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Samstag, 4. Juni 2022

Respekt

 Aus Respekt vor dem Personal, so heißt es an der Ladentür, solle man einen Mund-/Nasenschutz beim Betreten des Geschäfts tragen. Auf den Websites des Bekleidungsunternehmens, das auch in Lemgo eine Filiale betreibt, ist dazu nichts zu finden. Ob es sich bei dem Hinweis um eine Spezialität hier vor Ort handelt oder um einen Grundsatz in allen Filialen, das ist mir nicht bekannt. Es sagt aber einiges über das Verhältnis des Kunden zum Personal in den Geschäften hierzulande aus. Der Kunde ist hier nicht König, er hat sich anzupassen. Das merkt man schnell, wenn man im Supermarkt zur Hauptstoßzeit vom Personal halbwegs umgerannt wird, da eingeräumt werden muss. Auch das ist hierzulande nicht außerhalb der Geschäftszeit oder zu Zeiten mit schwachem Publikumsverkehr möglich. Und auch zu Corona-Zeiten ist es immer das Personal, das Mindestabstände zum Kunden nicht einhält. Corona ist leider in Deutschland eben immer noch nicht vorbei und es lässt sich trefflich Schindluder damit treiben. So fragten wir bei einem Fahrradhändler nach, ob wir beim Kauf von zwei Fahrrädern einen kleinen Rabatt bekommen könnten. Er antwortete, normalerweise Ja, aber wegen Corona bekäme er kaum noch Fahrräder herein. Dumm nur, dass seine ganze Verkaufshalle voll mit Bikes und Rädern aller Art stand und der Verkäufer, den wir zuerst kontaktierten dies durchaus für möglich hielt. Aber ich denke, andere werden ihren Rabatt bekommen haben, wenn sie Vergleichbares kaufen wollten. Da soll sich doch manches Geschäft nicht wundern, wenn der Onlinehandel boomt. Denn dort gibt es Rabatt für alle oder es gibt keinen.    

Samstag, 14. Mai 2022

40

 Vor 40 Jahren befanden wir uns auf dem Weg nach Lemgo, wo wir kirchlich heiraten wollten. Der Tag hatte in Friedrichsdorf am Taunus begonnen, wo wir standesamtlich getraut wurden. Da mein damaliger Freund Jochen mich im Stich ließ, war meine Trauzeugin amtlicherseits gestellt worden, während meine Schwägerin das Amt für meine zukünftige Frau übernahm. Von Anbeginn unserer Ehe blies uns der Gegenwind scharf ins Gesicht. Nach einem gemeinsamen Essen im Darmstädter Hof in Bad Homburg-Gonzenheim fuhren wir zu unserer Wohnung in Friedrichsdorf-Burgholzhausen und packten für Lemgo. Kassel spielte schon da keine Rolle mehr für mich, denn meine Eltern hatten sich von mir abgewandt und würden auch wegen ihrer eigenen Situation nicht zu meiner Hochzeit kommen. Wieder einmal stand ich allein da, denn auch mein jüngerer Bruder, stark gehandicapt von Geburt an, war nicht auf meiner Seite, wie er mir schriftlich mitteilte. Auch im Mehrfamilienhaus in Burgholzhausen hatten wir als einzige Mieter in einer Eigentümergemeinschaft einen schweren Stand. So fiel mir die Fahrt nach Lemgo nicht so schwer. Abends trank ich mehrere Runden Bärenfang mit meinem Schwiegervater, was ihm vor allem an unserem Hochzeitstag noch zu schaffen machen sollte. Schwiegermutter nähte mir meine Anzughose enger. Ich litt immer noch unter den Folgen meines vorjährigen Israel-Aufenthalts.Vermutlich durch Salmonellen verlor ich fast 10 kg Gewicht, die ich nur schwer wieder ansetzte. So endete dieser Tag in unruhiger Erwartung des folgenden im Esszimmer meiner Schwiegereltern, das für unsere Übernachtungen geräumt war. 

40 Jahre, sie waren lang, teilweise schwer und von Unsicherheit begleitet und doch vergingen sie so schnell. Meine Eltern schafften 43 Jahre und 10 Monate, meine Schwiegereltern 44 Jahre. Die 4 vor der 0 flößt schon Respekt ein. Wie lange werden wir noch zusammen sein?

Unsere Hochzeitsbilder stehen fast unbeachtet im Schrank. Als ich sie damals meinen Arbeitskolleginnen zeigte, gab es manches lange Gesicht. Ich war endgültig vom Markt verschwunden.


Dienstag, 18. Januar 2022

Das Maßnahmenvirus

 Der Bundes-Karl verspricht uns schwere Wochen und der Wiehler vom RKI glaubt, dass unsere Krankenhäuser bald wieder voll werden und mehr Corona-Tote dann die Folge seien.  Wenn ich die letzten zwei Jahre Revue passieren lasse, dann gab es für mich eigentlich keine leichten Wochen. Aber mit der Zeit ist das so eine Sache. Viele Leute verlieren das Gefühl allmählich dafür. Und auch die Freude am Umgang mit Zahlen treibt so ihre Blüten. Von den ca. 115000 angeblichen Corona-Toten (Premium-Tote übrigens, denn die anderen werden nicht jeden Tag im Fernsehen genannt.) sollen lt. einer großen Tageszeitung bis zu 29% gar nicht an Corona gestorben sein. Soweit das ermittelt werden konnte, denn vielfach wird der Unterschied (jedenfalls vom RKI) zwischen an und mit Corona Verstorbenen gar nicht gemacht. Das nenne ich wahre Wissenschaft. Denn: keine Statistik ist so gut, wie die selbst gefälschte. Doch das Prinzip zieht sich durch bei unseren Regierenden. Fragt man den Bundes-Karl nach Gründen für seine Ansichten, so antwortet er oft , es gebe da eine gute Studie. Leider sind Studien nur so gut, wie es der Auftraggeber (der den ganzen Bums bezahlt) bestellt hat. Das ließe sich sogar statistisch belegen, doch wird der Auftraggeber selten genannt. Bewundernswert ist jedenfalls die Chuzpe, mir der unsere Regierenden falsche Zahlen und Fakten zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Vermutlich passen sich Zahlen auch einfach von selbst an die gewünschten Maßnahmen an. Aber was erwarten wir auch von unseren gewählten Volksvertretern und -innen? Wer sehnsüchtig seinen Werkzeugkasten sucht, der kann schließlich nicht gut Handwerken. Das ist vielleicht auch besser so, denn oft genug erledigt ein bestellter Handwerker -in zwar seine Arbeit mehr oder weniger gut, zerstört aber dabei den Rest der Wohnung.    

The federal Karl promises us difficult weeks and the Wiehler from the RKI believes that our hospitals will soon be full again and more corona deaths will be the result. When I look back on the last two years, there were not many easy weeks for me. But over time, that's a thing. Many people gradually lose the feeling for it. And the joy of dealing with numbers also blossoms. According to a major daily newspaper, up to 29% of the approximately 115,000 alleged corona deaths (premium deaths, by the way, because the others are not mentioned every day on television.) should not have died from corona. As far as that could be determined, because in many cases the difference (at least by the RKI) between those who died from and with Corona is not made at all. That's what I call true science. Because: no statistic is as good as the fake one itself. But the principle prevails among our rulers. If you ask the federal Karl for reasons for his views, he often answers that there is a good study. Unfortunately, studies are only as good as the client (who pays for all the bang) ordered. This could even be statistically proven, but the client is rarely named. In any case, the chutzpah with which our rulers base their decisions on false facts and figures is admirable. Presumably, numbers simply adjust themselves to the desired measures. But what do we also expect from our elected representatives? After all, anyone who is longingly looking for their tool box is not good at handicrafts. Maybe that's a good thing, because often enough a hired craftsman does his job more or less well, but destroys the rest of the apartment in the process.


Freitag, 31. Dezember 2021

Vorbei

 Die Zeit rast dahin zum Jahresende,
es brachte keine große Wende.
Dialoge hörten plötzlich auf,
Erkenntnis fand hier keinen Lauf.
2021 ist genauso schon vorbei,
wie 1878 in Kolberg im Dateneinerlei.
Im Corona-Wahn wird es 2022 still,
weil es der Arm der Besorgten will.
Mit falschen Zahlen wird gespielt,
Desinformation erfolgt gezielt.



Dienstag, 14. Dezember 2021

Great Booster

 Jedes Mal, wenn ich in meinem Blog anmelden will, muss ich auf meinem Handy bestätigen, dass ich es bin, der sich gerade anmeldet. Aber jede Nase darf meinen Impfausweis und meinen Personalausweis überprüfen. Schließlich haben wir ja Corona. Völlig überraschend haben wir nun das Angebot für eine Booster-Impfung noch in diese Woche bekommen. An die Wirksamkeit der Impfungen glaube ich schon längst nicht mehr. Schließlich bemerkte unser aller Karl Lauterbach selbst, eine Herdenimmunität sei mit dem Impfstoff nicht herzustellen, da er keinen vollständigen Impfschutz biete. Dennoch ist die Impfquote die heilige Kuh, die es zu erhöhen gilt. Und da ein harter Kern der Bürger nicht mitspielt, müssen jetzt die Kinder ab 5 Jahren her halten, obwohl sie selbst kaum gefährlich an Corona erkranken würden. Da sei doch die Frage erlaubt, was hat das alles mit evidenzbasierter Wissenschaft zu tun? Auch das jetzt schon wieder mit der Omikron-Variante des Virus die Keule geschwungen wird, obwohl so gut wie noch nichts bekannt ist und es auch normal ist, dass Viren mutieren, dabei aber ihre Gefährlichkeit verlieren, das ist nur mit dem Paniklevel zu erklären, den man anscheinend für notwendig hält, um die Bevölkerung weiter zu verdummen. Eine schlichte Frechheit ist es, Bürger/-innen zu kriminalisieren, die sich nicht impfen lassen wollen oder einfach nur Bedenken haben. Geimpft hat man sich in Vor-Corona-Zeiten nur, um sich selbst zu schützen und nicht andere. Jetzt aber macht man sogar den Kindern Angst davor, dass sie die vermeintlich so zahlreich mit ihnen in Kontakt stehenden Großeltern anstecken könnten. Die Medien spielen das perfide Spiel mit. Es ist kein Wunder, dass Verschwörungstheorien wie Pilze aus dem Boden schießen. Das wäre übrigens meine: wir sollen alle möglichst wenig soziale Kontakte pflegen, um uns unseren Handys, Tablets und sonstigen elektronischen Spielereien zu widmen oder unsere Konsumgüter nur noch online zu bestellen. Mit einem Wort: fleißig konsumieren und unser Impf-Abo wahrnehmen. Und im Rahmen der großen Globalisierung gelten bald auch überall die gleichen Regeln für das menschliche Alleinsein. Und auch das Migrantenproblem löst sich so von selbst, im eigenen Heim sind schließlich keine. Und meine Daten sind überall so sicher hinterlegt wie im offenen Tresor, dessen Code ich ständig verraten muss.

    

Freitag, 19. November 2021

Generation 60+

Da wundert man sich, dass so viele der 60+-Generation noch nicht geimpft sind. Es ist allerdings kein Wunder. Ich erläutere das gern, was meine Frau und ich erlebt haben. 

Wir bekamen im Mai/Juni einen Impftermin beim Arzt. Beide sind wir Mitte 60.Meine Frau sollte Astrrazeneca bekommen, ich Biontech wg. meiner früheren Beinvenenthrombosen. Der erste Konflikt war da. Ich ließ mich impfen, meine Frau lehnte die Impfung ab, da sie mit Biontech geimpft werden wollte. Die Arztpraxis ließ sie wissen:

"Sie können hier kommen, wann sie wollen. Sie kriegen hier immer nur Astrazeneca."

Wir warteten darauf, in die Priorisierung zu kommen, um die Impfung meiner Frau im Impfzentrum zu erhalten. Doch es kam anders. Als die 60+-Generationen dran kamen, konnten plötzlich auf einmal alle zur Impfung kommen, wenn sie gültige Bescheinigungen hatten. Mein Frau wurde vom Impfzentrum an den Hausarzt verwiesen. Für 60+ war das Impfzentrum tabu.

Wir hatten noch keinen Hausarzt, da wir erst ein halbes Jahr vorher an den jetzigen Wohnort gezogen waren. Wir wandten uns an den Landrat unseres Kreises. Das Sekretariat ließ uns wissen, dass es für uns keine Ausnahme gebe. Und weiter: auch der Arzt sei nicht verpflichtet, uns zu impfen.

Zum Glück hatten wir an unserem alten Wohnort unsere ehemalige Hausärztin, die lediglich mit Biontech impfte und uns (wir hatten verschiedene Praxen gebeten, uns auf die Warteliste zu setzen) ein Impfangebot machte. 300 km Entfernung mit dem Auto hin und zurück und das zwei Mal, das hat meine Frau auf sich genommen, um geimpft zu werden. Ungefährlich war das nicht. Und die Hotelkosten für jeweils eine Nacht kann sich auch nicht jeder leisten.

So etwas passierte Impfwilligen. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass Astrazeneca oder auch Johnson&Johnson gar nicht so eine hohe Wirksamkeit wie Biontech haben, dann wundert es nicht, dass sich die Impfdurchbrüche gerade bei den 60-69Jährigen häufen. Und es wundert uns auch nicht, dass viele in unserem Alter, die vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie wir, auf die Covid-19-Impfung gern verzichten.

Wir gehen zudem ohnehin davon aus, dass wenn wir uns nicht selbst kümmern, auch in Sachen Booster-Impfung ärztlicherseits nichts passieren wird.

Und noch etwas ist mir klar: eine Impfung auch mit Biontech hat langfristige Nebenwirkungen. 

Körperlich bin ich (ähnlich wie Long-Covid-Patienten) lange nicht so leistungsfähig wie vor der zweiten Impfung. Eine Erfahrung, die ich mehrfach von Geimpften bestätigt bekam. Und als Allergiker habe ich seitdem auch in Zeiten, in denen ich eigentlich weniger allergische Symptome habe, deutlich mehr damit zu tun und muss es täglich behandeln. Es gehört auch zur Wahrheit, dass man das den Menschen sagt. Einfach Ärmel hoch und Spritze rein, das ist unverantwortlich. Eine eingehende Voruntersuchung ist unerlässlich, findet aber oft nicht statt (aus Zeitgründen).  

Samstag, 16. Oktober 2021

Route 66

 66 Jahre musste ich alt werden, um einen mehr als vierstündigen Stromausfall zu erleben. Staat diesen Abend in der letzten Woche in romantischer Stimmung zu verbringen, wie es bei einer spontanen Hausversammlung von einer Nachbarin angedeutet wurde, stießen wir wie immer bei äußerlichen Problemsituationen heftig aneinander. Die Stadtwerke, meinte meine bessere Hälfte, würden die Sache ohnehin nicht in den Griff kriegen. Sie könne nun alles aus der Tiefkühltruhe weg werfen, denn das würde noch tagelang so gehen. Der freundliche Herr am Telefon der Stadtwerke hatte mir allerdings gesagt, dass man sich kümmere und die Leute schließlich auch mal Feierabend haben wollen. Für ihre Art der Panikmache hatte ich kein Verständnis. Ich fühlte mich an meine Eltern erinnert. Mein Vater wollte sich oft genug mit Mutter unterhalten, wenn er abends aus der Kneipe heim kam. Sie aber ließ ihren ganzen Frust heraus. Während meine Frau nun mit der langen Dauer immer unruhiger wurde, versuchte ich es vernünftig und scheiterte grandios. Die Stimmung wurde immer aufgeheizter und ich war froh, im Bett meine Ruhe zu finden, bis mein an sich ohne DSL im Ruhezustand befindliches Festnetztelefon gab schließlich mit einem Ton zu verstehen, dass der Strom wieder da sei. Was war passiert? Ein Trafohäuschen war in Brand geraten und damit für einen Teil der Häuser in unserem Stadtteil kein Strom mehr da. Natürlich dauert es, bis Leute vor Ort sind, die die Leitungen wieder zusammen bringen. Kein Vergleich zu unserem einmonatigen Ausfall von DSL und WLAN für uns, weil im Verteilerkasten angeblich keine Leitung mehr für unsere Wohnung da war. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit 66 macht man auf jeden Fall noch immer neue Erfahrungen.

I had to live to be 66 years old to experience a power failure that lasted more than four hours. State to spend this evening in the last week in a romantic mood, as it was suggested by a neighbor at a spontaneous house meeting, we clashed violently, as always with external problem situations. The Stadtwerke, said my better half, wouldn’t get the matter under control anyway. You could now throw everything out of the freezer, because that would go on for days. The friendly gentleman on the phone from the Sadtwerke had told me, however, that they had to take care of things and that people wanted to end their work day. I had no sympathy for her scare tactics. I was reminded of my parents. My father wanted to talk to mother often enough when he came home from the pub in the evening. But she let out all her frustration. While my wife was getting more and more restless with the long duration, I tried it sensibly and failed terribly. The mood became more and more heated and I was happy to find my peace in bed until my landline telephone, which was idle without DSL, finally gave a tone to understand that the power was back. What happened? A transformer house caught fire and there was no more electricity for some of the houses in our district. Of course, it takes time to get people on site to bring the lines back together. No comparison to our one month failure of DSL and WLAN for us, because there was supposedly no line for our apartment in the distribution box. But this is another story. At 66, you definitely still have new experiences.

Freitag, 30. Juli 2021

Ohne Worte

 Vor über einem Jahr starb meine Schwiegermutter Corona-gerecht, möchte man fast sagen, ohne ihre Tochter oder mich ihren Schwiegersohn im Krankenhaus noch einmal gesehen zu haben. Wir durften, da nicht bevollmächtigt, nicht zu ihr. Lediglich ein letztes Telefonat war noch drin. Eine ihre letzten Fragen an meine Frau war, was denn Mecky (mein Hund) und ich machen. So stolz mich das hinterlässt, so traurig ist das. Sie hatte bereits die Ahnung geäußert, dass sie vergehen würde, ohne dass jemand aus ihrer Verwandtschaft davon etwas weiß. Besuche jedweder Art hätten ihr vielleicht die Kraft gegeben, das Krankenhaus noch einmal verlassen und in der gewohnten Umgebung zuhause friedlich im Kreis der engsten Menschen an ihrer Seite sterben zu können. Auch das ist ein nicht wieder gut zu machende Tatsache und ein Schaden aufgrund der sogenannten Schutzverordnung im Rahmen der Märchenpandemie Corona. 

Wenngleich ich zugeben muss, dass der Tod eines Angehörigen im Krankenhaus einen meist mit Fragen ratlos hinterlässt. Mein Vater hatte an seinem letzten Lebenstag ganz offensichtlich mit Wasser in der Lunge zu kämpfen. Die Krankenschwester wies uns daraufhin und wir sollten uns nicht erschrecken. Doch warum wurde dies nicht entfernt? Eine Frage, die sich schwer beantworten lässt. Was hätte ich tun können? Hatte man ihn zu früh aufgegeben, war es so aussichtslos? Eine entsprechende Andeutung hatte uns ein Arzt gemacht. Doch immerhin, wir sahen uns ein letztes Mal, verabschiedeten uns und es mag für ihn in den letzten Stunden beruhigend gewirkt haben, dass ich ihm zugesichert hatte, ihm seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Wie anders war das, trotz aller Schwere des Moments, als bei meiner Schwiegermutter vor nun mehr als einem Jahr. Sie verließ uns im Grunde lautlos. Ihr Tod hatte kein Gesicht.   

Dienstag, 13. Juli 2021

Brave new world

 Der Gipfel der Verblödung

Gesunde Menschen tragen Staubschutzmasken, deren Schutzwirkung vor Viren wissenschaftlich nicht bewiesen ist. Die vorgeschriebene Tragedauer von 75 Minuten wird häufig ignoriert, ebenso wie die Nebenwirkungen dieser Masken. Der Gebrauch dieser Masken soll vor einem Virus, das für jüngere Menschen und Menschen ohne Vorerkrankungen / -belastungen nicht tödlich ist, schützen. Dem mittlerweile vorhandenen Impfstoff wird andererseits nicht getraut. Das einigermaßen zu Recht, den schließlich gibt es für die Corona-Impfstoffe nur eine Notfallzulassung der EU. Wer ohne Testung in Urlaub fahren will, nimmt mehr oder weniger unfreiwillig an einem großen Feldversuch teil. Das wird konsequenterweise verheimlicht. Über allen Menschen schwebt zudem immer das Damokleswert der Inzidenz. Ein willkürlich berechneter Wert, der auf falschen Testergebnissen beruht. Denn weder die Schnelltests noch der sogenannte PCR-Test reagieren auf ausschließlich auf Coronaviren, die es im Sommer sowieso kaum gibt. Und über allem "informieren" die Staatsmedien über die neuesten Äußerungen unserer ehrenwerten Politiker/-innen. Sie überbieten sich in der Angst- und Panikmache und haben längst verlernt, in wessen Auftrag sie handeln sollten. Und das beste kommt zum Schluss, die Menschen dürfen das Ganze inklusive der polithörigen Wissenschaft in all seinen wirtschaftlichen Auswirkungen bezahlen mit ihrem Steuergeld.  

The peak of idleness

Healthy people wear dust masks whose protective effect against viruses has not been scientifically proven. The prescribed wearing time of 75 minutes is often ignored, as are the side effects of these masks. The use of these masks is intended to protect against a virus that is not fatal for younger people and people without previous illnesses / stresses. On the other hand, the vaccine that is now available is not trusted. Rightly so, because after all, there is only one emergency EU approval for corona vaccines. Anyone who wants to go on vacation without testing takes part more or less involuntarily in a large field test. This is consequently kept secret. In addition, the Damocles value of the incidence always hovers over all people. An arbitrarily calculated value based on incorrect test results. Because neither the rapid tests nor the so-called PCR test only react to coronaviruses, which hardly exist in summer anyway. And above all, the state media "inform" about the latest statements by our honorable politicians. They outdo each other in scare-mongering and have long forgotten on whose behalf they should act. And the best comes at the end, people are allowed to pay for the whole thing, including political science in all of its economic effects, with their tax money.

Sonntag, 11. April 2021

Gut beraten

 Die Osterruhe wurde nachhaltig durch das Geschwätz von Politik, Virologen und neuerdings auch Intensivmedizinern gestört. Heutzutage scheinen Politiker keine eigene Meinung zu den von der Wissenschaft geäußerten Vorschlägen mehr zu haben. Sie funktionieren nur noch als Replikatoren für Modellierungen, die andere erstellt haben. Diese Wissenschaftsgetriebenheit halten sie wie ein Schild vor sich, so als wollten sie sagen: ich bin ja nur der Überbringer der schlechten Nachricht. Das müssen sie den Medien verkaufen, die dankbar auf dem harten Coronaknochen herum kauen. Aber was wissen Wissenschaftler wirklich? Da erzählt der unvermeidliche Herr Lauterbach erst, die 50-65jährigen seien besonders von Corona gefährdet, um etliche Tage später zu posaunen, die 30-60jährigen seien es. Unter den Tisch fallen also die 61 bis Stand heute 78 Jahre alten Menschen. Die haben nämlich auch kein Impfangebot, sind aber plötzlich nicht mehr in Gefahr? Das ist nur ein Beispiel von vielen Erzählungen, mit denen uns Virologen und Mediziner in Talkshows langweilen. Ähnlich unterschiedlich sind ja die Einschätzungen des Impfstoffs von Astrazeneca. Mal ist er völlig ungefährlich, dann wieder ein Impfstoff zweiter Klasse. Auch sehr interessant war der Vorschlag, die zweite Impfung eventuell mit einem anderen Impfstoff als bei der Erstimpfung zu verabreichen. Studien und Erkenntnisse dazu gibt es nicht. So bleibt dann Herr Söder nur ein "Wer will und wer sich traut.." bezüglich Astrazeneca. Da stellt sich die Frage, wie kommen solche "wissenschaftliche" Gedanken zustande? Das Geld eine Rolle spielt und Wissenschaftler auch gern mal in der Öffentlichkeit stehen, das darf angenommen werden. Die Regierung aber sollte in der Lage sein, das große Ganze im Blick zu haben. Sich zum Beispiel fragen, ob es in einer Zeit, in der man Steuergelder sinnlos für nutzlose, weil nicht überwachbare Lockdowns heraus schmeißt, ein gutes Signal ist, das Bundeskanzleramt für 600 Millionen Euro prächtig auszubauen. Aber vermutlich gibt es da keinen Zusammenhang und der Bürger ist gut beraten, in der Zeit, in der vieles verboten ist, sein Leben im Untergrund zu führen. Die imaginäre "Dritte Welle" kommt auch ohne ihn aus. 

Sonntag, 28. März 2021

Ungezügelt

 Es ist schon erstaunlich, was für einen Sprech sich unsere gewählten Volksvertreter angewöhnt haben. So wollen sie nun die Zügel wieder anziehen. So als sei die Bevölkerung für die Corona-Lage allein verantwortlich und brauche nun wieder eine Disziplinierung.

Das sie sich bei der Größe ihres eigenen Versagens so etwas überhaupt noch trauen, zeigt schon in welcher Selbstüberschätzung sie leben. Von Anfang an war es Strategie, die Bevölkerung in Angst zu halten. Das erreicht man, mit vielen negativen Nachrichten, die z.B. von Virologen, dem RKI oder auch Intensivmedizinern veröffentlich gemacht werden. So ist jetzt die Dritte Welle große Mode. Die kommt nun gerade recht, denn gemäß Strategiepapier der Regierung ist die Pandemie erst vorüber, wenn genügend Impfstoff da ist. Die Inzidenzzahlen gilt nun als der neue Hammer. Egal ob die Todesfälle sinken, die ohnehin immer zu hoch sind, weil ja auch die Fälle mitgezählt werden, die den Virus hatten, aber nicht daran gestorben sind, die Inzidenz ist nun das Maß aller Dinge. Das sie natürlich steigt, wenn die Zahl der Testungen sich erhöht, ist eigentlich klar. Aber scheiß' drauf, auch wenn die nicht so regierungstreuen Virologen sagen, dass die Virusmutationen an sich nicht gefährlich sind, eben nur ansteckender, auch diese Meinung ist nicht maßgebend. Keine Zahl wird in Relation gesetzt, vergleichbar gemacht. Wenn jeden Tag in Deutschland über 2000 Menschen über 65 sterben und zur Zeit nur etwas über 60 Menschen mit oder an Corona, zeigt das nicht die deutliche Überbewertung der sogenannten Pandemie?  Zumal die Zahl der Menschen, die wegen der Corona-Maßnahmen sterben (Suizide, verschleppte Krankheiten), nirgendwo steht. Das ist auch gut so, weil die Veröffentlichung der Todeszahlen ein perverses Mittel zur Aufrechterhaltung des Angstniveaus in der Bevölkerung ist und sonst nichts.

Die Unverschämtheit der Politiker ist auch deswegen so groß, weil tatsächlich Menschen wegen fehlendem Impfstoff sterben. Die Ursache dafür liegt nicht nur in der EU, sondern in der Abhängigkeit der deutschen Politik von Brüssel. Dazu kommt die Unbelehrbarkeit, anstatt einfach Impfstoff für Deutschland separat zu bestellen, wartet man weiter. Und sogar die Produktion des Biontech-Impfstoffs in Marburg ließ man sich erst noch von der EU genehmigen, ein weiterer Zeitverlust. Aus politischen Gründen sterben oder erkranken mehr Menschen in Deutschland, als nötig wäre. Stattdessen verkauft man uns weitere Lockdowns als notwendig und verpulvert fleißig Steuergelder. Belüftung, Digitalisierung, anständige Bezahlung von Pflegekräften, Einstellung von Personal, alles kein Thema.

Stattdessen Bereicherung an der Beschaffung jedweden Materials und Verdummung der Bevölkerung sowie Diffamierung und Unterdrückung von Kritikern. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun. Die Wahl haben wir erst im September, leider.


Mittwoch, 24. Februar 2021

Abgekanzelt und geschützt

 Die Frage stellt sich: wann werden wir endlich wieder einen Bundeskanzler haben, der sich nicht allein von der Wissenschaft treiben lässt? Der das Ganze im Blick hat und im Interesse aller Bevölkerungsgruppen handelt? Der agiert und nicht reagiert?

Das scheint momentan in weiter Ferne. Trotz wachsender Kritik an den Corona Maßnahmen stellen sich die Truppen, die für eine weitere restriktive Behandlung der Bevölkerung eintreten, zum Kampf bereit. Das RKI behauptet nun, dass der größte Anteil der über 15jährigen Bevölkerung von schweren Verläufen bedroht ist. Eine dritte Welle wird vielfach herbei geredet. Unterstützt wird dies von dem Teil der Bevölkerung, der im wesentlichen nicht mehr aktiv am Leben teilnimmt und dem auch materiell keine Nachteile entstehen. Dazu kommt, dass die Folgen der jetzigen Politik erst nach der Bundestagswahl erkennbar werden. Schon jetzt müssen Rentner dieses Jahr, unabhängig von der Höhe ihrer Rente, auf eine Rentenerhöhung verzichten. Die Krankenkassen werden ihr Beiträge erhöhen müssen. Doch das ist erst der Anfang. Viele Insolvenzen werden zur Zeit verschleppt. Das geht nicht ewig. Der Staat kann die wirtschaftlichen Schäden nicht in vollem Umfang ersetzen. Er gibt aber dennoch viel Geld aus und das kann eine Inflation fördern. Wenn er wenigstens die Profiteure der Krise, oft die großen ausländischen Konzerne wie Amazon, endlich besteuern würde, das könnte helfen, manches finanzielle Loch zu stopfen. Leider wird das ebenso wenig passieren wie eine Vermögensabgabe für Reiche kommen wird. Zahlen werden die jetzigen Geldverschwendungen unsere Nachkommen und natürlich alle Manschen, von denen es ohne großen Widerstand genommen werden kann. Das sind die Menschen, die sich in unselbstständigen Arbeitsverhältnissen befinden und natürlich die Rentner. Auch das Selbstständige und Beamte in die Rentenkasse einzahlen werden, auch das bleibt ein Märchen. Nichts kann und will die Regierung. Die Bundesregierung gibt vor, uns schützen zu wollen. Doch das, was sie bisher getan hat, erinnert eher an eine Schutzhaft, die ja in Deutschland eine lange Tradition hat. Ach ja und der Datenschutz, der ist ja auch so eine scheinheilige Kuh hierzulande. Das Datenschutzgesetz hat dazu geführt, dass man beim Aufruf jedweder Internetseite dazu aufgefordert wird, die Einstellungen zu prüfen. Das entfällt natürlich sehr oft, viele Menschen sind mit einer solchen Prüfung überfordert und akzeptieren daher alles. Ungefähr das Gegenteil von dem wird erreicht, was die Datenschützer im Sinne haben.

Aber Deutschland will ja perfekt sein. Wir haben zwar an vielen Ecken die Manpower eingespart, die jetzt an allen Ecken und Kanten fehlt (Behörden, Krankenhäuser, Pflegepersonal). Aber dennoch bauen wir große Impfzentren, während in anderen Ländern quasi auf der Straße geimpft wird. Hauptsache viel Aufwand und der Anschein, dass wir es am besten im Griff haben. Kostet ja alles nix. Leider fehlt nun in ganz EU-Europa der Impfstoff. Weil wir es der EU mit unseren Spitzenkraft von der Leyen überlassen haben, den Impfstoff zu bestellen. Die Dame spricht perfekt englisch und hat die Haare schön. Auch hier wieder der Gedanke, Musterschüler der EU sein zu wollen, der über dem Gedanke steht, der Bevölkerung möglichst schnell zu helfen. Schutz und Einsperren, das ist eben eine gute deutsche Tradition, auch wenn die Idee, ein Virus zu bekämpfen, indem man alle Menschen einsperrt, sich nicht nach einem wissenschaftlichen Ansatz anhört.    

Mittwoch, 10. Februar 2021

Wortlos entglitten

 Was ich mich frage ist, wann endlich werden die Todeszahlen der an und mit den Corona-Maßnahmen Gestorbenen veröffentlicht? Vermutlich nie, eher wird man einem Selbstmörder noch den Corona-Test abnehmen und ihn als Corona-Toten zählen. Es ist verständlich, dass die regierungstreuen Virologen die Menschen gern einsperren wollen, um ihre Statistiken irgendwie hinzukriegen. Ein sportlicher Gedanke, auch wenn dabei große Teile der Wirtschaft kaputt gehen. Die ist ja nur das Fundament, auf dem wir stehen. Auf Versäumnisse unserer Clique von Politikern mit der obersten Chefin einzugehen, das gewöhne ich mir ab, weil es immer wieder den Rahmen sprengt. Schließlich steht ja die Mehrheit der Bevölkerung wie eine Eins hinter der Regierung. Tatsachen zählen schon lange nicht mehr. Wir leben in einer Welt der Viren, die jede Maske durchdringen können. Im Winter ist das Immunsystem vieler Menschen geschwächt, daher steigen Infektionszahlen. Sinkende Zahlen haben also nicht unbedingt etwas mit dem Einsperren von Menschen zu tun. Dennoch sind nun der Politik die Werte scheißegal, die vorher als wichtig postuliert wurden: Bildung, soziale Integration, Kultur u.vm.  Statt sich um die Risikogruppen zu kümmern, die Schulen den Anforderungen gerecht zu machen und endlich das Gesundheitswesen von dem Zwang frei zu machen, Gewinne erwirtschaften zu müssen, schmeißen sie Steuergelder für umstrittene FFP2-Masken heraus, zackern aber beim Preis für die Impfdosen via EU herum. Da fehlen einem die Worte für soviel politische Unverschämtheit.

Donnerstag, 4. Februar 2021

Kein Kontakt

Was macht man, wenn irgendwo Wasser austritt und man findet den Fehler nicht? Also wird ein Handwerker benötigt. Der hat aber keine Ahnung, weiß noch nicht einmal, wo der Haupthahn ist. Also weitere Handwerker fragen. Das Wasser tritt unter einem Waschbecken aus, also muss der Abfluss undicht sein. Aber statt nun endlich den Haupthahn abzudrehen, wird ein Eimer darunter gestellt. Der ist aber irgendwann voll. Die klassische Handwerkerfrage dreht sich nun um einen Lappen. Eine Ersatzdichtung haben sie auch nicht zur Hand, da müssen sie erst in den Baumarkt. Sie gehen aber nicht in den nächst besten, sondern in den günstigsten. Statt des Eimers soll nun ein größerer Eimer her, es dauert ja noch ein bisschen.  Der Fußboden in der Wohnung ist nun mittlerweile komplett verdreckt, da alle Handwerker den Haupthahn vergeblich überall gesucht haben. Du würdest nun gern den Fehler selbst beheben, aber du kannst nicht aus dem Haus, du musst immer wieder den Eimer leeren. Auch den Haupthahn würdest du im Keller selbst gern zu drehen. Sie kommen nun zurück, die Fachleute, sie streiten sich, wer nun den Schaden beheben kann und den Auftrag bekommt. Alle wollen aber ihre Kosten erstattet bekommen. Einer hat sogar eine Dichtung besorgt, aber sie passt nicht. Man empfiehlt dir, eine kleine Wanne unterzustellen. Ein anderer ist schon unterwegs, um die richtige Dichtung zu besorgen. Du gehst nun doch in den Keller und drehst den Haupthahn selbst ab. Das findet der Handwerker nicht so gut, schließlich tauscht er endlich die Dichtung aus. Als das Wasser wieder läuft, scheint alles in Ordnung. Er fragt nun, ob du eine Rechnung brauchst und ob er mal aufs Kloo kann. Du ahnst, was das bedeutet. Du verlangst danach eine Rechnung, er will aber gleich sein Geld. Er geht endlich, du wirst putzen müssen, auch den Flur, das Kloo und das Bad. Als du fertig bist, merkst, dass Wasser unter dem Waschbecken an der Wand entlang tropft. Das Abflussrohr in die Wand leckt. Da hilft kein Eimer, da muss erst ein Lappen drunter.   

Ob dieser Albtraum wahr ist? Und an was erinnert er mich? Ach ja, da ist diese Sitzung mit den sechzehn Handwerkern und ihrer Oberzunftmeisterin. Die finden auch keine Lösung. Corona sagen sie immer, das sei eine Pandemie und die Mutationen seien gefährlich. Und das ich gesund bleiben soll, das äußern viele Leute. Und Kontakte soll man meiden. Für MoFs kein Problem, aber wo nehme ich jetzt den Plastikkitt für mein Wasserrohr her?    

Donnerstag, 14. Januar 2021

MyLife 1983 - 1988

 Woher - Wohin?

Zu Anfang dieses Posts lasse ich zunächst meine "Zentrale" in Kassel zu Wort kommen.

Mutter am 3.1.1983:

"Wir freuen uns auf Deinen Besuch am 22.1. und bitten Dich, die Ankunftszeit deines Zuges anzugeben. Dein Vater wird Dich am Hauptbahnhof abholen. ... Auf ein frohes Wiedersehen, herzliche Grüße von Deinen Eltern."

Mutter am 19.5.1983:

"Wir fahren am Sonnabend, also übermorgen nach Mainz und kommen zuerst bei Euch vorbei. Wir würden also ungefähr um 8 oder 9 Uhr da sein. "

Die Karte erreichte mich am Morgen des Tages, an dem sie kommen wollten. Wir waren an diesem Tag nach Lemgo gefahren. Es war für mich zu spät, um noch irgend etwas zu regeln. Meine Mutter rief mich wegen jeder Kleinigkeit, wegen jedem Streit mit Vater an. Nicht aber wegen des Besuchs, dieser Versuch blieb der einzige. Sie besuchten mich nie wieder. 

Mutter am 13.7.1983:

"Bekamen heute deine Karte und freuen uns auf deinen Besuch am Sonnabend. Du kannst natürlich gerne hier übernachten, ich nehme an, Ruth holt dich am Sonntag hier wieder ab."

Bruder Frank am 30.7.1983:

"Vielen Dank für deinen Brief und das Geld. .. Ab 1. August arbeite ich in der Werkstatt in Bergshausen."

Bruder Frank am 28.1.1984:

"Für den Glückwunsch zu meinem Geburtstag vielen Dank. Es ist nun leider schon so, dass man sich in der Werkstatt über deine Postsendungen wundert und ich schon gefragt wurde, warum du so handelst. Ich habe die Eltern über die Gespräche, die du mit Herrn Reichhold und Herrn Hohlbein geführt hast, soweit ich es erfahren konnte, informiert, das ist für mich selbstverständlich... Ich möchte dich nun bitten, wenn es so ist, dass du Interesse an mir hast, , Briefe und Postsendungen wieder mit meiner normalen Adresse zu versehen. Die Schwierigkeiten, die du mit meinem Vater hast, bedrücken mich ebenfalls, aber ich sehe keinen Sinn darin, dieselben durch irgendwelche Maßnahmen , die sich gegen die Eltern richten, noch zu vergrößern."

Mutter am 9.9.1984:

""Frank fühlt sich in der Werkstatt ganz wohl, ist aber sonst sehr unzufrieden mit sich und hat öfters Probleme mit seinem Vater. Er soll auch einmal in der Woche ärztlich behandelt werden. Wie du das ja auch meintest, ich halte das auch für richtig... Es liegt nun an deinem Vater, wann wir mal nach Lemgo fahren. Ich habe genug geredet."

 Anfang 1985 teilte mir meine Mutter endlich eine Rufnummer meiner Eltern mit.

Manchmal sind die Originalzitate immer aufschlussreicher als die eigene Erinnerung. Wir lebten derweil unser eigenes Leben. Die Spaltungsversuche der Eltern waren lästig und belastend. Für Frank fühlte ich mich teilweise verantwortlich, ohne wirklich etwas für ihn tun zu können. Mein Vater wurde schließlich sein Betreuer und betrachtete mich lediglich als verlängerten Arm. Eine eigene Meinung habe ich oft kundgetan, aber gegen den Willen eines Kranken ist nichts möglich. Trotz meiner Hilflosigkeit in der Angelegenheit gab ich nicht auf. Letztlich stand aber mein eigenes Überleben im Vordergrund. Zunächst einmal kauften wir uns unser erstes gemeinsames Auto. Ein Sondermodell des Audi 80 CL war unsere Wahl. Ruth kaufte gerne Autos, die gleich verfügbar waren. Und so kamen wir bereits im Januar 1983 zum ersten Neuwagen. Unser Auto blieb meinem Chef nicht verborgen, der es gleich beäugte. Er selbst fuhr Ford Granada, in meinen Augen kein besonders schickes Auto. Bereits im Februar verreisten wir mit unserer Neuerwerbung nach Toblach in Südtirol. Mit an Bord war meine Schwägerin, mein Schwager reiste aus Lemgo an. Wir unternahmen gemeinsam eine Dreipässefahrt von Toblach aus über Cortina d'Ampezzo, den Falzarego-Pass, Pordoi-Pass und letzlich über den Sella-Pass nach Bruneck und dann zurück. Am meisten aber blieb mir das Langlaufen um den Toblacher See, auf den Plätzwiesen und vor allem auf der Loipe Richtung Cortina in Erinnerung. Dieses Laufen durch die tiefverschneite Berglandschaft und die Wälder, das war ein bleibender Eindruck. Auch in Sexten liefen wir bis zu den Drei Zinnen mit unseren Skiern. Das Einmalige an den Dolomiten ist eben, dass man sehr dicht an die meist schmaleren Berggipfel heran kommt. Lange Jahre hatte ich ein vergrößertes Foto mit der Aussicht vom Passo Pordoi an der Wand hängen. Fasching mit Tanz wurde auch gefeiert in unserem Gasthof Strobl. Zwischendrin fuhr mein Schwager noch nach Lemgo zurück, weil er einen Anruf erhalten hatte und etwas Dringendes seiner Anwesenheit vor Ort bedurfte. Er kehrte umgehend danach zurück, um seinen Urlaub fortzusetzen und fuhr die ganze Tour allein. Das bewunderte ich schon damals, denn ich fuhr ja nie allein.  

Weitere Urlaube führten uns in 1983 nach Cadro im Tessin/Schweiz und zum Jahreswechsel 1983/84 nach Neukirchen am Großvenediger in Österreich. Im Sommer lösten lösten wir unsere Wohnungsfrage. In Frau W. fanden wir eine Vermieterin, die uns eine Drei-Zimmer-Wohnung am Feldrand in Frankfurt-Kalbach anbot. Sie wollte zunächst von uns Verdienstbescheinigungen sehen, das war wohl das an sich entscheidende Kriterium für sie. Sie ließ sich aber von uns überzeugen und wir bekamen die Wohnung ab August 1983 auch ohne die Vorlage. Der neue Wohnort erleichterte unser Leben erheblich, denn mir war es möglich, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, alternativ standen uns Bus und U-Bahn zur Verfügung. Das einzige Manko an der Wohnung waren die durchweg mit gelber Rauhfasertapete beklebten Wände. Ich beschränkte mich erst mal darauf, wenigstens das Wohnzimmer neu zu tapezieren. Der Wegzug von Burgholzhausen fiel uns einigermaßen leicht, vor allem nachdem ein Nachbar unter uns nachts einmal das schön gekrächzte Lied von den weißen Tauben, die müde werden, in Dauerschleife und natürlich nicht in Zimmerlautstärke laufen ließ. Wir waren es gewohnt, terrorisiert zu werden. In Kalbach gab es zunächst lediglich eine Familie, die uns mobbte. Wir hatten  eine gewisse Familie Kunze gegrüßt, ohne Antwort zu erhalten und folglich missachteten wir zukünftig den Grüßzwang. Seitdem schauten sie uns sehr verbissen an.  Das waren schon recht feine Leute, die obwohl sie auch nur Mieter waren, sich als etwas Besseres fühlten. Ich unternahm derweil erste Erkundungen in der damals noch sehr dörflichen Umgebung. In der Kätcheslachmulde stand eine schöne Weide, die in mir heimatlosen Gesellen heimatliche Gefühle entfachten. Ich habe sie fotografisch verewigt.



Der Jahreswechsel in Neukirchen verlief turbulent. Wir reisten über den Achenpass und den Gerlospass an. In Gerlos übernachteten wir in einer kleinen, einfachen Pension. Am nächsten Tag erreichten wir unser Hotel. Wir lernten dort eine Berlinerin mit ihrer kleinen Tochter kennen. Da sie ohne Auto unterwegs waren, nahmen wir sie mit zum Skifahren. Auf der Gerlosplatte war sowohl Langlauf, als auch das alpine Skifahren möglich. Ich versuchte mich alpin, bat um nicht zu schnelle Ski beim Verleih und bekam prompt schnelle. Unsere neue Bekannte stellte schnell fest, dass unser Auto noch relativ neu war. Es kam offensichtlich an, sowie ich bei ihrer kleinen Tochter ankam. Das Hotel hatte auch ein Schwimmbad und da alberten wir gemeinsam ganz schön herum. Unsere Unterbringung war nicht ganz so schick. Wir waren in einem Anbau mit Blick in den Hinterhof und auf die Mülltonnen untergebracht. Aber wir hielten bis Silvester durch. Am Abend kurz vor dem Jahreswechsel kam es noch zu einem kleinen Eklat. Ein Marburger Student, Sohn unseres saarländischen Tischnachbars, nahm mir die letzten Tänze mit Ruth weg. Ich saß gelangweilt und eifersüchtig herum, was nicht unbemerkt blieb. Ich verließ den Raum, um in den nahegelegenen Ort zu gehen und mein Mütchen abzukühlen, wurde aber noch rechtzeitig abgefangen. Dadurch wurde aber unserer Berliner Bekannten klar, dass ich mich nicht von ihr abwerben lassen wollte. So begann also das Jahr 1984.

Unsere Reisetätigkeit ließ nicht nach. Zunächst flogen wir im Juni 1984 nach Mallorca, damals war das noch die Putzfraueninsel. Auch hier landeten wir zunächst erst einmal im Personalzimmer, da das Hotel überbucht war. Schwarze Haare im Bett sorgten für wenig Romantik. Aber auch die Berge zogen uns weiterhin an. Nauders in Österreich war es im Herbst.  Schicksalhaft entschied sich unsere  Familienplanung aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen zwischendrin. Ein Sternenkind ist eben kein richtiges Kind. So fuhren wir allein nach Döbriach am Millstätter See. Auch in Döbriach waren wir in einer Depandance untergebracht und verbrachten sowohl Weihnachten, als auch Silvester, im Hotel Burgstaller. Vor allem das Weihnachtsfest war von der Wirtsleuten sehr stimmungsvoll organisiert worden. Die Verpflegung war einwandfrei. Leider ließen die Leistung hinterher spürbar nach. Aber von der Wirtsfrau bekamen wir einen handgestrickten Pumuckl, der noch heute in unserem Auto hängt. Als wir nach hause fuhren, sollten wir wir uns sogar noch einmal melden, wenn wir angekommen wären. Das war schon sehr einmalig, ebenso wie die schöne Gegend, wo Bad Kleinkirchheim zum Langlauf lockte. 

Die nächsten Jahre gestalteten sich ereignisreich. Privat versuchten wir, Kontakte zu finden. Wir tanzten mal in Frankfurt, mal beim TC Rondo in Frankfurt-Harheim, wir waren Mitglieder in einem Kegelclub und wir machten die einmalige Erfahrung mit dem sogenannten Fair-Play-Club. Hier luden sich die teilnehmenden Paare jeweils zuhause mit Bewirtung ein. Ein merkwürdiges Konzept, was selten aufging. Insgesamt hatten wir keinen dauerhaften Erfolg mit unseren Bemühungen. Unsere Adoptionsabsichten eines Kindes mussten wir, nachdem wir die Bedingungen der zuständigen Behörde in Frankfurt zur Kenntnis genommen hatten, aufgeben. Die Crux war, dass ich weniger Geld verdiente als meine Frau. Ich hätte also für die Kindeserziehung zuhause bleiben müssen und danach sicher keine Arbeitsstelle mehr gefunden. Eine Arbeitsstelle wie die meinige im Peter Lang Verlag war eigentlich nur noch mit abgeschlossenem Studium zu bekommen. Zudem war mein Ausbildungsberuf "Buchhändler" kein Garant für ein gutes Einkommen. Bliebe Ruth zuhause, würde das Geld knapp. Da unsere Verwandtschaft ziemlich weit entfernt wohnte, hätte es auch keine Möglichkeit für eine zeitweise Kinderbetreuung gegeben. 
Wir unterstützten finanziell ein Kind auf den Philippinen mit einer Patenschaft bei Plan International. Sie hieß Mercy Megbanua und wir korrespondierten einige Jahre. 
Weiter blieben wir unserer Reistätigkeit treu. Den Wimbledonsieg Boris Beckers sahen wir in einem Ferienzimmer in Büsum. Meinen 30. Geburtstag konnten wir zusammen mit meiner Schwiegermutter in Täsch/Schweiz feiern. Über den Genfer See reisten wir an, dort fühlte ich mich bei einem Zwischenstopp nicht wohl. In Täsch hatten wir eine große Ferienwohnung gebucht. Ringsherum riesige Felswände, die den Ort begrenzten. Da waren Alpträume vorprogrammiert. Alpin geriet ich hier an meine Grenzen. Dennoch gingen wir als erste Wanderung, teilweise oberhalb der Bahnstrecke, nach Zermatt. Ansonsten fuhren wir dorthin mit dem Zug und machten unsere Touren vom Ort aus. Den Höhepunkt bildete unser Aufstieg zum Schwarzen See. Schwiegermutter hielt erstaunlich gut mit. Von dort aus mussten, wir, da wir den Abstieg nach Zermatt nicht mehr geschafft hätten, mit einer kleinen Seilbahn fahren. Wiederum geriet ich aufgrund meiner Höhenangst an meine Grenzen, aber eine Alternative gab es nicht. Wie so in meinem Leben musste ein Weg gegangen werden. 
Im Oktober 1985 schließlich starb meine "Oma" Paula Dreyer im Alter von 94 Jahren.
Zunehmend interessierte mich die Herkunft der Familie Dreyer und hier vor allem die Frage, wer nun eigentlich wirklich mein Großvater war. Das meine Großmutter nicht Paula Dreyer war, sondern eine gewisse, bei der Geburt minderjährige, Frieda Dreyer, das wusste ich bereits. Was mein Vater von sich gab, war dass ein alter Mann sein Erzeuger gewesen sein sollte. Dieser Aussage misstraute ich. Zudem sollte die Großmutter bei der Geburt, also bereits 1929, verstorben sein. Letztere Behauptung ließ sich widerlegen. Es gelang mir, an die Abschrift einer Sterbeurkunde zu kommen, aus der hervor ging, dass sie erst 1939 verstorben war. Die Familiengeschichte habe ich ja bereits ausführlich im Blog nieder geschrieben. Sie ist ein Stück auch Kolberger Geschichte.

Letztlich war es dem Rest der Dreyerschen Familie in Kassel klar, das ist die Familie meines Halbonkels Siegward, dass Kurt Dreyer, dessen Vater, auch der Vater meines Vaters war. Er hatte mit der Tochter seines Bruders Johannes ein Kind gezeugt und es dann in seine Familie aufgenommen. Seine Frau Paula war naturgemäß nicht begeistert über dieser zusätzlichen Esser, was die Kindheit Vaters sehr erschwerte. 
 
Aber von den älteren Generationen erfuhr man nichts oder nur halbe Wahrheiten. 1986 trat ich aus der Kirche aus, da ich die Kirchensteuer lieber sinnvoll in der Patenschaft anlegen wollte.  Im Lang Verlag ging es derweil noch familiär zu. Mittags wurde im nahe gelegenen Gemüseladen Salat gekauft, in einer großen Plastikschüssel zubereitet und gemeinsam gegessen. Bei der Sekretärin, Frau W. lief ich als Wölfchen durch und sogar mit Stefan K. verstand ich mich. Immerhin trafen wir uns mal in Bad Homburg abends in der Kneipe, wo ich ihm von meiner Familie erzählte. Er nahm sogar meinen Vater in Schutz und meinte, ob ich glaubte, dass das alles für ihn so einfach wäre. Über allem schwebte unser Chef, der auch seine Probleme mit dem 40. Geburtstag hatte. Das Alter machte ihm zu schaffen. Selbst hatte er keine Kinder, war aber langjährig verheiratet und hatte einen Hund. Der genügte ihm aber wahrscheinlich nicht, um seine patriarchischen Neigungen auszuleben. So gab er mir Ratschläge. So sollte ich mich von meinem Bruder fernhalten, weil mich das herunter ziehen würde. Und Musik würde mich nervös machen, also lieber nicht. Dann wieder kontrollierte er gern. Als er mich einmal vor meinem leeren Schreibtisch antraf, fragte er mich, was ich mache. Darauf antwortete ich, dass ich mir überlegen würde, was ich als nächstes tue. Stimmte tatsächlich, freute ihn aber wahrscheinlich nicht. Meine Arbeit machte ich dabei gern. Immerhin hatte ich renommierte Wissenschaftler als Hersteller zu betreuen. Pierre Grappin, Literaturprofessor aus Frankreich oder Giovanni Pontiero, der ein Buch über die italienische Schauspielerin Eleonora Duse beim Lang Verlag veröffentlichte. Letzteres war sogar ein Hardcover. Mit Sybille W. und Stefan K. trafen wir uns sogar bei uns zuhause zum Doppelkopfspiel und einmal auch bei Stefan. Dabei offenbarte uns sein Kühlschrank ein kleines Geheimnis. Mehrere Piccolos füllten ihn und das im Haushalt eines Antialkoholikers. Aber die kollegiale Idylle im Verlag sollte nicht anhalten. Zunächst bekamen wir einen IBM-Rechner und mussten uns auf neue Arbeitsabläufe einstellen. Ich war davon wenig begeistert. "Es wird immer nur mit nackten Zahlen operiert, ohne den beträchtlichen Verwaltungsaufwand zu sehen, den die EDV nun einmal mit sich bringt. Die EDV, das große Wunderding, das von allein arbeitet." Dann setzte uns Herr J. Mit einem Herrn Sickel einen echten Abteilungsleiter vor der Nase. Marianne St. war das irgendwie inoffiziell, hatte aber viel zu wenig Distanz zu uns. Sickel, seines Zeichens Fechter, war fachlich sicher besser als wir alle prädestiniert für die Herstellungsleitung, hatte aber keine Ahnung von Personalführung. Das in Deutschland so beliebte Konzept der negativen Motivation lebte er. Fortan war es klar, dass wir alle nicht mehr bei wichtigen Gesprächen mit Autoren dabei sein würden. Einen neuer Kollege kam mit seiner Arbeit gar nicht hinterher. Der wurde nun nicht richtig getriezt. Anstatt ihn einfach während der Probezeit zu kündigen, ließ man es zu, dass er versuchte seine Arbeit während unbezahlter Überstunden, auch am Wochenende, zu schaffen. Auch das misslang und letztlich wurde er trotzdem gekündigt. Ein weiterer Umzug erfolgte in ein modernes Bürohaus in Frankfurt-Rödelheim. Herr Sickel bekam nun auch ein eigenes Büro. Das Jahr 1987 endete mit einer Weihnachtsfeier, an der die Herstellungsabteilung nicht teilnahm. Unter uns hatten wir kollegial beschlossen, uns stattdessen alternativ zum Essen zu treffen und uns das selbst zu bezahlen. Der Abend war sehr schön, hatte aber schwerwiegende Folgen für mich. Natürlich erfuhr Herr J. von unserem Treffen und ich bekam dafür eine schriftliche Abmahnung. Die sollte ich unterschreiben und als ich dies nicht ohne weiteres akzeptieren wollte, drohte er mir und meinte, ich solle das nicht aufbauschen. Unser Abteilungsleiter machte Druck, es waren Überstunden zu leisten, die dann irgendwann auch bezahlt wurden. Insgesamt war das Jahr 1988 sehr belastend. 
Ruth und ich machten im Mai eine Busfahrt nach Spanien mit, die eines der touristischen Highlights unserer Urlaubsreisen war. Die mehrtägige Reise führte uns nach Südspanien mit Granada und zurück über Sevilla und die Atlantikküste. Ein Abstecher nach Tanger wurde von Tarifa aus unternommen. 
Ich schrieb darüber: "Es war alles in allem eine reine Tourismustour und die Rückkehr nach Spanien tat gut."
Nicht so gut wie die Rückkehr nach Deutschland, denn als ich zurück ins Büro kam, stapelte sich dort schon wieder die Arbeit. Mein Ausgleich bestand privat immer noch im Joggen, was mein Körper zeitweise mit Knieschmerzen quittierte und im Erlernen des Zug-Posaunespiels. Ich war Mitglied im Kalbacher Posaunenchor und brachte es sogar noch fertig, unseren jungen Übungsleiter im Lang Verlag als Hilfskraft einzuschleusen. Längst war ich auf Stellensuche, erfolglos allerdings, bis Ruth schließlich eine Chiffre-Anzeige in der Frankfurter Rundschau entdeckte. Ein Mitarbeiter, der Spaß am Umgang mit Zahlen haben sollte, wurde von einem Verlag für Wertpapierinformationen gesucht. Eine Frau H. empfing mich dort, ich musste am Bildschirm die Daten aus einem Meldeformular eingeben. Das war nicht weiter schwierig, wenn ich an meine Arbeit im Lang Verlag dachte. Ich fragte dann nur überrascht "Das war alles?" und das fand wohl eine positive Resonanz. Ich selbst dachte: " Aber gerade angesichts der vielfältigeren Arbeitsbelastung stellt sich die Frage, ob eine "langweiligere" Arbeit nicht sogar sinnvoller wäre."
Auf diese Art und Weise gestimmt, erhielt ich aber schon bald den Anruf aus der Personalabteilung mit der Mitteilung, ich könne mir meinen Vertrag abholen. 
Eine lange Zeit der Unsicherheit über meine berufliche Zukunft ging damit zu Ende. Vieles hatte ich überlegt und auch den Kauf einer Eigentumswohnung, der immer mal wieder auf dem Plan stand, hatten wir aufgrund meiner Unsicherheiten doch immer wieder fallen lassen, zumal uns auch ein Verkäufer tatsächlich mal sagte, unsere Mietwohnung sei doch auch ganz schön. Zudem, viel gespart hatten wir auch noch nicht und die Banken hatten nicht gerade Spendierhosen an und waren eher nicht geneigt, uns mit einer Finanzierung den Immobilienkauf zu ermöglichen.
Unglücklicherweise kündigte ich relativ früh beim Lang Verlag und setzte mich damit den gemeinsamen Schikanen von Herrn J. und Herrn Sickel aus. Immer wieder wurde ich zu "ordentlicher Arbeit" ermahnt, immer wieder gab es Überstunden und wurden kleinste Versäumnisse kritisiert. Ich befürchtete zu Recht, dass mich der Lang Verlag über den 30.9.1988 hinaus noch beschäftigen würde. 
In Kassel bekam man von meinen Turbulenzen wenig mit. Vater hatte bereits im August einen leichten Herzinfarkt erlitten, den er übergehen konnte. Auch für ihn war das Ende des dritten Quartals das Ende seiner Arbeit, allerdings endgültig. 
Im Lang Verlag fand eine rührende kleine Verabschiedung für mich und eine andere Kollegin statt. Während mich die Damenwelt eher weniger gern gehen sah, besonders Kollegin Juliane war sehr gerührt, verhielt sich Herr J. eher neutral, wollte mich lediglich darüber ausfragen, was ich denn zukünftig arbeiten würde. Als ich mich von meiner Kollegin Irene M. mit einem Küßchen auf die Wange verabschiedete, sagte sie "Jetzt macht der das." Sie war meine direkte Zimmerkollegin und ich mochte sie auch. Sie war ein bisschen kurzsichtig, sodass immer wieder lustige Sachen passierten, die sie selbst mit einem originellen "Huppala, Pardon" kommentierte. So etwas vergisst man nicht. Sie war überhaupt frankophil, was zu ihrem dunkelhaarigen Typ passte, und durch sie kam ich etwas näher an Edith Piaf heran. Sie überspielte mir sogar einige Lieder. Aber es war, wie es war. Meine Lust auf Abenteuer hatte Grenzen, die privaten und beruflichen Unsicherheiten, die ich zu meistern hatte, waren für mich genug. Von den Kolleginnen und Kollegen gab es sogar Abschiedsgeschenke und ich rückte in einen chaotischen Urlaub ab. 
Das Ziel war eigentlich Jugoslawien, doch an der Grenze gerieten wir in einen langen Stau. Wir kehrten bei strömenden Regen um und mieteten uns in Duino im Duino Park Hotel ein. Das war teuer, aber eines der besten Hotels, in dem ich je war. Unsere Rückfahrt führte uns dann in die Südtiroler Berge nach Sexten und schließlich Innichen. Ruth hatte hier als Jugendliche eine Fahrt mitgemacht und war auch wegen ihres damaligen Freundes noch sehr angetan von der Gegend. Über Mayrhofen (Zwischenstopp) und den Achenpass ging es dann zurück nach hause. Das Autobahnfahren fiel mir immer schwerer, von der Erholung blieb wenig. 
Aufgrund meines Ausscheidens beim Lang Verlag wollte ich auch mit dem Übungsleiter Michael nichts mehr zu tun haben und beendete meine Mitgliedschaft dort. Michael verstand sich gut mit meiner Kollegin Irene und verhielt sich auch ansonsten sehr opportunistisch. Ich war beim Frankfurt Marathon vom Verein Spiridon aus als Streckenposten tätig und hörte dort das Frankfurter Fanfarenkorps spielen und erkundigte mich nach Möglichkeiten zum Mitmachen. Ich stellte mich dort bald vor und machte danach mit. Entspannung fand ich eigentlich nur beim gelegentlichen Pfeifenrauchen und dem Joggen. Während der ersten Tage bei der Börsen-Zeitung, meinem neuen Arbeitgeber, lernte ich gleich den Geschäftsführer, den Herrn E. kennen. Der eröffnete mir, dass ich mehrere Abteilungen wie in einer Ausbildung, durchlaufen sollte, um dann eine endgültige Position zu finden. Zuerst kam ich in die Kursredaktion der Zeitung, wo die Stammdaten für die zu veröffentlichenden Wertpapiere für die Erfassung durch die Börsen-Daten-Zentrale vorbereitet wurden. Mein Arbeitsplatz war hier deutlicher schlechter ausgestattet als im Lang Verlag, dennoch war ich von der sachlichen Atmosphäre im Haus erleichtert. 
Der Lang Verlag zeigte in Gestalt von Herrn J. seine Krallen. Zunächst ein Brief vom Chef, der Geldforderungen beinhaltete, denn ich hätte in den letzten Wochen schlecht gearbeitet und es seien durch Neudrucke Kosten entstanden. Nichts vom mir zustehenden Urlaubsgeld oder von einem Zeugnis. Eine von mir beauftragte Anwältin vertrat mich so schlecht, dass ich als Mitglied der Gewerkschaft HBV den dortigen Anwalt mit der Wahrung meiner Interessen beauftragte. Gewerkschaft, das bedeutete Satan für solche Leute wie Herrn J. bei Lang. Ich bekam dann erst mal ein schlechtes Zeugnis. Doch ich blieb hart und hätte es auf einen Arbeitsgerichtsprozess ankommen lassen. Erst am Jahresende war Schluss. Ich erhielt einen unverschämten Brief von Herrn J. mit dem Scheck über mein Urlaubsgeld und das korrigierte Zeugnis.
Eigentlich hätte ich hier privatrechtlich noch vorgehen müssen, aber ich hatte keine Lust, das neue Jahr mit altem Ärger zu beginnen. von mir ging der Streit ja auch nicht aus. Überflüssig zu sagen , dass mir auch die betriebliche Altersversorgung in Gestalt eines Versicherungsvertrags nicht mitgegeben wurde. Dennoch gab es immer noch positive Erinnerungen, wie die Danksagungen von Autoren und die gute Zusammenarbeit mit den Autorenbetreuern der externen Verlagsbüros.


Danksagung von Giovanni Pontiero - Ergebnis einer schönen Zusammenarbeit von mir und Stefan K. 

Ich hatte selbst genügend andere Probleme - Weihnachten in Lemgo und Querelen mit meiner Schwägerin - der immer schlechtere Zustand meines Bruders. Veränderungsabsichten auch bezüglich des Wohnorts, denn in Frankfurt schien nichts sicher. Wir fuhren mittlerweile einen sportlich aussehenden Golf, da wurde uns kurzerhand einmal der GTI-Kühlergrill abgeschraubt, der Verdacht fiel auf einen Nachbarn. Meinem Schwager wurde bei einem Besuch das Dach seiner 2CV-Ente aufgeschlitzt. "Meine Familie, meine Perspektive ohne eigene Kinder, große Probleme für mich."
Und weiter: "Die Sprachlosigkeit der Hessen im Rhein-Main-Gebiet ist übermächtig. Wenn sie den Mund aufmachen, dann nur zum Bescheißen. Sollte mein Vater recht behalten?"
  

 

  



Dienstag, 29. Dezember 2020

MyLife 1982

 Hohe Zeit vor der hohen Hecke

Wir schmiedeten Hochzeitspläne, doch zunächst einmal stand mein Arbeitsbeginn beim Lang Verlag für mich im Vordergrund. In der Herstellungsabteilung war ich der Hahn im Korb, misstrauisch beäugt vom Chef. Ich hatte Kolleginnen aus der Pfalz ( Marianne St.), aus meiner Heimat Nordhessen (Eva E.) und aus Südhessen (Uschi S.). Letztere war meist als Teilzeitkraft tätig. Autorenbetreuer und im Endeffekt Verkäufer war Stefan K., dessen freundliche, bisweilen fast schleimig wirkende, Art mir wohl immer in Erinnerung bleiben wird. Er war Raucher und zumindest in der Firma Antialkoholiker. Insgesamt war ich froh, wieder zurück zu sein. Meine Hochzeitsplanungen waren schon bald Thema und die Begeisterung meiner Kolleginnen darüber hielt sich in Grenzen. Der Verlag zog im Laufe des Jahres um. "Hinter den Ulmen" im Stadtteil Eschersheim befand sich in einem rot gestrichenen Haus unser Domizil.   

Mit meinen Eltern gab es nach wie vor Auseinandersetzungen. Wir waren, um unsere Hochzeitsabsichten mitzuteilen, noch einmal zu Besuch. Mutter schrieb mir danach am 28.3.1982 u.a. das Folgende: "Dein Vater ist an einem Besuch mit deiner zukünftigen Frau nicht mehr interessiert. Du kannst natürlich gerne allein kommen.." Und weiter: "Du hast unsere Zusage, dass wir an der kirchlichen Trauung teilnehmen werden. Nach der Trauung fährt dein Vater sofort wieder nach Kassel zurück." Aus dem Besuch in Lemgo wurde zum Glück nichts. Stattdessen erhielt ich regelmäßige Nachrichten über den Zustand meines Bruders, der Anfang des Jahres zur Bundeswehr kam und wie er mir noch selbst schrieb, in Fuldatal stationiert war. Bei allem Hin und Her kannte ich die Gründe für die Ablehnung meiner Verlobten ziemlich genau. "Warum müsst ihr denn heiraten? Da nimmt man sich doch etwas Jüngeres." Das war Vaters Einstellung, der vermutlich an ein nettes junges Mädchen dachte, die man womöglich gut steuern konnte. An meinen Bedürfnissen ging das völlig vorbei. An eine Familiengründung dachte ich noch gar nicht, ich musste mich selbst erst mal in stabilere Zeiten begeben. Dazu kam, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen in seiner Familie gar kein positives Bild von dieser Lebensform hatte. Ich war misstrauisch allen Oberflächlichkeiten gegenüber. Das spielte für meine Eltern keine Rolle, wussten sie doch von mir zeitweise nicht mehr, als das ich ein Mann mit Brille bin.

Im Februar verbrachte ich mit Ruth eine Woche in Neustift im Stubaital, wo ich erstmals auf Langlaufski wagte, ohne damit richtig zurecht zu kommen. Alle Arten von Gegenständen, die sich ohne meine Zutun bewegten resp. unter mir weg rutschten, waren mir suspekt. Im März fuhren wir an den Bodensee, hatten ein ganz nettes Hotel. Während tagsüber alles halbwegs in Ordnung war, litt ich  abends unter starken Angstzuständen. Es erinnerte mich an schwüle Frankfurter Sommertage, wo mein Kreislauf mich oft derart im Stich ließ, dass ich nervös wie ein Junkie auf Entzug durch die Straßen lief. Selbst vorbei fahrende Autos regten mich auf. Nichts war einfach, aber ich hielt stand. Je größer der Widerstand wurde. Auch mein Bruder Frank war wie ich als Soldat bei den Funkern und wie er mir schrieb, dauerte auch für ihn die Grundausbildung 1/4 Jahr. Bezüglich seiner Teilnahme an unserer Hochzeit äußerte er sich so, dass es für mich klar war, dass er nicht dabei sein wird. 

Im Verlag erfuhr ich dagegen durchaus mal positive Neuigkeiten. Ich bekam ein Einzelzimmer. Da ich mir eine Kaffeemaschine mitgebracht hatte, bekam ich stets auch Damenbesuch. 



Mein Arbeitsplatz noch ganz analog

Unser Büro war tatsächlich eine große Wohnung auf mehreren Ebenen. Die Herstellungsabteilung befand sich im ersten Stock. Es gab nur eine einzige Toilette für Frauen und Männer mit Ausblick auf die Straße. Das brachte mir bisweilen einige für mich aufschlussreiche Eindrücke, um die ich mich nicht gerissen habe. Die Abteilungsleitung war zunächst noch nicht geregelt, aber Marianne St. war die erste Anwärterin. Sie schien mir eine bisweilen zwiegespaltene Persönlichkeit zu haben. Während eines Mittagspaziergangs erzählte sie mir einiges über ihr seelisches Innenleben. Ich wusste nicht recht, was ich damit anfangen sollte, trat sie beruflich doch ganz anders auf. Mit unseren ausländischen Autoren konnte sie mittels ihres amerikanisch gefärbten Englisch gut kommunizieren und sie war erster Ansprechpartner unseres Chefs, für den der eigene Frauengeschmack wohl durchaus ein Einstellungskriterium war. Eva E., meine resolute Landsfrau, amüsierte sich sehr über mich, als ich Marianne einmal den Spitznamen "Schnuggl" verpasste. 

Unsere Hochzeitsvorbereitungen waren überschaubar. Ein Termin beim Standesamt musste gemacht werden. Mein "Freund" Jochen stand als Trauzeuge nicht zur Verfügung. Die ganze Sinkkastenclique inklusive Völkerchen sah ich nie wieder. Paradoxerweise stand uns nur Ruths Schwester als Trauzeugin zur Verfügung. Ausgerechnet die Frau, die gegen mich gesprochen hatte, weil sie befürchtete, dass mein Auftauchen die von ihr geplante Lebenspartnerschaft mit Ruth zerstören würde. An den Tagen vor unserer standesamtlichen Hochzeit waren wir beide sehr unsicher, jeder auf seine Weise. Dennoch tauchten am 14.5.1982 drei Personen vor dem Friedrichsdorfer Standesamt auf. "Meine" beiden Frauen ungewohnter Weise im Kleid, ich im blauen Anzug. Die Zeremonie war relativ kurz und schmerzlos. Mit dem neuen Familienstammbuch in der Hand stürmte ich aus dem Amt, fast hätte ich den Hochzeitskuss vergessen. Danach fuhren wir nach Bad Homburg zum Essen, was meiner Schwägerin nicht so gut bekam. Wir kehrten nach Burgholzhausen zurück, um unsere Sachen für Lemgo zu packen. Es gibt noch ein Foto, wo wir beide vor dem Haus standen. Die Hausgemeinschaft nahm auch von unserer Hochzeit wenig Kenntnis. Es herrschte, abgesehen von unseren direkten Nachbarn, eine unterkühlte Atmosphäre uns gegenüber. Man ließ uns es uns spüren, dass wir die einzigen Mieter waren und uns nicht an den anstehenden Arbeiten im Garten und der Hausordnung beteiligten. Dafür zahlten wir unserem Vermieter, einem Herrn Krause, unseren Obolus. Das rettete uns aber nicht, manchmal war es ein Spießrutenlauf, wenn die Herrschaften draußen zu Gange waren und wir das Haus verließen. Zum Glück war mittags an unserem Hochzeitstag niemand zugegen. Die Fahrt nach Lemgo konnte leichten Herzens beginnen.    

Die Zahl der Hochzeitsgäste war begrenzt auf Ruths Verwandtschaft mütterlicherseits. Mit mir und Ruth waren wir insgesamt etwa 16 Personen anwesend. Es störte insgesamt nicht, dass von meiner Seite niemand dabei war, für mich selbst war es ja auch leichter. Mit meinem Schwiegervater verstand ich mich gut. Er selbst war in Herten geboren und hatte vor dem Krieg bei seiner Mutter auf einem ostpreußischen Hof gearbeitet. Das Alleinsein kannte er gut, auch später Im Krieg in Russland war er oftmals auf sich selbst gestellt und auch schwer verwundet worden. Aufgrund der zeitlichen Wirren hatte er selbst erst spät eine Frau gefunden und die beiden hatten sich mit bloßen Händen und viel Arbeit Haus und Grund geschaffen. Er fragte mich auch später oft, wie es meiner Familie gehe. Am Vorabend der Hochzeit saßen wir im Wohnzimmer zusammen und er gab eine Runde Bärenfang nach der anderen aus, was ihm selbst am nächsten Tag nicht gut bekam, denn er trank für gewöhnlich nur wenig Alkohol. Auch ich war ein bisschen angeschossen, aber vielleicht ein bisschen routinierter und vor allem jünger. Mein Gewicht war immer noch so niedrig, dass meine Schwiegermutter mir die Hose meines Hochzeitsanzugs enger nähen musste. Diese Folge meines Israelaufenthalts vom letzten Jahr spürte ich immer noch.  Der Trauungsakt fand in der Kirche St. Johann statt. Das ist eine reformierte evangelische Kirche. Alles sah ein wenig schlicht aus und ich war nach wie vor nervös. Ich selbst war lutherisch getauft. das war aber kein Problem. Versehentlich hätte ich Ruth fast den Ring auf die falsche Hand gesteckt, aber es ging noch mal gut. Draußen versammelten sich alle zum gemeinsamen Foto und wir beide hatten einen Fototermin auf den Lemgoer Wallanlagen, wo schöne professionelle Bilder entstanden. Ruth trug ein in meinen Augen sehr schönes Hochzeitskleid an, nicht zu überkandidelt, aber doch sehr fraulich. Etwas Kopfschmuck, kein Schleier und vor allem keine Schleppe, so kamen ihre großen dunklen Augen auf den Bildern gut zur Geltung. Ich war ein stolzer Bräutigam. Das ich das in meinem 26. Lebensjahr schon geschafft hatte, machte mich auch ein bisschen stolz. Gefeiert wurde dann im Lemgoer Pulverturm, der damals noch ein Restaurant beherbergte. Der war fußläufig zu erreichen und ein Teil der ehemaligen Befestigungsanlagen der alten Hansestadt Lemgo. Es gab zunächst Kaffee, mein Schwager hielt eine kleine Rede und auf seine Frage, was ich meisten liebe, blieb mir nur eine Antwort: Ruth. Es folgte später das gemeinsame Essen. Da die meisten Hochzeitsgäste den Alkohol mieden, wurde es nicht sehr spät. War die Schlichtheit unserer reformierten Hochzeitskirche St. Johann schon etwas Neues für mich, so kannte ich es auch nicht, dass bei Feierlichkeiten Cola oder Limonade auf dem Tisch stand. Sinnigerweise trug auch meine Schwägerin an diesem unserem Tag eine Art Hochzeitskleid. Mit meinem Schwager fuhren wir dann in dem gemieteten Audi zum Haus meiner Schwiegereltern zurück. Wir übernachteten im eigens für uns frei geräumten Esszimmer des Hauses. In ihren Lebenserinnerungen schrieb meine Schwiegermutter später nur, dass unsere Hochzeit größer gewesen sei, als ihre eigene. Von meiner Verwandtschaft gab es eine Grußkarte von meinem Patenonkel Siegward Dreyer und seiner Frau. Die Stiefmutter meines Vaters sah die Sache allerdings anders. Als sie vom Fernbleiben meiner Eltern bei unserer Hochzeit erfuhr, fuhr sie zu meinen Eltern und nötigte meinen Vater, ein sechsteiliges Kaffeeservice einzupacken und als Hochzeitsgeschenk an uns abzuschicken. "Was macht ihr denn mit dem Jungen?" war ihre Frage an meine Eltern. "Oma" Paula war nicht meine richtige Oma, aber defacto war sie es. Sie schrieb auch immer wieder und sandte Fotos. Seit dem Tod meines Großvaters Kurt reiste sie oft und besuchte auch das Grab meines Onkels und Namensgebers Wolfgang Dreyer in Costermano am Gardasee. Dabei wurde sie zum Faktotum im Ort und lernte auch italienisch. Sie hatte auch Rudi Ullrich kennengelernt und sich lebhaft mit ihm ausgetauscht.  

Wir blieben noch am Tag danach in Lemgo und fuhren gemeinsam mit Schwager und dessen Freundin an die Weser zum Baden nach Borlefzen bei schönem Wetter. Nach Burgholzhausen ging es mitsamt Brautstrauß zurück, wo uns der Alltag schnell wieder hatte. Denn unsere "Flitterwochen" würden wir erst im September verleben. Mein Hochzeitsfotos waren in der Firma zur Ansicht bei meinen Kolleginnen begehrt. Allerdings begeisterte die vollendete Tatsache nicht jede, was ich merken konnte. Es war nicht das erste Mal, dass ich das Gefühl bekam, dass die Entscheidung für eine Frau gleichzeitig den Verlust vieler Möglichkeiten bedeutete. Aber wie hatte schon Rudi Ullrich immer gesagt "Safety First". Der Sommerurlaub führte uns in unserem ersten Jahr als Ehepaar nach Menorca. Am Abend vor dem Flug liefen wir beide etwas nervös durch die Anliegerstraßen unseres kleinen Wohngebiets in Burgholzhausen. Doch alles ging gut. Mit meiner Canonet-Kamera im Gepäck erreichten wir unser Hotel in der kleinen Ansiedlung Arenal d'en Castell. Es lag auf einer kleinen Anhöhe und war ein ziemlicher Betonklotz mit vier Sternen. Dennoch wurde der Urlaub ein ziemlicher Erfolg. Denn wir lernten drei weitere junge Paare kennen, mit denen wir unsere Zeit am Strand und abends an der Bar verbrachten. Ich verkostete gern meinen Gin Fizz und überhaupt der Likör ist eine Spezialität auf Menorca, wie wir in Mahon erfuhren. Mit einem Mietauto entdeckten wir die kleine Insel. Auch zu Fuß lohnte es sich mal in die Nachbarbucht  zu gehen, die Küstenlinie zu fotografieren oder aber in Fornells bei ziemlicher Menschenleere auf gutes Licht zu warten. Waren wir abends mal allein, so saßen wir in einer Bar außerhalb des Hotels, wo ich Ruths Erzählungen lauschte, während über unseren Köpfen die Fledermäuse durch die Nacht flogen.         

Unbeschwerte Tage also, die mit dem Rückflug und einem sehnsüchtigen Blick zurück auf die Umrisse der Insel endeten. Zwischenzeitlich war mein Bruder bei der Bundeswehr ausgemustert worden. Berichtete er mir noch im Februar über gute Schießergebnisse und darüber, dass er beim Marschieren keine Probleme hatte, so haben sich die damaligen Tendenzen wohl so verstärkt, dass die Ausmusterung notwendig wurde. Denn Frank schrieb mir damals bereits: " Sie (die Ausbilder) unterhalten sich öfters mit mir und sehen trotz meiner Empfindlichkeit auch gute Seiten." Ich hatte Mutter auf ihren Wunsch hin Hochzeitsfotos geschickt und in ihrem Antwortbrief hieß es zu Frank: "Dein Vater hat nun Mitte August Urlaub und ich glaube doch, dass wir euch dann mal besuchen. Frank ist schon zuhause, er wird am 31.7. entlassen. Soll aber eine Behandlung mitmachen, was die Bundeswehr bezahlen will." Im Nachsatz schreibt sie: "Wie ich erfuhr, bezahlt die Bundeswehr keine Behandlung, da die Mängel schon vorher bestanden." Man hätte Frank das Ganze ersparen können, denn schon der Versuch eine Ausbildung im VW-Werk Baunatal zu absolvieren, war gescheitert. Das alles war sehr bedauerlich für ihn, denn seine beruflichen Aussichten wären zunächst mal deutlich besser als meine eigenen gewesen, wenn er sie hätte nutzen können.

Wir hatten in diesem Jahr also schon einige Reisen gemacht, eine Busfahrt führte uns noch ins Elsass, wo wir Colmar besichtigten. Die tägliche Fahrt an die Arbeit jedoch war eher etwas nervend. Manchmal verpasste ich in Friedrichsdorf den Anschluss nach Burgholzhausen und ging den Weg zu Fuß. Insbesondere morgens und im Winter war der Fußweg zum Bahnhof in Burgholzhausen zwar teilweise malerisch aber auch zeitraubend. In unserer Freizeit fuhren wir öfter nach Bad Homburg, wo es direkt an der Promenade ein chinesisches Lokal gab, dass uns auch vom Ambiente her ansprach. Unsere Spaziergänge führten uns durch den Hardtwald und den Kurpark. Manchmal war auch der Köpperner Wald unser Ziel. Unsere Wohnung war soweit gestaltet, wie es uns möglich war. Die kleine im Wohnzimmer integrierte Küche war mit einem Vorhang abgetrennt, unser Balkon bepflanz und bot uns einen guten Ausblick gen Süden. Für eine Familiengründung war die Wohnung jedoch eindeutig zu klein und der Weg zur Arbeit und in die Stadt war uns auf die Dauer zu weit. Zumal der Winter Schnee bringen sollte.   


   

 

Freitag, 18. Dezember 2020

Propaganda

Was ist Propaganda? Sie ist normalerweise positiv, da sie für etwas eintritt. Dann ist es Werbung. Meist wird sie jedoch dazu benutzt, um die vorherrschende Meinung zu verbreiten. Dies betrifft dann auch Personen und / oder meist eine Minderheit von Menschen, die nun entweder bekehrt werden soll oder zumindest für die vermeintliche Mehrheit diskreditiert werden muss. So rechtfertigten die Nazis die Vernichtung der Juden mit ihrer angeblichen Minderwertigkeit, die Unterjochung der slawischen Völker mit deren Untermenschentum. Um das Ganze zu verdeutlichen, benutzte man Bilder mit stereotypen Portraits von Juden oder feindlichen Soldaten, die möglichst abstoßend wirken sollten (Jud Süß als Beispiel). Mit dem Ende der Diktatur in Deutschland ist auch hierzulande die Propaganda nie gestorben. Sehr wirksam ist Propaganda dann, wenn man Vertreter der zu bekämpfenden Gruppierung vor die Kamera holt und dabei natürlich darauf achtet, dass diese möglichst unvorteilhaft gezeigt werden. Das gelingt am ehestens mit Menschen, die über geringe rhetorische Möglichkeiten verfügen und sich möglichst zu gewünschten Äußerungen hinreißen lassen. Das passiert derzeit mit der sogenannten "Querdenker-Bewegung". Man sucht sich einfach bei einer großen Demonstration, wie der in Berlin, die abstrusesten Typen heraus und lässt sie sich vor der Kamera produzieren. Da diese Typen meistens im Bereich Verschwörungstheorie unterwegs sind, ist der Eindruck auf den Betrachter natürlich extrem negativ. Schon hat man einen Grund, alle Teilnehmer der Großdemo als Idioten zu bezeichnen. Zudem kommt noch der Vorwurf der Nähe zum Rechtsradikalismus dazu, weil eben auch ein paar Rechte unter den Demonstranten sind. Wir haben die Nachkriegszeit mit Nazis in allen demokratischen Parteien vergessen. 

Diese Berichterstattung wird dann noch mit anscheinend objektivem Zahlenwerk untermauert. "Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe." Das ist ein altbekanntes Zitat. Wer der Urheber ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fakt ist, um die Gefährlichkeit der Corona-Epidemie zu untermauern, werden täglich Todeszahlen bekanntgegeben. Jeder verstorbene Mensch mit einem positiven Coronatest zählt als Coronatoter. Manche Medien sagen zumindest "an oder mit Corona verstorben". Das ändert allerdings wenig, da die Zahlen nicht einzeln ausgewiesen werden. Das ist genauso, als wenn ein tödlich im Straßenverkehr Verunglückter auch an Krebs erkrankt war und nun als Krebstoter gezählt werden würde. Es ist weiteres Merkmal von Propaganda, dass die Vergleichbarkeit von Angaben nicht hergestellt wird. Nur die verbreitete Behauptung zählt. Es gibt keine Angaben darüber, wie viele Menschen auch ohne Corona in Deutschland täglich sterben. Das auch die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung Tote fordern werden oder bereits gefordert haben, das ist mehr als wahrscheinlich. Die werden aber in keiner Statistik auftauchen. 

Propaganda kennt viele Instrumente. Etwa die vermeintlich authentischen Spots, die unter dem Deckmantel der Aufklärung gezeigt werden, also aktive Propaganda für etwas. Oder die vielen Meinungsumfragen, die die positive Einstellung der Bevölkerung zu den getroffenen Maßnahmen zeigen sollen. Merkwürdig daran ist es nur, dass die Meinungen der Menschen auf der Straße ganz anders klingen. Offene Schuldzuweisungen an das "Volk" gab es gerade als Rechtfertigung für den jetzt geltenden harten Lockdown von Seiten der Regierungspolitiker. Die SPD tut sich da wieder besonders hervor. Bratwurst und Glühwein müssen verboten werden und überhaupt, wenn der harte Lockdown nicht gekommen wäre, rechnete ein Herr Lauterbach mit weiteren 15000 Toten. Die Erzeugung von Angst ist offensichtlich immer noch propagandistisch beliebt. Andererseits nimmt man sich die Freiheit, die Zulassung des Impfstoffs, dessen Entwicklung mit 375 Millionen € vom Bund gefördert wurde, von der EU abhängig zu machen. Aus politischen Gründen will man die Partnerländer in der EU mit einem früheren Impfstart nicht vergrätzen. Die durch die verzögerte Zulassung des Impfstoffs zusätzlichen Toten werden dafür geopfert.     

Die Macht der Bilder bekommt der Fernsehzuschauer immer wieder zu spüren, wenn der Corona-Sender RTL in den Intensivstationen einiger wenigen Kliniken herum filmt, auch um zu beweisen, dass auch junge Menschen an Corona erkranken und schwere Verläufe haben. Zudem wir die völlige Überlastung dokumentiert. Dabei fällt unter den Tisch, warum die Situation so dramatisch ist. Das Gesundheitssystem in Deutschland soll profitabel arbeiten. darin liegt die Crux und deswegen fehlt uns jetzt das Personal in den Krankenhäusern. Zudem wurden unrentable Krankenhäuser geschlossen. Was hätte man auch im Sommer wissen können? Jedes Jahr sind die Intensivstationen der Krankenhäuser in den Wintermonaten gut ausgelastet, auch ohne Corona. Es gibt viele Viren, gegen die es keinen Impfstoff gibt, auch Influenzaviren. Immer noch sterben sehr viel mehr alte Menschen an und mit Corona als junge. Die Alten- und Pflegeheime sind die eigentlichen Hotspots, weil man weder die Bewohner noch das Personal rechtzeitig geschützt hat. Auch hier besteht Personalmangel. Es gäbe Personal, aber das erfüllt nicht unsere deutschen Kriterien. Auch in Corona-Zeiten lassen wir den Amtsschimmel weiter wiehern.

Immer wieder wird dem geeigneten Bürger die Notwendigkeit des harten Lockdowns vor Augen geführt. Es wimmelt nur so von Ermahnungen an die Bevölkerung, obwohl dieser Lockdown die Zahlen nicht verändern wird. Man schließt die Schulen vorzeitig, hat aber im Sommer nichts getan, um sie besser auszustatten (Digitalisierung/Belüftung). Man beschließt Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich, die nicht kontrolliert werden können. Dazu fehlt auch das Personal. Es ist absehbar, dass die Zumutungen für die Bürger weiter gehen werden. Es ist absehbar, wer das alles bezahlen wird. Das sagt uns die Propaganda nicht, aber sie soll ja auch nicht aufklären.

Das wahre Leben ist anders. Schön wäre es gewesen, wenn die demokratisch gewählten Politiker, statt ihr eigenes Versagen mit Schuldzuweisungen an die Bürger zu kaschieren, offen und ehrlich ihrem Wahlvolk gegenüber gewesen wären. Und wenn schon Spots gedreht werden, dann müssten sie inhaltlich ungefähr so sein: als ich jung war, hatten wir Corona. Ich lernte niemanden mehr kennen und konnte nirgendwo hin. Als ich alt war, hatten wir Corona. Ich bekam keinen Besuch von meinen Lieben mehr und ich verging einsam und allein. 


Montag, 14. Dezember 2020

MyLife 1981

Hva heter du? (Over the bridge and far away)

Das wusste ich zu Beginn des Jahres kaum noch. Ein bisschen Norwegisch hatte ich von unserem Weihnachtsurlaub mitgebracht. Wir hatten Bekannte von Astrid besucht und uns auch da wieder gut unterhalten. Gefühlsmäßig kam ich wohl ganz gut an. In Bergen besuchten wir an einem Tag die Bibliothek. Nun nahm mich der Alltag wieder in seinen Besitz. Astrid hatte schon seit einiger Zeit eine Bekanntschaft mit einem Iren geschlossen und zu dem zog sie mit samt ihrem großen Bett. Ihre übrige Möblierung blieb weitgehend in meiner Wohnung. Ich selbst schlief nun auf meiner braunen Cordcouch, dachte über die Dinge nach, die zu unserer Trennung geführt haben konnten. Einen  Streit bekam ich mit ihr bei einer Diskussion darüber, warum das deutsche Volk sich nicht gegen Hitler aufgelehnt hatte, das war eine Auswirkung ihres VHS-Kurses, der sie noch einmal richtig hoch brachte. Ich erlaubte es mir zu sagen, das ich das verstünde. Im Englischen meint "to understand" nicht nur, dass man etwas versteht, sondern dass man es akzeptiert. Mir erscheint es noch heute als sehr klar, dass ein breiter Widerstand gegen Hitler nach dessen Machtergreifung gar nicht mehr oder nur unter Einsatz von Leib und Leben möglich war. Die meisten Menschen sind aber nicht zum Revolutionär geboren, schon gar nicht in Deutschland. Darüber konnten wir uns einfach nicht einigen, obwohl der Umstand für mich auch nicht akzeptabel war. 

Meine Englandpläne nahm sie nun auch nicht mehr ernst, was in dem Satz gipfelte: "Für dich war es schon viel, von Kassel nach Frankfurt zu ziehen." Dabei hatte ich nach wie vor auch aufgrund ihrer Erzählungen den Plan, in England mindestens ein Semester als Auslandsstudium zu absolvieren. Die Möglichkeit dafür ein Stipendium auf Bafög-Basis zu bekommen, bestand. Unterlagen der Universitäten in Norwich und Exeter lagen mir vor. Das Studium in England folgte einem festen Plan, es war sozusagen verschult, was mir sehr entgegen kam. Astrid erzählte mir auch, dass man in England nur Lehrer werden kann, wenn man sich erst einmal vor einer Klasse bewährt hat. Auch das erschien mir weitaus besser als das deutsche Bildungssystem. An der Frankfurter Universität war ich als Student vollkommen frei. Zwar musste man eine bestimmte Anzahl Scheine machen, die konnte man unterschiedliche Art und Weise erwerben, aber es gab zum Beispiel keine Zwischenprüfung. Es bestand also keine Notwendigkeit, die Dinge in einer bestimmten Zeit zu erledigen. Bei den Scheinen genügte es manchmal schon, ein Seminar zu belegen und einfach nur anwesend zu sein. Was mir bei vielen Seminaren aufstieß war, dass sie in deutscher Sprache gehalten wurden. Wie sollte ich da meine Englischkenntnisse verbessern, wie die Mentalität aufsaugen. Für mich war es wichtig, Menschen in ihrer Sprache sprechen zu hören. In Grammatik war ich nie gut, dennoch sprach ich meistens intuitiv richtig. Den Kontakt zu native speakern hielt ich für unumgänglich. Selbstverständlich war das in Philosophie etwas anderes. Die Vorlesungen im Philosophicum in der Gräfstraße besuchte ich gern. Manche Sachen blieben mir ein Rätsel, vor allem der Herr Kant mit seiner "Kritik der reinen Vernunft" stand eigentlich auch später nur nutzlos in meinem Buchregal herum. Interessant dagegen die Nikomachische Ethik von Aristoteles, die mir vor Augen führte, wie stark der Einfluss des antiken Griechenlands auf unsere heutige Denkweise ist. Mit dieser praktischen Seite der Philosophie konnte ich viel anfangen. Auch Descartes, dessen Zitat "Cogito ergo sum" auch der Titel dieses Blogs ist, war mit vertraut. Den Schopenhauer hatte mir noch Dorle ans Herz gelegt (das Schopenhäuerchen). Aber was meine anglistischen Ambitionen anging, da hätte die Beziehung zu Astrid mir sehr geholfen. Möglicherweise hätten wir ja zusammen nach England gehen können, da stellte ich mir vieles leichter vor. Aber sie war nun einmal nicht mehr da. Und die Frankfurter Uni gefiel bis auf die Mensa immer weniger. Irgendwo war in mir immer noch der Wunsch wach, Astrid besser verstehen zu können. Sie hatte mir soviel von ihrem gemeinsamen Leben mit ihrem damaligen Freund Bill im Kibbuz Tel Josef erzählt, dass ich beschloss, mich der Zentralen Verwaltung für Volontäre in einem Kibbuz in Tel Aviv anzumelden.

Über meinen Aufenthalt dort habe ich bereits ausführlich geschrieben <a href='https://wolfgang-dreyer.blogspot.com/2012/11/israel.html'> .

Unter dem Label "Israel" findet sich alles, was es über den März 1981 zu berichten gibt. Meine Zeit in Israel brachte entscheidende Auswirkungen. Ich möchte aber hier durchaus andere Stimmen zitieren. Ich jedenfalls brauchte auch nach der Rückkehr in Deutschland eine längere Zeit, um vollständig gesund zu werden. Mein Gewichtsverlust war beträchtlich, um fast 10 kg war ich leichter. Und die Gewichtszunahme ließ auf sich warten. Astrid war so gut wie nie da. Nur zum Abholen von Sachen ließ sie sich blicken. Sie machte auch eine Prüfung in der Zeit und schrieb mir, als sie im Juni wieder in Israel war. Tatsächlich befand sie sich wieder In Tel Josef und traf dort noch Mädchen, die mit mir bekannt waren. Jane und Debbie warteten auf Post von mir, die ich nie schrieb. Sie wechselte dann in ein anderes Kibbuz in Hefzi Bah, schrieb aber, Das Tel Josef immer noch eine Art Zuhause in Israel für sie sei. Sie besuchte da auch immer noch andere Volontäre. Monty Python's als Vertreter des englischen Humors, das verband uns noch. Sie hatte von einem Volontär Cassetten bekommen. Mir gab Astrid noch den Tip, es mit Arbeit in einem Moschav zu versuchen, falls ich Geld bräuchte. Irgendwo geisterten Bilder von uns herum und mit verschiedenen Bekannten hatte ich noch Kontakt in einer Zeit in der ich mich längst neu orientiert hatte. Da ich Geld brauchte, arbeitete ich beim Kaufhaus M. Schneider, wo ich Besucher des Restaurants zählen musste. Mir blieb genügend Zeit, die Frankfurter Rundschau zu lesen.

Im Mai traf ich eine Frau, mit der ich einen schönen Abend in Sachsenhausen verbrachte. Dies hatte Folgen, wir verabredeten uns für einen Abend in meiner Wohnung, ich wollte kochen. Fabrizierte einen Nudelauflauf und lud auch meinen "Freund" Jochen dazu ein. Schließlich wollte ich eine zweite Meinung heraus kitzeln. Er sagte aber später nur: "Die will was von dir." So habe ich sogenannte Freunde immer kennengelernt. Meine neue Freundin imponierte mir dagegen sehr. Es fühlte sich so an, als würde man nach ewigem Waten im Sumpf plötzlich festen Boden unter den Füßen haben. Das Elternhaus von Ruth befand sich in Lemgo und sie wollte zu Pfingsten dorthin. Ich dagegen würde mich in Kassel absetzen lassen und zu meinen Eltern gehen. Einen Kontakt zwischen ihr und meinen Eltern fand nicht statt. Im weiteren Verlauf des Juni "musste" sie mit Mutter und Schwester nach Zermatt fahren, das war wohl schon vor meinem Erscheinen geplant. Sie schrieb mir, dass sie sich darauf freue, wieder nach Frankfurt zu kommen. Ich war hin und weg, vor allem entschlossen, es mit ihr zu versuchen. Doch noch immer schickte ich Astrid ihre Post nach, wenn welche kam und noch immer stand ihre Möblierung in meiner Wohnung.

Während Ruth in Zermatt urlaubte, fand ich eine Mitfahrgelegenheit nach Berlin mit einem jungen Studentenpaar. Dort wollte ich Steffen, einen Bekannten aus dem Kibbuz besuchen. Die Grenzkontrollen in Helmstedt waren schon ein wenig belastend. Man war froh, wenn West-Berlin erreicht war. Hier suchte ich Steffen in seiner Wohnung im Wedding auf und konnte dort auch übernachten. Für meine Verhältnisse war seine Wohnung ziemlich unordentlich und ein bisschen ein Kulturschock. Da Steffen anderes zu tun hatte, nutzte ich die Zeit für Erkundungen in Berlin. So besuchte ich die FU und wagte an einem Tag den Übergang nach Ost-Berlin. Über die Station Friedrichstraße gelangte ich nach mehreren Kontrollen in den Osten der Stadt. 25 DM waren in Ostmark einzutauschen. Anfangen konnte man damit nicht viel. Günstig waren vor allen Dingen Bücher. Da interessierte mich die Philosophie natürlich hauptsächlich. Auf der Straße "Unter den Linden" wurde ich gleich von zwei freundlichen Herren angesprochen, die von mir gern DM bekommen hätten im Tausch gegen ihre Ostmark. Ich lehnte trotz mehrerer Überredungsversuche ab, was vermutlich mein Glück war. Ich sah mir dann noch den Alexanderplatz an und fuhr auf den Fernsehturm hoch. 


Am Alexanderplatz gab es ein recht modern wirkendes Schnellrestaurant. Aber weder die Speisen noch das Bier reichten an die gewohnte Qualität im Westen heran. Ich fotografierte damals noch nicht all zu viel, aber vom Alex musste das natürlich sein. Letztlich war ich froh, als ich am Ende des Aufenthalts meine Fahrer wieder zur Rückreise traf.

Mittlerweile passierte auch bei meinen Eltern in Kassel etwas. Die Situation mit meinem Bruder Frank begann sich zu verschärfen. Im Juli wollten sie nach Mainz zu meiner Großmutter fahren, aber meinen Bruder Frank nicht mitnehmen. Ich sollte nun seine Aufsicht in Kassel übernehmen. Das bedeutete für mich, dass meine Eltern nicht den Wunsch verspürten, meine Wohnung zu sehen bzw. mich zu besuchen. Zusätzlich hätte ich die Kosten für die Zugfahrt nach Kassel zu tragen. Das kam für mich überhaupt nicht in Frage und ich verweigerte mich hier. Zu groß war bereits meine Distanz zum Elternhaus. Auch mit der Verwandtschaft in Mainz hatte ich keine Verbindung, man hatte bei der Familie Keßler nicht die Absicht, meine Selbstständigkeit wahrzunehmen. Mutter schrieb dazu später: "Ich möchte Dir nur deinen Brief beantworten. Frank wollte eben doch mit nach Mainz fahren. Wir hätten Dich sicher auf der Rückfahrt mal besucht, aber dein Vater fühlte sich bereits einige Tage vor der Mainzfahrt nicht wohl, sodass ich froh war, überhaupt fahren zu können." Alles nicht so schlimm, wenn Vater nicht immer auf der anderen Seite den starken Mann spielen würde. Mutter rief mich öfter von der Telefonzelle aus an, da Vater sich verweigerte, ein Telefon anzuschaffen. Das war ihm zu teuer, da er befürchtete, dass sie dann zu viel telefonieren würde. Er ließ sie lieber zur Zelle laufen, in deren Nähe sich ein Kiosk mit einer Räumlichkeit befand, in der einige Säufer herum hingen. Mutter hatte dann auch manchmal Kontakt. 

Bei mir lief sozusagen alles nach Plan. Ruth und ich, wir kamen uns näher, besuchten uns gegenseitig und letztlich öfter in ihrem Apartment in Frankfurt-Hausen. Sie gab mir ihr Auto und ich war der Fahrschüler. Ihr Auto, ein goldfarbener Ford Fiesta 1,0, war nicht leicht zu fahren. Die Schaltung sehr hakelig, oft stocherte man erst herum, bis sich der richtige Gang fand. Vor dem Anlassen musste der Choke gezogen werden. Manche Fahrt im Taunus endete in Feldwegen abschüssiger Art, wo ich das Anfahren und generell das Meistern schwieriger Situationen meistern musste. An die Ausflügelei musste ich mich gewöhnen. Ich kannte es von zuhause nicht, dass man einfach zum Spaß in eine fremde Gegend oder Stadt fuhr. Das gab es bei uns nicht. Und auch in Frankfurt fühlte ich mich immer in der Stadt am wohlsten. Als ich noch mit Kumpeln unterwegs war, fühlte ich stets eine gewisse Erleichterung, wenn wir von Fahrten übers Land wieder zurück in die Stadt kamen. Ich hatte mich dennoch als reiselustig bezeichnet, was in Bezug auf Reisen ins Ausland auch stimmte. Ruth war da ganz anders, schon früh automobil unterwegs. Aber auch mein übriges Leben würde sich ändern. Ich hatte unsere Bekanntschaft zum Anlass genommen, endlich ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Zwar rauchte ich tagsüber wenig, dafür abends in der Kneipe um so mehr, sodass ein Kneipenbesuch auch manchmal fast eine ganze Packung Zigaretten bedeutete, die ich zum Schluss selbst drehte. Aber auch die Hygiene wurde anders, denn nun benutzte ich ein Deo. Vorher kam nur Wasser und Seife an mich heran. 

Ruth hatte eine gleichnamige Tante, deren Name sie trug. Diese war kurze Zeit nach unserem Kennenlernen an Krebs verstorben. Ruth hatte mir schon von ihr erzählt, sodass ich ein bisschen überrascht war, dass die Nachricht sie doch mehr traf, als ich vermutet hätte. Im Sommer unternahmen wir, nun gemeinsam, unsere erste Fahrt nach Lemgo zu ihren Eltern. Ein Zwischenstopp war in Kassel bei meinen Eltern vorgesehen. Wir hätten dort in der elterlichen Mietwohnung nicht übernachten können. Es war also sinnvoll, so zu planen. Als wir die Treppen in unserem Mietshaus hoch gingen und sich die Wohnungstür öffnete, streckte wie üblich meine Mutter verlegen lachend den Kopf hinaus. Als sie Ruth sah, murmelte sie nur "Das wird schwer." Ruth hat das wohl nicht gehört, es wäre bereits der erste Affront gewesen. Das weitere Prozedere war so wie immer. Vater saß auf einem Stuhl im Wohnzimmer, beide Eltern rauchten, entsprechend roch es verräuchert in der ganzen Wohnung. Meinen Bruder bekam ich nicht zu Gesicht. Aufgrund seiner Behinderung war er eigentlich mittlerweile die Hauptperson in der Familie. Mein Werdegang interessierte da weniger. Im Vorjahr erst hatte ich eine Augen-OP hinter mich gebracht, mit der mein Schielen korrigiert wurde. Das war im Bürgerhospital in Frankfurt geschehen, ohne dass ich da eine Anteilnahme erfahren hätte. Das Ganze hätte längst noch im Kindesalter passieren können und müssen, mein Schielen störte meine Eltern nicht. Unsere "Gespräche" wurden stets von Vater gesteuert. Meist forderte er mich auf, etwas aus meinem Leben zu erzählen. Wenn ich dann anfing und ich hatte viel zu erzählen, wollte natürlich auch mit dem ein oder anderen Erfolg glänzen, winkte er meist ab oder relativierte manchmal mit dem Ausspruch "Jo, nu". Schnalle waren das meist Erzählungen über Frank das Hauptthema. Was Ruth besonders irritierte, das war das gegenseitige Übereinander-Reden als "Dein Vater" oder "Deine Mutter" in der Gegenwart der jeweiligen Person. Sie bemerkte von Anfang an meine Verhaltensänderung, mein angespanntes Reden und meine Körperhaltung. Es war klar, ich wollte keinen Konflikt, eigentlich nur aus der Nummer raus. Mutter war keine Hilfe, stets stimmte sie Ihrem Mann zu. Sicher merkte auch sie meine Spannung, aber aus einem gelegentlichen Lachen kam nichts von ihr. "Das kann möglich sein." Das war so eine Art Zustimmung von ihrer Seite. Nach einer halben Stunde war die Situation perdu. Obwohl ich mich mit meinem Vater nicht gestritten hatte, reichten die Eindrücke für Ruth. Sie verließ uns und wollte in ihrem Auto auf mich warten. Ich musste mich nun entscheiden und das fiel mir auf der einen Seite schwer, war auf der anderen Seite leicht. So fuhren wir weiter nach Lemgo. Hier lernte ich die Schwiegereltern und meinen Schwager kennen. Sie wohnten in einem Jahrhunderte alten Fachwerkhaus. In Ruths ehemaligen Zimmer konnten wir übernachten. Hier fühlte ich mich wieder als Mensch. Meine studentische Art kam irgendwie gut an. Erste Fotos von der Lemgoer Altstadt entstanden mit meiner Canonet 28, die ich im Frankfurter Bahnhofsviertel in einem Fotoladen gekauft hatte. Wenigstens in ihrem Elternhaus hatten wir Unterstützung. Denn Ruth hatte eine Schwester, die fleißig gegen unsere Beziehung intervenierte. Bei gemeinsamen Treffen mit ihr fanden teils heftige Dispute statt, einer davon ging um das Thema Autofahren. Für die beiden Schwestern war das essentiell, für mich ein ideologisches rotes Tuch. Ruth war dennoch entschlossen, mit mir zusammen zu bleiben, allerdings, ohne auf mich warten zu wollen, sollte ich in England ein Studium aufnehmen. Auch da entschied ich mich für Ruth. Ich verstand sie auch deshalb, weil ich selbst nicht auf Astrid warten wollte, sollte sie eventuell zu mir zurück kommen. Mit dem Studium in Frankfurt war ich ohnehin überfordert, nicht fachlich, aber mental. Und Ruth verdiente gutes Geld, aber von ihr abhängig sein wollte ich nicht. Bisher hatte ich von der Hand in den Mund gelebt, das musste sich ändern.     

So planten wir unsere erste gemeinsame Reise, die wieder nach Italien gehen sollte, dieses mal auf die schöne Insel Elba. Ich war nun Co-Fahrer. Im September ging es los. Ich sehe mich im Fiesta über das Frankfurter Kreuz Richtung Basel fahren, durch die Schweiz nach Mailand und dann an Genua vorbei in Richtung Toskana. Die Strecke für einen quasi Fahranfänger ein echter Ritterschlag, dunkle Tunnel wechselten sich mit hohen Brücken ab. Erst als wir die Ausläufer der Toskana erreichten, wurde es flacher und wir fuhren in Pietrasanta ab. In Marina du Pietrasanta kamen wir im Hotel Mistral unter. Das lag direkt an einer Durchgangsstraße und der Lärm der unaufhörlich fahrenden Mofas und Motorroller nervte mich. Immerhin, das Hotel hatte einen schönen Garten und der breite Sandstrand war fußläufig erreichbar. Wer italienische Badeorte kennt, der weiß, außer für Kinder ist hier nicht viel los, vor allem nicht zur damaligen Zeit. Die Hotels haben ihre eigenen Abschnitte am Strand und das haben wir genutzt. Keine Hektik wegen irgendeiner Reservierung von Liegen, Abends spazierten wir durch die Straßen des Ortes und gingen hier und da was trinken. Ein anscheinend sehr verliebtes, schon etwas älteres Paar fiel mir auf. War das mein zukünftiges Schicksal, immer mit ein und derselben Frau irgendwo herum zu sitzen und harmonisch auszusehen. Irgendwie schloss ich das für mich noch aus. Aber unser Abenteuer ging weiter, denn um nach Elba zu gelangen, mussten wir nach Piombino weiter reisen. Da wir nichts vorher gebucht hatten, kaufte ich die Tickets immer erst vor Ort. Die Fähre setzte uns dann nach Porto Azzuro auf der Insel Elba über. Unseren Aufenthalt verbrachten wir in Marina di Campo. Dort fanden wir eine kleine Ferienwohnung. Die Dusche im Badezimmer stand mitten im Raum. Wenn man duschte, war der komplette Boden nass, so etwas kannte ich noch nicht. Bald gab es auch unseren ersten Streit. Wir wollten Geld abheben und ich hatte meine EC-Karte in der Wohnung gelassen. Dennoch, wir fanden ein schönes, aus unserer Sicht typisches Lokal und bestellten uns Fisch. Was dann kam, war aber ein kompletter Fisch, meine Augen wurden groß. So etwas kannte ich auch noch nicht. Ein bisschen ängstigte mich das, aber nachdem der Kopf erst mal ab war, schaffte ich es doch ihn zu verzehren. Der örtliche Weißwein half dabei und wir tankten ganz schön davon. Die folgenden Tage verbrachten wir am Strand und hatten schnell ein ruhiges Plätzchen am felsigen Teil für uns entdeckt. Wir blieben eine Woche, fuhren auch mit dem Auto auf der ganzen Insel mit immer wieder schönen Ausblicken herum. Im Kassettendeck liefen die Boomtown Rats mit "I don't like Mondays" . Nach einer Woche war unser Urlaub beendet und wieder wollten wir uns ein Ticket für die Fähre nach Piombino kaufen. Gesagt, getan. Als wir zu unserem Auto zurück kehrten, fanden wir die Fahrertür eingedrückt vor. Jemand war hinein gefahren und hatte sich aus dem Staub gemacht. Vermutlich hatte er hinter uns in der Schlange gestanden und da wir nicht im Auto waren und somit nicht aufrücken konnten, wollte er vermutlich in die Lücke vor uns fahren, dabei unseren kleinen Fiesta übersehend. Da das Auto noch fahrtüchtig war, die Tür zum Glück noch schloss, verzichteten wir auf die italienische Polizei. Wir fuhren nach der Überfahrt direkt zurück nach Frankfurt ohne eine Zwischenübernachtung. 

So einen ersten, schönen Urlaub musste man erst einmal gemacht haben. Viele schöne Dia-Fotos erinnern daran. Zunächst wollte ich nun für Klarheit in meiner Wohnung sorgen. Von Astrid wusste ich, dass sie am 21. August nach Frankfurt zurück fliegen wollte. Sie besuchte aber auch noch ihren ehemaligen Freund Bill in London, war also immer noch nicht da. Ruth und ich wollten nicht immer zwischen unseren Wohnungen hin und her pendeln. Wir suchten nach Wohnungen, doch es war nicht leicht in Frankfurt. Wir beiden "Eigeplackten" sprachen eben auch nicht den richtigen Dialekt. Außerdem waren wir nicht verheiratet. Die Frage nach eventuellen Kindern kam auch immer wieder. Es blieb uns also nichts übrig, als im Umland nach einer Wohnung zu suchen. In Friedberg vermittelte uns eine Maklerin eine Zweizimmerwohnung in Friedrichsdorf-Burgholzhausen. 

Mittlerweile war Astrid mit dem Schulbeginn auch wieder in Frankfurt aufgetaucht und ich bat sie zum Gespräch. Sie meinte, es sei gut, jemanden wie mich zu treffen, der so geblieben war wie vorher. Das konnte ich wohl als Kompliment auffassen. Ich sagte ihr, dass ich eine neue Freundin hätte und erzählte von unserem Urlaub. Sie fragte sehr interessiert nach, sie war ja Italienfan, hatte von Perugia und Assisi geschwärmt. Sie schien mir nicht enttäuscht zu sein. Als ich ihr aber sagte, dass sie ihre Habseligkeiten entfernen müsse, da auch ich ausziehe, wurde ihr wohl klar, es ist vorbei. Ich war eben doch nicht mehr derjenige, den sie kennengelernt hatte. Sie sollte den Schlüssel in der Wohnung hinterlegen, wenn sie ihre Sachen abgeholt hätte. Wir haben uns nicht mehr wieder gesehen, geschweige denn irgend etwas voneinander gehört.

Ich war erleichtert, die Angelegenheit, die es für mich nur noch war, hinter mir zu haben. Im November stand unser Umzug an. Das erste Mal, dass ich Frankfurt verließ. Ruth hatte die Möglichkeit, über ihren Arbeitgeber, die Börsen-Daten-Zentrale, einen VW-Bus auszuleihen. Wir leerten zunächst meine Wohnung und hatten eine volle Ladung in unserem Bus. Wir stellten das Auto über Nacht auf dem privaten Parkplatz vor ihrem Apartmenthaus in Frankfurt-Hausen ab. Leider hatte das Auto hintere Fenster, sodass man sehen konnte, was sich im Laderaum befand. Am nächsten Morgen fanden wir den Wagen mit eingeschlagener vorderer Seitenscheibe vor. Es fehlte meine komplette Stereoanlage samt Bandmaschine sowie ein Koffer mit persönlichen Dingen. Am meisten traf mich der Verlust meines aus Paris mitgebrachten Bérets und der Urkunde aus dem Krankenhaus, indem meine Daten als Säugling eingetragen waren. Es war, als solle mein bisheriges Leben ausgelöscht werden. Noch ärgerlicher ist das alles, wenn man weiß, dass diese Dinge dann irgendwann alle auf dem Müll landen, weil sie für andere Menschen völlig ohne Wert sind. Wir hatten einfach am Vortag nicht mehr die Kraft gehabt, noch raus zu fahren und alles in die neue Wohnung zu schleppen. Insofern mussten wir beide die Schuld auf uns nehmen. Es war ein Erfahrungswert, der mich in der Ansicht bestätigte, dass man in Frankfurt vorsichtig sein muss. 

Erstmals machten wir in Burgholzhausen die Bekanntschaft mit einer Eigentümergemeinschaft. Nur unsere Wohnung war vermietet. Die Vormieter waren gehörlos, sodass erst einmal die Klingel in Ordnung gebracht werden musste. Doch das sollte unser geringstes Problem sein. Unser Vermieter, ein Herr Krause war in Ordnung. Ich brauchte Geld, zwar verdiente Ruth gut und es hätte für uns beide gereicht, aber Abhängigkeit war meine Sache nicht. So kam ich auf die Idee bei meinem ehemaligen Arbeitgeber anzurufen und siehe da, eine Stelle als Buchhersteller war wieder frei ab dem 1.2.1982. Herr J. war auch bereit , mich wieder einzustellen.  Noch im November verlobten wir uns. In einem Brief wünschte Mutter mir Glück und ließ "meine Braut" grüßen. Derweil richteten wir uns so gut ein, wie es ging, lernten unsere neue Umgebung kennen. Doch Weihnachten verbrachten wir erstmals in Lemgo bei meinen Schwiegereltern und dem Schwager. Ein Weihnachten ohne Alkoholexzess meiner Mutter, ohne gegenseitige Attacken oder Spitzen zwischen Vater und mir und ohne Probleme des Bruders. Friedlich eben, das war mich das größte Geschenk neben anderen.