Dienstag, 18. November 2014

Platzhalter

"Platz!" Ruft man dem Hund zu, wenn er sitzen soll. Platz will man auch im täglichen Leben, in der Bahn, im Bus und überall, wo es beste Plätze gibt. Auch den Platz an der Sonne hat die ganze Nation schon mal gewollt. Heute sind davon nur noch die Handtücher auf den Liegen am Pool übrig geblieben oder die Reservierung eines solchen im Restaurant.
Wenn man den Platz nicht reservieren kann, ihn aber trotzdem haben will, dann braucht man einen Platzhalter. Das kann eine Tasche sein oder x-beliebige Kleidungsstücke oder besagtes Handtuch.
Manche Leute ziehen sich ja auch bei kurzen Fahrten in der Bahn die Oberbekleidung aus.
Da ein Platzhalter der Bedeutung nach und an und für sich keine eigene Aussage hat und durch jede beliebige andere Aussage ersetzt werden kann, ist er grußlos ersetzbar.
"Platz da" möchte man ihm zu rufen.
Das Handtuch weht nun über'm Deich und fröhlich winkt dazu ein Scheich.

Donnerstag, 13. November 2014

Kabarettismus

Kabarett kommt mir immer mehr vor wie reine Selbstbefriedigung. Da wird Leuten etwas erzählt, was sie bereitwillig aufnehmen, die Leute, denen man solche Inhalte mal vermitteln müsste, die erreicht man nicht.
Vermutlich können sie sich den Eintritt für diese Veranstaltungen gar nicht leisten.
Es verhält sich also mit dem Kabarett so wie mit der Psychotherapie. Die sie nötig hätten, gehen nicht hin, weil Ihnen entweder die Einsicht fehlt oder sie sich für Gott halten.
Vielleicht sind sie aber auch einfach nur zufrieden mit sich. Natürlich stimmt es, dass "La Merkel" tatenlos zu sieht, wie die EZB Schrottanleihen aufkauft und die Banken durch niedrige Zinsen saniert. Natürlich, haben wir es dem Kanzler der Einheit zu verdanken, das wir heute mit Euros bezahlen, was woanders vor die Wand gefahren ist. Natürlich werden wir uns mit der Ukraine ein riesiges Problem in die EU holen. Natürlich wird die EU Verbraucherschutzinteressen an die USA verscherbeln, mittels Freihandelsabkommen. Natürlich bräuchten wir eine gangbare Alternative für Deutschland, gegen die wir uns natürlich wenden.
Aber: interessiert es jemanden? Es geht doch allen immer noch zu gut und wenn nicht, dann wird bald ein neues iPhone aus China zu uns kommen und wir sind viel zu beschäftigt damit, es zu benutzen.
Der kleine Rest der Unzufriedenen und Unangepassten (nicht Bülent und seine Freunde), der geht auf die Straße oder in den sehr nahen Osten.

Mittwoch, 12. November 2014

Zero

Ich gehe im dunklen Mantel und bringe die Leere mit,
Vergänglichkeit ist nicht mein Handel,
bin der Erinnerung Schnitt.

Mittwoch, 5. November 2014

Sie haben's nöthig.

"Gott schütze die Reisenden, die um jeden Preis reisen, sie haben's nöthig."
Das schreibt Heinrich Laube in seinem Reisetagebuch "Eine Reise nach Pommern und auf die Insel Rügen".
Er schreibt aber auch: "Wer viel braucht, entbehrt mehr, aber er hat auch mehr."
Erschienen ist das Tagebuch zuerst 1837, also zu Zeiten des Deutschen Bundes und als die Nordspitze Rügens noch als der nördlichste Punkt Deutschlands galt.
Die Betrachtungen des Schreibers sind jedoch zeitlos, soweit sie das Leben an sich betreffen.
Eines offenbaren historische Tagebücher auf jeden Fall: dass sich die Charaktere der Menschen nicht geändert haben. Es sind lediglich die äußeren Umstände, die sich ändern.
So sehr man stutzt und sich amüsiert, wenn man so einem eloquenten Schreiber wie Heinrich Laube folgt,
selbst ein Tagebuch zu schreiben, ist etwas anderes.
Die Vergangenheit ist eine Geschichte, die Zukunft gibt es noch nicht. Das "Hier und Jetzt" ist das einzig Vorhandene. Es lässt sich nicht festhalten. Das Lesen eines historischen Berichts hat etwas von Grabpflege.
Für den Leser ist es evident, aber der Verstorbene hat nichts davon.
Doch liegt es in der Absurdität des menschlichen Daseins, immer wieder etwas hinterlassen zu wollen.


Freitag, 31. Oktober 2014

Ein alter Freund, mein lieber Wettervogel!

Zur Zeit belebt er die Bildschirmlandschaft nicht mit seinem Geseier. Angenehme Wetterpräsentation beim Z.D.F.? Das ist noch immer gewöhnungsbedürftig. Irgendwie so, als wenn ein Mensch freundlich zu einem ist, obwohl er einen vorher mit dem Allerwertesten nicht angesehen hat.
Sie machen es allesamt besser, die neuen Wetterfrösche. Aber mir fehlt der Glaube, dass das Z.D:F.
die Konsequenz gezogen hätte, den armen Verschlucker auszutauschen.
Das wird also nun das einzig Spannende am Morgenmagazin bleiben, zu sehen, ob und wann er wieder auf taucht und mich in den Zustand der schwindeligen Schockstarre versetzt.

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Strecken

Themen bleiben liegen,
Gedanken auf der Strecke,
es bleibt für mich die Frage,
wo ich mein Leben verstecke.
Die Zeit ist ohne Sinn,
ein Jahr bald wieder hin.
Warten auf den Ruhestand
und weites, freies Gedankenland.

Sonntag, 26. Oktober 2014

Harry Graf Kessler

Die Lektüre seiner Tagebücher 1918 - 1937 bietet einige Überraschungen.
Man sagte ihm nach, ein Bonvivant zu sein und der Sohn von Wilhelm dem I., dem ersten Kaiser des Deutschen Reichs von 1870. In rechten Kreisen wurde er auch als Hohenzoller gesehen.
Letzteres hat er stets bestritten und zu widerlegen gesucht.
Seine Entwicklung hin zu einem Grafen mit beinahe sozialistischen Auffassungen hat man ihm jedenfalls schwer übel genommen. Allgemein sieht es recht unglaubwürdig aus, wenn ein Mensch aufgrund veränderter politischer Lage seine Auffassungen ändert.
Aber ist es nicht ein Zeichen der Erkenntnis, wenn man sich selbst immer wieder revidiert?
Kann ein intelligenter Mensch überhaupt schwarz-weiß denken? Sieht er nicht viel mehr Facetten als andere?
Die Beurteilungen über seine Zeitgenossen sind jedenfalls stets scharf und faszinierend.
Aber Harry Graf Kessler hat viele Dinge seiner Zeit nicht kommen sehen. Andere Aussagen dagegen haben ein fast prophetisch wirkende Kraft. Es ist also wohl so wie mit dem Affen, der an der Börse spekuliert und dabei nicht schlechter abschneidet als die Profis.
Harry Graf Kessler war Offizier im ersten Weltkrieg, zum Kriegsende für kurze Zeit im diplomatischen Dienst. Der Einstieg in die aktive Politik blieb ihm jedoch verwehrt.
Seine Zuneigung galt den schönen Dingen des Lebens und er verwirklichte sie gern als Verleger der Cranachpresse in zahlreichen bibliophilen Projekten.
1935, bereits emigriert, schrieb er:
"Hitlers große Rede, die er Dienstag im Reichstag gehalten hat, im Original gelesen. Man mag ueber ihn denken, was man will, jedenfalls ist diese Rede eine große staatsmännische Leistung. Sie bietet in ihren dreizehn Punkten eine Gtundlage, die, wenn sie ehrlich aufgebaut ist, den europäischen Frieden auf Jahrzehnte hinaus sichern könnte."
Die entscheidende Einschränkung wurde hier allerdings gemacht.