Ein Wochenende in Prag
Wir kommen an einem Freitagmorgen in
Prag an, das Taxi haben wir bereits von Deutschland aus bestellt zu einem
Festpreis. Sehr viele Warnungen kursieren im Internet über
betrügerische
Taxifahrer.
Unser Fahrer ist sehr freundlich, spricht
aber kaum deutsch. Dennoch entwickelt sich ein sehr nettes Gespräch
auf englisch. Die Fahrt ins Hotel führt und die Vororte und Vorstädte von Prag, die sich nicht
sonderlich von anderen Städten Europas unterscheiden. Als der Fahrer dann jedoch den Hinweis
"Prager Burg" ausgibt, sind wir bald am Ziel.
Über
den Kleinseitener Ring erreichen wir schließlich unser Hotel gegenüber der Deutschen Botschaft in Prag. Vorher wurde unser
Auto noch von der Polizei auf Bomben hin untersucht, weil hier auch die amerikanische
Botschaft in der Nähe ist.
Die Kleinseite ist ein Stadtteil
Prags, der westlich an die Moldau grenzt und durch die Karlsbrücke
mit der Altstadt verbunden ist. Früher wohnten hier wie auch in der Altstadt viele Deutsche
bzw. deutsch sprechend Bürger.
Das ist nun vorbei. Nachdem Hitler
die jüdischen
Bürger
deportieren und umbringen ließ, folgte 1945 die Vertreibung der Deutschen. Prag ist nun
mehr eine rein tschechische Stadt. Was bedeutet das nun für
den Touristen? Erst mal, dass er i.d.R. nichts versteht. Sogar Sehenswürdigkeiten
wie die Prager Burg werden weder deutsch noch englisch ausgeschildert.
Aber zunächst
mal müssen
wir Geld tauschen. Eine im heutigen Europa fast unbekannte alte Sitte. Es gibt
viele Wechselstuben und relativ wenige Banken.
Im Hotel hat man uns nach dem Bezug
unserer Souterrainzimmer einfach nur den Berg herunter geschickt. Da sei auch
eine Bank. Im Hotel spricht man kein deutsch.
Die Wechselstuben locken mit dem
Hinweis "No Commission" und dem angeblich besten Kurs. Keine Gebühr
bedeutet aber einfach nur, dass der Kurs um eine Krone niedriger ist als sonst.
Wir entscheiden uns unterschiedlich. Ich persönlich gehe lieber zur Bank,
muss aber feststellen, dass sich die Geldautomaten alle außerhalb
an der Straße befinden, was ich angesichts der sich vorbei schiebenden
Menschenmengen nicht gemütlich finde. Ich bekomme zudem nur große
Scheine, was einen hinter mir Anstehenden dazu veranlasst, mir den Wechsel in kleine Scheine anzubieten. Davor
allerdings wird gewarnt und ich lasse mich nicht darauf ein. Der Mann ist
jedoch hartnäckig und während wir noch über die 2000-Kronenscheine diskutieren, fängt
er wieder mit einem Angebot an.
Andere gehen lieber in die
Wechselstuben und tauschen ihr Bargeld. Im Endeffekt kommt es aufs Gleiche
hinaus: Gebühren kosten eben. Wir gehen nun etwas essen in einem
Kellerlokal, dass sich als Pizzeria entpuppt, wo man freundlich zu uns ist. Die
Bedienungen singen bei der Musik mit und es herrscht eine lebhafte Unterhaltung
an der Theke. Eine Wand ist mit einem Gemälde der Niklas-Kirche bemalt und mit Lichterketten
dekoriert. es wirkt sehr heimelig, die Pizza ist groß,
das Bier (Leibowitz) günstig und gut.
So gestärkt und mit Stadtplänen
bewaffnet, beschließen wir die Altstadt zu erkunden. Dazu müssen
wir über
die Karlsbrücke, es ist früher Nachmittag. Noch kann man einigermaßen
gehen. Auf der Brücke selber bieten allerlei Künstler ihre Waren und
Dienstleistungen an. eine Jazzkapelle spielt, sehr zum Gefallen vieler
Passanten. Wir erreichen den Pulverturm, der den Eingang zur Altstadt
darstellt. Ich fotografiere für meine Verhältnisse sehr viel, gebe aber irgendwann einfach auf. Eine solche Menge alten Häusern
und Kirchen habe ich noch nicht gesehen. Dresden ist dagegen ein Kinderspiel.
Prag wurde ja im Zweiten Weltkrieg nicht so bombardiert wie die deutschen Städte,
man schaut also in eine vergangene Zeit.
Ich versuche mich, in den diversen Plänen
zu orientieren, wo wir sind, gebe aber auch das bald auf. Es dauert einfach zu
lange, die Schrift ist zu klein und die Lichtverhältnisse schlecht. wir gehen
bald nach Gefühl. Das führt uns bis zum Altstädter Rathaus, nicht ohne das wir vorher einen guten Glühwein
für
29 Kronen getrunken hätten. Die Preisunterschiede in der Stadt sind je nach
Wochentag und Viertel beträchtlich. Einen Tag später wird ein total nach Nelken schmeckender Glühwein
ungefähr
das Doppelte kosten. Vom Altstädter Rathaus steht nur noch der Turm mit der Sonnenuhr.
Deutsche Truppen hatten in den letzten Kriegstagen den Rest zerschossen. Uns
aber plagt der Wunsch nach Kaffee und Kuchen, der in Prag nicht so leicht erfüllbar
ist. Vor dem Café Mozart steht ein Mann, der uns in den ersten Stock des Gebäudes
begleitet, wo noch viele Plätze frei sind. Aus recht klein geratenen Tassen trinken wir
unseren Cappuccino, der preislich auf deutschem Großstadtniveau
liegt.
Wir laufen der Nase nach weiter und
passieren ein riesiges Gebäude, dass wie ein Theater aussieht und mit reichlich
Gastronomie bestückt ist. Es ist die Stadthalle, woanders würde
man das nicht übertreibend Palast nennen.
Am Bahnhof angelangt, wollen wir nun
den Wenzelsplatz erreichen. Aufgrund der nicht vorhandenen Beschilderungen
frage ich im Hilton Hotel den Portier. Der Mann ist hilfsbereit, versteht aber
kein deutsch und somit auch mich nicht. Er schickt uns wieder zurück
in die Richtung zurück aus der wir kamen. Mein Stadtplan sagt was anderes, aber
wir müssten
dazu an einer sehr verkehrsreichen Straße entlang laufen, was wir sein lassen. Die Altstadt an sich
lässt
sich ja sehr gut ohne Kontakt zum Autoverkehr durchqueren, größtenteils
ist alles Fußgängerzone. Wir treten den Rückweg an, nicht ohne den
Wenzelsplatz von der vermeintlichen Richtung her aus dem Kopf zu verlieren.
Dadurch weichen wir vom Hinweg ab und verlaufen uns. Wir bestehen am Beginn
oder Ende einer modernen Einkaufsstraße und bewegen uns eilig zurück Richtung Altstadt ohne
aber zu wissen, wie wir die Karlsbrücke wieder erreichen können. Da fährt die Straßenbahnlinie 22, die auch auf der anderen Seite des Flusses
unterwegs ist. Einsteigen mögen wir da nicht, denn wir wissen die richtige Richtung
nicht. So frage ich einen jungen Mann auf englisch. Er scheint mich nicht zu
verstehen und grinst stattdessen. Dann ein älteres Paar, das uns in die völlig falsche Richtung weist.
Schließlich
muss ein Taxifahrer dran glauben. Er kann es kaum verbergen, dass es ihm mächtig
stinkt, an uns nichts zu verdienen. Aber er sagt uns die richtige Richtung. In
einem asiatischen Geschäft erhalte ich dann noch einmal, jetzt freundlich, die Bestätigung
und nach wenigen Minuten erreichen wir die Moldau.
Die Karlsbrücke
ist nun noch voller und auch in unserem Stadtteil ist viel los. Nach einer
Verschnaufpause im Hotel begeben wir uns zum Abendessen und finden in einem der
Laubengänge
in der Nähe
der Niklaskirche noch einen Platz im Lokal. die Speisekarte verzeichnet die
Speisen auch auf deutsch und o Wunder, die Kellnerin kann es auch ein bisschen.
So wird der Abend gut, wir trinken tschechischen Rotwein und Bier und lassen
uns den Platz für den nächsten Abend reservieren.
Der nächste Tag gehört
dann "unserer Seite" von Prag. Wir gehen vom Hotel aus einfach die
Straße
weiter bergan, befinden uns bald unterhalb des Strahov-Klosters (ohne es zu
wissen) und steigen auf den Petrinberg, wo sich ein Aussichtsturm befindet. Das
Gelände
auf dem Berg ist parkähnlich
und für
schöne
Spaziergänge
geeignet.
Wir gehen an einem Spiegelkabinett
vorbei, das wie eine kleine Kirche aussieht und passieren das Observatorium.
wir genießen bei noch diesiger Luft die Aussicht auf die Stadt. Prag
ist so etwas wie ein riesiges Freilichtmuseum. Im Hintergrund sind die modernen
Satellitenstädte zu erkennen und wir sehen gleich das Uni- Gelände
mit einem eigenartigen Betonturm und das Stadion.
Der Rückweg führt
uns am Strahov-Kloster vorbei, wo zahlreiche Lokale locken. wir beschließen,
ein Lokal mit einer sehr schönen Aussicht auf die Stadt inklusive der Prager Burg und
den Veitsdom aufzusuchen. Der Kellner hier versteht sein Handwerk, spricht
etwas deutsch und kann uns etwas empfehlen. Wir entscheiden uns, drin etwas zu
essen und später bei dem schönen Wetter draußen einen Glühwein zu trinken.
Wir wählen Rinderbraten mit einem böhmischen
und einem mährischen Kloß. Während uns der böhmische eher bayrisch vorkommt, ist der mährische
im Grunde
ein Germknödel. Die Soße hat auch einen eher süßlichen Geschmack, was wir als nicht unpassend empfinden.
Der Kellner gibt uns draußen sogar zwei Heizstrahler
und mit den Decken auf den Stühlen wird es uns nicht zu kalt. Leider schmeckt der Glühwein
so stark nach Nelke, dass es einem den Mund verzieht. Ist aber kein Problem,
wir bekommen einen neuen, den wir selbst je nach Geschmack würzen
dürfen.
Die Zutaten liegen frisch in einem Schälchen bereit.
Gut gestimmt kommen wir zum Höhepunkt
des Pragbesuchs, der Prager Burg. Die Burganlage ist wohl die größte
Burganlage Europas und entsprechend große Menschenmengen passen hinein. Allenthalben werden
Fotoapparate in die Luft gereckt. Der Veitsdom ist gewaltig.
Die Prager bildet aber auch mit ihrem
großen
Garten, der nur im Sommer zugänglich ist, die Grenze des alten Prag. Über
die Schloßstiege steigen wir hinab und stellen fest, dass wir doch
sehr nahe an der Burg gewohnt haben. Die Kirchen nehmen leider alle einen nicht
unerheblichen Eintritt. Das wird wohl nicht der Grund sein, warum Prag als
Goldene Stadt bezeichnet wird. Es sind eher ihre Dächer.
Der Tag klingt aus mit der Suche nach
einem Café in der Nähe der Moldau. Das Café am Kafka-Museum hat wegen einer internen Veranstaltung
geschlossen. Viele Männer Würfeln dort an einem Samstag! Kaffee und Kuchen im deutschen
Sinn sind schwer zu finden. Die durchaus gemütlichen kleinen Cafés haben einfach nicht genug Platz. So landen wir in einem
Hinterzimmer und werden nach Ewigkeiten auch bedient. Den Kuchen lassen wir
vorsichtshalber gleich weg.Der Abend soll uns in der Gaststätte
vom Vortag entschädigen, was nur bedingt gelingt. Die Bedienung ist
wesentlich weniger bemüht, stattdessen gibt es mehr Konversation hinter der Theke.
In Tschechien scheint es üblich zu sein, nicht allzulange in einem Restaurant zu
sitzen. Die meisten Gäste
sind innerhalb einer Stunde mit dem Essen und Trinken fertig. Wir jedoch
erlauben es uns, eine Flasche Wein zu trinken und einen Nachtisch zu essen. Und
das an einem vorbestellten Tisch. Die Atmosphäre lädt
ja an sich zum Verweilen ein, denn die Gasträume sind sehr gemütlich, Raucher und Nichtraucher sind getrennt, was längst
nicht in allen Prager Lokalen so ist. Die Wände sind bemalt, aber naturbelassen.
Nach dem Genuss des Palatschinkens
finden wir auf unserer Rechnung einen Aufschlag von 10%, was auch aufgrund von
Informationen, die wir von Einheimischen haben nicht rechtens ist. Wir
verzichten jedoch auf die Reklamation, da wir ohnehin vor hatten, ein gutes
Trinkgeld zu geben.
Im Hotel wollen wir uns nun online
bereits für den Rückflug einchecken. Der Portier gibt sich Mühe,
ist aber wenig kompetent. Am Ende scheitert der Ausdruck der Bordkarten an
einer fehlenden schwarzen Druckerpatrone. Angeblich kann eine neue erst am
Montag besorgt werden. Dazu muss gesagt werden, dass unser Hotel vier Sterne
sein eigen nennt.
Im Frühstücksraum
werden die Gäste am nächsten Morgen nicht gegrüßt, auch hier spricht niemand deutsch. Man hat nicht das Gefühl,
dass hier Hotelpersonal am Werk ist, allenfalls Aushilfskräfte,
die in ihrer Freizeitkleidung ein bisschen arbeiten. Im Hotelzimmer selbst
wurden Euromünzen gestohlen. Vermutlich haben die Zimmermädchen
ein Trinkgeld für sich organisiert.
Wir treten die Heimreise mit
gemischten Gefühlen an. Es konnte nun doch jemand die Druckerpatrone
wechseln, so haben wir lesbare Bordkarten. Leider holt uns nicht der Fahrer ab,
der uns gebracht hatte. Dieser redet nur nach Aufforderung. Wir sind jedenfalls
zufrieden, als wir am Flughafen ankommen. Auf die ersten offiziellen deutschen
Worte müssen
wir warten, bis wir im Flieger sitzen, denn auch das Abfertigungspersonal der
Lufthansa spricht kein deutsch.
Fazit: es bringt nichts gegen Mythen
anzuschreiben. Prag ist nun mal die "Goldene Stadt" und Wien ist schön.
Tschechen wären aber durchaus gut beraten, wenn sie nach nun bald 70
Jahren, die seit dem 2. Weltkrieg vergangen sind, die Erinnerung auch an die
deutsche Vergangenheit in ihrem Lande zu lassen würden. Panslawismus hin oder
her, in anderen osteuropäischen Ländern ist man da durchaus weiter.
Aber Tschechen fühlen
sich ja auch nicht als Osteuropäer. Sie sind uns ähnlicher als sie denken, was in Deutschland lebende
Tschechen durchaus bestätigen. Sie finden die Freundlichkeit hierzulande
bemerkenswert.