Kolberg, 1. März 1945 –
Ein neuer Kommandant
Wehrmachtsoberst Fullriede wird zum neuen Kommandanten für Kolberg eingesetzt.
Die katholische Ordensschwester Godehardis St. Martinsbad in Kolberg berichtet in ihrem noch im April 1945 niedergeschriebenen Manuskript: "Kolberg stand schon seit Monaten im Zeichen der immer näher kommenden Front. Aufgeregte Stimmung überall."
Die Stadt Kolberg, die rund 35 000 Einwohner zählt, wurde rasch zum Sammelbecken; innerhalb weniger Tage war die Stadt auf über 85 000 Einwohner angeschwollen. Die Zufahrtsstraßen lagen bereits unter Artilleriebeschuß, die Züge, soweit sie noch fuhren, waren überfüllt. Schwester Godehardis erinnert sich: "Das Massenelend ostpreußischer Flüchtlinge erhöhte die Panikstimmung in Kolberg." Am 3. März erhält Fegattenkapitän Kolbe, der zuständige Marineoffizier beim Wehrbezirkskommando Kolberg, den Befehl für den Abtransport der Zivilbevölkerung über See.
Kolberg, 4. März 1945 –
"Der Kessel ist zu"
Die letzten Züge verließen die Stadt in den frühen Morgenstunden des 3. März. Schwester Godehardis notiert in ihrem Bericht: "Sonntag, den 4. März morgens um 4 Uhr ging ein Flüstern durch die Reihen: ,Der Kessel ist zu, es kommt kein Zug mehr durch.’"
Oberst Fullriede will die Stadt halten, damit die Zivilisten über den Seeweg gerettet werden können. Ihm standen etwa 3200 Männer zur Verfügung – darunter teils reguläre Wehrmachtssoldaten, teils Volkssturm, teils jugendliche Militärhelfer. Den deutschen Verteidigern gegenüber stand ein Mehrfaches an russischen und polnischen Soldaten.
Bei der Marine hat Fregattenkapitän Kolbe den ersten Konvoi zusammengestellt. Auch in den bereits vergangenen ersten Märztagen hatten immer wieder Frachter, Dampfer und Boote aller Größen Flüchtlinge gen Westen transportiert. Doch am 4. März startet der erste organisierte Schiffsverband mit insgesamt 2200 Flüchtlingen. In diesem Takt sollte es nun jeden Tag weitergehen. Noch am 4. März bricht in der Stadt auch die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser zusammen. Der Wehrmachtssoldat Ernst-August Dumtzlaff, der selber aus Hinterpommern stammt, hat jene Tage miterlebt und seine Erlebnisse später niedergeschrieben: "Nun stehe ich hier an der Panzersperre in der Körliner Straße in Kolberg, die Gedanken gehen zurück an den Marsch auf der Straße nach Kolberg."
Kolberg,
5. März 1945
Soldat Dumtzlaff liegt mit zwei Kameraden auf Posten im letzten Haus der Körliner Straße, es ist am äußersten Rand der Festung. Im Haus gegenüber sind ebenfalls deutsche Soldaten. Plötzlich geschieht in den frühen Morgenstunden etwas Unerwartetes. Statt der Russen taucht ein Flüchtlingstreck auf, heil kommt er an der Absperrung vorbei. Wenige Augenblicke später: Lautes Krachen – die sowjetische Artillerie feuert in die Stadt. Der Beschuß wird heftiger, auch die deutschen Panzersperren am Stadtrand werden ins Visier genommen. Die Häuser werden mehrfach getroffen. Erstmals tauchen noch in sicherer Entfernung auch sowjetische Panzer auf, die durch die deutsche Artillerie beschossen und wieder vertrieben werden. Das feindliche Feuer wird noch stärker. "Wir rechneten jeden Augenblick mit einem sowjetischen Infanterieangriff", so Dumtzlaff.
Dann geht es los: Die Russen greifen an, deutsches Abwehrfeuer schlägt sie zurück. Doch kurz danach der zweite Angriff. Die Panzersperre war inzwischen erheblich getroffen worden. "Ringsherum die Einschläge der Granaten, das Krachen einstürzender Häuserwände. Die Hölle war ausgebrochen. Unter dem Schutz des Granathagels griff der Feind erneut an. Am Nachmittag gelang es den Russen, die Panzersperre zu erobern. Der Häuserkampf begann", schreibt der Augenzeuge.
In den nächsten Tagen sollte in den Straßenzügen erbittert um jedes Haus gekämpft werden. Auch der Soldat Ernst-August Dumtzlaff hat diese schweren Stunden erlebt: "In der Nacht zogen wir uns um einige Häuser zurück. Der Frontverlauf war sehr undurchsichtig geworden. Von See hörten wir Abschüsse schwerer Artillerie, es war wohl die uns zugesagte Marineunterstützung eingetroffen. Wir faßten wieder etwas Mut. Es entbrannte der Häuserkampf in unerbittlicher Härte. Unter Androhung von Gewalt mußten wir deutsche Zivilisten aus ihren Kellern holen." Trotz des Beschusses gelingt es an diesem Tag, etwa 5 000 Flüchtlinge über den Seeweg gen Westen zu transportieren.
Kolberg, 12. März 1945
Am frühen Morgen ertönt aus Lautsprechern erneut die sowjetische Aufforderung nach Aufgabe des Kampfes. Landser Dumtzlaff berichtet, daß erstmals polnische Soldaten auftauchten, die in die Stadt eindringen wollten.
Sanitäter, Ärzte und Schwestern haben alle Hände voll zu tun. Das Lazarett ist voll belegt. Die beiden Chirurgen vermögen kaum ihre Arbeit zu tun, einmal operieren sie 52 Stunden nacheinander, notiert Schwester Godehardis. Die Verwundeten und das Sanitätspersonal erleben hautnah, wie die Front Meter für Meter dichter kommt. Den Höllenlärm der Stalinorgel, das Heulen der Granaten und das Geknatter der Maschinengewehre, all das ist auch im Lazarett gut zu hören.
Kolberg, 15. März 1945
Festungskommandant Fullriede hat die Lage noch unter Kontrolle, noch hält die Hauptkampflinie. Da die Stadt nun fast von allen Flüchtlingen geräumt ist, befiehlt er, daß in der Frühe die Schwerverwundeten abtransportiert werden sollen.
Alles klappt, die Verwundeten, das Lazarettpersonal und die Ordensschwester werden von einer Fähre zum deutschen Zerstörer "Panther" gebracht. Die Ordensschwestern vom Martinsbad werden auf Umwegen über Rügen am 20. März in der Morgenfrühe ihr Mutterhaus im Münsterland erreichen.
Kolberg, 18. März 1945
In der Nacht zum 18. März bereiten sich alle noch in Kolberg verbliebenen Wehrmachtssoldaten, Matrosen, Volkssturmmänner und alle sonstigen Verteidiger auf die Evakuierung vor. Der Abtransport der Zivilisten ist abgeschlossen. Oberst Fullriede sieht nach der Rettung der Zivilisten seine Ausgabe als erfüllt an und befiehlt den Rückzug.
Nachdem es in den Morgenstunden des 18. März mehrfach falschen Alarm gegeben hat, nähern sich Boote sowohl der Mole auch einem offenen Strandabschnitt, der sogenannten Maikuhlenseite. Dort nimmt ein Boot Matrosen und Volkssturmmänner an Bord und rauscht mit Volldampf wieder auf die hohe See zurück.
Das Molengelände liegt jetzt unter schwerstem Beschuß. "Was sich hier abspielte war unbeschreiblich. Jeder wollte der erste sein. Von der Mole führten nur schmale Stege zur Anlegestelle des Bootes. Auch durch den Gefechtslärm hörte man die Hilfeschreie durch die Nacht." Soldat Dumtzlaff wird gerettet. Das Boot bringt ihn an Bord eines deutschen Zerstörers. "Die feindlichen Batterien versuchten mit ihren Geschossen den deutschen Zerstörer zu erreichen. Alle Einschläge lagen zu kurz. Der Zerstörer selbst legte sein Vernichtungsfeuer auf die Stellungen des Feindes." Der völlig erschöpfte pommersche Soldat schläft an Bord sofort ein.
Insgesamt retten die Boote in den frühen Morgenstunden rund 2000 Verteidiger. 350 deutsche Soldaten gelingt jedoch der Rückzug nicht mehr, sie müssen sich in Gefangenschaft begeben. Oberst Fullriede will mit seinem Stab erst möglichst spät die Stadt verlassen. Zum Schluß, als die polnischen und sowjetischen Infanteristen bereits den Hafen und die Mole erobert hatten, führt er den ihm verbliebenen Haufen noch von einem Befehlsstand vom Strand aus. Doch bald gibt es auch hier kein Halten mehr, Fullriede und die letzten Männer retten sich mit einem Schlauchboot auf die Ostsee.
Ein neuer Kommandant
Wehrmachtsoberst Fullriede wird zum neuen Kommandanten für Kolberg eingesetzt.
Die katholische Ordensschwester Godehardis St. Martinsbad in Kolberg berichtet in ihrem noch im April 1945 niedergeschriebenen Manuskript: "Kolberg stand schon seit Monaten im Zeichen der immer näher kommenden Front. Aufgeregte Stimmung überall."
Die Stadt Kolberg, die rund 35 000 Einwohner zählt, wurde rasch zum Sammelbecken; innerhalb weniger Tage war die Stadt auf über 85 000 Einwohner angeschwollen. Die Zufahrtsstraßen lagen bereits unter Artilleriebeschuß, die Züge, soweit sie noch fuhren, waren überfüllt. Schwester Godehardis erinnert sich: "Das Massenelend ostpreußischer Flüchtlinge erhöhte die Panikstimmung in Kolberg." Am 3. März erhält Fegattenkapitän Kolbe, der zuständige Marineoffizier beim Wehrbezirkskommando Kolberg, den Befehl für den Abtransport der Zivilbevölkerung über See.
Kolberg, 4. März 1945 –
"Der Kessel ist zu"
Die letzten Züge verließen die Stadt in den frühen Morgenstunden des 3. März. Schwester Godehardis notiert in ihrem Bericht: "Sonntag, den 4. März morgens um 4 Uhr ging ein Flüstern durch die Reihen: ,Der Kessel ist zu, es kommt kein Zug mehr durch.’"
Oberst Fullriede will die Stadt halten, damit die Zivilisten über den Seeweg gerettet werden können. Ihm standen etwa 3200 Männer zur Verfügung – darunter teils reguläre Wehrmachtssoldaten, teils Volkssturm, teils jugendliche Militärhelfer. Den deutschen Verteidigern gegenüber stand ein Mehrfaches an russischen und polnischen Soldaten.
Bei der Marine hat Fregattenkapitän Kolbe den ersten Konvoi zusammengestellt. Auch in den bereits vergangenen ersten Märztagen hatten immer wieder Frachter, Dampfer und Boote aller Größen Flüchtlinge gen Westen transportiert. Doch am 4. März startet der erste organisierte Schiffsverband mit insgesamt 2200 Flüchtlingen. In diesem Takt sollte es nun jeden Tag weitergehen. Noch am 4. März bricht in der Stadt auch die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser zusammen. Der Wehrmachtssoldat Ernst-August Dumtzlaff, der selber aus Hinterpommern stammt, hat jene Tage miterlebt und seine Erlebnisse später niedergeschrieben: "Nun stehe ich hier an der Panzersperre in der Körliner Straße in Kolberg, die Gedanken gehen zurück an den Marsch auf der Straße nach Kolberg."
Kolberg,
5. März 1945
Soldat Dumtzlaff liegt mit zwei Kameraden auf Posten im letzten Haus der Körliner Straße, es ist am äußersten Rand der Festung. Im Haus gegenüber sind ebenfalls deutsche Soldaten. Plötzlich geschieht in den frühen Morgenstunden etwas Unerwartetes. Statt der Russen taucht ein Flüchtlingstreck auf, heil kommt er an der Absperrung vorbei. Wenige Augenblicke später: Lautes Krachen – die sowjetische Artillerie feuert in die Stadt. Der Beschuß wird heftiger, auch die deutschen Panzersperren am Stadtrand werden ins Visier genommen. Die Häuser werden mehrfach getroffen. Erstmals tauchen noch in sicherer Entfernung auch sowjetische Panzer auf, die durch die deutsche Artillerie beschossen und wieder vertrieben werden. Das feindliche Feuer wird noch stärker. "Wir rechneten jeden Augenblick mit einem sowjetischen Infanterieangriff", so Dumtzlaff.
Dann geht es los: Die Russen greifen an, deutsches Abwehrfeuer schlägt sie zurück. Doch kurz danach der zweite Angriff. Die Panzersperre war inzwischen erheblich getroffen worden. "Ringsherum die Einschläge der Granaten, das Krachen einstürzender Häuserwände. Die Hölle war ausgebrochen. Unter dem Schutz des Granathagels griff der Feind erneut an. Am Nachmittag gelang es den Russen, die Panzersperre zu erobern. Der Häuserkampf begann", schreibt der Augenzeuge.
In den nächsten Tagen sollte in den Straßenzügen erbittert um jedes Haus gekämpft werden. Auch der Soldat Ernst-August Dumtzlaff hat diese schweren Stunden erlebt: "In der Nacht zogen wir uns um einige Häuser zurück. Der Frontverlauf war sehr undurchsichtig geworden. Von See hörten wir Abschüsse schwerer Artillerie, es war wohl die uns zugesagte Marineunterstützung eingetroffen. Wir faßten wieder etwas Mut. Es entbrannte der Häuserkampf in unerbittlicher Härte. Unter Androhung von Gewalt mußten wir deutsche Zivilisten aus ihren Kellern holen." Trotz des Beschusses gelingt es an diesem Tag, etwa 5 000 Flüchtlinge über den Seeweg gen Westen zu transportieren.
Kolberg, 12. März 1945
Am frühen Morgen ertönt aus Lautsprechern erneut die sowjetische Aufforderung nach Aufgabe des Kampfes. Landser Dumtzlaff berichtet, daß erstmals polnische Soldaten auftauchten, die in die Stadt eindringen wollten.
Sanitäter, Ärzte und Schwestern haben alle Hände voll zu tun. Das Lazarett ist voll belegt. Die beiden Chirurgen vermögen kaum ihre Arbeit zu tun, einmal operieren sie 52 Stunden nacheinander, notiert Schwester Godehardis. Die Verwundeten und das Sanitätspersonal erleben hautnah, wie die Front Meter für Meter dichter kommt. Den Höllenlärm der Stalinorgel, das Heulen der Granaten und das Geknatter der Maschinengewehre, all das ist auch im Lazarett gut zu hören.
Kolberg, 15. März 1945
Festungskommandant Fullriede hat die Lage noch unter Kontrolle, noch hält die Hauptkampflinie. Da die Stadt nun fast von allen Flüchtlingen geräumt ist, befiehlt er, daß in der Frühe die Schwerverwundeten abtransportiert werden sollen.
Alles klappt, die Verwundeten, das Lazarettpersonal und die Ordensschwester werden von einer Fähre zum deutschen Zerstörer "Panther" gebracht. Die Ordensschwestern vom Martinsbad werden auf Umwegen über Rügen am 20. März in der Morgenfrühe ihr Mutterhaus im Münsterland erreichen.
Kolberg, 18. März 1945
In der Nacht zum 18. März bereiten sich alle noch in Kolberg verbliebenen Wehrmachtssoldaten, Matrosen, Volkssturmmänner und alle sonstigen Verteidiger auf die Evakuierung vor. Der Abtransport der Zivilisten ist abgeschlossen. Oberst Fullriede sieht nach der Rettung der Zivilisten seine Ausgabe als erfüllt an und befiehlt den Rückzug.
Nachdem es in den Morgenstunden des 18. März mehrfach falschen Alarm gegeben hat, nähern sich Boote sowohl der Mole auch einem offenen Strandabschnitt, der sogenannten Maikuhlenseite. Dort nimmt ein Boot Matrosen und Volkssturmmänner an Bord und rauscht mit Volldampf wieder auf die hohe See zurück.
Das Molengelände liegt jetzt unter schwerstem Beschuß. "Was sich hier abspielte war unbeschreiblich. Jeder wollte der erste sein. Von der Mole führten nur schmale Stege zur Anlegestelle des Bootes. Auch durch den Gefechtslärm hörte man die Hilfeschreie durch die Nacht." Soldat Dumtzlaff wird gerettet. Das Boot bringt ihn an Bord eines deutschen Zerstörers. "Die feindlichen Batterien versuchten mit ihren Geschossen den deutschen Zerstörer zu erreichen. Alle Einschläge lagen zu kurz. Der Zerstörer selbst legte sein Vernichtungsfeuer auf die Stellungen des Feindes." Der völlig erschöpfte pommersche Soldat schläft an Bord sofort ein.
Insgesamt retten die Boote in den frühen Morgenstunden rund 2000 Verteidiger. 350 deutsche Soldaten gelingt jedoch der Rückzug nicht mehr, sie müssen sich in Gefangenschaft begeben. Oberst Fullriede will mit seinem Stab erst möglichst spät die Stadt verlassen. Zum Schluß, als die polnischen und sowjetischen Infanteristen bereits den Hafen und die Mole erobert hatten, führt er den ihm verbliebenen Haufen noch von einem Befehlsstand vom Strand aus. Doch bald gibt es auch hier kein Halten mehr, Fullriede und die letzten Männer retten sich mit einem Schlauchboot auf die Ostsee.
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