
Um 15.30 Uhr fordert das polnische Armee-Oberkommando den Festungskommandanten
auf dem Funkwege zur Übergabe auf. Die Antwort lautet: „Kommandant hat Kenntnis
genommen.” Auf eine zweite Kapitulationsaufforderung um 16 Uhr wurde nichts
geantwortet. Unter dem Eindruck seiner am Vormittag erlittenen starken Verluste
setzte der Feind seinen Angriff am Spätnachmittag zunächst nicht fort.
Stattdessen lagen Stadt und Hafen unter dem konzentrierten Feuer aller Waffen.
Erst mit Einbruch der Dunkelheit führte der Gegner einen durch schwere Waffen
unterstützten Gegenangriff gegen die Waldenfelsschanze, der in 2 1/2-stündigem
schweren Kampf abgewiesen wurde.
In
der Nacht zum 15.3. bricht der Feind am Gleisdreieck ein und kann erst am
Ostrand des Bahnhofes aufgefangen werden. Ein eigener Gegenstoß führt nur noch
zur Festigung der neuen Widerstandslinie, jedoch nicht mehr zur Bereinigung des
Feindeinbruches. Im Laufe des Vormittags trifft auf Reede das Alarmbat. Kell
(I. Fest.-Regt. 5) ein. Der Festungskommandant entschließt sich, das Bat. nicht
mehr zu landen, da die Besatzung inzwischen auf einen so schmalen Streifen am
Strand und Hafen zusammengedrängt ist, dass sich keinerlei
Verteidigungsmöglichkeiten mehr bieten und der Einsatz des Alarmbat. keine
Entscheidung mehr, sondern nur noch eine Verzögerung bringen kann. Bevor jedoch
dieser Befehl die auf der Reede liegenden Schiffe erreichte, waren am
Spätnachmittag bereits zwei Kompanien des Bat. gelandet, die nunmehr sofort
eingesetzt wurden. Der Einsatz dieser frischen Kräfte an diesem und dem
folgenden Tage erfüllte jedoch nicht die Erwartungen, die daran geknüpft wurden.
Er brachte nur geringe Entlastung, da die eigene Truppe nicht an den
Straßenkampf gewöhnt war und sich nur schwer in den Trümmern der brennenden
Stadt zurechtfand. Das Bat. hatte unverhältnismässig hohe Ausfälle. Die beiden
Kompanien besetzten zunächst eine Widerstandslinie nördlich des Bahnhofs und drückten
von dort aus gegen die Innenstadt vor. Zugleich ging rechts davon eine
Kampfgruppe aus der Linie Gradierstrasse
nach Osten vor, um den über den Kaiserplatz vorgedrungenen Feind zu werfen und
die am Vormittag verloren gegangene Luisenstrasse wieder zu nehmen. Jedoch
gelang nur die Säuberung des Bahnhofsgeländes und die Wiederinbesitznahme des
Nord- und Westrandes des Kaiserplatzes. Unter dem Schutz dieser Linie konnten
in der Nacht die letzten Frauen und Kinder eingeschifft werden. Infolge des
tiefen Einbruchs vom Osten her in die Innenstadt musste das Bat. Hempel in der
Nacht auf das Ostufer der Persante zurückgenommen werden. Die Verbindung mit
dem Volkssturm und der Marine-Abt. Prien auf dem Westufer blieb erhalten.
Am
16.3. belegte der Feind das kleine, noch in eigener Hand befindliche
Stadtgebiet mit einem pausenlosen schweren Feuer aller Kaliber. Innerhalb der
Stadt gelang es ihm nur durch systematisches Inbrandschiessen und Zerstören der
Häuser durch Panzer und Pak, die Trümmer einiger Blocks in Besitz zu nehmen.
Von Panzern unterstützte Angriffe gegen die Maikuhle und südlich
Waldenfelsschanze wurden, teilweise im Gegenstoß, abgewiesen. Am Mittag wurden
der Stab und die 3. Komp. des Bat. Kell gelandet und damit im Zuge der
Moltkestraße eine neue Widerstandslinie aufgebaut. In der Nacht vom 16. zum 17.
wurden Eisenbahner, O.T.-Arbeiter, männliche Zivilpersonen und unbewaffnete Männer abtransportiert. Entgegen
den Erwartungen, dass der Feind am 17. morgens zum letzten Stoss ansetzen
würde, beschränkte er sich auf ständig steigende Feuertätigkeit aller schweren Waffen.
Erst am Spätnachmittag griff er ostwärts des Bahnhofs mit Unterstützung von
vier Panzern an und durchbrach unsere dünne Linie. Nur dem zögernden Nachdrängen
der feindlichen Infanterie war es zu verdanken, dass unsere Front sich wieder
auffing.
Mit
dem Abtransport der Frauen und Kinder sowie der unbewaffneten Organisationen,
Schlüsselkräften und sämtlicher Zivilisten war der am 7.3. durch Funk vom O.K.H.
gegebene Befehl erfüllt. Der selbstverständliche Auftrag für jede
Festungsbesatzung, Feindkräfte zu binden, konnte nur noch bis zum letzten Morgen
des 18.3. erfüllt werden. Bis dahin war durch das Zusammendrängen der Besatzung
auf einen 1800 m langen und 400 m breiten Strandstreifen, durch die zahlenmäßig
schwache Besatzung, ihre völlige körperliche und seelische Schwäche, durch den
Ausfall der letzten eigenen Panzer und des größten Teiles der schweren Waffen,
sowie durch die in dem schmalen, noch gehaltenen, Strandstreifen sich besonders
stark auswirkende artilleristische Überlegenheit des Feindes, die Vernichtung
der Restbesatzung mit Sicherheit zu erwarten. Daher entschloss sich der
Festungskommandant am Nachmittag des 17.3., auf eigene Verantwortung und ohne
Befehl, zu versuchen, unter Belassung von kampfstarken Sicherungen bis zum
Morgen des 18. die Kampfbesatzung in der Nacht vom 17. zum 18.3. über See
abzusetzen und damit zu erhalten.
Noch
vor Beginn der Absetzbewegung erfolgte am späten Abend des 17. ein Angriff des
Feindes gegen die Waldenfelsschanze, die verloren ging. Damit beherrschte der Feind
durch Pak und Panzerfeuer den gesamten Strandstreifen ostwärts der Persante,
die Hafenausfahrt und die Feuerstellung der restlichen eigenen Artillerie. Die
Absetzbewegung erfolgte unter dem massierten Feuer der schweren Feindwaffen.
Deshalb konnte der Feind mit Infanterie nur schwach nachdrücken. So konnten
sich auch die letzten Sicherungen kämpfend vom Feind lösen. Am 18.3. 6 Uhr 30 waren
Strand und Mole von eigenen Truppen geräumt.
III.
Der
erste Angriff auf Kolberg erfolgte von russischen Panzerverbänden, die von
Süden hervor stießen. Nachdem es ihnen nicht gelungen war, Kolberg im ersten Sturm
zu nehmen, wurden sie durch polnische Verbände der 3., 4., und 6. polnischen Infanteriedivisionen
verstärkt durch Panzer, Werfer und Art. Verbände verstärkt, darunter das 4.
russ.Pz.Art.Rgt. . Die Feindpanzer hatten größtenteils deutschsprechende
Besatzung, die ihren Funkverkehr in deutscher Sprache führten.
Diesen
starken Feindverbänden standen auf unserer Seite nur mangelhaft bewaffnete und
eilig aufgestellte Kampfgruppen gegenüber. Diese wurden zudem behindert durch
eine schwer zu übersehende und zu erfassende Menge fremder Trossteile, die
meist die geringste Disziplin und Kampfmoral zeigten. Die Strassen und Häuser
waren überfüllt mit in der Stadt angestauten Flüchtlingstrecks. Erst dem
tatkräftigen Eingreifen des Kreiskommandanten SS-Oberführer Bertling, gelang es
nach und nach, Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen. Die sich
herumtreibenden Soldaten wurden aufgefangen, soweit brauchbar, in die kämpfende
Truppe eingereiht, die übrigen entwaffnet und zu Arbeitsdiensten herangezogen,
namentlich zu systematischen Verbarrikadierungen sämtlicher wichtigen Straßen
und Plätze. Zu der Panikstimmung in der
Zivilbevölkerung, hervorgerufen durch den pausenlosen Art.-Beschuss trat eine
hohe Säuglingssterblichkeit, hervorgerufen durch den Mangel an Milch und
Trinkwasser, Kindermord durch die eigenen Mütter und Selbstmord waren häufige
Erscheinungen. Davon hob sich auf der anderen Seite die tapfere Haltung mancher
Frauen ab, die beim Löschen von Bränden, beim Bergen von Verwundeten unter
Einsatz ihres Lebens einem großen Teil der männlichen Zivilbevölkerung ein
Vorbild sein konnten. Zu erwähnen sind besonders zwei Nachrichtenhelferinnen
und eine Wehrmachtshelferin, die freiwillig bis zum letzten Abtransport von
Frauen und Kindern bei der Truppe ausharrten und ihren Dienst in vorbildlicher
Weise versahen. An die kämpfende Truppe mussten außergewöhnlich hohe
Anforderungen gestellt werden. Der hohe Grundwasserstand machte fast in allen
Abschnitten ein Eingraben unmöglich, sodass die Truppe dem massierten Feuer der
schweren Feindwaffen fast deckungslos ausgesetzt war. Hierzu kam ein fast pausenloser
Kampf mit weit überlegenem Gegner ohne die Möglichkeit auch nur eines zeitweiligen
Herausziehens. Die schlechten Trinkwasserverhältnisse zeitigten überall schwere
Verdauungsstörungen, die die körperliche Widerstandskraft der Besatzung
beeinträchtigten.
Die
Leistungen der Truppe waren dennoch erstaunlich. Sie musste sich im Häuserkampf
feindlicher Panzer, Pak und Flammenwerfer erwehren. Ohne jede eigene Pak wurden
28 Feindpanzer vernichtet, davon 12 mit Nahkampfmitteln, die übrigen durch Flak
und Artillerie. Weitere Feindpanzer wurden zweifellos in nicht feststellbarer
Zahl in den Bereitstellungsräumen durch die eigene Schiffsartillerie
vernichtet. Weiterhin wurden mit Sicherheit vernichtet oder erbeutet: 15 Pak, 9
leichte Geschütze, 8 Granatwerfer, 2 Flammenwerfer, 10 MG., zahlreiche leichte
Infanteriewaffen und 9 LKW.
Die
Menschenverluste des Feindes waren außerordentlich gross. Nach
Gefangenenaussagen war der Gegner schließlich gezwungen, seine Trosse in
vorderster Linie einzusetzen. Nach vorsichtiger Schätzung, erhärtet durch
Gefangenenaussagen hat der Gegner bis zu 50% Verluste gehabt.
An
diesen Erfolgen war die Festungs-Art.-Gruppe Schleiff wesentlich beteiligt.
Trotz ihrer improvisierten Aufstellung während der Kampfhandlung entlastete sie
die Truppe immer wieder spürbar durch ihre Wendigkeit und Treffsicherheit. Dies
war besonders der Tatkraft und den hohen artilleristischen Fähigkeiten des
Majors Schleiff zu verdanken. Ebenso war es besonders sein Verdienst, dass die
Zusammenarbeit mit der unterstützenden Schiffsartillerie der Zerstörer 34 und 43
reibungslos funktionierte. Ohne diese Unterstützung wäre ein 14-tägiges Halten
Kolbergs zweifellos nicht möglich gewesen.
Wenn
auch die Zusammenarbeit mit dem Einsatzleiter, Freg.Kpt. Kolbe, nicht ganz
reibungslos war, so gelang es trotzdem, bis zum 16.3. 70 000 Zivilpersonen, unbewaffnete
Organisationen und Nichtdeutsche abzutransportieren. Weitere 5 1/2 Tausend
Wehrmachtsangehörige und Kampftruppen wurden am 17. und 18.3. abtransportiert.
Seit
Beginn der Belagerung von Kolberg standen dem Festungskommandanten an Truppen
etwa 3300 Mann zur Verfügung, davon im Infanterieeinsatz etwa 2200. Davon
fielen im Verlaufe der Kampfhandlungen etwa 2300 Mann aus. Die Verluste wurden
laufend durch Aussiebung der unbewaffneten Soldaten sowie durch Neuzuführung
des Bat. Kell ergänzt. So wurden in der Nacht vom 17. zum 18.3. noch etwa 2000
Mann kämpfende Truppen, davon etwa 1200 Infanteristen, abtransportiert.
An
schweren Waffen standen zu Beginn der Belagerung zur Verfügung:
8
1FH., 7 Flak 10,5 cm, 7 Flak 3,7 cm, l Flak 2 cm, 820 Schuss schwere Wurfkörper
in 16 behelfsmäßig vorbereiteten Feuerstellungen sowie das Festungs-MG.-Bat. 91
(M) und der Panzerzug Hptm. Römig. Am 17.3. abends waren noch einsatzbereit: 3
1FH., l Flak 3,7 cm, 2 Flak 2 cm und mittl. Granatwerfer,
(8,
10 FN, 18,7 Flak, 10,5 Flak, 3,7 cm, Flak 2 cm, 820 Schuss schwere Wurfkörper
in 16 behelfsmäßig vorbereiteten Feuerstellungen sowie das Festungs-MG.-Bat. 91
(M) und der Panzerzug Hptm. Römig. Am 17.3. abends waren noch einsatzbereit: leichter
F.N.13, 1 Flak 3,7 cm, 2 Flak 2 cm und mittl. Granatwerfer. Beim Abtransport
wurden mitgenommen: 6 mittl. Granatwerfer,) alle übrigen schweren Waffen wurden
unbrauchbar gemacht, ebenso Lebensmittel-, Treibstoff- und Munitionsvorräte.
Dem
Feind fiel eine völlig niedergebrannte und verwüstete Stadt in die Hand. Der
Dom ist eine ausgebrannte und schwer beschädigte Ruine. Sämtliche Persante- und
Holzgrabenbrücken sind gesprengt. Der Bahnhof mit Gleisanlage ist zerstört, die
Verladeeinrichtungen am Hafen für lange Zeit unbrauchbar. Dies ist der Gewinn,
den der Feind mit sehr hohen Blutopfern erkaufte, aber auch der Preis, um den
es gelang, 75 000 Menschen dem Reich zu erhalten.