Mittwoch, 29. Februar 2012

1980 - XLVI

Hier ist das Aktuelle Mordstudio

Vier Rennfahrer im Seifenkistenrennen,
ein irrer Spaß. Sogar der Moderator lacht unkontrolliert,
setzt dann die Moderatorenmiene auf und fragt den Fahrer Winkelhock
nach seinen beiden kleinen Kindern.
"Die sind wohlauf" sagt Vater und
braust mit 300 Stundenkilometern vor eine Betonwand.
Aus.
Ein Sohn schreibt seinem Vater einen Brief,
erklärt sich, bittet um Verständnis.
Der Vater meint, er brächte das schon
wieder in Ordnung und antwortet nicht.
Fortgesetzt sagen Menschen Dinge, die nicht stimmen,
setzen freundliche Mienen auf,
zum durchaus ernst gemeinten bösen Spiel.
Laßt Euch nur herrichten in der Waffenkammer
der selbsterfahrenen Psychologen,
auf das der Mensch gewappnet sei.
Denn verwundbar ist er von Natur aus und
dies erweist sich in einer Leistungsgesellschaft, die Anpassungsleistung fordert, als seine eigentliche Schwäche.
Die menschliche Aufrüstung und deren Resultate lassen einen starken Brechreiz zurück.

Allein der Ekel verhindert den Auswurf, wie heißt es doch ?
Vornehm geht die Welt zugrunde.
Insgesamt stimmt das.

1980 - XLI

I am death

Tödliche Pfeile treffen meine Seele,
immer wenn die Wunden verheilen, kommen neue hinzu,
mein Blut ergötzt euch,
ihr wollt es sehen,
die Seele ist euch zuwider
und selbst, wenn sie stirbt,
ist es euch nicht recht,
der Körper soll auch beseitigt werden,
denn er drückt das Leiden der Seele aus.
Schafft die Leiche weg,
Zombies,
noch nicht einmal das Ende hat bei euch Würde.

Je suis mort

Dienstag, 28. Februar 2012

1980 - XLV

Kalender

Versuch, die geometrischen Figuren zu ordnen,
die willkürlich in unseren Gedanken als Facetten erscheinen,
durch die die Welt sich bricht, die, hier,
in naiver Weise klar erscheint,
was nichts an der Geborgenheit des Traums ändert,
der die Vergänglichkeit symbolisiert und schützt,
die uns zu erdrücken scheint.

Betrachtet im Spiegel
oder durch die Linse des Photoapparates
manifestieren statische Momente
das Bedürfnis nach Zufriedenheit und geben uns Zeit,
zu erkennen
und danach einzutauchen in die Veränderung der Welt,
die wir auch im nächsten Jahr nicht schaffen werden.

Montag, 27. Februar 2012

1980 - XLIV

König Alkohol

"König Alkohol", dieser Buchtitel von Jack London hat mehr als symbolische Bedeutung, denn die Weise, in der König Alkohol seine Macht erlangt, ist eine magische.
Übt er bei vielen Menschen nur eine vorübergehende, zeitlich begrenzte, Regentschaft aus, so ist der Herrscher Gast im Hause derer, die ihn rufen.
Doch dieser Gast entfaltet bald eine merkwürdige Anziehung.
Er tröstet den Einsamen, hält dem Fragenden seinen Zerrspiegel vor und verspricht dem Vielgeplagten Ablenkung.
Er spielt eine Karte nach der anderen aus, immer noch einen Trumpf in der Hinterhand haltend, um sein Bleiben zu entschuldigen.
Er bleibt dabei stets im Hintergrund und unauffällig, um seinem Opfer den Spielraum zu jeder Selbstverwirklichung zu geben.
Es gibt nur die eine, kleine, Bedingung, nämlich die, daß er Gast bleibt.
Doch in Wirklichkeit könnte sich der Rufende gar nicht mehr von seinem Gast trennen.
Selbst wenn er König Alkohol zum Gehen aufforderte, so würde dies nichts ändern.
Der Ruf nach Ihm ist unwiderruflich.

Er lockt mit seiner klaren, ausdrucksvollen, Sprache, der kalten Wärme und der unbestechlichen Logik des Gefühls.
Er bietet seine Gesellschaft als starker und mächtiger Freund an und gibt Vergessen und scheinbare Ausgeglichenheit zurück.
Ist dieses Angebot erst einmal akzeptiert, so erbietet sich der glitzernde Herr, aufgrund der nun eingegangenen Partnerschaft, alle Probleme zu bereinigen.
Das arme Opfer redet dem König das Wort und glaubt, sein wahres Ich entdeckt zu haben.
König Alkohol weidet sich an dem Irrglaube seiner Opfer in der Sicherheit, sie gewähren lassen zu können.
Den geringsten Zweifel zerstreut er mit dem Aufblitzen seines philosophischen Geistes und treibt mit der Gewißheit seines Daseins sein Opfer von Rausch zu Rauch, von Selbsttäuschung in angenehmen Wahn.
Schließlich wird Er, der Magier, sein Opfer der Bestimmung seines Herrn übergeben.
Das Opfer wird es so wollen.
Wehe um den, der soweit gekommen ist !

Der graue Geselle wartet überall, man kann Ihm nur in Freiheit begegnen.

Samstag, 25. Februar 2012

1980 - XLIII

Schlag-Zeilen

Schlagzeilen tropfen in die Köpfe der Menschen,
gebrauchte Wörter nehmen sie in den Mund,
glauben ihre nicht eigene Meinung,
erklären Unverstandenes weiter,
wälzen sich im eigenen Dung
und kommen doch immer auf den Hund.

Freitag, 24. Februar 2012

1980 - XLII

Wo bleibt die Erkenntnis ?

Die Existenz des Lebens zu beweisen, das ist eine Aufgabe, die mir müßig scheint.
Das Leben beweist sich durch sich selbst, wir suchen ein für uns gültiges Bild davon.
Als Menschen schließen wir dabei alle Empfindungen anderer Lebewesen aus.
Unsere Auffassung der Dinge wird bestimmt von der Fähigkeit unserer Sinne, etwas aufzunehmen und von der unterschiedlichen Persönlichkeit,
die uns eine Subjektivität gibt, die mal als Objektivität, mal als Individualismus verstanden wird.
Zwar ist der Mensch als Einzelwesen einmalig und unterscheidet sich daher von all seinen Mitmenschen, doch bin ich der festen Überzeugung, daß auch er eine Variante eines immer gleichen Spiels ist und das es eine Einheit gibt, die sich aus der Unendlichkeit der Möglichkeiten ergibt, die gleichsam doch eine Begrenzung darstellt.
Der Mensch als Vielheit einer größeren Einheit, das ist die Aufhebung von Gegensätzen, die dennoch bestehen bleiben.

Trotz der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten menschlichen Lebens zwingen uns objektive biologische Notwendigkeiten wie das Atmen, Essen, Trinken, Schlafen und letztlich Sterben in eine Art der Lebenserhaltung und Fortpflanzung, die uns wiederum zwingt, uns nicht nur gleich zu verhalten, sondern auch darüber hinaus einen gemeinsamen menschlichen Konsens zu schaffen, der um so wichtiger ist, je mehr Individuen existieren.
Gerade daran scheitern wir allerdings: der Konsens, der sich bei den Tieren und Pflanzen zu perfekten Ökosystemen ausgebildet hat, will uns trotz überlegener geistiger Fähigkeiten nicht gelingen. Uns fehlt der perfekte Plan der Pflanzen und der Instinkt der Tiere.
Wie stelle ich mir einen Vogel vor, der "bewußt" zu fliegen versucht ?
Der Ersatz der übergeordneten natürlichen Steuerungsmittel durch den selbständigen Verstand mißlingt und das beweist, daß unser Individualismus den Untergang bedeutet und gleichzeitig, daß unsere Erkenntnis, selbst wenn sie zutrifft, ohnmächtig ist und bestenfalls als Vorstufe zum Tod und letzten Endes damit zur Einheit gesehen werden muß.
Mit Erkenntnis ist damit im weitesten Sinn Vernunft gemeint als Fähigkeit, Dinge zu beurteilen und innerhalb eines Gedanken- und Wertsystems in Beziehung zueinander zu setzen, einen eigenen Standpunkt zu finden.

Freilich ist es möglich, die Erkenntnisse zu akkumulieren und immer weiter zu ergänzen, sodaß eine höhere menschliche Objektivität erzielt wird, d. h. Erkenntnisse werden nachvollziehbarer.
Die Wissenschaft, im Gegensatz zum vorgegebenen Bauplan der Natur resp. Schöpfung, kann sich nie aus ihrem menschlichen Rahmen lösen, d.h. eine objektive Realität ist nicht herstellbar.
Damit ergibt sich die Frage: wozu also die Mühe, etwas erkennen zu wollen ?
Gerade der menschliche Rahmen gibt uns die Möglichkeit, irgendwo aufzubauen, hätten wir ihn nicht, so gäbe es nichts zu erkennen.
Die Begrenzung unserer Sinne heißt das Leben und die Erfahrung.
Der Mensch ist Ausdruck des Wunsches nach Unterscheidung und scheinbarer Trennung, obwohl er immer Teil des Mikro- und Makrokosmos bleibt.
Er besteht in ihm und aus ihm.
Und obwohl wir begrenzt sind, werden wir unsere Grenzen nie erkennen.
Weder die Weite des Universums, noch die kleinsten Teilchen werden wir sehen.
Nur in uns selbst finden wir philosophische Wahrheit: das Prinzip der scheinbaren Gegensätze. Nichts ist von Bestand und doch besteht es.
Auch die letzte Begrenzung unseres Daseins können wir als endlich und zugleich unendlich begreifen.
Wie können wir sterben, wenn wir eigentlich gar nicht leben ?

Donnerstag, 23. Februar 2012

1980 - XLI

Nirgendwo

Wenn das Elend an den Wänden hoch kriecht
und die Suche nach dem Ausweg beginnt,
dann weiß sich das Leben bemerkbar zu machen,
drückt sich aus im Aufschrei der Seele,
die ihre jämmerliche Verkleidung nicht verlieren will
und doch die Angst beiseite schieben muß,
wie dunkle Rauchschwaden,
um Berge zu besteigen
und finstere Abgründe zu durchmessen.
Nirgends lebt es sich schlechter als im Nirgendwo.

Dienstag, 21. Februar 2012

1980 - XL

Apocalypse now

Jäger der Apokalypse,
die Hunde hetzen Dich
in immer neue Kammern des Labyrinths,
doch keine Tür, die Du hinter Dir verschließt, schützt Dich.
Was Du anfaßt, löst sich zu Staub auf.
Du erhälst nichts und Du wirst nicht erhalten,
wen willst Du vernichten ?
Gegen wen Dich verteidigen ?
Der Untergang ist einzig und allein in Dir
und die Kraft heißt:
damit leben.

Montag, 20. Februar 2012

1980 - XXXIX

Bilanz

Den Nebel beiseite wischend, erscheinen die Sterne als
Punkte des Universums so leuchtend klar, wie die Augen es können, wenn sie fixiert betrachten.
Jede Bewegung bedeutet Verwischung und muß daher zum Stillstand gebracht werden, sonst wäre sie keine.
Den Status Quo der Nichtbewegung erreicht jeder Energiefluß nach gewisser Dauer.
Mag sein, daß alles einem übergeordneten Prozeß dient, die Bewegung selbst scheint nur den Selbstzweck zu kennen.
Das Denken als Reflektion der Aktion ist sekundär für den Ablauf, es sei denn, den Einzelaktionen wohnt ein übergeordneter Gedanke inne, den wir nicht kennen,
und unser eigenes Denken wirkt als Überordnung für zahllose Kleinwelten.
Wir, ob Herren oder Diener, trinken unser Glas aus, mal schnell, mal langsam,
und welche Form der Wesenheit wir danach erreichen, weiß keiner von uns.
Als Ebene des Lebens verlassen wir den Körper, der quasi abgeschaltet wird und den Positivzustand verändert.
Gibt es einen gigantischen Ausgleich zwischen Sein und Nichtsein ? Nichtsein als modifizierter Zustand des Seins ? Göttliche Fragen, über die zu denken unsinnig scheint und doch stecken wir mitten drin.
Die Suche nach Zufriedenheit, die in unserem Zustand nie erreicht wird, weist sie nicht hin auf das Ende ?
Der Weg ist das Leben, aber ohne Leben gäbe es den Weg nicht.
Eine Einheit des Ganzen läßt sich erahnen.
Über den Namen dafür streiten wir noch immer.

Sonntag, 19. Februar 2012

1980 - XXXVIII

Heuchelbach

Es klappert die Mühle am Heuchelbach, sie wird es immer tun,
denn die Heuchelei ist nichts weiter als eine gigantische Vergewaltigung der Idee. Forscht man einmal nach, so stellt sich heraus, das jeder religiöse Mensch,
und religiös ist hier als Charaktereigenschaft gemeint,
gut ist, weil er dem Leben einen Sinn abgewonnen hat
und ihm somit positiv gegenüber steht.

Nun gibt es einige, die meinen, das Kind müsse einen Namen bekommen.
Also die Tatsache, daß ihre innere Überzeugung ihnen beim Leben hilft,
die soll nun verbreitet werden.
Das Ganze geschieht natürlich nicht aus völlig altruistischen Motiven.
Ein Kind, das schwimmen gelernt hat, prahlt auch gern bei seinen Altersgenossen, die nicht schwimmen können.
Der Unterschied ist nur, daß nun der Glaube an die eigene Überlegenheit den Namen Gott, Gottes Sohn und Heiliger Geist (was immer das sein mag) trägt
und die Ungläubigen (wahrscheinlich vor Staunen) mit einiger Nachhilfe
(früher mit primitiver, aber wirkungsvoller, Gewalt, heute durch Agitation) zu Ihrem Glück gezwungen werden sollen.

Wie wird aus einer an sich guten Kraft eine schlechte ?
Ganz einfach: der Zweck heiligt die Mittel.
Mit diesem Satz läßt sich alles rechtfertigen, sofern der Zweck, der christliche Moralkomplex, erst einmal selbst geheiligt ist.
Das besorgt die Kirche, die Neigung, sich im Zweifelsfall nicht auf sich selbst zu verlassen,
sondern imaginäre Stützen zu suchen, treibt ihr immer wieder seltsame Schafe zu.

Ein eigenes, urmenschliches, Gewächs ist da entstanden, das nichts mehr mit Urahnungen und Gotteserfahrungen zu tun hat.
Wie einem Krebsgeschwür wohnt allen menschlichen Institutionen inne, daß sie Eigenleben entwickeln.,
wachsen ohne Sinn und schließlich ihre Grundlagen vernichten.
Wenn Gott wirklich überall ist, dann ist er in Jedem, wozu also noch Kirchen bauen ?
Wie soll eine Kraft übertragen werden, die Andere nicht spüren ?
Eine reine Machtfrage entscheidet, was die Kinder glauben dürfen, was nicht.
Falsche Religiosität wird an den Tag gelegt, menschliche Beziehungen zerstört, bevor sie angefangen haben.
Haß gegen Juden, Araber, ist das Gott ?
Was ist mit Allah ? Dem Nirwana ?
Der Teufel trägt das Kruzifix des Gottgötzen
und der Geist wendet sich mit Grausen.

Samstag, 18. Februar 2012

1980 - XXXVII

Spiel

Lieber Gott, fragst Du Dich manchmal,
warum die Starken nicht immer gut,
die Schwachen nicht immer schlecht,
die Reichen nicht immer stark
und die Armen nicht immer schwach sind ?
Wie hälst Du den Zufall aus,
der in Deiner kunterbunt zusammen gewürfelten Welt
immer die gleichen gewissenlosen Menschen
an den Schalthebel führt,
der die Macht über Tausende von Menschen bedeutet und deren Unglück ?
Gewiß, manchmal gewinnt auch ein Guter,
im Märchen zum Beispiel läßt es sich happy enden.
Aber Du verbreitest unwidersprochen, die Welt sei gut,
alles soll so bleiben:
findet Euch mit dem bißchen Unglück ab und betet.
Dabei geht Deine Schöpfung, zumindest deren Krone gewaltig in die Hose.
Vielleicht hast Du auch nur ein Spielchen mit Deinem Kompanion,
genannt Teufel, gewagt und leider verloren.
Ein neues Spiel - ein neues Glück.
Jetzt mußt Du Deine Karten mischen,
sonst verlierst Du wieder
oder hast Du Dich abgesprochen
und am Ende gar nichts verloren ?
Jagst uns die Puppenfiguren der Angst auf den Hals,
läßt uns schwitzen, am Ende für nichts ?
Womöglich bist Du selbst so eine Figur,
ein Lächeln wird Euch beiseite wischen.

Freitag, 17. Februar 2012

1980 - XXXVI

Augenblick !

Sechs Milliarden Endzeiten verrinnen,
neue beginnen,
im Rausch der Ewigkeit des Augenblicks
und höchsten Glücks,
gezeichnet von der Endlichkeit
mit Verschwendung ohne Endung,
entsteht aus Leidenschaft neue Lebenskraft
- nie so zahlreich, doch so einsam.

Donnerstag, 16. Februar 2012

1980 - XXXV

Blauer Tag

Sieht nach blauem Himmel aus
oder nach einem blauen Tag,
der Rauch der Zigarette
ringelt den Sonntagshimmel,
ein Weg an einer langen Straße
führt den Spaziergänger
an Deine Tür,
mit braunen Augen in den Tag,
der blau scheint
in das Stilleben der
Kaffeetassen und Aschenbecher,
Brotreste in der Küche,
die Kühe im Stall bemerken es nicht,
der Himmel ist blau über dem Asphalt
und den kleinen Staubwolken,
die unsichtbar umher eilen
und irgendwo die Einkehr,
um sich die Zigarette zu drehen
und Kaffee zu trinken
und erst abends beim Bier
merkst Du und die Gestalten der Nacht:
es war ein blauer Tag.

Mittwoch, 15. Februar 2012

1980 - XXXIV

Smooth Operator

Gnagflow, der Unendliche, begann aus seinem schweren Schlaf zu erwachen und träumte den Körpertraum.
Was da plötzlich in Wallung geriet, kannte er nicht, aber es erfüllte ihn mit Wohlgefallen. Die Formen malten sich wie von selbst, in den Labyrinthen seiner Gedankengebäude schmückten sie die Imagination und Impulse, die eigentlich unmöglich schienen, entstanden, am Anfang ein einziger, der nicht aufzuhören schien und in andere überging oder mehr oder weniger und alles potenzierte sich zu einer gewaltigen einzigen Menge, die hervorbrach und das Nichts derartig überschwemmte, das ein einziger Operator unmöglich All das hätte aufwischen können, was er ja auch garnicht tat.
Ein Wabern erfüllte Gnagflow und der eigentlich ihm selbst bewußte, unerhörte Bewegungsfluß zeugte eine sich selbst entwickelnde Masse von winzigen Momenten, die in einer winzigen Facette gleich winzige Funken zu einem großen Lichtbild des Lebens puzzelte.
Guten Tag, ich bin die Herrin, sagte ihm etwas und die Tür öffnete sich, wobei Gnagflow über unmögliche, weiche Materie verfügte und die lebte und bebte und er glaubte, schon immer so etwas gewünscht zu haben und die Freude des Erreichten verschlang ihn bald so sehr, daß er merken konnte, wie der Körper verblich, die Formen verwelkten und schon bald schlief er wieder.
Der Operator zuckte die Achseln, er kühlte das Nichts tagtäglich, doch ebenso entstanden überall beständig neue Herde, um die er sich kümmert und diese Zeilen nimmt er bestimmt nicht zur Kenntnis, weil er nicht liest und sie eigentlich überhaupt nicht interessant findet.
Er operiert nämlich im Nichts und ohne Aufgabe und das so beständig wie eh und je.

Dienstag, 14. Februar 2012

1980 - XXXIII

M.E.N.S.C.H.

Wir heißen M.E.N.S.C.H. und sind Teil
eines Androidenprogramms.
Unsere Aufgabe ist es, menschliche Gefühle
zu registrieren und zu demonstrieren.
Zuerst müssen wir feststellen,
daß humane Wesen immer mehrere Schritte überspringen
oder plötzlich vom Programm abweichen.
Ihr Programm muß sehr umfangreich sein,
es wird erst als Summe eines Zustandes,
genannt LEBEN, erkennbar.
Das Programm ändert sich selbständig.
Es ist abhängig von der Arbeit aller Humanwesen
und muß daher als ein Steuerprogramm betrachtet werden,
welches die Unterprogramme korrigiert.
Die Einzelwesen streben ihre Korrektur nicht an
und wollen auch nicht abgeschaltet werden.
Das nennen sie ICH,
sie GLAUBEN wegen ihres komplizierten Programms
an eine übergeordnete, ewige Erhaltung,
obwohl sie selbst nach einer von ihnen selbst gemessenen
Spanne von 70-100 Einheiten in der Regel ihre Abschaltung erreichen.
Über ihr funktionelles SEIN hinaus,
möchten sie das Programmende vermeiden.
Dazu möchten sie das Programm beherrschen
und SELBST KREATIV SEIN.
Leider wissen wir nicht, was es bedeutet,
denn das Resultat der Programmentnahme ist das Ende des Istzustands für sie.

Über das Steuerprogramm liegen uns keine Daten vor,
daher bekommen wir kein Ergebnis.
Worte wie MORAL, GLAUBEN, SINN, LEBEN sind nicht analysierbar.

FÜR DIE MIT GROSSBUCHSTABEN GEKENNZEICHNETEN WORTE STEHT KEIN SPEICHER ZUR VERFÜGUNG, BITTE SCHLIESSEN SIE EINE ODER MEHRERE ANWENDUNGEN UND STARTEN SIE LEBEN 98 ERNEUT

Montag, 13. Februar 2012

1980 - XXXII

Aerobic(g)

Millionen bestrumpfhoste,
verbalettierte oder simpel
sporthosige Frauenhintern
schwenken sich im Takt zur Flash-Dance-Melodie,
zuckend wie Hähnchen am Grill,
werfen sie ihre legwarm
geschützten Beine in die Luft,
ob stramm oder nicht,
die Stirnbänder angezogen,
wie um den Kopf zusammenzuhalten,
die Masse beschert den Überdruß,
so wird Selbstqual zum Genuß
im Stil der Zeit verwandelt sich jede künstlerische Ambition
in einen körperlichen Fetischismus größter Sinnlosigkeit,
die jedes Nachdenken über den
uniformen Charakter des eigenen Tuns abweist,
eine gestretchte Ideologie
verliert man nie,
wenn Turnvater Jahn es wüßte,
rap it bis die Platte kaputt is.

Sonntag, 12. Februar 2012

1980 - XXXI

Oh, na.., nie! (Onanie)

Etwas Individualismus bitte,
wo bleibt die Form ?
Sachlich sein, abwägen,
Kriterien finden, entscheiden.
Kopf hoch, auf Jeden wartet etwas,
Nichts geht ohne Arbeit.
Mit Erfahrung garantieren wir ...
wer ist wir ?
Vielleicht gibt es doch nur ein Ei des Kolumbus.
Strahlend und blitzsauber will es gefunden bleiben.
Wer sucht, der fragt.
Der Jäger fängt sich im Nebel.

Samstag, 11. Februar 2012

1980 - XXX

Alte Liebe

Was geschah mit unserem Traum ?
Als sich unsere Lippen berührten,
schien er ewig zu dauern,
doch dann versuchtest Du,
die Augenblicke festzuhalten,
zu verketten zu einer Bindung,
wo möglich auf immer
und ich zerbrach Deine Illusion durch meine Flucht,
worauf Du mich zerbrechen wolltest,
was Dir fast gelang.
Immer die gleiche Geschichte,
die ich versuchte, zu ertränken
und die sich immer neu anbahnte.
Ja, Dein Gesicht ist fließend
und die Frage ist,
wann ich vor Deiner Verwandlung
nicht mehr zurückschrecken werde.
Bewältige ich die Unfreiheit ?
Vielleicht kommst Du noch einmal zurück:
in Hot Pants und mit grauen Haaren.

Freitag, 10. Februar 2012

Monster

In meinem Kopf befinden sich Monster jeglicher Couleur, die meinen Gehirn beschäftigen. Da vergesse ich jede Beziehung und jede andere Idee. Ich muss die Monster beseitigen, es werden aber immer mehr. Wenn ich sie töte, bekomme ich Cash.
Am Ende bin ich selbst tot. Ich bin der Finger auf dem Button. So ist das Leben.

Collage

Dienstag, 7. Februar 2012

1980 - XXIX

Held

Laß' uns einen Helden zeugen,
der nicht wie alle anderen, von Angst gepeinigt,
nach Herrschaft und Besitz strebt,
der die Menschen nicht braucht und sie befreit.
Er soll die Tugenden leben,
die Ideen erfüllen mit dem Leben, das ihnen sonst fehlt.
Einen Sinn sehen in der Ordnung,
die der Mensch braucht,
sich trotzdem widersetzen,
den Neid mißachten,
der Gerechtigkeit Maße setzen.
Ein Vernunftwesen mit quasi göttlicher Einsicht
in die Logik des Lebens.

Statt dessen feilte ich einen Stein,
der die Form eines stehenden Menschen
mit ausgebreiteten Armen zeigte.
Unser Traum lebt nicht, er lebe lange !

Montag, 6. Februar 2012

1980 - XXVIII


Schweine

SCHWEINE gehören zum Borstenvieh,
aber es gibt auch welche ohne Borsten,
warum soll man das nicht sagen ?
Sie suhlen sich alle gleichermaßen im eigenen Kot.
Bleiben sie im Stall,
so ist das nicht mehr als ein Vergnügen,
in freier Wildbahn aber versauen sie alles (Wildschweine).
Aber: in jedem Schwein steckt das Gute,
unaufhörlich versucht es,
grunzend und quiekend,
all die guten Werte mitzuteilen,
die es selbst nicht wirksam ausleben kann.
Es verlangt nach Hilfe,
irgend jemand muß doch die Arbeit leisten,
die das Schwein zwar selbst gern tun würde,
aber leider nicht tut.
Helfen wir den Schweinen, damit sie zufrieden sind.
Ein sattes Grunzen mag unser Lohn sein.
Wir sehen ja an den Schweinen,
wie unglücklich sie sind, weil sie das Gute verbergen müssen.
Denn frei zitiert:
Borstenvieh und Schweinespeck, das ist der wahre Lebenszweck.

Sonntag, 5. Februar 2012

1980 - XXVII

Pinguinburg

Wo sich das Hellblau mit dem gelben Schein,
der über den Feldern voller grüner Ähren liegt,
vereint, gibt es einsame Flieger, die sich über den
Straßenschluchten der Städte vereinzelt zusammenscharen.
Sie wollen seßhaft werden, aber es herrscht Platzmangel.
Die Reviere der Pinguine bieten ihnen keinen Raum mehr.
Pinguine reglementieren ihre Konflikte und kanalisieren ihre Spannungen in immer mehr Ritualen.
Ihre Illusionen sagen ihnen, daß sie alle menschlich leben sollen und sie dulden dabei keine Störenfriede.

Die Pinguinbürger verteidigen ihr warmes Nest schon vorbeugend, auch wenn sie nicht angegriffen werden.
Sie stecken ihre Standpunkte ab, wie den Platz zum Eierlegen und bauen sich ein Häuschen mit Zaun drum herum.
Ab und zu steigt die Sehnsucht nach der Natur hoch und sie gehen hinaus, um ihre Sicherheiten bestätigt zu finden.
Auf Schildern stehen sie geschrieben, die Namen ihrer Pinguinburgen, wie eine Rückversicherung.

Es lebe die Vorstellung, bis der Vorhang sich senkt.
Die einsamen Flieger ziehen ihre Kreise, irgendwann fallen sie von der Sonne geblendet, tot zu Boden.

Samstag, 4. Februar 2012

1980 - XXVI


Notlösung

Es war einmal ein Floh,
der war des Lebens froh,
er hüpfte gern durchs Gras,
bis ihn ein Käfer fraß.
Denselben fängt der Frosch mit List,
worauf er Storchens' Beute ist.
Ich hoffe, nun ist endlich klar:
die Kinder bringt der Adebar.


Freitag, 3. Februar 2012

1980 - XXV

Amazonas

Verkrampfend, windend durch das Buschwerk
moralischer Normen,
kein Entkommen sehend
aus den Armen der Frau,
die Sehnsucht nach dem guten Kameraden
im Herzen, das, so voller Hoffnungslosigkeit, schwer wird.
Mit der vollen Sicherheit
läßt es sich noch schwerer leben
als mit der unbegrenzten Freiheit des Alleinseins.
Die Hoffnung darf nicht sterben:
das mein Blick wieder frei wird und
ich gänzlich neue Irrtuümer und Fehler begehe,
solange sie mich nur nicht zur Rechenschaft ziehen,
darum reiche mir das Buschmesser, Freund:
denn zärtlich ist das doppelte Lächeln der Amazone
.

Donnerstag, 2. Februar 2012

1980 - XXIV

Renegatin

Liebste Renegatin,
Dein gefühl hat mich verletzt bis ins Mark,
meine Seele lechzt nach Dir
wie ein vertrocknender Baum.
Das Wasser, welches mich erweichte,
vergrößert meinen Durst,
doch das Salz der Tränen bekommt mir nicht.
Und bald werde ich weiter leben,
obwohl der Tod wieder einmal sein Zeichen setzte,
breite Deinen Mantel aus
und gib mir Trost
an Deiner Vergänglichkeit,
deren Brüste mir schon immer geläufig waren.

Mittwoch, 1. Februar 2012

1980 - XXIII

Konjunktiv

Es stinkt zum Himmel,
nein, vom Himmel stinkt es.

Hättest Du mich nur einmal gefragt,
ob ich Dich liebe,
alles gäbe sich von selbst;
so erstarb die große Kraft,
verbrannte sich in mir,
auf meinen Lippen,
die es nicht über sich brachten,
zu bekennen.
Leider schweigst Du und
die Idee begraben wir gemeinsam:
unter den Floskeln der Alltäglichkeit, selbst tötend.
Welch' ein Drama;
wäre mein innerer Spielplan nur etwas abwechslungsreicher !

August '83