Dienstag, 26. Februar 2013

Hirn

Eine der herausragenden und überlebensnotwendigen Leistungen unseres Gehirns ist das Vergessen, sagen die Hirnforscher. Das leuchtet ja auch ein. Schließlich ist weder unsere Festplatte erweiterbar, noch wird der Arbeitsspeicher wirklich schneller. So wird neuer Platz nur durch das Löschen als überflüssig angesehener Informationen geschaffen, wobei unser Hirn hier offensichtlich selbstständig neue Prioritäten setzt. 
Es ist auch gemein genug, nicht alles vollständig zu löschen, es komprimiert nur einfach alles ein bisschen. Kein Wunder, dass einem so manche Namen dann zwar einfallen, man hat aber die Nase dazu vergessen. 
Manchmal weiß ich noch, dass meine Kommunikationsstrukturen lax waren und ich unter Wohlstandswehwehchen gelitten habe, aber ich bringe den Namen dazu nicht mehr zusammen.
Naja, Hauptsache, man weiß noch, dass es schön und am Ende ärgerlich daher kam. Dieses Erlebnis..
Vergesslichkeit kann etwas sehr Gnädiges sein, aber manchmal ist es auch sehr ärgerlich. 
Da weiß man noch, dass es da einen Mann gab, der gut Gitarre spielte, nur der Name dazu, der fehlt.
Und der Gott des Googelns hilft hier auch nicht weiter.

Donnerstag, 21. Februar 2013

Hotline

Ich hatte die Nummer einer Hotline gewählt und war nun nach minutenlanger Musikberieselung überrascht, eine Stimme zu hören. Das sie einen anderen Klang hatte und nach der Begrüßung eine seltene Stille eintrat, irritierte mich. 
Plötzlich entstand in mir das Bild einer russischen Tundralandschaft mit lichtem Gehölz, einzelnen Baumgruppen und weiten Ebenen. Hier würden ganze Panzerarmeen spurlos verschwinden, ganz zu schweigen, dass sie ebenso wie schwere deutsche Limousinen kaum vernünftigen Untergrund zum Fahren fänden. Hier könnten die Herren Hitler und Goebbels gleichzeitig im Lebensraum herum brüllen, es würde niemanden stören. Willkommen im realen Leben, in dem ich mich offensichtlich gerade nicht befand.
Unbeirrt schilderte ich mein Anliegen und schloss mit dem, was ich erfragen wollte. Anschließend machte sich wieder eine Stille breit, die aus meinem Hörer zu entweichen schien. Ein "Das weiß ich nicht." erklang schließlich, wobei das "nicht" eher "niecht" zu verstehen war. 
Da meine Frage technischer Natur war und ich die technische Hotline angerufen hatte, fühlte ich mich genötigt, die Dame darauf hinzuweisen, dass sie da eigentlich an der falschen Stelle säße. 
Nun brachte sie mich endgültig zur Ruhe, ein Teppich des Schweigens breitete sich über mir aus, ich hätte die Vögel zwitschern hören können, wenn es mir gefallen hätte. 
"Ich will in die Heimat." wollte ich zunächst rufen, aber das schien mir doch zu sinnlos. 
Immerhin bekam ich eine Bestätigung auf meine Aussage, dass sie mir wohl nicht helfen könne.



Donnerstag, 14. Februar 2013

Gold - LXVII

Jemand hatte ihm gesagt, dass er seine Gene weitergegeben habe und das sie ja sich selbst hätten, die beiden.
Siehst Du, sagte Rachel, dieser jemand hatte prophetische Gaben. Wer ist denn für uns da? Wir.

Sie hatten viel mit den Puppen gespielt. Die Puppen waren lieb, lustig, aber manchmal auch heimtückisch und böse. Ihre Abbilder sahen aus wie ein in Scheiben geschnittenes Profil und sie lagerten in einem Keller. Der kleine Junge fragte, ob man die Puppen nicht wegwerfen könnte. Eine alte Frau beugte sich lächelnd zu ihm herunter. "Aber Jungchen, das geht doch nicht. Die Puppen haben Deine Seele, die musst sie nur mit Leben erfüllen. Sie sind wie Du!" Der kleine Junge zuckte mit den Schultern und wischte sich den Speichel der alten Frau ab, die ihm einen Kuss auf die Wange gegeben hatte und ging lieber zum Nachbarn, um dessen Klavierspiel zuzuhören. (2004)

Mittwoch, 13. Februar 2013

Gold - LXVI

Rachel war es nicht verborgen geblieben, dass er über die letzten zwei Tage des Lebens seines Vaters nicht berichtet hatte. So fragte sie Paul mit einem leichten Unterton in der Stimme, ob er seinen Vater denn nicht mehr gesehen habe. Paul antwortete ihr, wie sooft nicht direkt darauf.

"Ich betrat einen großen Saal mit Bühne.
Eine verhüllte Gestalt bewegte sich im Scheinwerferlicht, eine Kutte ragte spitz in die Luft und warf Schatten auf das Gesicht der überhöhten Statue. Schriftzeichen zierten den bunten und doch dunklen Umhang. Die Figur wandte sich mir zu und beobachtete mich. Sie schwebte, ich selbst konnte das auch. Ich fühlte mich bedroht, die Gestalt war so hoch und unheimlich. Panik stieg in mir hoch und gleichzeitig stieg meine Entschlossenheit. Ich schnappte mir eine zweizackige Gabel und näherte mich mit unheimlich starkem Willen und unter Aufbietung aller Kräfte sehr schnell an, ja ich flog eigentlich. Mein Vernichtungswille war groß und gab mir Kraft. Die Gestalt schien nicht überrascht, als erstes verlor ich meinen Zweizack. So benutzte ich meine Hände, um die irgendetwas zu greifen. Ich schaffte es trotz großer Gegenenergie, an den Hals der Person zu kommen. Ich blickte durch eine durchsichtige Gesichtsöffnung auf : Knochen! Durch den Umhang konnte ich sie schon spüren. Gleichzeitig mit der erneut aufkeimenden Angst kam die Erkenntnis. Ich kämpfte gegen mich selbst. Ich ließ sofort ab und fühlte mich erlöst Ruhe machte sich in mir breit und ich hatte einen Irrweg beendet. "(2002)







Montag, 4. Februar 2013

Schöne neue Welt

Aus berufenem Munde heißt es: man müsse Mitarbeiter da abholen, wo sie stehen. Nun das wird im Zweifel beim Daddeln oder Telefonieren sein. Wenn wir soviel Liebe wie wir sie unserem Handy oder dem Tablet-PC geben, unseren Mitmenschen zu teil werden ließen, wie würde die Welt dann aussehen?
Vermutlich wären wir dann alle genervt und würden wie ein "Angry Bird" durch die Gegend fliegen, um irgendein Schwein zu zerstören. Da bleiben wir doch lieber online.
Möglich ist es auch, dass die Mitarbeiter und -innen auch gar nicht abgeholt werden wollen. Die fühlen sich vielleicht im Keller ganz wohl.
Sicher scheint mir, dass immer mehr Menschen Programme bedienen können, ohne zu verstehen, was ein Programm ist. Das sie in Arbeitsabläufen stecken und diese gar nicht kennen.
Für diese Kenntnisse braucht es dann einen Projektmanager oder einen Prozeßoptimierer.
Ich bin jedenfalls froh, meinen Apfel noch allein essen zu können, ohne das ich ein Projekt draus mache.