Sonntag, 30. Juni 2019

Kollegen

Alles fing damit an, dass ich mit unserem  zukünftigen bosnischen Hausmeister vor dem Haus stand und wir uns sagten: "Hier kaufen wir was." Gesagt, getan. Nachdem wir uns für eine  Vierzimmerwohnung statt einer mit fünf Zimmern entschieden hatten, weil diese eine hellere und höhere Lage hatte, kauften wir uns also tatsächlich als Ehepaar um die 50 erstmalig "Eigentum."
Der Haken war nur, es gab noch 15 andere Parteien, die auch meinten, Sie hätten nun ein Eigentum erworben. Das merkten wir sehr bald. Erst waren alle sehr aufgekratzt und freundlich und wenn man nur den Müll weg brachte, kam man kaum noch zurück, da auf dem Weg hin und zurück wichtige Gespräche geführt werden mussten..
Außer unserem bosnischen Hausmeister war aus unserer Mitte meine Frau zur Vorsitzenden des dreiköpfigen Wohnungseigentümerbeirats gewählt worden. Die Kollegin im Beirat nutzte die Gelegenheit, ihre persönliche Reklamation (Geräusche in den Heizkörpern) solange zu Gehör zu bringen, bis die Versammlung der Eigentümer die Montage von Strangregulierventilen genehmigte. Da wir den lieben Frieden nicht stören wollten, hatten wir nun also ziemlich große Ventile unter unserer Kellerdecke hängen.
Dennoch überwarf sich die Kollegin mit meiner Frau und bezeichnete sie als "falsch". Sie war auch darüber verärgert, dass der Vogelbeerbaum vor ihrem Schlafzimmer entfernt worden war, weil ein anderer Kollege sich eine Terrasse bauen wollte und wir dies genehmigt hatten. Aber es fingen dann auch die Spielchen der Hausverwaltung an, die Mal dieses, Mal jenes Mitglied des Wohnungseigentümerbeirats informierte oder dieses eben unterließ. Das Aus für die Beiratstätigkeit meiner Frau kam dann, als sie anregte, unseren Hausmeister, für den sie das Gehalt machte, bei der Minijob-Zentrale anzumelden. Die Hausverwaltung konnte sich dem nicht widersetzen, aber unser Bosnier war da nicht sehr begeistert.
Nun aber übernahm ich das Amt des Beirats und stieß als nächster Vorsitzender mit dem Hausmeister zusammen. Einer der Beiräte, der Kollege mit der Terrasse, stellte eines Tages fest, dass die Hausmeistertätigkeiten nicht gemäß dem vereinbarten Leistungskatalog durch geführt wurden. Wir vereinbarten einen klärenden Termin mit dem Hausmeister. Grosszügig bot ich an, wir könnten ja den Plan an die Wirklichkeit anpassen, er aber sagte, es mache ihm nichts aus, wenn wir in der nächsten Eigentümerversammlung darüber diskutieren wollten.
Gesagt, getan, es erhob sich ein Sturm der Entrüstung, denn die Hausmeisterfamilie war mittlerweile so beliebt in der Gemeinschaft, dass man uns als Beirat und mir als Wortführer insbesondere es sehr übel nahm, dass wir den Hausmeister zu kritisieren wagten.
Der sagte, er tue, was er könnte und verschwieg es gekonnt, dass er zuvor sehr einverstanden damit war, die Sache zu diskutieren. Mein entsprechender Hinweis half mir nicht, ich war der Gelackmeierte.
Auch ich gab in der Folge mein Amt auf.
Nicht ohne das die Konflikte im Haus sich weiter entwickelten. Zwar war die Mitbewohnerin mit den Strangregulierventilen längst ausgezogen,  aber die schlechte Beziehung setzte sich auch mit den neuen Eigentümern fort.
Was noch so alles passieren kann, wenn man in einer Wohnungseigentümergemeinschaft lebt, sei nur beispielhaft aufgeführt. Ein amerikanischer Nachbar meint, er müsse immer grillen. Sagt wenigstens vorher noch Bescheid.  Ein italienischer Eigentümer mag unsere Schuhe vor der Wohnungseingangstür nicht. Seine polnische Frau prangert uns an, weil wir ab und zu etwas Erde unter den Füßen haben, wenn wir vom Hundespaziergang zurück kommen und nötigt uns, einen instabilen Fußabtreter zu benutzen. Ein deutscher Eigentümer fährt mit seinem Motorrad direkt in seinen Garten. Unser Hausmeister grüßt uns nicht mehr, weil wir es erzwungen haben, dass in der Eigentümerversammlung gefasste Beschlüsse auch von ihm umgesetzt werden.
Nachdem einige Eigentümer ihre Wohnungen vermietet haben, wird alles noch besser. Eine Partei grüßt und nicht, weil wir sie auf die Missachtung der Hausordnung hin wiesen. Gleichzeitig lässt diese Partei einen Motorroller auf dem Parkplatz vergammeln, nachdem dieser seine Flüssigkeiten in den Boden abgegeben hat. Eine andere Partei grillt und feiert nun bis in die Nacht, ohne vorher den Nachbarn Bescheid zu sagen.
Und die Moral von der Geschicht'?
Eigentümer lernen nicht.
Wir freuen uns auf die erste Eigentümerversammlung für unsere neue Wohnung. Wir sind dann mal wieder WEG.

Samstag, 29. Juni 2019

Abschiede

Die letzten Gedanken meines Vaters kreisten um die Frage, wie er das Geld auf seinem Girokonto vor dem Zugriff der amtlichen Betreuerin meines Bruders bewahren könnte. Er beauftragte mich, zur Bank zu gehen und das Konto zu leeren. Er konnte kaum noch sprechen, aber ich verstand das auch so. Ein letztes Mal hatte er mir seine bleiche Hand gereicht. Einen Tag später würde ich ihn nur noch leblos sehen. Selbst im Tod schien er noch empört darüber, dass es nun ein Ende hatte und ich bildete mir kraft meines Willens ein, er wolle mir noch einmal die Hand geben. Das mit dem Geld hat natürlich nicht gehen können und so kommt vieles anders als gedacht.
Auch die Abschiede, die während des Lebens notwendig werden und nicht mit dem Fall in die ewige Singularität enden, sind nicht immer gleich voraussehbar. 
Nach und nach habe ich Abschied von meinen Eltern genommen, von meiner Heimatstadt, von der Idee, Freunde zu haben, von Kindern, die ich nie hatte und einem Sternenkind, von meinem Wohnort, vom Grab meiner Eltern und nun von körperlichen und mentalen Fähigkeiten, die ich früher für mich reklamieren konnte. Vom Beruf will ich gar nicht schreiben, da war ich ohnehin nur wie ein Söldner auf Zeit beschäftigt. Jedem Abschied wohnt ein neuer Anfang inne, so heißt es. Das stimmt leider nicht immer. Die Vergangenheit ist wie eine abgeschlossene Kiste ohne passenden Schlüssel.
Abschied nehmen ist nicht schwer, das zu begreifen aber sehr.

Samstag, 22. Juni 2019

So wie es euch gefällt

Aus Zahlen eine Burg gebaut,
Figuren mit Wertigkeit vertraut.
Niemand hat hier je gelebt,
gewinnen war dafür erstrebt.
Das Ganze ist wohl nur ein Spiel,
beliebt, erfiolgend ohne Ziel.
Alles nicht von dieser Welt,
gemacht, damit es mir gefällt.

Donnerstag, 20. Juni 2019

Hund macht etwas

Nun heißt es, unser Hund macht etwas. Was er macht ist, dass er Kinder anbellt und knurrt, wenn sie schnell laufen oder sich ihm nähern. Großes Theater um ein bisschen Lärm und auch vor Hundekot hat man ja panische Angst. Der muss in Plastiktüten gesteckt werden, die dann teilweise in der Gegend herum fliegen oder verloren werden.
Pferde dagegen, verlieren ihre Äpfel einfach so auf der Straße. Da regt sich keiner auf, das ist sozusagen ein Katzenschiss. Seit neuestem reitet man hier im Ort während des Berufsverkehrs in sengender Junihitze mit dem Pferd auf der Straße  Hinten dran folgt ein Kind mit rotem Kopf auf einem Pony und daneben läuft ein großer Hund mit hängender Zunge. Es war keine Fata Morgana. Wage nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn ich der Reiter gewesen wäre.

Montag, 10. Juni 2019

Hilfe

Mein Nachbar erklärt mir, wie ich meinen Hund zu führen habe. Ein anderer schellt an unserer Wohnungstür und erläutert, dass ich Biomüll bei 34 Grad nicht vor der Tür stehen lassen soll, er stinke. Gut, dass er das getan hat. Ich hätte ihn wahrscheinlich sonst nie weg gebracht. Und auch mit meinem 6kg wiegenden Hund wäre ich kaum fertig geworden. Helfende Hände und mahnende Worte überall, manchmal habe ich Schwierigkeiten, das Gute im Menschen zu erkennen. Aber auch ich helfe, wo ich kann. Wenn mein Nachbar mal wieder unser Fenster im Treppenhaus aufgerissen hat, in der Hoffnung auf Kühlung seines Dachgeschosses, dann schliesse ich es schnell wieder. Der Gute hat nämlich noch nicht begriffen, dass kühle Luft nicht nach oben steigt.

Samstag, 8. Juni 2019

Richtfest

An sich eine feierliche Angelegenheit, die gestern sehr rustikal in der Tiefgarage unseres neuen Wohnhauses seitens des Bauträgers abgefeiert wurde. Klar werden konnte hier nur, dass man als eine einzelner Wohnungseigentümer gar nicht so wichtig ist, wie man immer glaubte. Hier feierten sich die Leute, die das Projekt gestemmt hatten. Im Einzelgespräch mit den Handwerkern sah das immer anders aus. Da war man irgendwie wichtig. Wie auch immer, am Schaschlikwagen gab es was zu essen. Und anschließend machten wir noch Bekanntschaft mit der örtlichen Schützenkompanie, die unser Auto eingekeilt hatte und sich nun darüber amüsierte, wie wir aus der engen Lücke wieder heraus fahren wollten. So ist das eben in Lippe.