Dienstag, 31. Juli 2012

2005 - VI

Sex

Alle Dinge im Leben, die etwas werden, gehen schnell.
Dinge, die nichts werden, dauern ewig.

Montag, 30. Juli 2012

2005 - V

Der Umzug

Ich lief durch die Bahnhofshalle mit einer angezündeten Zigarette. Warum ich eigentlich rauchte, wusste ich nicht. Ich fühlte nur die Gewohnheit des Giftes. Der Rauch brannte in meine Lunge. Ich nahm einen letzten Zug und schnippte den Stummel weg. Ich gemoß den ersten frischen Atemzug und zog ihn tief ein. Wahrscheinlich rauchte ich, weil mein Urgroßvater sich zu Tode geraucht hatte. Er war Metzgermeister und zog mit seiner Frau von einer Feier zur anderen.
Ich war auf der Suche, Ramschläden mit Billigangeboten begeisterten mich. Es brachte mir nur Unruhe, wenn ich meiner Sucht nicht nachginge.
Zum Glück gibt es Gasthäuser, die Ruhepausen versprechen. Ich beschloß etwas zu essen.
Zunächst schöpfte ich keinen Verdacht, als ich eine Dame in höfischer Kleidung erblickte. Die Zeiten waren unruhig. Kammerzofen versuchten Hofdamen zu werden und so weiter.
Nachdem ich meine Mahlzeit beendet hatte, sprach mich die Dame jedoch an. "Mein Herr, wenn Sie wünschen, können Sie einen Tag in der Vergangenheit verbringen. Der König von Schweden speist gerade in diesem Lokal und lädt sie dazu ein." Ich blickte mich um und sah zwei große und kräftige Männer beim Essen tafeln. Wie um mich zu retten, stürzte in diesem Moment ein deutscher Schauspieler herein, näherte sich rasch dem Tisch des Königs und packte ihn am Kragen. "Wie können Sie es wagen, hier zu speisen, während ihr Volk verhungert?" schrie er den König an. Der König und sein Begleiter schüttelten den lästigen Gast ab wie eine Fliege. Sie ließen sich nicht weiter beirren. Unter Protest warf der herbei geeilte Wirt den ungebetenen Gast hinaus. Offensichtlich sah der König von einer Strafe ab, winkte mir als verdutztem Zuschauer zu. Ich erhob mich und ging meinerseits zu seinem Tisch. Dort blieb ich wortlos stehen. "Sehen Sie," sagte der König "hier kommt gerade der frische Weißwein. Ich lade sie gern dazu ein, aber nun zu meinen Regeln." Er öffnete gleichzeitig eine große Flasche und sah mich verwirrt. " Was tun Sie hier?" fragte er nach.
"Nun," (ich vermied eine Anrede)"ich ziehe um." Der König lachte.

Sonntag, 29. Juli 2012

2005 - IV

An_die_Gedanken

Gedanken
ranken wie Efeu
um den Baum
der Erkenntnis und
dabei will
ich doch nur eines:
dir nah sein!

Samstag, 28. Juli 2012

2005 - III

Versteck'

dein Lachen
im Gesicht,
es könnte stören,
grinse nicht!
Sei unbeteiligt
lieber still,
das ist es, was dein
Mitmensch will.

Freitag, 27. Juli 2012

2005 - II

io

Ich bin der
den ihr in mir seht,
ich könnte
einfach nur der sein,
der ich bin.

So aber
fahre ich weiter
den Schlitten, den die
Ignoranz
treibt und deren
Unwissen
Versteck bietet.

Donnerstag, 26. Juli 2012

2005 - I

Ich werd' verrückt und zieh' aufs Land!

Da streifte ich nun im Sommer nach den ersten Tagen unseres Einzugs in der Kätcheslachmulde herum, um den neuen Wohnort zu erkunden.
Betonierte Feldwege und Felder, wohin das Auge blickt. Diese Kombination kannte ich nicht so aus meiner Heimat. Uns war es als jungem Paar gelungen (brav erkämpft nach Vorlage der Verdienstbescheinigung), eine Mietwohnung in Frankfurt zu finden, aber im Grunde lebten wir weiterhin in einem Dorf.. Vor einem Einzug hätte ich nicht geglaubt, dass es zu Frankfurt gehört: Kalbach. Der historische Name ist Kahlbach und so würde ich den Namen aussprechen, die Einheimischen entscheiden sich aber das a kurz auszusprechen. Hier hatte ich mich auf dem Weg zur Arbeit schon einmal restlos verfahren. Am Weißkirchener Berg drehte ich entnervt um, der Ort schien kein Ende zu nehmen und war es für mich gleichzeitig.
Nun hatten wir also die Wohnung, sie war mit einem dicken gelben Teppichboden und ebenso gelber Rauhfaser ausgestattet und wir änderten das nur zum Teil um bei unserem Einzug.
Wir konnten nun nach kurzer Fahrt direkt eine U-Bahn erreichen und waren darüber sehr erleichtert. Die Lage der Wohnung erschien mir geradezu idyllisch. Man fuhr direkt auf einem freien asphaltierten Platz vor, hatte einen kurzen Weg zu dem am Feldrand gelegenen Haus.
Schon der Straßenname kündete von der Feldnähe: Am Hasensprung. Und im Sommer sprangen dort teilweise auch tatsächlich ab und zu die Hasen. Das war zwar auf einer reinen Anliegerstraße nicht so gefährlich, stürzte den verirrten Meister Lampe aber doch in heller Aufruhr. Auch die Hasen hatten sich verlaufen.
Vom Balkon aus blickten wir nun direkt zum Riedberg und dahinter lugte direkt der Fernsehturm hervor. Als einziges Zeichen der Stadt, die sich ansonsten hinter dem Hügel versteckte.
In der Kätcheslachmulde war die Trauerweide der einzige größere Baum, abgesehen ein paar auf der Anhöhe Richtung Kalbach stehenden Apfelbäumen. Unter dem Baum stand eine Bank.
Eine Zuflucht, so schien es mir, denn ich mochte das freie Feld nicht besonders. Nur wenn das Getreide hoch stand, fand ich das erträglich, aber der Wald fehlt nun einmal. So pfeift der Wind beständig über die Felder, die Jahre vergehen. Ein kleiner Tannenbaum vor dem Haus wird größer und spendet Schutz vor Wind und Sonne, bietet Vögeln Unterschlupf.
Die Kätcheslachmulde soll wichtig sein für den Luftaustausch vom Taunus zur Innnenstadt.
Da wird wohl nicht gebaut werden.
Und doch ändert sich so einiges. Die amerikanischen Hubschrauber, die im Sommer manchmal stundenlang mit laufenden Rotoren auf dem nahe gelegenen Flugplatz stehen, ziehen ab. Tapeten und Fenster werden nicht mehr so schnell schwarz. Ein paar Bäume werden auf dem Hügel gegenüber angepflanzt, ein Vogelschutzgehölz. Aber die Stadt kommt näher. Autobahnen werden voller, weil es eine neue Ostumgehung für Frankfurt gibt. Aus der A 661 wird nun eine Umgehungsstrecke und Abkürzung für die Fahrt vom Offenbacher Kreuz zum Bad Homburger Kreuz. Auch gibt es neue Umgehungsstraßen; der Bürgersteig in Kalbachs Mitte wird sicherer. Der Platz vor dem Haus ist längst belegt. Container der Kalbacher Schule stehen dort. Sicher nur vorübergehend, irgendwo müssen die kleinen Würmer ja hin. Die Stadt wächst von Heddernheim hinaus, Boden wird jahrelang entgiftet, das neue Mertonviertel entsteht. Dann künden große Schilder von der Riedbergstadt. Bis wohin soll sie gehen? Man nimmt es nicht ernst. Das wird alles dauern. Der Ökodoktor vom Nachbarhaus klebt sich ein Schild der Bürgerinitiative auf das Auto. Der Riedberg soll Spazierberg bleiben, so wollen es die meisten Kalbacher. Aber die Bauern werden zwangsenteignet, die Stadt macht ein Geschäft, ersteht das Land relativ billig und auch der Investor bekommt seinen Teil. Vom bezahlbaren Wohnraum nicht eine Spur. Kalbach wächst, neue Baugebiete, eines vor der Haustür. Der Hasensprung wird zur Durchgangsstraße. Wer rückwärts aus der Garage fährt, muss warten. Das erwarten die neuen Anwohner, Tempo 30 ist hier kein Thema.
Bei all dem ist Kalbach ruhig geblieben. Weder gibt es hier mehr Lokale, noch Einkaufsmöglichkeiten, die Busse sind kleiner als früher. Nur der Lärmpegel steigt.



Die Kätcheslachmulde wird zum Kätcheslachpark, die Trauerweide hat man im Zuge der Bauarbeiten einfach gefällt. Nun entbrennt die Debatte um eine Silberweide, die neu gepflanzt werden soll. Aber nicht an alter Stelle, das wäre zu dicht am künstlich angelegten Teich.
Und noch ein Baum steht nicht mehr, der vor unserem Haus gefiel der Hausbesitzerin nicht mehr, eines abends erblickten wir nur noch den Stumpf. Der Wind weht nun sogar die Erde aus den Blumenkästen. Reißt den Sichtschutz seitlich weg vom Balkon. Und die Kalbacher breiten sich aus. Der Wintergarten im Nachbargarten schiebt sich unter unsere Fenster. Wir sind nicht mehr allein. Auf dem Riedberg gegenüber stehen Häuser und entstehen Straßen.
Auf den Feldwegen gibt es Begegnungen aller Kraftfahrzeugarten. Meine Feldrunden habe ich längst aufgegeben. Der Parkettboden wölbt sich nach über 20 Jahren unter unseren Füßen und zeigt den Mut zur Lücke.
Nun werde ich endgültig verrückt und ziehe aufs Land

Mittwoch, 25. Juli 2012

2004 - VI

Schon

Ich spüre es schon,
ich merke es, ach,
die Zeit fehlt mir,
ich schlafe wach.
Der Gedanke ist schon fast entschwunden
und fühlt sich nicht an mich gebunden.
Ich wollte was sagen und aufschreiben,
nun muß die Welt ohne dem bleiben.
Ich spüre es schon,
ich merke es, wach,
doch die Erinnerung liegt brach.

Dienstag, 24. Juli 2012

2004 - V

Eselei

Der Esel liebt die Eselin
und fragt sich manchmal:
macht das Sinn?
Will er mit ihr die Zeit verbringen,
in das Geheimnis "Liebe" dringen?
Er weiß es nicht und steht davor,
vor dem bekannten Scheunentor.

Montag, 23. Juli 2012

2004 - IV

Die Immobilienmakler

oder "Na, Gipskartonständer oder Kalksandstein?"
Na, haben Sie sich die Sache schon angeschaut? fragte der Makler am Telefon. Vor mir, besser gesagt, vor meinem geistigen Auge, lag ein Prospekt mit bunten Grundrissen einer Wohnung. Ich mag keine bunten Grundrisse, weil ich mich dann an meine Kindergartenzeit erinnere. Nein, musste ich zugeben, so richtig hatte ich es mir nicht angesehen. Somit war mir auch der Aktionspreis entgangen. Zu haben wäre freilich nur noch die Wohnung mit der Nordostausrichtung, so erklärte mir der Makler freundlich, aber dafür liegt die Wohnung ja auch in einem alten, gewachsenen Wohngebiet. Das es mehr als 30 km von meinem Arbeitsplatz entfernt liegt, das Objekt, wird erleichtert durch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, erst Bus, fußläufig zu erreichen, und dann direkt die S-Bahn.
Wer da nicht zugreift und sich nicht gleich noch den Stellplatz für € 20000 sichert, pardon, der muss gekauft werden, ist selber schuld.
Schuldbewusst versprach ich denn auch, mir das alles gut durchzulesen und falls ich Fragen hätte, mal anzurufen.
Was heißt eigentlich fußläufig? Gibt es andere Art zu laufen, als mit den Füßen? Nun im Geschosswohnungsbau sicher nicht. Da fehlt vielleicht mal das Tageslicht im Bad, dafür gibt es aber auch mannshohe Scheiben im Wohnzimmer. Die Küche ist natürlich offen, sonst wäre das ja auch alles nicht so großzügig gestaltet. Höchstens die wirklich große Loggia ist noch großzügiger. Schließlich soll es genug Platz geben draußen vor der Tür. Tja, die Ausstattung ist schon malerisch draußen vor der Stadt, ganz anders als in meiner eigenen Mietwohnung.
Gut, die beiden anderen Räume haben in meiner Wohnung bessere Grundrisse. Im Schlafzimmer kann ich locker einen Dreimeterschrank stellen. Aber ich bin ich nicht betriebsblind? Vielleicht sollte ich dem Kerl zeigen, dass ich es ernst meine und die Reservierungsgebühr von € 500 bezahlen. Was habe ich nicht schon für gute Objekte vor meinem inneren Auge vorbei ziehen lassen, anstatt sie zu erwerben.
Eckhäuser, schlüsselfertig verwandelten sich in Ausbauhäuser in Mittellage (ein Druckfehler in der Zeitung, die alte Anzeige ist stehen geblieben). Dachwohnungen am Bahndamm, Häuser ohne Keller auf Industriegelände oder am Bahnhof. Und immer sind die besten Objekte schon reserviert..
Da heißt es nun wirklich mal, Geld bezahlen und möglichst schon morgen zum Notar des Vertrauens, pardon, des Maklers, gehen. Was bedeutet es schon, dass einem der Vorvertrag zwei Wochen vor dem Notartermin vorliegen muss, wenn man entschlossen ist? Die Frage nach dem eigenen Notar erübrigt sich dabei auch, der hat bestimmt nicht so schnell Zeit.
Achso, ja , habe ich eigentlich eine Finanzierungszusage von der Bank? Schriftlich wäre gut.
Die stellt mir mein Banker garantiert aus, vorsichtshalber mal mit Wertermittlungsgebühren und Bereitstellungszinsen gleich vom 3. Monat an und mit einem Zinssatz, der nicht zu günstig ist und ohne Sondertilgung. Dann habe ich wenigstens mal einen Plan, was wirklich auf mich zukommt. Ich verliere mich in der Bauschreibung und erfahre etwas über Sondernutzungsrechte, Sonderbauteile und Sonderwünsche. Weiterhin über Wegerechte und Versorgungsräume. Immerhin gehören mir die Zwischenwände der Wohnung, das ist noch solide Wertarbeit: Kalksandstein oder Gipsplatten. Das Ganze erinnert stark an eine Mischung aus Aufpreiskatalog für deutsche Autos und Pauschalreiseangebot. Bei letzterem ist zumindest der Transfer zum Hotel inklusive. Nein, denke ich mir, das kann ich so nicht unterschreiben. Der Notartermin hängt wie ein Damoklesschwert über meinem Haupt.
Mein Makler ist, als er das hört, von meiner Kaufbereitschaft nicht überzeugt. Nein, nein der Termin muss sein, es wird schließlich weiter gebaut. Schweren Herzens muss ich den Traum vom eigenen Heim sausen lassen und wenn es nach meinem Makler geht auch die 500 €.
Da sind ja bereits Kosten entstanden beim Notar. Der hat mir bereits den Kaufvertrag per Email geschickt, es steht sogar schon mein Name als Käufer drin. Die Kosten für die Sonderbauteile kann er mir nun auch schon beziffern. Es ist klar, es wird ein bisschen teurer.
Noch immer wirbeln Vertragsdetails und Teilungserklärungen in meinem Kopf.
Vielleicht hilft mir ja die Konkurrenz, es müsste doch etwas zu finden sein. Oder soll ich den Ordner "Mein Eigenheim" gleich wieder schließen? Ein anderer Anbieter empfiehlt mir jedenfalls seine Objekte, sie seien viel billiger und hätten eine bessere, weil städtische, Lage.
Er erzählt mir vom Partisanenland und betätigt meine dunklen Befürchtungen vom Umfeld da draußen auf dem Land. Ich sehe sie alle vor mir, wie aus den Hecken springen und mir ihre Rechte zeigen. Vermutlich werde ich nicht genügend Stimmrechte aufbringen, um das Unheil abzuwenden. Oben drein werden mich die Partisanen zwingen, meinen Pflichten nachzukommen. Aber eine Reservierungsvereinbarung will er nicht sehen, er macht lieber gleich den Notartermin aus, der Mann von der Konkurrenz, der sich weit hinter Offenbach immer verfährt. Zu viele Partisanen, ich verstehe.
Versonnen blicke ich dem abblätternden Lack meines Balkongeländers nach, höre wie mein Nachbar mit seinem Filius herum tobt. Vermutlich holt mich hier niemand raus, aus meinem Mietobjekt. Und das beruhigt mich und obwohl mein Nachbar gerade im Bett hustet, versinke ich in einen traumlosen Erlösungsschlaf.

Sonntag, 22. Juli 2012

2004 - III

Ich, Gandalf

Im Fangornwald materialisierte Gandalf, der Weiße. Lange nach dem Ende der Menschheit, sodass sich die Bäume wunderten. In einem Energiestrom hatten sich Turbulenzen gebildet,
die satte Zufriedenheit der Existenzlosigkeit geriet aus dem Gleichgewicht. Unruhe entstand., die den Fluss der Dinge störte. Gandalf erwachte aus einem langen, schlaflosen Nichts. Sollte er die Welt erneut vor den bösen Kräften erretten?
Der Ring war doch unwiederbringlich vernichtet. Aber hatte nicht auch Frodo, der Hobbit, einen unheilbaren Schwertstreich von den Nazgûl empfangen, der trotz des Sieges über die dunklen Mächte weiter wirkte? Frodo war in dieser Welt nicht heilbar. Konnte er, Gandalf, sich sicher sein? Er stand nun genau an der Stelle, an der er schon bei der ersten Wiederkehr den Gefährten der Ringgemeinschaft erschienen war. Aber hier war keiner von ihnen. Gandalf fühlte sich alt und einsam in seiner Figur. Die Widerstände dieser Daseinsform schienen ihm unannehmbar. Die schier unüberwindlichen Entfernungen der Räumlichkeit, die Zwänge, diesen schwachen Körper zu versorgen, all das steigerte seinen Unmut. Gefahren entstanden, weil dieses Lebensgebilde so empfindlich war. Der weiße Zauberer empfand so etwas wie Unsicherheit trotz seiner besonderen Kräfte. Letztlich war er ein alter Mann mit weißen Haaren und Bart in einem weißen Gewand und lediglich sein Zauberstab mochte etwas Besonderes sein.
Die knorrigen Bäume des Fangornwalds, längst ohne die Aufsicht der Ents und Baumbarts, sprachen: Gandalf, was machst du hier? Die Menschen sind längst vergangen und nicht mehr zu retten.
Was du hier siehst, ist nur noch ein Abbild deiner Vorstellung. Planet Mittelerde verglühte einst in der Sonne, als diese sich aufblähte, bevor sie in sich zusammen fiel zu einem schwarzen Zwerg. Vorher war die Menschheit lange ausgestorben. In ihren grenzenlosen Gier und dem Glauben, die Krone der Schöpfung zu sein, hatten sie sich alles genommen, ohne die Gesetze der Natur zu beachten. Sie strebten ihrem Ende mit Begeisterung entgegen, brachten sich gegenseitig um, um das Paradies zu erreichen. Die einen wähnten es auf Mittelerde, frönten der Dekadenz, die anderen erwarteten es in einem neuen Leben. Sie hatten vergessen, dass sie nur zu diesem Leben geboren waren und darin allein Erfahrungen machen sollten. So wurde es die Hölle für alle. Nachdem die Tiere und die anderen Bewohner Mittelerdes keine Lebensgrundlage mehr hatten, starben sie allmählich an dem Klima, für das sie verantwortlich waren. Lediglich die Ratten und am Ende die Insekten lebten danach noch. Wir Bäume beklagten große Opfer, mussten der Wüste weichen, denn Mittelerde wurde nun heiß. Beschienen von der gleichen Sinne, die schon eure Schlachten um Helms Klamm und Minas Tirith beleuchtete. Aber mit welchem Ergebnis, nachdem das Zeitalter der Menschen und Tiere beendet war, vertrockneten und verdursteten auch wir, bevor uns mächtige Stürme entwurzelten und hinwegfegten.
So erinnern wir uns alle an den Fangornwald und dies führt uns hier her. Glaubst du, es wiederholt sich alles?
Einige munkelten, das aber auch Sauron, der Herr der Finsternis zurückgekehrt sei. Er hatte die Brunnenfurt als Ort seiner Materialisation gewählt. Gandalf erahnte den Schrecken und die Angst, die den Hobbits in die Glieder fuhr als die Ringgeister ihnen genau an dieser Stelle auf die Spur kamen. Sauron liebte sicher die Symbolik, denn genau dort war seinem Sieg und dem Ring so nahe gewesen. Er würde in die Gestalt eines Ringgeistes fahren und das mächtige Schwert Mordors zum Sieg führen. Und es gab einen, den er suchte: Gandalf.
Der Kampf würde dieses Mal ohne die Gefährten geführt, ohne die wilden Reiter von Rohan und die Streitmacht der Menschen Gondors und ohne die Übermacht der Orks und Uruk-hai-Krieger und deren Verbündeter Mordors. Nein, es ist eine Entscheidung der beiden einzigen Kräfte.
Eine Entscheidung? Gandalf vernahm die Stimme Saurons überdeutlich. Sie war in ihm.
Der schwarze Reiter hatte sich genähert und wo sein Schwert einen Baum berührte, verschwand dieser. Das schwarzsilberne Zaumzeug Mordors glänzte, das Pferd scheute, ehe es zum Stehen kam. Fast unbeweglich saß die Gestalt im schwarzen Umhang auf ihm, das Schwert leicht erhoben. Die Kapuze wendete sich Gandalf zu. Für einen Moment glaubte Gandalf das Gesicht einer Jungfrau zu sehen, so gülden und rein wie eine Totenmaske. Unbeweglich, starr und voller Energie. Eine Entscheidung? Sauron wiederholte sich, gefällt sie dir, diese Symbolik? Es wird nichts an deinem Ende ändern, denn ich habe die Macht auch ohne den Ring. Gandalf hob den Elbenzauberstab in die Höhe und richtete ihn auf Sauron. Ein schier unendliches Nein brach aus ihm hervor und die weiße Energie mit ihr, umbrandete die unbewegliche Gestalt Saurons. Sein Pferd stieg in die Höhe, aber er bändigte es mühelos und stieg ab, schritt langsam auf Gandalf zu. Sauron hebt das Schwert, um den Zauber Gandalfs zu brechen. Doch die Klinge fährt hindurch ohne den Stab zu brechen.
Gandalf und Sauron berühren einander nicht, obwohl sie durcheinander gehen.
Sie wiederholen das Spiel und laufen fast im Kreis aufeinander zu, sie werden kleiner, längst ist Saurons Pferd dematerialisiert. Eine nackte schwarze Jungfrau tanzt mit einem weißen Derwisch, die Bilder wechseln. Bald wird alles Eins sein, der Energiestrom wird fließen, ein Hauch des Nichts, der Alles bedeutet.


Samstag, 21. Juli 2012

2004 - II

Sündenbock

Ein alter Mann mir Rechenschieber,
spielen wäre mir jetzt lieber,
nervös und zappelig wie er ist.
Das Kind lernt weiter, Frist um Frist.
Mittlere Reife, kein Abitur,
die Lehrerin bleibt stur,
wäre das Richtige für ihr Kind.
Doch es besteht die Matura geschwind!
Danach das Spiel habe ich vergessen,
in Uniform im Keller gesessen,
versehentlich mal scharf geschossen,
den Blues im Übungsraum genossen.
Lehrzeit und keine Herrenjahre,
kalte Zimmer, möblierte Paare,
schließlich die Pflicht woanders ruft,
die Heimat mich zum Pendler stuft.
Auch Bücher werde ich verlassen,
hergestellt, verkauft, zu fassen
ist es nicht, das Zahlenmaterial
ein neues Arbeitsarsenal.
Sie verlangen, das ich für sie spezifiziere,
egal, ob ich dabei friere.
Der Datenmüll will mich ersticken,
Widersprüche kaum erquicken.
In der Natur sein, etwas zu sehen,
was machen und darüber stehen,
einfach und still verbleiben,
was zu säen und dann zu ernten,
so wie es einst noch Kinder lernten.
Doch ich vergaß in meiner Sicht,
ein Praktiker, das bin ich nicht!

Freitag, 20. Juli 2012

2004 - I

Gugelhupf

Haben Sie zwischen den Jahren Zeit?
Es ist etwas ruhiger weit und breit.
Termine gibt es auch im Januar,
das ist so etwa im neuen Jahr.
Kinder, Kinder, es verrinnt die Zeit wie Sand.
Drehe sie um, es beginnt von vorn, bekannt.
Ein Guglhupf, gespießt mit fünf Kerzen,
gebacken, gepudert aus dem Herzen.
Fünf Jahrzehnte ausblasen ist nicht schwer?
Na gut, na gern oder auch: bitte sehr.

Donnerstag, 19. Juli 2012

2003 - XV


Bleistift

Mein Bleistift will nicht auf Papier gleiten,
schlafe nicht, die Sinne weiten
meinen Horizont in der Dunkelheit,
wirft sie es ab, das Panzerkleid?
Ist die Skizze schon passiert,
das Event gar flink fixiert?
Die Tür zum Keller öffnet sich,
ein Duft verströmt so schauerlich
wohlige Fügung eiserner Strenge,
Zärtlichkeit gepaart mit Länge
einer Nacht dunkler Macht.
Am Firmament die Sterne blitzen,
mein Bleistift will das Papier nur ritzen.

Mittwoch, 18. Juli 2012

2003 - XIV


Denke ich an Leipzig in der Nacht
Oder wem es zu wohl ist, der geht nach Gohlis


Eine Frau ruft mir auf sächsisch etwas zu. Gerade bin ich in die Straßenbahn eingestiegen.
Ob ich ihr helfen könne. Das ist kein Problem, ich öffne an der nächsten Haltestelle die Tür für sie, denn sie steht bereits auf der untersten Stufe des Ausstiegs und kann den Knopf nicht drücken. Als die Tür auf ist, hält sie mir die Hand hin, will dass ich ihr beim Ausstieg helfe. Ich fasse die Hand der älteren Dame an, sie ist schweißnass. Sie hat Angst. Sie macht den einen Schritt auf den Gehsteig und bedankt sich. Aus der Straßenbahn sehe ich, wie ihre einfach gekleidete, etwas dickliche Figur verschwindet.
Ich denke an meine Mutter und den Moment, wo mir klar wurde, dass ich ihren vorsichtig aus der Tür lugenden Kopf mit dem Lächeln im Augenblick des Wiedersehens nun nicht mehr wieder sehe. Ein Gefühl der Unwiederbringlichkeit und Endgültigkeit. Einmal sagte sie, erst hast du Angst und dann machst du es doch. Wie sehr sie recht hatte. In dieser Stadt treffe ich wieder, was, wie ich glaubte, nicht mehr existiert: Zurückhaltung und Freundlichkeit. Die alte Straßenbahn fährt durch Straßen mit leeren Häusern, die seit Kriegsende so dastehen, aber diese Stadt bewirbt sich für Olympia.
Das verstehe ich, so ist das Leben. Später im Gohliser Schlösschen werde ich auf meinen Geburtstag anstoßen, nachdem ich die Weste von Schiller gesehen habe. Kann mir auf einmal vorstellen, wie Schiller verschlafen des morgens durch Rosenthal wankte, begleitet von einem Bauernjungen, der ein Getränk mitzuführen hatte. Der Weg führt direkt in die Stadt, wo damals noch keine Blechbüchse den Eingang verschönerte oder Plattenbauten charmant "Willkommen in Leipzig" grüßten. Nu, viel habe ich bei Schiller erfahren, auch das Herrscher in dieser Stadt nicht sehr geschätzt waren, weshalb man sie sich gleich vom Leib gehalten hat.
Leider konnte das später nicht immer so durchgehalten werden.




 Zum Trost bietet die Kneipenmeile Fettbemmen und schwarze Perlen en masse, ein paar davon sollten für mich übrig bleiben.
Oder einen Kaffee trinken und Kleckselkuchen essen, da wo Bach einst Kantor war. Der Tabakgeruch erinnert mich an meinen Großvater, der immer einen kalten Stumpen dabei hatte. Kabarett mochte er wohl eher nicht. Die Vorstellung bringt heute die Highlights seit der Wende. Es ist schön, dass die Vergangenheit noch lebt, aber es bleibt die wehmütige Erkenntnis, dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist.
Unser Zug fährt nämlich bald zurück. Eine junge Psychologiestudentin bittet mich, ihren Koffer nach oben zu heben. Ich, Arnie in Person, bin natürlich bereit und bereue es auf halbem Weg. Die halbe Deutsche Bücherei scheint im Koffer eingelagert zu sein, aber man wächst ja mit seinen Aufgaben. Die Familie der jungen Frau hat sich vor dem Zugabteil versammelt, um ihre Tochter zu verabschieden und freut sich darüber, dass sie einen gefunden hat. Nachbarschaftshilfe, nu klor..



Dienstag, 17. Juli 2012

2003 - XIII


Eine dolle Nummer!

(Kurt Tucholsky über Valeska Gert)
Du hast gelebt und wusstest um den Tod,
die Haare stets schwarz, der Mund so rot.
Zu sein, so wie Du bist,
kein Kompromiss, ein bisschen List.
Der Ausdruck steht Dir im Gesicht,
im Tanz erfüllst Du Deine Pflicht.
Der Traum von der Unsterblichkeit,
so etwas Hexerei auf Zeit,
die Todesnachricht nicht überlebt,
Gesichtsmuskulatur: erbebt!

Sonntag, 15. Juli 2012

2003 - XI


Eine Welt

Diese Welt ist einfach. Sie besteht aus kleinen Steinen, Sand genannt. Es gibt auch Luft zum Atmen und Wasser zum Trinken. Mein Weg ist Teil einer Karawane. Ich bin nirgendwo, weil es mir gefällt. Erreiche das Ziel früher oder später, bin nicht zielstrebig aber unerschütterlich, störrisch und reagiere auf Antrieb bissig.
Wenige trockene Halme und Blätter genügen, beiläufig suche ich danach. Nicht immer nehme ich das gebotene Wasser an. Denn ich kann es mir leisten, zeitweise Verzicht zu üben. Ich vergeude keine Kraft mit überflüssigen Bewegungen und trage meinen Kopf einmütig immer oben. Manche glauben, ich sei arrogant, dabei bin ich phlegmatisch. Arroganz wäre mir zu anstrengend. Gewiss, es gibt brüllende Löwen und turnende Affen, flinke Fische und segelnde Vögel. Ablenkungen der Natur, die versucht, eine Vielfältigkeit vorzutäuschen. Wie ein lärmender Handwerker, der sein Geschäft anpreist und ständig neue Waren am Lager hat.
Darauf falle ich nicht hinein. Mein Ziel ist die Oase, an deren Rändern ich mich aufhalte.
Ich kann vieles zugleich, kauen und laufen oder einfach nur dösen. Als Bildnis eines Kamels bin ich sehr wertvoll für die Söhne der Wüste.

Samstag, 14. Juli 2012

2003 - X


Are you a patch and working?

Being in your car and on the road again?
Seeing someone similar to you and then
leaving and breaking a heart,
not willing to do, but being smart?
No glimpse why to come and go at a line,
that's patchwork my friend, it's so fine.
Mobility, politicians pray,
is healthy and wealthy, so they say!
It keeps you movin' and alive,
loneliness is an awesome wife!

Freitag, 13. Juli 2012

2003 - IX


Bembel-Logic

Wer allzeit
krampft und ewig krämt,
sich seiner
Nörgelei nicht schämt,
der hat den
Lebensweg verpasst
und ist als
Mensch schon bald verblasst.

Donnerstag, 12. Juli 2012

2003 - VIII


Forsthaus Falkenau

Wir alle kennen sie, die realistischen Vorabendserien der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme. Leute in Designerklamotten lümmeln vollgeschminkt im Bett herum. Die Häuser und das Interieur sind picobello und Erfolg haben diese Menschen prinzipiell, krabbeln aus immer neuen Karossen, ohne Türen abschließen zu müssen und das einzige Problem ist die Suche nach Problemen. Diese sind so herrlich plakativ und unrealistisch, dass das Zusehen Freude macht. Natürlich gibt es immer ein Happyend und wer hat die Ideen dazu?
Im Forsthaus Falkenau fast immer der Oberförster. Eine mythische Wirkung strahlt er aus, wenn er durch den ach so bayerischen Wald schreitet.
Ihm nimmt man nichts übel, denn er hat für alles eine Lösung. Das finden alle immer so gut, dass sie sich trotz der scheinbar größten Streitereien am Ende immer versöhnen. So ein Oberförster ist eben nicht nur im Wald der König, sondern auch im Leben. So einfach ist das. Da Frauen das Gute im Mann ja schnell erkennen, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als ihn zu schätzen und so findet sich, wenn des Försters Frau sich selbst verwirklichen will, schnell ein kompetenter fachlicher Ersatz. Die Frau für einen modernen, dominanten Oberförster muss nicht nur im Haus was drauf haben, nein, sie sollte auch beruflich glänzen, ohne dem Oberförster die Schau zu stehlen. Eine versteckte Koryphäe, sozusagen im Wald versunken. Überhaupt, der Wald, er spiegelt die Sehnsucht nach einer intakten, aber beherrschbaren Natur wieder. Der Mensch macht seine Fehler wieder gut, weil er so genau über die Natur Bescheid weiß. Da kommt der Glaube an das menschliche Wissen ins Spiel. Obwohl täglich widerlegt, ist das doch eine schöne Ideologie. Der Oberförster, der Massimo- Leader derselben? Schon das Wort "Ober" deutet darauf hin. Er verinnerlicht die Sache an sich und ordnet sich selbst völlig unter. Somit ist er ein guter Deutscher. Ob er im heutigen Berufsleben damit eine Chance hätte, das müsste separat betrachtet werden. Das Forsthaus jedenfalls ist der Hort des Wahren, Schönen und Guten und nicht die Oper: mein Haus, mein Auto, meine Frau ..

Mittwoch, 11. Juli 2012

2003 - VII


Prince

Ein Universum
zu klein für die Welt
da draußen
und doch so groß
in der Kraft der Beherrschung,
so abgeschlossen,
so schön und
doch so zerbrechlich.
Es steht nicht
auf meinem Wunschzettel
und doch habe
ich es bekommen.
Die Sterne am Firmament
sind meine Wünsche,
die Wüste ist
meine Erde,
das Wasser mein Durst,
meine Unruhe ist
der Wind,
die Bäume meine
Erinnerung,
deren Blätter fallen,
der Wald ist mein
Versteck
und die Flüsse
meine Gedanken,
das Meer ist mein
Ursprung und die
Wolken meine
Vergänglichkeit,
die Musik mein Herz,
der Stein meine Ruhe.
Gibt es einen Antrieb,
der die Schwerkraft meines
Planeten überwindet,
fragt sich der kleine
Prinz und stürzt
zuweilen ab.

2003 - IX


Fantasie

ist die Mutter
der Gedanken,
die keinen
Vater finden.

Dienstag, 10. Juli 2012

10. Juli

Es wurde einst ein Kuss geboren, an den ich mich erinnern mag.
Wie viel Zeit ging seither verloren an diesem wundervollen Tag?


Alt, das wird man selber,

jung bleibt die Erinnerung.

Samstag, 7. Juli 2012

2003 - VI


Gedankenschwimmer

Auf der Oberfläche
Gedanken
leicht wie Seerosen,
Bewegung
treibt und schiebt sie nur
in leichten
Wellen woanders
zusammen.
Im Meer der Taten
versinkt der
Gedankenschwimmer.
Der Film schließt
sich spurlos friedlich.

Freitag, 6. Juli 2012

2003 - V


Die Vorstellung

Rasiermessersitz, 1. Reihe, wir sitzen in einem Lichtspielhaus. Die Stimmung im Saal ist angespannt amüsiert. Schließlich wird etwas geboten und das hat man zu würdigen.
Schwarzweißfilme flimmern von Streifen und Punkten durchzogen über die Leinwand.
Die ersten kalten Farbsequenzen sind stolz untergemischt. Ab der dritten Reihe sitzen hinter uns Soldaten in grauen Ausgehuniformen. Die sind etwas besonderes, scheinen die einzig freien Menschen im Saal zu sein. Ihre Begeisterung scheint mir aufrichtiger und gleichzeitig will ich mich richtig verhalten, weil es ja jemand sehen könnte, wenn es mich nicht interessiert.
Von großen Plänen ist die Rede, es scheint so eine Art Wochenschau am Anfang zu sein. Ein freies Feld wird gezeigt mit dem Blick zum Horizont. Hier soll einmal das Nordwestzentrum entstehen, so tönt es laut. Da vermischen sich die Ereignisse, scherenschnittartig werden zwei Profile von Politikern eingeblendet. Der Kommentator nennt die Namen: Lafontaine und Schröder heißen diese beiden Figuren. Der Sprecher überschlägt sich, denen sähe man es an der Nase an, wer sie seien. Die Nasen schieben sich noch ein bisschen weiter vor. Ich überlegte, wieso hier aktuelle Politiker gemeint sein können.
Der Sprecher bekommt spontanen Applaus für seinen Kommentar.
Die Vorstellung ist zu Ende. Wir verlassen den Saal. Gehen durch lange Gänge an Ausstellungstücken vorbei, die den Blick auf schneebedeckte Gipfel versperren. Meine Frau möchte so gern die Zugspitze sehen, Deutschlands höchsten Berg. Ich suche die Bergformationen ab, sage noch, kennst Du denn die Zugspitze nicht? Der Gang hat kleine Nebenräume. Aus einem Raum höre ich, wie einem Mann erklärt wird, das er diese oder jene Rechte nicht hat, weil er eben kein Volksgenosse ist. Wenn er einer wäre, könnte er natürlich dieses oder jenes bekommen. In mein Erstaunen, wie leicht es doch ist, zu sagen, das ein Mensch unter anderen steht, mischt sich neues Unbehagen. Das Gespräch hörte sich bestimmt aber freundlich an. Es gab keinen Streit oder schlechte Stimmung. Es ist, wie wenn einem Vertragsbedingungen für einen Vertrag, den man nie unterschrieben hat, erklärt werden. Pech gehabt, das es diesen Vertrag doch gibt.
Endlich sehe ich die Zugspitze allein da stehen. Fast, so scheint es mir so, als ließe sie die Schulter nach rechts hängen. Ich zeige sie meiner Frau. Ich bemerke, dass ich nur einen Kulturbeutel bei mir und diesen unter dem Arm festgeklemmt habe und sage zu ihr: ich glaube, so richtig wohl fühle ich mich erst, wenn wir wieder in unserer Zeit sind.

Donnerstag, 5. Juli 2012

2003 - IV


Eine Frage

Ein schwarzer, fliegender Rochen glitt durch eine surrealistische Landschaft. Ich war in einen Turm mit großen Fenstern gelaufen Nun erlegte ich dieses Tier, eine Frage der Mathematik. Da war etwas Dunkles zur Strecke gebracht worden und ich fühlte meinen Triumph. Hart gekämpft und doch gewonnen. So meinte ich. Im Treppenhaus lag ein Säugling. Ich bückte mich und sah, wie das Leben aus ihm entwich. Trotzdem konnte ich eine klare Stimme hören: leise, bestimmt, bedrohlich: ich komme wieder. Ich ahnte es schon und registrierte wie meine eigene Stimme antwortete: das weiß ich. Du wirst immer wieder kommen und ich werde dich jagen. Wir sind Brüder. Ich werde gewinnen, es ist eine Frage der Logik. Ein Teil eines Spiels, wir sind aufeinander angewiesen. Ohne den Einen würde es den anderen nicht geben. Ein Sieger ist nicht bestimmt. Draußen schien so etwas wie die Sonne und die Treppe war frei. Mein Umhang wehte im Wind, als ich ging.

Mittwoch, 4. Juli 2012

2003 - III


Laredog

Eine gewisse Wertigkeit stand flächend im Raum, zwingend war sie nicht.
Merkst Du, worauf es ankommt, in einer Zeit, wo sich die Großen um den Fleischtopf scharen, weil sie ihre Rationen nicht verringern wollen.
Die Huskies hatten sich kurz umgedreht, als sie merkten, das ihr Führer eingeschlafen war auf seinem Schlitten. Sie sahen sich an und liefen allein weiter in den Norden über endlose Schneeflächen, die glühende Sonne hinter sich lassend. Der Herr war wach geworden durch das harte Knirschen der Kufen und die Schläge des unruhigen Bodens. Nun gab er die Richtung wieder vor. Der Dialog zwischen ihnen zerbröselte wie die Charts mit ihren Unterstützungslinien. Können wir auf einen von Ihnen verzichten, wir brauchen Platz? Die Kurve geht nach unten und mit ihr die Wertigkeit. Die Zeiten sind für einen klare Erkenntnisstand und nicht für vage Worte. Der Mensch ist nicht gleich, obwohl er sich gesellt. Unselbständigkeit ist nichts wert und Selbständigkeit taugt nicht zum Leben. Der Geruch des Fleisches wird dir jetzt entzogen, in guten Tagen gönnten sie ihn dir.
Worauf kommt es in der Welt der Menschen an: auf Geld und ein paar Schlagzeilen. Das ist alles, also laufe, Hund und kämpfe nur mit deinen Artgenossen. Denn du weißt, was Fressen bedeutet: das Paradies.
Und suche keinen Schuldigen wie der Mensch. In Alaska und Sibirien verlieren die Eingeborenen ihre Sprache und ihre Kultur. Eine Wertigkeit geht zu Ende. Sie flüchtet in die Grabhäuser.
Das Leben ist wie eine Autobahn durch das ewige Eis: ohne Raststätte mit nur einer Endstation.

Bewegung

soll sehr gesund sein, behaupten die meisten Leute. Demnach müssten unsere Vorfahren vor Gesundheit nur so gestrotzt haben. Unseren Körper dagegen interessiert das nicht. Er baut Muskeln ab, die er nicht braucht. Das hört sich erst mal vernünftig an. Ihm geht es nur um das Überleben. Aber der Geist ist manchmal willig, das Fleisch schwach. Deswegen strampeln so viele Menschen in viel zu engen Hosen auf dem Rennrad herum. Sie schwitzen in Studios und stechen vergeblich ihre Stöcke in den Boden, um sich auf ein höheres Gesundheitsniveau zu begeben. Sie machen das, was man ehedem als Dauerlauf bezeichnet hat und was früher immer zum Seitenstechen führte. Das Ergbnis steht in der Realität im auffälligen Kontrast zur eigenen veröffentlichten Bilanz.
Früher war auch das Schreiben anstrengender. Es wurde ein Kohlefarbband benötigt  und die Tasten mussten geschlagen werden. Heute geht das auf dem Computer leichter und per Touchscreen erreicht es fast körperlose Dimensionen. Das macht uns sicher krank. Also besinnen wir uns zurück in die Zeit, als man noch zu Fuß zum Bäcker ging oder in eine spätere.

Montag, 2. Juli 2012

2003 - II


Irgendwann

vergesse ich im Worthagel
eure zappelnde Ignoranz
genauso wie das Lachen meiner Mutter
und den ersten Kuss,
lasse mich ein auf den weißen Blitz
und hoffe, das es nicht
die schwarze Unwissenheit ist.
Irgendwann lasse ich mich
nicht mehr von euch in bequemen
Limousinen jagen,
meine Zeit ertragen und
den Wolkenkratzern beim
Wachsen zu sehen, das Lied
hören und daran denken,
das wäre es, irgendwann.

Sonntag, 1. Juli 2012

2003 - I

Die Liebe
ist eine
gutbürgerliche
Hure des
Geldes, die Macht
der treue Diener desselben.