Samstag, 23. Januar 2021

Soldat

Ein Untermieter von mir sagte einmal, ich habe eine große Seele. Ein Neurologe meinte, ich sei eine treue Seele. Manche denken vielleicht, ich sei sozial eingestellt. Ein Arbeitskollege von mir meinte einfach, ich sei blöd. Was stimmt denn nun? Viele sind ja auf der Suche nach ihrem Selbst. "Sei du selbst." Das ist ein sehr beliebter Spruch, der ebenso sinnlos ist, wie der, dass man nach vorn schauen soll. Dieter Hildebrandt meinte dazu einmal, vorn habe er nichts gesehen. Es scheint allerdings so, dass es so wie es weiter gehen wird auch schon in der Vergangenheit ausgesehen hat. Als meine eigene Konstante habe ich immer den "Soldat des Lebens" gesehen. Der ist Teil von mir. Es ist ein bisschen von allem: Pflichterfüllung, Verantwortungsbewusstsein, Treue dem gegenüber, was ich einmal als wahr zu erkennen glaubte. Ich kann mir nahestehende Menschen nicht verlassen, wenn ich weiß, es geht ihnen dann schlecht. Ich selbst habe das oft genug erlebt. Empathie gehört zu einem solchen Gefühl. Woher das alles kommt, der Schlüssel dazu liegt in der Familie. Hier herrschte in der väterlichen Erziehung diese Strenge und ein Konservatismus, der keinen Ausbruch erlaubte. Das habe ich aufgesogen. Mein Vater hätte allen Grund gehabt, meine Mutter zu verlassen. Sie hat ihre mütterlichen Aufgaben vernachlässigt und konnte aufgrund ihres Alkohol- und Nikotinmissbrauchs noch nicht einmal sie selbst sein. Er hat es nicht getan und sogar ihren Wunsch respektiert, nicht ins Krankenhaus gehen zu wollen, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Dadurch hat er sie doch verloren. Ist das Liebe oder einfach Angst vor einer Veränderung?

Auch im Beruf glaubte ich stets, durch gute Arbeit andere zu überzeugen. Vor allem aber für mich selbst war es wichtig, auch wenn ich beim Erfolg bei anderen zweifelte. Mir war es nicht möglich, geringem Aufwand großen Erfolg zu haben. Da machte ich lieber das, was andere nicht wollten: mit großem Aufwand wenig Erfolg bei anderen zu haben. Ein Soldat lehnt sich eben nicht auf. Das mag blöd sein, ist aber ein Teil von mir. Ein Teil meiner vielschichtigen Welten. Ich bin nicht ich selbst, ich habe mich und brauche nicht mehr. 

Montag, 18. Januar 2021

Wissen

"So stürzen die Menschenleben in einander, und wenn man's nicht aufschreibt, vergißt man's und viele wissen gar nicht, was sie alles erlebt haben." 

Das schreibt Heinrich Laube in seinem Buch "Eine Fahrt nach Pommern und der Insel Rügen" von 1837.

Es gibt Erkenntnisse, die sind und bleiben aktuell. Ich neige dazu, mir Dinge aufzuschreiben, lese sie allerdings danach kaum wieder und bin dann oft erstaunt, wenn ich über alte Texte zufällig stolpere.  Sowohl Erinnerungen als auch Dinge können verloren gehen, wie ich nachstehend beschreibe. 

 Zunächst schien es mir, als sei ich auf einer Klassenfeier. Ich sprach jedoch mit keiner Person, beschränkte mich auf die reine Anwesenheit, obwohl jemand für mich da war. Als ich das Treffen verließ, hatte ich vier Bücher unter dem Arm, die mir wichtig waren. Bevor ich den Nachhauseweg antreten konnte, hatte ich sie nicht mehr. Sie waren wohl irgendwo liegen geblieben. Zu spät um zurück zu gehen und sie zu suchen, denn meine Bahn fuhr ab und ich fand nur mit Mühe einen Platz. Ich rekapitulierte den Inhalt eines Buches vor meinem geistigen Auge. Das gelang mir, aber die restlichen drei waren verloren.  



 

Donnerstag, 14. Januar 2021

MyLife 1983 - 1988

 Woher - Wohin?

Zu Anfang dieses Posts lasse ich zunächst meine "Zentrale" in Kassel zu Wort kommen.

Mutter am 3.1.1983:

"Wir freuen uns auf Deinen Besuch am 22.1. und bitten Dich, die Ankunftszeit deines Zuges anzugeben. Dein Vater wird Dich am Hauptbahnhof abholen. ... Auf ein frohes Wiedersehen, herzliche Grüße von Deinen Eltern."

Mutter am 19.5.1983:

"Wir fahren am Sonnabend, also übermorgen nach Mainz und kommen zuerst bei Euch vorbei. Wir würden also ungefähr um 8 oder 9 Uhr da sein. "

Die Karte erreichte mich am Morgen des Tages, an dem sie kommen wollten. Wir waren an diesem Tag nach Lemgo gefahren. Es war für mich zu spät, um noch irgend etwas zu regeln. Meine Mutter rief mich wegen jeder Kleinigkeit, wegen jedem Streit mit Vater an. Nicht aber wegen des Besuchs, dieser Versuch blieb der einzige. Sie besuchten mich nie wieder. 

Mutter am 13.7.1983:

"Bekamen heute deine Karte und freuen uns auf deinen Besuch am Sonnabend. Du kannst natürlich gerne hier übernachten, ich nehme an, Ruth holt dich am Sonntag hier wieder ab."

Bruder Frank am 30.7.1983:

"Vielen Dank für deinen Brief und das Geld. .. Ab 1. August arbeite ich in der Werkstatt in Bergshausen."

Bruder Frank am 28.1.1984:

"Für den Glückwunsch zu meinem Geburtstag vielen Dank. Es ist nun leider schon so, dass man sich in der Werkstatt über deine Postsendungen wundert und ich schon gefragt wurde, warum du so handelst. Ich habe die Eltern über die Gespräche, die du mit Herrn Reichhold und Herrn Hohlbein geführt hast, soweit ich es erfahren konnte, informiert, das ist für mich selbstverständlich... Ich möchte dich nun bitten, wenn es so ist, dass du Interesse an mir hast, , Briefe und Postsendungen wieder mit meiner normalen Adresse zu versehen. Die Schwierigkeiten, die du mit meinem Vater hast, bedrücken mich ebenfalls, aber ich sehe keinen Sinn darin, dieselben durch irgendwelche Maßnahmen , die sich gegen die Eltern richten, noch zu vergrößern."

Mutter am 9.9.1984:

""Frank fühlt sich in der Werkstatt ganz wohl, ist aber sonst sehr unzufrieden mit sich und hat öfters Probleme mit seinem Vater. Er soll auch einmal in der Woche ärztlich behandelt werden. Wie du das ja auch meintest, ich halte das auch für richtig... Es liegt nun an deinem Vater, wann wir mal nach Lemgo fahren. Ich habe genug geredet."

 Anfang 1985 teilte mir meine Mutter endlich eine Rufnummer meiner Eltern mit.

Manchmal sind die Originalzitate immer aufschlussreicher als die eigene Erinnerung. Wir lebten derweil unser eigenes Leben. Die Spaltungsversuche der Eltern waren lästig und belastend. Für Frank fühlte ich mich teilweise verantwortlich, ohne wirklich etwas für ihn tun zu können. Mein Vater wurde schließlich sein Betreuer und betrachtete mich lediglich als verlängerten Arm. Eine eigene Meinung habe ich oft kundgetan, aber gegen den Willen eines Kranken ist nichts möglich. Trotz meiner Hilflosigkeit in der Angelegenheit gab ich nicht auf. Letztlich stand aber mein eigenes Überleben im Vordergrund. Zunächst einmal kauften wir uns unser erstes gemeinsames Auto. Ein Sondermodell des Audi 80 CL war unsere Wahl. Ruth kaufte gerne Autos, die gleich verfügbar waren. Und so kamen wir bereits im Januar 1983 zum ersten Neuwagen. Unser Auto blieb meinem Chef nicht verborgen, der es gleich beäugte. Er selbst fuhr Ford Granada, in meinen Augen kein besonders schickes Auto. Bereits im Februar verreisten wir mit unserer Neuerwerbung nach Toblach in Südtirol. Mit an Bord war meine Schwägerin, mein Schwager reiste aus Lemgo an. Wir unternahmen gemeinsam eine Dreipässefahrt von Toblach aus über Cortina d'Ampezzo, den Falzarego-Pass, Pordoi-Pass und letzlich über den Sella-Pass nach Bruneck und dann zurück. Am meisten aber blieb mir das Langlaufen um den Toblacher See, auf den Plätzwiesen und vor allem auf der Loipe Richtung Cortina in Erinnerung. Dieses Laufen durch die tiefverschneite Berglandschaft und die Wälder, das war ein bleibender Eindruck. Auch in Sexten liefen wir bis zu den Drei Zinnen mit unseren Skiern. Das Einmalige an den Dolomiten ist eben, dass man sehr dicht an die meist schmaleren Berggipfel heran kommt. Lange Jahre hatte ich ein vergrößertes Foto mit der Aussicht vom Passo Pordoi an der Wand hängen. Fasching mit Tanz wurde auch gefeiert in unserem Gasthof Strobl. Zwischendrin fuhr mein Schwager noch nach Lemgo zurück, weil er einen Anruf erhalten hatte und etwas Dringendes seiner Anwesenheit vor Ort bedurfte. Er kehrte umgehend danach zurück, um seinen Urlaub fortzusetzen und fuhr die ganze Tour allein. Das bewunderte ich schon damals, denn ich fuhr ja nie allein.  

Weitere Urlaube führten uns in 1983 nach Cadro im Tessin/Schweiz und zum Jahreswechsel 1983/84 nach Neukirchen am Großvenediger in Österreich. Im Sommer lösten lösten wir unsere Wohnungsfrage. In Frau W. fanden wir eine Vermieterin, die uns eine Drei-Zimmer-Wohnung am Feldrand in Frankfurt-Kalbach anbot. Sie wollte zunächst von uns Verdienstbescheinigungen sehen, das war wohl das an sich entscheidende Kriterium für sie. Sie ließ sich aber von uns überzeugen und wir bekamen die Wohnung ab August 1983 auch ohne die Vorlage. Der neue Wohnort erleichterte unser Leben erheblich, denn mir war es möglich, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, alternativ standen uns Bus und U-Bahn zur Verfügung. Das einzige Manko an der Wohnung waren die durchweg mit gelber Rauhfasertapete beklebten Wände. Ich beschränkte mich erst mal darauf, wenigstens das Wohnzimmer neu zu tapezieren. Der Wegzug von Burgholzhausen fiel uns einigermaßen leicht, vor allem nachdem ein Nachbar unter uns nachts einmal das schön gekrächzte Lied von den weißen Tauben, die müde werden, in Dauerschleife und natürlich nicht in Zimmerlautstärke laufen ließ. Wir waren es gewohnt, terrorisiert zu werden. In Kalbach gab es zunächst lediglich eine Familie, die uns mobbte. Wir hatten  eine gewisse Familie Kunze gegrüßt, ohne Antwort zu erhalten und folglich missachteten wir zukünftig den Grüßzwang. Seitdem schauten sie uns sehr verbissen an.  Das waren schon recht feine Leute, die obwohl sie auch nur Mieter waren, sich als etwas Besseres fühlten. Ich unternahm derweil erste Erkundungen in der damals noch sehr dörflichen Umgebung. In der Kätcheslachmulde stand eine schöne Weide, die in mir heimatlosen Gesellen heimatliche Gefühle entfachten. Ich habe sie fotografisch verewigt.



Der Jahreswechsel in Neukirchen verlief turbulent. Wir reisten über den Achenpass und den Gerlospass an. In Gerlos übernachteten wir in einer kleinen, einfachen Pension. Am nächsten Tag erreichten wir unser Hotel. Wir lernten dort eine Berlinerin mit ihrer kleinen Tochter kennen. Da sie ohne Auto unterwegs waren, nahmen wir sie mit zum Skifahren. Auf der Gerlosplatte war sowohl Langlauf, als auch das alpine Skifahren möglich. Ich versuchte mich alpin, bat um nicht zu schnelle Ski beim Verleih und bekam prompt schnelle. Unsere neue Bekannte stellte schnell fest, dass unser Auto noch relativ neu war. Es kam offensichtlich an, sowie ich bei ihrer kleinen Tochter ankam. Das Hotel hatte auch ein Schwimmbad und da alberten wir gemeinsam ganz schön herum. Unsere Unterbringung war nicht ganz so schick. Wir waren in einem Anbau mit Blick in den Hinterhof und auf die Mülltonnen untergebracht. Aber wir hielten bis Silvester durch. Am Abend kurz vor dem Jahreswechsel kam es noch zu einem kleinen Eklat. Ein Marburger Student, Sohn unseres saarländischen Tischnachbars, nahm mir die letzten Tänze mit Ruth weg. Ich saß gelangweilt und eifersüchtig herum, was nicht unbemerkt blieb. Ich verließ den Raum, um in den nahegelegenen Ort zu gehen und mein Mütchen abzukühlen, wurde aber noch rechtzeitig abgefangen. Dadurch wurde aber unserer Berliner Bekannten klar, dass ich mich nicht von ihr abwerben lassen wollte. So begann also das Jahr 1984.

Unsere Reisetätigkeit ließ nicht nach. Zunächst flogen wir im Juni 1984 nach Mallorca, damals war das noch die Putzfraueninsel. Auch hier landeten wir zunächst erst einmal im Personalzimmer, da das Hotel überbucht war. Schwarze Haare im Bett sorgten für wenig Romantik. Aber auch die Berge zogen uns weiterhin an. Nauders in Österreich war es im Herbst.  Schicksalhaft entschied sich unsere  Familienplanung aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen zwischendrin. Ein Sternenkind ist eben kein richtiges Kind. So fuhren wir allein nach Döbriach am Millstätter See. Auch in Döbriach waren wir in einer Depandance untergebracht und verbrachten sowohl Weihnachten, als auch Silvester, im Hotel Burgstaller. Vor allem das Weihnachtsfest war von der Wirtsleuten sehr stimmungsvoll organisiert worden. Die Verpflegung war einwandfrei. Leider ließen die Leistung hinterher spürbar nach. Aber von der Wirtsfrau bekamen wir einen handgestrickten Pumuckl, der noch heute in unserem Auto hängt. Als wir nach hause fuhren, sollten wir wir uns sogar noch einmal melden, wenn wir angekommen wären. Das war schon sehr einmalig, ebenso wie die schöne Gegend, wo Bad Kleinkirchheim zum Langlauf lockte. 

Die nächsten Jahre gestalteten sich ereignisreich. Privat versuchten wir, Kontakte zu finden. Wir tanzten mal in Frankfurt, mal beim TC Rondo in Frankfurt-Harheim, wir waren Mitglieder in einem Kegelclub und wir machten die einmalige Erfahrung mit dem sogenannten Fair-Play-Club. Hier luden sich die teilnehmenden Paare jeweils zuhause mit Bewirtung ein. Ein merkwürdiges Konzept, was selten aufging. Insgesamt hatten wir keinen dauerhaften Erfolg mit unseren Bemühungen. Unsere Adoptionsabsichten eines Kindes mussten wir, nachdem wir die Bedingungen der zuständigen Behörde in Frankfurt zur Kenntnis genommen hatten, aufgeben. Die Crux war, dass ich weniger Geld verdiente als meine Frau. Ich hätte also für die Kindeserziehung zuhause bleiben müssen und danach sicher keine Arbeitsstelle mehr gefunden. Eine Arbeitsstelle wie die meinige im Peter Lang Verlag war eigentlich nur noch mit abgeschlossenem Studium zu bekommen. Zudem war mein Ausbildungsberuf "Buchhändler" kein Garant für ein gutes Einkommen. Bliebe Ruth zuhause, würde das Geld knapp. Da unsere Verwandtschaft ziemlich weit entfernt wohnte, hätte es auch keine Möglichkeit für eine zeitweise Kinderbetreuung gegeben. 
Wir unterstützten finanziell ein Kind auf den Philippinen mit einer Patenschaft bei Plan International. Sie hieß Mercy Megbanua und wir korrespondierten einige Jahre. 
Weiter blieben wir unserer Reistätigkeit treu. Den Wimbledonsieg Boris Beckers sahen wir in einem Ferienzimmer in Büsum. Meinen 30. Geburtstag konnten wir zusammen mit meiner Schwiegermutter in Täsch/Schweiz feiern. Über den Genfer See reisten wir an, dort fühlte ich mich bei einem Zwischenstopp nicht wohl. In Täsch hatten wir eine große Ferienwohnung gebucht. Ringsherum riesige Felswände, die den Ort begrenzten. Da waren Alpträume vorprogrammiert. Alpin geriet ich hier an meine Grenzen. Dennoch gingen wir als erste Wanderung, teilweise oberhalb der Bahnstrecke, nach Zermatt. Ansonsten fuhren wir dorthin mit dem Zug und machten unsere Touren vom Ort aus. Den Höhepunkt bildete unser Aufstieg zum Schwarzen See. Schwiegermutter hielt erstaunlich gut mit. Von dort aus mussten, wir, da wir den Abstieg nach Zermatt nicht mehr geschafft hätten, mit einer kleinen Seilbahn fahren. Wiederum geriet ich aufgrund meiner Höhenangst an meine Grenzen, aber eine Alternative gab es nicht. Wie so in meinem Leben musste ein Weg gegangen werden. 
Im Oktober 1985 schließlich starb meine "Oma" Paula Dreyer im Alter von 94 Jahren.
Zunehmend interessierte mich die Herkunft der Familie Dreyer und hier vor allem die Frage, wer nun eigentlich wirklich mein Großvater war. Das meine Großmutter nicht Paula Dreyer war, sondern eine gewisse, bei der Geburt minderjährige, Frieda Dreyer, das wusste ich bereits. Was mein Vater von sich gab, war dass ein alter Mann sein Erzeuger gewesen sein sollte. Dieser Aussage misstraute ich. Zudem sollte die Großmutter bei der Geburt, also bereits 1929, verstorben sein. Letztere Behauptung ließ sich widerlegen. Es gelang mir, an die Abschrift einer Sterbeurkunde zu kommen, aus der hervor ging, dass sie erst 1939 verstorben war. Die Familiengeschichte habe ich ja bereits ausführlich im Blog nieder geschrieben. Sie ist ein Stück auch Kolberger Geschichte.

Letztlich war es dem Rest der Dreyerschen Familie in Kassel klar, das ist die Familie meines Halbonkels Siegward, dass Kurt Dreyer, dessen Vater, auch der Vater meines Vaters war. Er hatte mit der Tochter seines Bruders Johannes ein Kind gezeugt und es dann in seine Familie aufgenommen. Seine Frau Paula war naturgemäß nicht begeistert über dieser zusätzlichen Esser, was die Kindheit Vaters sehr erschwerte. 
 
Aber von den älteren Generationen erfuhr man nichts oder nur halbe Wahrheiten. 1986 trat ich aus der Kirche aus, da ich die Kirchensteuer lieber sinnvoll in der Patenschaft anlegen wollte.  Im Lang Verlag ging es derweil noch familiär zu. Mittags wurde im nahe gelegenen Gemüseladen Salat gekauft, in einer großen Plastikschüssel zubereitet und gemeinsam gegessen. Bei der Sekretärin, Frau W. lief ich als Wölfchen durch und sogar mit Stefan K. verstand ich mich. Immerhin trafen wir uns mal in Bad Homburg abends in der Kneipe, wo ich ihm von meiner Familie erzählte. Er nahm sogar meinen Vater in Schutz und meinte, ob ich glaubte, dass das alles für ihn so einfach wäre. Über allem schwebte unser Chef, der auch seine Probleme mit dem 40. Geburtstag hatte. Das Alter machte ihm zu schaffen. Selbst hatte er keine Kinder, war aber langjährig verheiratet und hatte einen Hund. Der genügte ihm aber wahrscheinlich nicht, um seine patriarchischen Neigungen auszuleben. So gab er mir Ratschläge. So sollte ich mich von meinem Bruder fernhalten, weil mich das herunter ziehen würde. Und Musik würde mich nervös machen, also lieber nicht. Dann wieder kontrollierte er gern. Als er mich einmal vor meinem leeren Schreibtisch antraf, fragte er mich, was ich mache. Darauf antwortete ich, dass ich mir überlegen würde, was ich als nächstes tue. Stimmte tatsächlich, freute ihn aber wahrscheinlich nicht. Meine Arbeit machte ich dabei gern. Immerhin hatte ich renommierte Wissenschaftler als Hersteller zu betreuen. Pierre Grappin, Literaturprofessor aus Frankreich oder Giovanni Pontiero, der ein Buch über die italienische Schauspielerin Eleonora Duse beim Lang Verlag veröffentlichte. Letzteres war sogar ein Hardcover. Mit Sybille W. und Stefan K. trafen wir uns sogar bei uns zuhause zum Doppelkopfspiel und einmal auch bei Stefan. Dabei offenbarte uns sein Kühlschrank ein kleines Geheimnis. Mehrere Piccolos füllten ihn und das im Haushalt eines Antialkoholikers. Aber die kollegiale Idylle im Verlag sollte nicht anhalten. Zunächst bekamen wir einen IBM-Rechner und mussten uns auf neue Arbeitsabläufe einstellen. Ich war davon wenig begeistert. "Es wird immer nur mit nackten Zahlen operiert, ohne den beträchtlichen Verwaltungsaufwand zu sehen, den die EDV nun einmal mit sich bringt. Die EDV, das große Wunderding, das von allein arbeitet." Dann setzte uns Herr J. Mit einem Herrn Sickel einen echten Abteilungsleiter vor der Nase. Marianne St. war das irgendwie inoffiziell, hatte aber viel zu wenig Distanz zu uns. Sickel, seines Zeichens Fechter, war fachlich sicher besser als wir alle prädestiniert für die Herstellungsleitung, hatte aber keine Ahnung von Personalführung. Das in Deutschland so beliebte Konzept der negativen Motivation lebte er. Fortan war es klar, dass wir alle nicht mehr bei wichtigen Gesprächen mit Autoren dabei sein würden. Einen neuer Kollege kam mit seiner Arbeit gar nicht hinterher. Der wurde nun nicht richtig getriezt. Anstatt ihn einfach während der Probezeit zu kündigen, ließ man es zu, dass er versuchte seine Arbeit während unbezahlter Überstunden, auch am Wochenende, zu schaffen. Auch das misslang und letztlich wurde er trotzdem gekündigt. Ein weiterer Umzug erfolgte in ein modernes Bürohaus in Frankfurt-Rödelheim. Herr Sickel bekam nun auch ein eigenes Büro. Das Jahr 1987 endete mit einer Weihnachtsfeier, an der die Herstellungsabteilung nicht teilnahm. Unter uns hatten wir kollegial beschlossen, uns stattdessen alternativ zum Essen zu treffen und uns das selbst zu bezahlen. Der Abend war sehr schön, hatte aber schwerwiegende Folgen für mich. Natürlich erfuhr Herr J. von unserem Treffen und ich bekam dafür eine schriftliche Abmahnung. Die sollte ich unterschreiben und als ich dies nicht ohne weiteres akzeptieren wollte, drohte er mir und meinte, ich solle das nicht aufbauschen. Unser Abteilungsleiter machte Druck, es waren Überstunden zu leisten, die dann irgendwann auch bezahlt wurden. Insgesamt war das Jahr 1988 sehr belastend. 
Ruth und ich machten im Mai eine Busfahrt nach Spanien mit, die eines der touristischen Highlights unserer Urlaubsreisen war. Die mehrtägige Reise führte uns nach Südspanien mit Granada und zurück über Sevilla und die Atlantikküste. Ein Abstecher nach Tanger wurde von Tarifa aus unternommen. 
Ich schrieb darüber: "Es war alles in allem eine reine Tourismustour und die Rückkehr nach Spanien tat gut."
Nicht so gut wie die Rückkehr nach Deutschland, denn als ich zurück ins Büro kam, stapelte sich dort schon wieder die Arbeit. Mein Ausgleich bestand privat immer noch im Joggen, was mein Körper zeitweise mit Knieschmerzen quittierte und im Erlernen des Zug-Posaunespiels. Ich war Mitglied im Kalbacher Posaunenchor und brachte es sogar noch fertig, unseren jungen Übungsleiter im Lang Verlag als Hilfskraft einzuschleusen. Längst war ich auf Stellensuche, erfolglos allerdings, bis Ruth schließlich eine Chiffre-Anzeige in der Frankfurter Rundschau entdeckte. Ein Mitarbeiter, der Spaß am Umgang mit Zahlen haben sollte, wurde von einem Verlag für Wertpapierinformationen gesucht. Eine Frau H. empfing mich dort, ich musste am Bildschirm die Daten aus einem Meldeformular eingeben. Das war nicht weiter schwierig, wenn ich an meine Arbeit im Lang Verlag dachte. Ich fragte dann nur überrascht "Das war alles?" und das fand wohl eine positive Resonanz. Ich selbst dachte: " Aber gerade angesichts der vielfältigeren Arbeitsbelastung stellt sich die Frage, ob eine "langweiligere" Arbeit nicht sogar sinnvoller wäre."
Auf diese Art und Weise gestimmt, erhielt ich aber schon bald den Anruf aus der Personalabteilung mit der Mitteilung, ich könne mir meinen Vertrag abholen. 
Eine lange Zeit der Unsicherheit über meine berufliche Zukunft ging damit zu Ende. Vieles hatte ich überlegt und auch den Kauf einer Eigentumswohnung, der immer mal wieder auf dem Plan stand, hatten wir aufgrund meiner Unsicherheiten doch immer wieder fallen lassen, zumal uns auch ein Verkäufer tatsächlich mal sagte, unsere Mietwohnung sei doch auch ganz schön. Zudem, viel gespart hatten wir auch noch nicht und die Banken hatten nicht gerade Spendierhosen an und waren eher nicht geneigt, uns mit einer Finanzierung den Immobilienkauf zu ermöglichen.
Unglücklicherweise kündigte ich relativ früh beim Lang Verlag und setzte mich damit den gemeinsamen Schikanen von Herrn J. und Herrn Sickel aus. Immer wieder wurde ich zu "ordentlicher Arbeit" ermahnt, immer wieder gab es Überstunden und wurden kleinste Versäumnisse kritisiert. Ich befürchtete zu Recht, dass mich der Lang Verlag über den 30.9.1988 hinaus noch beschäftigen würde. 
In Kassel bekam man von meinen Turbulenzen wenig mit. Vater hatte bereits im August einen leichten Herzinfarkt erlitten, den er übergehen konnte. Auch für ihn war das Ende des dritten Quartals das Ende seiner Arbeit, allerdings endgültig. 
Im Lang Verlag fand eine rührende kleine Verabschiedung für mich und eine andere Kollegin statt. Während mich die Damenwelt eher weniger gern gehen sah, besonders Kollegin Juliane war sehr gerührt, verhielt sich Herr J. eher neutral, wollte mich lediglich darüber ausfragen, was ich denn zukünftig arbeiten würde. Als ich mich von meiner Kollegin Irene M. mit einem Küßchen auf die Wange verabschiedete, sagte sie "Jetzt macht der das." Sie war meine direkte Zimmerkollegin und ich mochte sie auch. Sie war ein bisschen kurzsichtig, sodass immer wieder lustige Sachen passierten, die sie selbst mit einem originellen "Huppala, Pardon" kommentierte. So etwas vergisst man nicht. Sie war überhaupt frankophil, was zu ihrem dunkelhaarigen Typ passte, und durch sie kam ich etwas näher an Edith Piaf heran. Sie überspielte mir sogar einige Lieder. Aber es war, wie es war. Meine Lust auf Abenteuer hatte Grenzen, die privaten und beruflichen Unsicherheiten, die ich zu meistern hatte, waren für mich genug. Von den Kolleginnen und Kollegen gab es sogar Abschiedsgeschenke und ich rückte in einen chaotischen Urlaub ab. 
Das Ziel war eigentlich Jugoslawien, doch an der Grenze gerieten wir in einen langen Stau. Wir kehrten bei strömenden Regen um und mieteten uns in Duino im Duino Park Hotel ein. Das war teuer, aber eines der besten Hotels, in dem ich je war. Unsere Rückfahrt führte uns dann in die Südtiroler Berge nach Sexten und schließlich Innichen. Ruth hatte hier als Jugendliche eine Fahrt mitgemacht und war auch wegen ihres damaligen Freundes noch sehr angetan von der Gegend. Über Mayrhofen (Zwischenstopp) und den Achenpass ging es dann zurück nach hause. Das Autobahnfahren fiel mir immer schwerer, von der Erholung blieb wenig. 
Aufgrund meines Ausscheidens beim Lang Verlag wollte ich auch mit dem Übungsleiter Michael nichts mehr zu tun haben und beendete meine Mitgliedschaft dort. Michael verstand sich gut mit meiner Kollegin Irene und verhielt sich auch ansonsten sehr opportunistisch. Ich war beim Frankfurt Marathon vom Verein Spiridon aus als Streckenposten tätig und hörte dort das Frankfurter Fanfarenkorps spielen und erkundigte mich nach Möglichkeiten zum Mitmachen. Ich stellte mich dort bald vor und machte danach mit. Entspannung fand ich eigentlich nur beim gelegentlichen Pfeifenrauchen und dem Joggen. Während der ersten Tage bei der Börsen-Zeitung, meinem neuen Arbeitgeber, lernte ich gleich den Geschäftsführer, den Herrn E. kennen. Der eröffnete mir, dass ich mehrere Abteilungen wie in einer Ausbildung, durchlaufen sollte, um dann eine endgültige Position zu finden. Zuerst kam ich in die Kursredaktion der Zeitung, wo die Stammdaten für die zu veröffentlichenden Wertpapiere für die Erfassung durch die Börsen-Daten-Zentrale vorbereitet wurden. Mein Arbeitsplatz war hier deutlicher schlechter ausgestattet als im Lang Verlag, dennoch war ich von der sachlichen Atmosphäre im Haus erleichtert. 
Der Lang Verlag zeigte in Gestalt von Herrn J. seine Krallen. Zunächst ein Brief vom Chef, der Geldforderungen beinhaltete, denn ich hätte in den letzten Wochen schlecht gearbeitet und es seien durch Neudrucke Kosten entstanden. Nichts vom mir zustehenden Urlaubsgeld oder von einem Zeugnis. Eine von mir beauftragte Anwältin vertrat mich so schlecht, dass ich als Mitglied der Gewerkschaft HBV den dortigen Anwalt mit der Wahrung meiner Interessen beauftragte. Gewerkschaft, das bedeutete Satan für solche Leute wie Herrn J. bei Lang. Ich bekam dann erst mal ein schlechtes Zeugnis. Doch ich blieb hart und hätte es auf einen Arbeitsgerichtsprozess ankommen lassen. Erst am Jahresende war Schluss. Ich erhielt einen unverschämten Brief von Herrn J. mit dem Scheck über mein Urlaubsgeld und das korrigierte Zeugnis.
Eigentlich hätte ich hier privatrechtlich noch vorgehen müssen, aber ich hatte keine Lust, das neue Jahr mit altem Ärger zu beginnen. von mir ging der Streit ja auch nicht aus. Überflüssig zu sagen , dass mir auch die betriebliche Altersversorgung in Gestalt eines Versicherungsvertrags nicht mitgegeben wurde. Dennoch gab es immer noch positive Erinnerungen, wie die Danksagungen von Autoren und die gute Zusammenarbeit mit den Autorenbetreuern der externen Verlagsbüros.


Danksagung von Giovanni Pontiero - Ergebnis einer schönen Zusammenarbeit von mir und Stefan K. 

Ich hatte selbst genügend andere Probleme - Weihnachten in Lemgo und Querelen mit meiner Schwägerin - der immer schlechtere Zustand meines Bruders. Veränderungsabsichten auch bezüglich des Wohnorts, denn in Frankfurt schien nichts sicher. Wir fuhren mittlerweile einen sportlich aussehenden Golf, da wurde uns kurzerhand einmal der GTI-Kühlergrill abgeschraubt, der Verdacht fiel auf einen Nachbarn. Meinem Schwager wurde bei einem Besuch das Dach seiner 2CV-Ente aufgeschlitzt. "Meine Familie, meine Perspektive ohne eigene Kinder, große Probleme für mich."
Und weiter: "Die Sprachlosigkeit der Hessen im Rhein-Main-Gebiet ist übermächtig. Wenn sie den Mund aufmachen, dann nur zum Bescheißen. Sollte mein Vater recht behalten?"
  

 

  



Montag, 4. Januar 2021

Down gelockt

 Nun sollen wir wahrscheinlich weiter dafür her halten, um eine Viruserkrankung angeblich in den Griff zu bekommen. Das Infektionsschutzgesetz macht es möglich. Eine Opposition zu dieser desaströsen Regierungspolitik scheint kaum möglich. Die merkwürdige Einkaufspolitik in Sachen Impfstoff wird uns von den Staatsmedien schön geredet. Generell wird Widerspruch zu den Corona-Schutzmaßnahmen nicht geduldet. Zwar sperrt man niemanden ein, aber man diffamiert und ignoriert die Andersdenkenden. Zudem suggerieren uns auch wieder die Medien eine Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierungspolitik. Die Regierung will uns angeblich schützen und beschneidet dabei unsere wesentlichen Grundrechte. Sie fragt nicht danach, ob wir geschützt werden wollen. Sie informiert nicht, sie macht Meinung mit aufwendigen Spots im Fernsehen. Zu ihren Fehlern muss sie nicht stehen. dabei ploppt nun alles auf. Das fehlende Krankenhauspersonal aufgrund der Schließungen und Sparmaßnahmen von und in den Kliniken in der Vergangenheit. Die mangelhafte Ausstattung und der schlechte Zustand unserer Schulen, daran hat sich seit dem Sommer nichts geändert. Die Zustände in den Alten- und Pflegeheimen, den Hotspots für Corona schlechthin, auch hier war noch nicht einmal das Geld für Coronatests des Personals da. Das fehlende Personal auch hier, weil wir in Deutschland unsere Anforderungen an die Pflegekräfte durchsetzen wollen und ausländische Qualifikationen teilweise nicht anerkannt werden. Das sind die Ursachen, warum wir alle noch länger eingesperrt werden, die Wirtschaft blockiert wird. Darüber gibt es nichts im Fernsehen, stattdessen Hubschrauber über den Städten, die zeigen sollen, dass die Bevölkerung schön brav zuhause bleibt. Aufregung über Schlitten fahrende Kinder und Coronapartys, das sind die Themen. Filmerei auf Intensivstationen, wo es scheinbar nur noch Coronakranke gibt. Jedem, der die Coronamaßnahmen der Regierung unterstützt, dem wird Sendeplatz im Fernsehen gegeben, die treuen Virologen und die Ärzte der Intensivstationen, die anscheinend Zeit genug für Fernsehauftritte und Präsenz in den sozialen Medien haben. On top die unerträgliche Medienpräsenz der Regierungsclique, an der Spitze mit den Herrn Söder und Spahn, die ja so eine tolle Arbeit leisten. Geleistet hat sich die Politik viel. Eine Corona-App, die nichts bringt und milliardenschwere Subventionen für Großunternehmen. Nebenbei haben wir eines der größten Parlamente der Welt, in Sachen Lockdown wird es gar nicht gefragt, und ein Bundeskanzleramt, das auch noch schöner werden soll. Ach ja, und der Flughafen BER muss auch noch wegen Corona weiter gestützt werden. Da nehmen sich die ca. 500 Millionen, die Herr Scheuer mit der missglückten PKW-Maut versenkte, noch wie Peanuts aus. Aber Herr Scholz hat ja Geld, woher, das sagt er nicht. Es ist auch sehr unpopulär, darüber nachzudenken. Aber es hilft ja nichts. Vielleicht wäre der Lockdown  unserer Regierung die beste Lösung.