Dienstag, 22. Januar 2013

Josh Bazell - Beat the Reaper (Schneller als der Tod)

Viele neue Ausdrücke habe ich bei der Lektüre des Buches gelernt: dimpshit, fuckhead und shmuck sind drei von ihnen. Viele andere sind mir entfallen, denn es wimmelt nur so von Kraftausdrücken in diesem Buch. 
Die Story beginnt mit dem Arzt Dr. Peter Brown, der am Katholischen Hospital von Manhattan seinem stressigen Dienst nach geht. Wie er dort hin gekommen ist, klärt nach und nach die Retrospektive auf. 
Es handelt sich um ein Zeugenschutzprogramm der Stadt New York, das ihm diese neue Karriere ermöglicht hat. Dr. Brown heißt ursprünglich Pietro Brnwa und da sich seine Eltern nicht viel zu sagen hatten, wuchs er bei den Großeltern auf, die als polnische Einwanderer in New Yersey lebten. Beide werden Opfer einer scheinbar sinnlosen Gewalttat. Pietro findet sie ermordet auf. 
David Locano, Anwalt und Bekannter der Familie, nimmt den jungen Pietro in die Familie auf. Sein Sohn mit dem Spitznamen Skinflick ist schon bald der beste Freund. Die beiden lernen zusammen Kampfsportarten und hängen ab, doch Pietro hat einen Plan. Er will die Mörder seiner Großeltern rächen. 
Mit David Locanos Hilfe erhält er die nötigen Informationen und bringt die beiden Brüder, die als bekannte Mafiamitglieder unterwegs sind, um. Fortan ist Pietro damit beschäftigt, missliebige Personen im Auftrag der Mafia zu erledigen. Und er ist sehr erfolgreich, bis, ja bis er eines Tages endlich ein Mädchen findet, in das er sich verliebt. 
Er will nun aussteigen, wird aber von David Locano überredet, einen letzten Auftrag gemeinsam mit seinem Sohn Skinflick zu übernehmen. Die Sache geht schief, weil Skinflick versagt, Pietro landet im Knast. 
Die angeblich vorhandenen Spuren am Tatort erweisen sich nach durchgeführter DNA-Analyse als wertlos. Doch Pietro wird nach seiner Freilassung als ehemaliger Hitman in Gefahr sein. 
Zunächst lockt ihn Skinflick in eine Falle, die dem Bruder der Freundin das Leben kostet. Pietro erfährt noch die wahre Identität seiner Großeltern, die als Ukrainer für die Deutschen im KZ Auschwitz arbeiteten, was auch der Grund für ihre Tötung war. Danach soll auch er sterben, es gelingt dank seiner Fitness mit der Freundin aus einem Haifischbecken zu entkommen, in das man sie gelockt hat. Zuvor bringt er die Killer um, die Skinflick mitgebracht hatte, um ganz sicher zu sein.
Doch ein weiteres Killerkommando ist  Pietro auf der Spur. Die Freundin stirbt auf einem Rastplatz im Kugelhagel, während Pietro davon kommt. Pietro wird sich rächen und Skinflick aus dem Fenster seines Appartments im  5. Stock eines Hauses werfen. Ihm bleibt nun keine Wahl mehr, er muss Teil des Zeugenschutzprogramms werden und wird zum Arzt ausgebildet.
Doch auch in der Gegenwart droht Ungemach. Ein Mafiaboss wird zum Patienten Pietros. Pietro muss sein Leben retten, wenn er nicht selbst umgebracht werden will. Doch bei der Operation des krebskranken Mannes passiert ein vermeidbarer Fehler, den die assistierenden Medizinstudenten begehen.
Dr. Peter Brown ist ein leidenschaftlicher Arzt geworden. So rennt er nicht einfach davon, sondern hilft weiterhin seinen Patienten, obwohl er weiß: das Killerkommando wird nicht lange auf sich warten lassen.
Es kommt also zum Showdown, in dessen Folge Pietro gefangen und gefesselt in ein Kühlhaus gesperrt wird. Skinflick lebt und soll ihn persönlich erledigen. 
Soviel sei verraten, die Sache geht für den Protagonisten günstig aus und ich habe ein weiteres medizinisches Detail kennen gelernt. Im Arm gibt es einen Knochen, der überflüssig ist. Heraus operiert und entsprechend geschärft, kann er jedoch als Messer dienen.

Einiges an diesem Buch ist sehr dick aufgetragen, doch Spannung ist garantiert, denn der Bogen reißt nie ab.

Ich habe mir im übrigen das Lesen der Fußnoten für das Ende aufgespart und denke z.Z. noch über einige medizinische Fakten nach, die mir sehr grundlegend zu sein scheinen.
Interessant sind auch die Details zu Pietros Besuch in Auschwitz, wo er die angeblichen Verräter seiner Eltern richten wollte.



 

Freitag, 18. Januar 2013

Gold - City of ..

Ich habe die Burg nun erreicht. Mühselig den weichen, als Pflaster getarnten Belag der Straße überquert. Die Burg hat einen Laden, wahrscheinlich Souvenirs. Aber auch das ist ein Fake. Alles ist zugeklebt, keine Tür offen, die Wand steht vom Boden ab und hat einen Zwischenraum. 
Wie immer, wenn die äußere Situation ausweglos erscheint, spielt mein Gehirn mir Musik vor.
Wie in einem Kaufhaus, nur das ich mich hier selbst beriesele. Ich habe keinen Einfluss auf die Auswahl.

" There beyond the bounds of your weak imagination

Lie the noble towers of my city, bright and gold
Let me take you there and show you a living story
Let me show you others such as me
Why did I ever leave?"

Die Burg liegt auf einem kleinen Hügel auf dem Berg, den ich hinauf kam. Von hier aus sehe ich, die Straße geht weiter, aber ich weiß nicht wohin.
Und mein Lied war zu Ende.


"They've got no horns and they've got no tail
 They don't even know of our existance
 Am I wrong to believe in the city of gold
 That lies in the deep distance, he cried and wept..
Hello friend, welcome home!


Die letzten Worte waren in mir noch nicht verhallt. Wie sollte es jetzt weiter gehen? 
Müdigkeit kroch in mir hoch. Einfach hin legen, liegen bleiben. 
So schlimm war es nicht.

Vater ist da. Ich fühlte mich wie aus dem Blau des Wassers gezogen, er redet, aber es dauert, bis ich etwas  verstehe. Er erzählt mir von einem Streit mit seinem Vater. 

und dass er sich eine neue kleinere Wohnung in unserer Siedlung nehmen wollte. 
(Was mir recht gewesen wäre, meinen Plan, eine kleine Wohnung in Parterre zu kaufen, in der er wohnen könnte, den hatte er abgelehnt.)

Meine Zeit läuft ab, wir spazieren zurück zum Bahnhof. 

So wie er mich geholt hat, bringt er mich.
Er bleibt allein zurück, während ich in mein Leben zurück kehre.

Dienstag, 15. Januar 2013

Gold - LXV

An einem sonnigen Tag sitze ich im Zug nach Kassel. Mein Vater wird mich vom Bahnhof Wilhelmshöhe abholen und wir werden Weg zur seiner Wohnung zu Fuß gehen. 
In einem Kopfhörer läuft "Time & Again".  
The sun brought me
The moon caught me
The wind fought me
The rain got me..
Schon die ersten Worte drücken meine Gefühle aus. Es ist schön und traurig zugleich.
Eine tiefe melancholische Stimmung erfasst mich, die ich kaum aushalte.

Am Bahnhof empfängt mich mein Vater. "Das kannst Du öfter machen" sagt er, während wir gehen und meint damit meinen Besuch. Wir werden in der Wohnung Musik hören, seine Musik. Er ist gut gelaunt.
Seine Hände haben dunkle blaue Streifen, ich frage danach. Er hat die alten Tonbänder vernichtet, nicht einfach weg geschmissen. Er hat sie mühsam von Hand abgespult. Da war Musik drauf von mir und von meiner Band. Er hat mich nicht gefragt vorher und wir sprechen nicht drüber.

Wir gehen zum Friedhof, zum Grab seiner Frau, meiner Mutter. Die Rosi, sie fehlt mir schon manchmal, wird er sagen. Beim Verlassen der Wohnung vergewissert er sich mehrmals, dass er den Schlüssel dabei hat. Ich kenne das. Wir gehen essen, weil ich keine Bratkartoffeln aus zerkratzten Pfannen mag. 
Wie hat Vater immer gesagt, er isst nicht bei alten Leuten. Das Lokal ist schön gelegen, "Schöne Aussicht" eben, Vater ist hier bekannt. 
In der Nähe haben die Eltern immer auf einer Bank gesessen. 
Die Luft, sage ich, ist hier besser als bei uns.


Montag, 14. Januar 2013

Gold - LXIV

Ich brauche nun noch ein Attest des Arztes, der ihn jetzt behandelt, um den Antrag auf Befreiung von der Zuzahlung bei der Krankenkasse zu stellen. Der Arzt sieht mich und meint, er wäre überrascht gewesen, dass mein Vater ansprechbar gewesen sei. Bei seiner Erkrankung sei nichts zu machen, nicht therapierbar. Als ich das Attest lese, wird mir klar, wie schwer krank Egon eigentlich ist. Ich bringe den Personalausweis ins Zentrum zurück. Bei der Gelegenheit erfahre ich von den Pflegerinnen, dass man nicht zufrieden ist mit den Informationen aus dem Krankenhaus. Eine sagt, in Frankfurt würde sie in kein Krankenhaus gehen. Nebenbei erfahre ich noch, dass Vater aggressiv auch gegen seine Pflegerinnen ist. Ich hatte gehofft, er hätte das überwunden. Auf mich wirkt er nicht aggressiv. Die Woche über nehme ich mir eine Auszeit, erledige Papierkram wie die erneute Beantragung seiner Pflegestufe, bin bei der Bank, um auch Vaters Konto endlich von der Kasseler Sparkasse umziehen zu lassen. Am Freitag Abend würde ich eigentlich gern hingehen, es klappt leider aus beruflichen Gründen nicht.  
So bleibt mir nur der Samstagnachmittag. Vormittags gehe ich zum Friseur. Mittags mache ich Besorgungen, wasche das Auto und tanke. Ich esse noch etwas, es scheint, als würde ich die Minuten schieben bis zum Wiedersehen..
Schließlich fahre ich und werde von Egon mit den Worten "Du lebst ja auch noch." begrüßt. Er soll bei der Pflege morgens angeblich kerzengerade sitzen, ich sehe ihn nur noch flach liegen. Sein Atem hat hörbar Widerstand. Ich stehe an seinem Bett. Er holt sich ein gelblich aussehendes Etwas aus dem Mund und gibt es mir in die Hand. Unschlüssig stehe ich da und weiß nicht wohin damit. Er fährt sich mit den Fingern den Mund am Gaumen entlang. Er will die Zähne im Mund haben, bekommt es aber allein nicht hin. Die Pflegerin kommt und hilft ihm. Er versucht es allein und ich vermute, er macht es falsch. Nein, nein, er hat das Gebiss richtig herum, korrigiert mich die Pflegerin. Dennoch gelingt es nicht so richtig, er ist im Mund zu verschleimt. Ich schiebe im Vorraum die Sachen der Pflegerinnen beiseite, um meine Jacke aufzuhängen. Ich räume den Schrank leer von Utensilien, die ihm nicht gehören.
Dann sprechen wir. Ich schlage vor, die Bilder mal aufzuhängen und für mich überraschend sagt er, das könntest Du mal machen. Leider habe ich in meiner Konfusion nur 3 Reißzwecken für das Poster vom Herkules dabei. So befestige ich es unten mittig mit einer.
Danach hänge ich große Bild von Klee neben den Kleiderschrank. Jetzt können wir uns mal unterhalten. Egon fragt, ob der Herkules noch eingerüstet ist, was ich bejahe. Er glaubt mir. Ich erwähne, dass ich am kommenden Wochenende zum 80. Geburtstag meiner Schwiegermutter eingeladen bin. Auf dem Rückweg will ich in seiner Wohnung noch nach  Gegenständen sehen, die ich ihm mitbringen kann. Er bemerkt, dass Kassel eben immer noch die Heimat sei. Ich sage nur ganz ruhig, dass meine Heimat damals keinen Arbeitsplatz für mich hatte. Darauf erwidert er nichts. Die Einladung zum 80. erzeugt keine positive Reaktion.
Es hätte ja auch anders sein können, aber nun sei es ja egal. Der Eckschrank in seiner Wohnung, der sei ja etwas. Er stellt sich wohl vor, wie sein neuer Fernseher nun ebenfalls in der Ecke platziert wird. Sonst interessiert ihn nichts, es kann alles weg. 
Ich komme auf das Thema Beerdigung zu sprechen. Vater hatte nach dem Tod meiner Mutter davon gesprochen, er habe alles für sich schon geregelt. Nun frage ich nach, was schon geregelt ist. Egon wiegelt ab, das wären alles nur Gespräche gewesen, nichts Richtiges. Damit ist das Thema für ihn erledigt. Allerdings fällt ihm nun das Grab der Mutter ein, seiner Frau, das er fast täglich besucht hat. Wer kümmert sich nun darum? Ich sage, dass ich einen Grabpflegevertrag abschließen werde. Ich habe mich nach den Kosten bereits beim Westfriedhof erkundigt. Wen ich im Falle des Falles benachrichtigen soll? Kassel, da ist ja nichts mehr. Bezogen auf die Verwandtschaft meiner Mutter sagt er: ich habe ja nichts zu verbergen. Vater unterhält sich gern mit mir, obwohl es ihm nicht leicht fällt. Wie sehen denn nur meine Arme aus? Fragt er mich und betrachtet und umfasst dabei  seine dünnen Handgelenke. Ich kann ihm nichts mit bringen, Kleidung braucht er nicht, weil er liegt, Essen und Trinken kann er nicht. Aber er hat seine Brille, er meint, ich könnte ihm doch mal die Bild-Zeitung bringen. Fast schäme ich mich dafür, nicht selbst daran gedacht zu haben. Im Kiosk unten im Zentrum gibt es die wahrscheinlich, nur jetzt hat er zu. Na ja, beim nächsten mal, denke ich daran.
Ob er wohl schreiben kann? Vielleicht kann er es üben. Ich zücke einen kleinen Notizblock und gebe ihm einen Kugelschreiber in die Hand. Versuche mal, Deinen Namen zu schreiben. Er versucht, aber mehr als ein etwas undeutlicher Anfang seines Namens will nicht gelingen.
Er bricht ab und sagt, es geht nicht mehr.
Nun kommt die Zeit, ich muss gehen. Vater hat sich müde geredet. Wir geben uns die Hand wie immer. Mach's gut, bis bald. Ich genieße die Fahrt über den Berg zu uns nach hause. Die Frage nach dem "wie weit" habe ich Vater ja beantwortet. Der Frühling ist in vollem Gange und bei Vater scheint Normalität einzuziehen.
Am nächsten Tag zeige ich meiner Schwägerin, wo Vater nun unter gekommen ist. Es regnet in Strömen, das Fenster seines Zimmers ist offen, als ich schräg darunter anhalte. Gute Laune, das Heim macht wirklich einen guten Eindruck. 
Zwei Tage später stirbt Vater, nachdem er zuvor noch ins Hanauer Krankenhaus eingeliefert wurde. 

Samstag, 12. Januar 2013

Gold - LXIII

Wäre es nicht an der Zeit, aus dem Traum auszusteigen und zum Bahnhof zurück zu gehen?
Aber er hatte nicht einmal mehr seine Spielzeugeisenbahn. Teile seiner Identität lagen durch einen Diebstahl tatsächlich auf dem Müll, seine Geburtskarte, sein in Paris gekauftes Beret, das er so gern trug, auch an dem Tag, an dem er seine baldige Ehefrau kennen gelernt hatte. 
Aber das Säuglingsgewicht war nun auch nicht mehr wichtig. Er stand als ausgewachsener Mann da in seinem enger gemachten dunkelblauen Anzug und steckte der Braut den Ring auf den falschen Finger. Die Ringe waren schlicht und für seine Begriffe schön. Die Kirche ebenso, was ihm entsprach, auch wenn er mit kirchlichen Zeremonien wenig anfangen konnte. Am Vortag war der Verwaltungsakt auf dem Standesamt ausgerechnet mit der Schwägerin als Trauzeugin vollzogen worden, dann die Fahrt nach Lemgo und abends etliche Schnäpse Bärenfang mit dem Schwiegervater. 
Er war allein wie immer, Eltern und Bruder nicht anwesend, der Patenonkel wenigstens schickte Blumen.
"Die Stiefoma hatte die Wohnung meiner Eltern gestürmt mit der Frage 'Was macht ihr mit dem Jungen?' und Vater genötigt, ein Kaffeeservice einzupacken und es mir als Hochzeitsgeschenk zu schicken."    
Alles fühlte sich gut und richtig an, an diesem Tag im Mai, der schönstes Wetter brachte.
Paul hätte nicht geglaubt, dass er einmal so etwas erleben würde. Er stand noch auf der Brücke und sah den Dampfloks zu. 
Rachel unterbrach seine Gedanken. Sie fragte ihn, ob er glaube, dass die Veröffentlichung der Krankheitsgeschichte des Vaters in dessen Sinne gewesen sei. Paul erwiderte, er glaube an die Geschichte und Vater sei abseits seiner persönlichen Borniertheiten ein offener Mensch gewesen, der mit seiner Meinung nicht hinter den Berg habe halten können. Oft hätte er ihm erzählt, wie er seinen Chef an der Arbeit auf Missstände aufmerksam gemacht habe. Vater hat nie länger als nötig mit den Wölfen geheult und selbst dabei immer seinen Standpunkt gewahrt. Was das denn mit der Krankheitsgeschichte zu tun habe, fragte Rachel unbeirrt weiter, das sei doch etwas sehr Privates.
"Die Geschichte seit seiner Erkrankung zeigt einfach, wie unser Gesundheitswesen funktioniert oder eben nicht. Keiner sollte sich Illusionen darüber machen, wie es am Ende aussieht, wenn die Maschinerie des Krankenhausbetriebs zu arbeiten beginnt und am Ende das Pflegeheim wartet."      
Also schreibst Du etwas Politisches im Namen Deines Vaters? "Nein darum geht es nicht, Vater war kritisch bis zum Schluss, aber er hat alles ertragen, ohne zu jammern und er hat mir schlussendlich vertraut. 
Darum geht es."

Freitag, 11. Januar 2013

Gold - LXII

Sein Name steht nun an der Tür, in der Bewohnerübersicht im Eingangsbereich steht er noch nicht. Dort wird die Trauer über das Ableben des vorigen Bewohners kund getan. Ich habe Egon ein Poster vom Herkules mitgebracht und ein anderes großes Bild. Ich verlasse eine Baustelle, die noch schlimmer wirkt, als ich am Montag wieder komme. Im Eingangsbereich hängt der Kittel der Pflegerin. Im Sideboard ist seine Flüssignahrung deponiert. Ihr Vater hat eine Infektion, wir dürfen nichts mit hinaus nehmen. Das bisschen Wohnlichkeit ist also schnell perdu. Die von mir mitgebrachten Klingen für einen Wilkinsonrasierer sind wertlos, weil Vater keinen Wilkinsonrasierer hat, sondern einen, den ich in einem Drogeriemarkt für ihn gekauft hatte.
Ich beginne den Schrank zu bauen, werde unterbrochen von einer Pflegerin, die mich "junger Mann" nennt und nach Vater sehen muss. Anfangs schaut Vater mir noch zu, wie ich ratlos Bretter hin- und herlege und Schrauben suche. Als ich dann den Zusammenbau beginne, döst er zunehmend weg. Ich mache zwischen drin Mittag in einem Lokal in Maintal-Hochstadt. In diesem Ort ist auch der für das DRK-Seniorenzentrum zuständige Arzt ansässig. Als ich des nachmittags den Schrank gebaut habe und ihn Vater zeige, sagt er: gute Arbeit. 
Wie lange habe ich auf so ein Lob warten müssen? Ich spreche mit ihm noch darüber, welche Möbel ich aus Kassel holen sollte. Er möchte den Fernseher gern wie zuhause in der Ecke stehen haben und meint, das Eckteil von unserer Nussbaumwohnzimmerausstattung, das wäre doch was. Er sagt: das wäre nicht so schlecht, was das gleiche bedeutet wie, das wäre sehr gut. 
Ich schleiche durch die Aufenthaltsräume und den Essbereich des Zentrums und bin mir bewusst, dass ich doch beobachtet werde. Vater ist hier ein Neuer, noch dazu einer, der sein Zimmer nie verlässt. Keiner der alten Leute würde mich aber je ansprechen. Die Woche über bin ich beschäftigt. Vater wird Maintaler, ich melde ihn um. In der Meldestelle fragt mich die Sachbearbeiterin, wie es denn ist, wenn man einen Pflegebedürftigen holt. Na ja, sage ich, ich habe keine andere Wahl. 

Donnerstag, 10. Januar 2013

Gold - LXI

Pauls erstes Jahr mit der neuen Beziehung machte ihm bewusst, dass sein bisheriges Leben unwiderruflich Geschichte war. Es führte ihn zurück in Zustände, die er längst überwunden zu haben glaubte.
Eine Ausflugsfahrt an den Bodensee brachte ihn an den Rand des Zusammenbruchs. Die Fahrt war bereits sehr anstrengend, das Wetter sehr kalt, noch dazu stand Ostern vor der Tür. Ostern, das Fest seiner Katastrophen. Konnte er schon mit Weihnachten wenig anfangen, so war es mit Ostern noch schlimmer.
Kneipenzeit und beginnende Frühjahrsbeschwerden minderten ohnehin schon immer seine Befindlichkeit.  
In diesem Jahr nun zahlte er die Zeche für die sich anbahnenden Konflikte mit dem Elternhaus und die ungewohnten Lebensweisen, die sein neues Leben mit sich brachte.
Rasende Nervosität und die Abwesenheit eines zentralen Bewusstseins, die Angst vor dem Verlust der Kontrolle. Das alles kannte er recht gut und er pflegte nach solchen Zusammenbrüchen relativ schnell wieder auf die Beine zu kommen. Es kam ihm zuweilen sogar so vor, als habe er nur mal kurz Urlaub vom Ich genommen.
Später würde er ein Spiel daraus machen, sich immer mehr aufzubürden und innerlich teilnahmslos zuzusehen, wie er selbst dabei unter ging. Es würde im ein orgiastisches Gefühl bereiten, mit den eigenen Grenzen zu spielen, gerade weil er wusste, dass am Ende immer alles verloren ist.
Aber so weit war Paul in jenen Frühjahrstagen noch nicht.
Sie sahen sich Lindau und Merseburg an, besichtigten ein Dorf auf Pfählen.
Später würde Paul auch klar werden, dass es in Deutschland überall solche Attraktionen gab, denn das Interesse an der Vermarktung führt überall zu Ergebnissen, stachelt die Neugier an und macht vor der Vergangenheit nicht halt.  
Seine neue Heimat würde Lemgo sein, der Wohnort der Eltern seiner Freundin.Zweifelsohne waren sie in der Fremde mit ihrem Lebensbund, zuhause würden sie erst dort sein.

Mittwoch, 9. Januar 2013

Gold - LX

Helles Holz ist ihm recht, nur soll er nicht so hoch sein. Unsere Wohnung sah anders aus (60er-Jahre Nussbaumfurnier, kantig und auf Füßen stehend). Wir fahren also los, schaffen es aber nur, den Fernseher zu besorgen. Als wir zurück kehren, ist Vater müde, die Euphorie ist vorbei. Wir stellen den Fernseher auf den runden Tisch und ich stelle nach einiger Suche die Sender ein, versuche Vater die Fernbedienung zu geben. Aber er lässt sie fallen. Stattdessen will er, dass das Bett bewegt wird. Das ist sehr schwer. Die Pflegerinnen haben sich von beiden Seiten den Zugang gelassen, Vater will das Bett aber an der Wand haben. Meine Frau tadelt mich, weil ich versuche, auf alles einzugehen. Schließlich verlassen wir etwas im Zwist das Heim.  
Ein Problem gibt sich hier mit der Wäsche. Sie wird wie in jedem Heim gescannt und dazu weg gegeben. Er hat also erst mal wieder sehr wenig. Eine gewisse Menge Geld müssen wir im Heim lassen, damit entstehende Auslagen beglichen werden können. Das sind in erster Linie die Medikamentenkosten. Ist Ihr Vater von der Zuzahlung befreit? Ich weiß es nicht. Jetzt denke ich manchmal darüber nach, dass mein Vater nun nur durch einen Bergrücken von mir getrennt untergebracht ist und das er das augenscheinlich gut findet. Bin froh, dass das alles halbwegs auf meinem Arbeitsweg liegt. Das Amtsgericht bekommt nun seinen Heimvertrag und die Kündigung seiner Wohnung wird somit rechtskräftig. 
Bei der Heimsuche wurde mir immer gesagt, mein Vater sei noch jung, als ich das Alter mit 77 benenne. Angesichts der Vielzahl der über 80- bis 90-jährigen in den Heimen ist die Aussage verständlich. Das Studium der Todesanzeigen in den Zeitungen sagt anderes. 
Davon abgesehen: vermutlich wäre ich froh, 77 Jahre alt zu werden. Aber das Alter ist offensichtlich eine relative Sache. 
Am Samstag besorgen wir, wie besprochen, einen Kleiderschrank, aber zum Aufbau reicht mir die Zeit nicht mehr. Ich packe die Teile aus, beschließe aber schnell, damit nicht mehr wirklich zu beginnen. Der Alltag hat mich wieder, Egon winkt ab. Das ist alles nichts, das ist seine Antwort auf die Frage, wie es ihm gefällt. 

Dienstag, 8. Januar 2013

Gold - LIX

( Egon hat einen grauen Mantel an, das Wegwerfen dieses Mantels hätte er nie übers Herz gebracht. Er erkennt mich, ich erzähle dies und das, doch alltägliche Dinge versteht er nicht. Ich will ihm sagen, was mit seinem Geld wird. Ich fange damit an, will ein Foto von ihm machen, aber da ist er weg. Auf dem Bild ist ein anderer Mann zu sehen.)   
Ich bekomme den Heimvertrag mit, die Leiterin macht mir Mut. Sicher werden sie ihn mobilisieren. Er soll auch an Veranstaltungen teilnehmen. Vielleicht kann ich mal draußen im Innenhof mit ihm sitzen. Den Rollstuhl soll man möglichst früh bei der Krankenkasse bestellen. 
Ich teile dem Nordwest-Krankenhaus nun mit, dass ich einen Platz gefunden habe. Am 7. März wird der Tag der Verlegung sein.
Die Sonne scheint, wir sind schon etwas früher da und essen im öffentlichen Speisesaal des Seniorenzentrums zu Mittag. Kurz darauf wird Egon gebracht. 
Er ist sehr erfreut, uns zu sehen. Wir folgen ihm aufs Zimmer, wo er gleich feststellt, dass kein Fernseher da ist. Beim Umbetten bemerkt er, dass das Bett in Ordnung ist. Neben der Heimleiterin, die ihn im Namen des Heims begrüßt, ist die zuständige Pflegeschwester da, insgesamt stehen vier Personen als Empfangskomitee an seinem Bett. Mir fehlt nichts, sagt er, nur die Gesundheit. Er genießt das große Publikum. Er lässt sich erklären, dass er ein eigenes Bad hat. Er muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Keller gibt. Obwohl er sich mal den ersten Stock gewünscht hat, kritisiert er das jetzt. Sein Zimmer ist bis auf das Bett eigentlich nicht möbliert. Das Heim hat aber ein Sideboard und einen Tisch mit zwei Stühlen ausgeliehen. Den Fernseher wollen wir nun schnellstens besorgen. 
Als das offizielle Ende der Begrüßung zu ende ist, versucht Egon mir was von den Eindrücken während der Fahrt zu berichten. Ich verstehe ihn jedoch kaum, habe das Gefühl, dass es um irgendwelche Wiesen geht, die er unterwegs gesehen hat. Ich erkläre ihm , dass er direkt am Rand der Streuobstwiesen liegt, wo die Äpfel für den Apfelwein wachsen. Davon hätte er auch noch gern was, stellt er fest. Wir sprechen noch über den Schrank, den wir besorgen wollen. 

Montag, 7. Januar 2013

Gold - LVIII

Eines schönen Wintertages fuhr Paul mit dem Zug in die Stadt, um seine Wiedereinstellung perfekt zu machen. Zum Glück war der Chef wegen des Studiums nicht nachtragend. Und es war auch für ihn eine einfache Lösung, Paul wieder einzustellen, denn die Stelle, die Paul vorher inne hatte, war wieder frei geworden. Damit war seine finanzielle Unabhängigkeit gesichert und Paul über den Verdacht erhaben, von seiner Freundin leben zu wollen. Was er einst als Stagnation empfunden hätte, sah er nun als die sichere Rettung. Wenngleich er schon ahnte, dass seine Unzufriedenheit zurück kehren könnte, denn an den Herrschaftsgebaren seines Chefs hatte sich naturgemäß nichts geändert. Er war Frauen gegenüber wesentlich aufgeschlossener und glaubte immer in jeder Äußerung eines Mannes, die seiner Meinung widersprach, einen Angriff auf sein Patriarchat sehen zu müssen. Das machte es Paul schwer, sich wohl zu fühlen, zumal er solche Verhaltensweisen bestens kannte. Die Personalpolitik des Chefs war eindeutig, hier arbeiteten überwiegend junge Frauen. Eine Kollegin zum Beispiel, die manche Äußerungen Pauls mit einem herzhaften Lachen quittierte. Sie lud ihn zu sich nach hause ein, um ihm einen Vogel zu zeigen (das meinte sie ernst), dabei war klar, sie hatte bereits einen Freund. Der Arbeitsplatz erschien Paul mehr und mehr als wenig gutes Pflaster für einen mühsam den Hafen der Ehe ansteuernden Mann. 
Paul näherte sich einem zurück haltenden, stets um Seriosität bedachten Mann an, der im Verlag als Autorenbetreuer arbeitete und zweifelsohne ein besseres Standing als er selbst genoss. 
Paul hatte geträumt und erzählte während eines gemeinsamen Kneipenbesuchs davon. Die Eltern waren beide gestorben und er empfand das Gefühl des Verlustes als entsetzlich. Sie sprachen also über seine Eltern, die zu dem damaligen Zeitpunkt beide noch sehr lebendig waren und insbesondere über den Vater.
Überraschenderweise fand Paul nun in seinem Gesprächspartner einen verständnisvollen Menschen, der ihm die Rolle des Vaters zu erklären suchte. Ob er denn meinen würde, dass der Vater alles so gewollt habe, wie es sei. Er habe doch immerhin eine Familie aufgebaut, seine Familie und suche sicher ab und zu seine Freiheit. Da fand sich Paul wider Willens in der Position eines Anklägers, dem die moralische Berechtigung für ein Urteil fehlte.
    

Samstag, 5. Januar 2013

Gold - LVII

Im Zug beachtet eine Dame gerade nicht meinen auf der Lehne liegenden Arm. Vielleicht ein Anstoß, um den Traum dieser Nacht Revue passieren zu lassen. 
Ich sehe zwei Kinder, die mit einem Schlitten eine Skipiste hinunter fahren wollen. Jedes Kind sitzt also auf seinem eigenen. Der weiße Schnee blendet mich. Ich weiß nicht, warum das zugelassen wird. Ich habe Angst um sie, kann aber nicht eingreifen. Vor meinem Auge kreuzen sich zwei weiße Streifen, die immer breiter werden. Ich sehe nur noch weiß. Sie können das nicht geschafft haben, da herunter.    
Ich wache auf, ich muss ins Licht sehen, um dieses Weiß allmählich loszuwerden.
Kinder, so erzählte Paul, waren für sie kein Thema. Zu sehr waren sie mit dem Aufbau ihrer Existenz und der Bewältigung ihrer Isolation beschäftigt. Die Nachbarn ihrer ersten gemeinsamen Wohnung waren eigentlich nicht so übel und ganz freundlich. Aber das Regiment führte in diesem Haus ein Herr Schulz. Frau Schulz sah manchmal etwas mitleidig zu ihnen herüber, aber Herr Schulz empfand Paul wohl als eine ziemliche Zumutung.
Paul hatte wohl vergessen, dass in Deutschland die Frauen immer nett und gesprächig zu sein hatten. Und sie sollten vor allem auch optisch wirken. Ja, und die Kinder? Man nimmt doch eine Frau nicht, weil man sie menschlich schätzt. Da nimmt Mann sich doch etwas Junges, so hatte es der Vater vorgegeben.
Paul interessierte das nicht, noch hatte er keine Arbeit und die neue Freundin sprach von Verlobung. Darunter konnte er sich nicht viel vorstellen. Sie trugen beide Kettchen mit den Initialen des anderen. Zwei Ignorierte, die sich beide wollten.  

Freitag, 4. Januar 2013

Gold - LVI

Das Krankenhaus macht nun Druck. Frau Dr. F. schaltet sich persönlich ein. Ihr Vater wird nie wieder essen können, eröffnet sie mir telefonisch.   
Nach dem Einsetzen der Magensonde gibt es nun keinen Grund mehr, Vater im Krankenhaus zu behalten. Wir finden ein Heim in Langenselbold. Nach einer ursprünglichen Absage, hat sich dort überraschend eine Bewohnerin entschieden, auf das ihr schon zugesagte Einzelzimmer zu verzichten. Wir halten uns die Option offen. Da mir nach wie vor ein gemeinnütziger Träger lieber wäre, rufe ich beim DRK in Bischofsheim an. Da ist leider nichts frei, ich solle es aber mal in Dörnigheim versuchen, da sei ein neues Heim im Entstehen. Wir sehen es uns von außen an und es gefällt uns. In meiner Mittagspause fahre ich zum Gespräch mit der künftigen Heimleiterin. Ein Bus macht mir unterwegs die Tür vor der Nase zu, so laufe ich und schwitze etwas, als ich dort ankomme. Die Heimleiterin (mit Hund) erklärt mir, man pflege die Patienten so, wie man es für sich selbst auch gern haben wolle. Man brauche auch noch Zeit für die Aufnahme, man habe gerade erst mit der Belegung begonnen. Diese Woche wird es sicher nichts. Als ich schon am Bahnhof auf meinen Zug zur Rückfahrt warte, schellt mein Handy. In Bischofsheim sei nun doch ganz plötzlich ein Pflegeplatz frei geworden, die dortige Leiterin habe gerade angerufen. Zu spät, nun wird es heute nichts mehr. Wieder im Büro, vereinbare ich einen Termin für den nächsten Morgen.
Auch die Heimleiterin in Bischofsheim begrüßt mich in der Begleitung eines Hundes. Eigentlich steht das Seniorenzentrum nur Bürgern der Stadt Maintal offen, aber hier ist plötzlich etwas frei geworden und so ist es doch möglich. Das Ganze macht mir einen guten Eindruck. Die Kosten sind zumindest in der Stufe III so, dass er sie tragen kann und die Entfernung zu uns ist günstig. Ich sehe mir daher das Zimmer an. Es liegt im ersten Stock und der Blick geht auf Obstbäume, die in diesem Jahr schon zu grünen beginnen. Leider führt seitlich eine Straße vorbei und auf der anderen Straßenseite ist ein Einkaufsmarkt. Ob Egon soviel davon mit bekommt? Immerhin hat er ein eigenes Bad.

Donnerstag, 3. Januar 2013

Gold - LV

Der soziale Dienst im Krankenhaus hat schnell sein Pulver verschossen. Wir suchen im Main-Kinzig-Kreis weiter, nachdem wir uns ein recht teures Heim in Frankfurt angesehen haben. Nach der Lektüre des Buchs über Pflegeheime bin ich misstrauisch gegenüber privaten Heimträgern geworden. Man soll auf den Geruch achten, wenn man ein Heim ansieht. Uringeruch ist Zeichen für billige Windeln oder zu wenig Wechsel. Wie viel examinierte Pfleger gibt es, wie viel Personal für einen Patienten? Letzteres sind Dinge, die einem zwar erzählt werden, aber wie soll man das prüfen? Letztlich ist man auf die eigene Nase angewiesen. Im übertragenen Sinn, uns gefiel in Frankfurt nicht, dass das Heim als Riegel direkt an einer verkehrsreichen Straße steht. Wenig Auslauf drum herum, kein großer Gemeinschaftsraum und ansatzweise auch Geruch, obwohl das Haus neu und noch nicht voll belegt war. 
Dabei hatte die Presse es durchaus gewürdigt (umgeschriebene Eigenberichterstattung?)
Die noch nicht erreichte volle Auslastung behindert aber eine vollständige Beurteilung. 
Immerhin: die Krankenkasse hat die Stufe 1 für die Pflege bewilligt. Es würde also nicht so teuer wie gedacht. Ich muss Vater nun sagen, dass unser Nidderau-Plan gescheitert ist. Das bedauert er. 
Das alte Ehepaar ist wieder zusammen. Ich kann Vater nun seine richtige Brille wieder geben. Sie war in Bad Orb verblieben. Die Brille, die man ihm in Gießen gebracht hatte, war nicht seine. Noch in der Woche hat Vater die PEG-Magensonde bekommen. Er darf nichts essen und zählt nun die Tage ab, denn man hat ihm gesagt, er dürfe es in 3-4 Tagen wieder. Die Nachricht, dass es nicht klappt, beruhigt ihn nicht. Als ich mich verabschiede und sage, dass ich nun wieder aufs Land fahre, sieht er mich an, als wolle er am liebsten mit kommen. 
Draußen werfe ich die Brille eines mir nicht bekannten Menschen in den Mülleimer. 

Mittwoch, 2. Januar 2013

Gold - LIV

Aphasie, Aphasie ist, was Dein Vater hatte, meinte Rachel. Was Paul mal wieder positiv sehen wollte, war also Teil der Krankheit, eine verminderte Fähigkeit, sich auszudrücken. Aber Vater registrierte ganz genau, was mit ihm passierte. Nicht umsonst die Bemerkung über seine "hervorragende" Sprache. So schien es ihm eher ein "technisches" Problem zu sein, was Vater da hatte. Solange er ihn erkennen würde, wäre für ihn alles in Ordnung. Ihr Vater, so sagte später ein erfahrener Arzt aus Maintal nach einer Untersuchung, ist ein hoffnungsloser Fall. Sein Zustand wird sich nicht verbessern. Es ist erstaunlich, dass man sich noch so mit ihm unterhalten kann.