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Mittwoch, 10. Januar 2024

1944 - Der letzte Schuss: Bis zur Hölle und zurück

 "1944 - Der letzte Schuss: Bis zur Hölle und zurück" von Sibylle Baillon und dieses Zitat ist wie das ganze Buch lesenswert.

"Denn der Sinn in alldem war, dass es eben keinen gab. Wer ihn suchte, ging daran zugrunde. Wer Hoffnung hegte, nahm sie mit ins Grab, und wer liebte, wurde früher oder später verraten … Die menschliche Seele war ein tiefer schwarzer Abgrund, der Glauben an das Gute eine Torheit und die Freiheit ein unerreichbares Trugbild."

Meine folgende Rezension zeigt wie meine persönliche Lebenssituation mein Blick auf dieses Buch geschärft und begeistert hat.

Dieses Buch war nach einiger Zeit meine erste Lektüre. Im letzten Jahr bekam ich einen Schlaganfall, der mein Sprachzentrum traf. Zum Glück blieb ich körperlich relativ unversehrt. Durch logopädische Therapien verbesserte sich mein Sprechen mehr und mehr.  Durch das Absterben etlicher Zellen im Gehirn, änderte sich aber mein Gefühl bzw. das Wahrnehmen dessen. So macht Musik mir keinen Spaß mehr, im Gegenteil es regt mich nervlich auf. Zudem ist das Lesen von Büchern schwierig, vor allem wissenschaftlicher Stoff oder langweilige Romane. Und da hob sich ihr Buch von der Masse der Literatur aus meiner Sicht deutlich ab. Nicht nur die Darstellung der  beschriebenen Personen, die Spannung des Verlaufs und ihre kenntnisreiche Information über die Kriegsereignisse in Frankreich hielten mich in Atem. Sofort hatte ich Bilder der Geschehnisse in meinem Kopf und war sehr traurig, dass es dem Hauptperson ein Weiterleben in Frieden nicht gelingen konnte. 
Zum Schluss muss ich sagen, dass ich über die Situation für die Franzosen während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg sehr wenig wusste. Denn in der Vergangenheit beschäftige ich mir mehr mit dem Krieg im Osten, was mit meiner Familie und Verwandtschaft zusammen hängt.
Ihr Buch war jedenfalls ein Schuss ins Schwarze in meiner Suche nach lohnendem Lesestoff. Merci Beaucoup



Montag, 30. Oktober 2023

Autonoetisches Gedächtnis


Das Autonoetische Bewusstsein 

Die Entwicklung des menschlichen Gehirns ermöglicht es uns als Wesen eine Identität zu finden. Was wir früher erlebt und gemacht haben wird zu einer für uns realen Welt, die wir auf unsere Zukunft projizieren können. Das Bewusstsein gibt uns die Chance Änderungen zu bewerkstelligen trotz unseres endlichen Lebens. Nur welche Erfahrungen uns gut oder schlecht bekommen, dass zeigt sich in einer nicht von uns gemachten Welt. Anders als die Tiere wissen wir um den Tod. Das hält uns nicht davon ab, andere Menschen zu töten und manchmal auch uns selbst. 

Zitate aus "Bewusstsein: Die ersten vier Milliarden Jahre" von Joseph LeDoux, Elsbeth Ranke, Sabine Reinhardus 

"Einzeller hatten die Erde über drei Milliarden Jahre lang ganz für sich allein. Mehrzellige Organismen entstanden, indem sie die Verantwortung für Fitness und Überleben von der einzelnen Zelle auf eine komplexere Einheit mehrerer Zellen übertrugen, die alle über das gleiche Genom verfügten. Dieses biologische Modell funktionierte anschließend rund eine weitere Milliarde Jahre lang recht ordentlich, bis die organismische Einheit plötzlich durch die zu einem autonoetischen Bewusstsein fähigen Gehirne des Menschen herausgefordert wurde."

"Doch an einem bestimmten Punkt (die Schätzungen schwanken hier zwischen 50 000 und 200 000 Jahren vor unserer Zeit) geschah etwas, das unsere Vorfahren plötzlich vom restlichen Tierreich abhob. Sie entwickelten neue Fähigkeiten, Lebensweisen und Formen der Interaktion – Sprache; hierarchisches relationales Denken; Repräsentation des Selbst gegenüber anderen; mentale Zeitreisen. Das Ergebnis war die Autonoesis."

Donnerstag, 24. August 2023

Bewußt

Hallo - Ich lese "Bewusstsein: Die ersten vier Milliarden Jahre" von Joseph LeDoux, Elsbeth Ranke, Sabine Reinhardus und  dieses Zitat ist teilenswert. 

"Wir Menschen sind schnell mit der Überzeugung bei der Hand, dass mentale Zustände und Verhalten zusammenhängen – dabei ist das meines Erachtens eine bequeme Illusion, wenn nicht manchmal gar Selbstbetrug."

Das Buch ist lesenswert. Schon die ersten Seiten schaffen Klarheit. Vom Einzeller bis zum Menschen ist es eine lange Zeit. Dennoch ist das Werden das, was wir als unter Leben verstehen, der sehr bedeutsame Moment für Alles, was später folgt. Der erste Einzeller, als "LUCA" bezeichnet, war erstmals in der Lage sich weiter zu replizieren, nachdem es möglich war, dazu lange genug am Leben zu bleiben. Es bildeten sich immer neue Einzeller und irgendwann entstanden mehrzelliges Leben. 

 Unser menschliches Gehirn bietet vielseitige Möglichkeiten, Erkenntnisse zu sammeln. Doch nichts davon verändert unser grundsätzliches Verhalten im Leben. Diese Verhaltensweisen wie das Zurückziehen oder der Annäherung waren den Einzellen ohne Nerven oder Gehirn möglich, wenn Gefahr durch Giftstoffe oder das sich Nähern an Lockstoffe geboten sind. 

Unser Fühlen und Denken hat also nichts mit der universellen Wirklichkeit zu tun. Es ist eher ein fiktives Wahrnehmen unseres körperliches Dasein. Letztlich aus Atomen verschiedener notwendiger Elemente bestehen wir genau wie LUCA. 


















 




















Montag, 20. Februar 2023

Karl Kautsky – Wie der Weltkrieg entstand

 Dieses Buch ist sehr erhellend und enthält durchaus historisch interessante Aspekte. Die Regierung der jungen deutschen Republik war bemüht, die Kriegsschuld des Deutschen Reichs am Ausbruch des ersten Weltkriegs möglichst zu widerlegen, vor allem im Vorfeld der Friedensverhandlungen in Versailles. Kautsky war beauftragt, die vorhandenen Dokumente aus dem Jahr 1914 zu sichten, auch um das Deutsche Reich in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen.

Das Gegenteil ließ sich aber aus dem vorhandenen Aktenmaterial herauslesen. Das Attentat von Sarajewo gilt allgemein als Grund für den Ausbruch des Krieges, sozusagen ein halbwegs gerechtfertigtes Motiv für die K.u.K-Monarchie in deren Gefolge das Deutsche Reich als Bündnispartner in den Krieg mit einzutreten hatte.  

Historisch ist bis heute nicht erwiesen, dass die serbische Regierung mit dem Attentat überhaupt etwas zu tun hatte. Österreich-Ungarn war jedoch bestrebt, auf dem Balkan seine Macht zu sichern. Man stellte also wenige Wochen nach dem Attentat an Serbien ein scharfes Ultimatum, dass innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden musste. Zuvor hatte man sich die Unterstützung des Deutschen Reichs gesichert. Kaiser Wilhelm der II. hatte es nicht nur versäumt, sich vertraglich mit den europäischen Großmächten gut zu stellen, er war auch ein ausgesprochener Kriegstreiber, der mögliche Verhandlungspartner schon mal als Schufte bezeichnete und über das serbische Volk als Gesindel urteilte. Dies geht aus den Randnotizen des Kaisers hervor, mit denen er erhaltene Nachrichten kommentierte. Die Wiener Monarchie konnte sich seiner Unterstützung so anfangs sehr sehr sicher sein.

Doch Serbien akzeptierte das gestellte Ultimatum auch zu seiner Überraschung. Nun mussten neue Gründe für einen Krieg gefunden werden, in dem zuerst Frankreich und dann Russland besiegt werden sollten. Von England erwartete man Neutralität und von Italien aktive Unterstützung, schließlich befand man sich mit der K.u.K.-Monarchie und dem Königreich Italien in einem Dreierbund. Doch beide Annahmen erwiesen sich als falsch. Es war eine schwere Aufgabe, selbst den Überraschten zu spielen, was Österreichs Vorgehen anbelangte und zudem noch als Friedensengel aufzutreten wo man doch den Krieg wollte. Am 29. Juli 1914 war das Spiel bereits aus und so beschreibt Karl Kautsky die Lage:


Das Deutsche Reich versuchte nun in Erkenntnis der schwierigen militärischen Lage wenigstens die islamische Welt als Unterstützer zu mobilisieren und unterstützte zudem bekanntermaßen die russische Revolution. Nebenbei verhalf man auch noch Polen zur Wiederauferstehung und forderte die Mohammedaner zum Heiligen Krieg auf. 
In völliger Unkenntnis der Realitäten.. Karl Kautsky zitiert dazu Bernhard Shaw:


Wir Deutschen sollten unsere Lektion aus der Geschichte gelernt haben. Doch heutzutage sind wir nicht mehr selbst die Kriegstreiber, sondern wir werden getrieben. 2023 unterstützen wir einen Stellvertreterkrieg, in dem Russland gegen die Ukraine kämpft, mit Waffen, obwohl wir an einem derartigen Dauerkonflikt mit ungewissen Ausgang keinerlei nationales Interesse haben können. Doch schon wie damals versucht die Obrigkeit eine positive Stimmung für den Krieg zu erzeugen. Doch im Unterschied zu damals wurden Kriege im Wesentlichen an der Front entschieden und nicht im Hinterland, wo Tag für Tag unschuldige Zivilisten sterben.

Freitag, 5. November 2021

Megan O'Keefe - die Protektorate-Trilogie

 Die Menschheit hatte es versaut. Der Planet Erde war unbewohnbar geworden. Neue Welten mussten gefunden werden. Dieser Plot liegt der ganzen Geschichte zugrunde. Doch wie erreicht man andere Sonnensysteme. In diesem Fall nicht mit futuristischen Antrieben von Raumschiffen, sondern mithilfe der Passage durch Gates, die aufgrund einer der Menschheit nicht vorher zugänglichen Alien-Technologie errichtet wurden. Das Problem war nur, dass deren Passage eine so gewaltige Rückstoßwelle auslöste, die alles eventuelle Leben auf den Planeten der besuchten Systeme auslöschte. Das lag an der fehlerhaften Umsetzung der Technik durch die federführenden Personen (Alexandra Halston und deren Freundin). Die verheerende Nebenwirkung blieb jedoch geheim und auch die Technologie nur einem Teil der Menschheit vorbehalten. Fortan war die Menschheit gespalten in zwei Lager, die Primes, die diese Technik anwandten und die Galaxie besiedelten und die Icarions, die auf den Goodwill eben dieser Primes angewiesen waren, um versorgt und lebensfähig zu bleiben. Da greifen nun die unsichtbaren Aliens ein und verschaffen den Icarions Zugriff auf ihre überlegene Technik. Die Protagonisten dieser manchmal etwas verwirrenden Trilogie sind Biran, dem als einer der sogenannter Keeper, der Schutz und die Weiterentwicklung der Prime Technology obliegt und seine Schwester Sanda, die ihren kleinen Bruder beschützen will und die ein Gunship (also ein stark bewaffnetes Raumschiff) kommandiert. beide entstammen sie einer Verbindung zweier Männer, die sich lieben. Auffällig oft kommt in der Science Fiction englischsprachiger Autorinnen also nicht nur die Action zum Zug, obwohl es bei Megan O'Keefe genug davon gibt, sondern vor allem das Labyrinth menschlicher und geschlechtsübergreifender zwischenmenschlicher Beziehungen. Immer stärker rückt auch die künstliche Intelligenz in den Vordergrund und auch die Frage, wie selbstständig und emotional sie sich zukünftig entwickeln wird. Und auch künstlich erschaffene Wesen kommen ins Spiel. Etwa die von einer geheimnisvollen Macht eingeschleuste Gegenspielerin Sandas, Rainier, die alles daran setzt, die Menschheit zu vernichten, aus Rache für deren fehlerhafte Übernahme der ihnen anvertrauten Alien-Technologie. Oder Tomas, der Spion, der erst spät entdeckt, dass er gar kein Mensch und die Familiengeschichte ihm nur einprogrammiert wurde. Ein ums andere Mal rettet er auf unglaubliche Art Sanda, die er, da er menschliche Gefühle hat, liebt. So wird am Ende alles gut. Biran gelingt es, mit "The Waiting" in Kontakt zu kommen und diese schalten ihr fehl geleitetes Wesen Rainier aus. Sanda schließlich wird von Jules zurück ins Leben geholt, die sich selbst dafür opfert und erlangt durch den Kontakt mit dem unsichtbaren Alien-Wesen das ewige Leben. Selten habe ich so viele Gedanken unterschiedlicher Art gelesen und so viele neue englische Vokabeln entdeckt. Das die zugrunde liegende Technik, die all die Handlungen ermöglicht, nicht besonders erklärt wird, das ist nicht verwunderlich. Auch im Märchen wird nicht alles erklärt, gute Unterhaltung eben. Nach Abschluss der Lektüre des dritten Bandes lasse ich also Sanda und Tomas ihre ewiges Leben weiter leben.   

Humanity screwed it up. Planet earth had become uninhabitable. New worlds had to be found. This plot is the basis of the whole story. But how do you reach other solar systems? In this case, not with futuristic drives for spaceships, but with the help of the passage through gates that were built due to an alien technology that was not previously accessible to mankind. The only problem was that their passage triggered such a powerful recoil that wiped out all possible life on the planets of the systems visited. This was due to the incorrect implementation of the technology by the people in charge (Alexandra Halston and her friend). However, the devastating side effect remained secret and the technology was only reserved for a part of humanity. Henceforth, humanity was split into two camps, the Primes, who used this technique and colonized the galaxy, and the Icarions, who relied on the goodwill of these Primes in order to remain supplied and viable. The invisible aliens now intervene and give the Icarions access to their superior technology. The protagonists of this sometimes somewhat confusing trilogy are Biran, who, as one of the so-called keepers, is responsible for the protection and further development of Prime Technology, and his sister Sanda, who wants to protect her little brother and who commands a gunship (a heavily armed spaceship). both come from a union of two men who love each other. It is noticeable that in the science fiction of English-speaking women writers, it is not only the action that comes into play, although there is enough of it with Megan O'Keefe, but above all the labyrinth of human and cross-gender interpersonal relationships. Artificial intelligence is increasingly coming to the fore, as is the question of how independently and emotionally it will develop in the future. Artificially created beings also come into play. For example, the opponent Sandas, Rainier, who has been smuggled in by a mysterious power, who does everything to destroy humanity in revenge for their incorrect adoption of the alien technology entrusted to them. Or Tomas, the spy, who only discovered late that he was not a person and that the family history was only programmed into him. Time and again he saves Sanda in an incredible way, whom he loves because he has human feelings.

Samstag, 21. August 2021

Protektorate

 Folgende Zitate stammen aus "Velocity Weapon: Book One of The Protectorate (English Edition)" von Megan E. O'Keefe und erschienen mir bemerkenswert.

"Accidents of geography: setting perfectly ordinary people at one another’s throats since the Stone Age."

"“Being offended by facts is a long human tradition.”

Letzteres Zitat passt gut in unsere jetzige Zeit der Märchen-Pandemie. In dem Buch werden Zukunftsvisionen wahr. Die Entfernung zwischen den Sonnensystemen kann mit der Hilfe von Transfer durch sogenannte Gates bewältigt werden. Die Technologie dafür wird unter Verschluss gehalten. Der Zugang zum Knowledge ist Grund für einen Konflikt zwischen zwei menschlichen Zivilisationen. Die eine hat, die andere nicht. In diesem Rahmen spielen sich die Geschichten der Protagonisten ab, die leider allzu menschlich sind. Aliens kommen in diesem Epos nicht vor, was einem die Vorstellung vieler merkwürdiger Gestalten, die in den Köpfen der Autoren/-innen entstanden, erspart.  

Montag, 5. Juli 2021

Heinrich Laube - Eine Fahrt nach Pommern und der Insel Rügen

 "Eine Fahrt nach Pommern und der Insel Rügen" von Heinrich Laube 



 Dieses Buch von 1837 beschreibt eine Reise des Autors über Stettin und Swinemünde nach Rügen. Er entführt uns in eine Zeit, in der eine Reise noch Abenteuer verhieß. Mehrtägige Zwischenaufenthalte waren durchaus notwendig. Aber man ließ sich auch Zeit. Detailliert beschreibt Heinrich Laube seine Mitreisenden, die aus vielen damals noch deutschsprachigen Gegenden kamen. Die Landschaft an der Oder, die Städtchen unterwegs und der Stolz der Pommern auf ihre Hauptstadt werden ebenso ausführlich geschildert. Ja und was ich mir über meine Vorfahren väterlicherseits schon immer dachte, das bringt Heinrich Laube so zum Ausdruck:

"... ein einfach, treues und der tüchtigsten Aufopferung fähiges Volk sind diese Pommern. Braucht nicht nach entfernten Gebirgländern zu reisen, um offne Biederkeit zu suchen, ohne Affektation haben die Pommern alle Tüchtigkeit der Tyroler."

Und so spricht er mir auch weiter aus der Seele:

"Gott schütze die Reisenden, die um jeden Preis reisen, sie haben's nöthig."

Ein gut zu lesendes Buch, dass einen zudem noch in die Welt vor dem Beginn der Industrialisierung zurück versetzt. Es ist in der damaligen Reihe "Neue Reisenovellen" erschienen. 


"A trip to Pomerania and the island of Rügen" by Heinrich Laube

 This book from 1837 describes a trip by the author via Stettin and Swinoujscie to Rügen. He takes us to a time when a journey still promised adventure. Stopovers of several days were absolutely necessary. But you also took your time. Heinrich Laube describes in detail his fellow travelers, who came from many areas that were still German-speaking at the time. The landscape on the Oder, the towns on the way and the pride of the Pomeranians in their capital are also described in detail. Yes, and what I always thought about my ancestors on my father's side, Heinrich Laube expresses it like this:

"... these Pomeranians are a simple, loyal people, capable of the most proficient sacrifice. They do not need to travel to distant mountainous regions in order to seek open honesty, without affectation the Pomeranians have all the proficiency of the Tyroleans."

And so he continues to speak to me from my soul:

"God save the travelers who travel at all costs, they need it."

A book that is easy to read and that takes you back to the world before the beginning of industrialization. It was published in the "Neue Reisenovellen" series at the time.

Freitag, 2. Juli 2021

Emanzipation & Theologie

Der gute Kierkegaard hatte mit der Emanzipation der Frau Probleme. Er stellte sich vor, Männer und Frauen müssten dann zwangsweise in den gleichen Kleidern herum laufen. Davon sind wir heute manchmal nicht weit entfernt. Aber er meinte auch, die Frauen seien zu  eigenen Ideen nicht fähig bzw. sie sollten sie nur durch die Männer haben. Gegenteiliges ist längst bewiesen. Wieso allerdings der Mann der Frau überlegen sein soll, das bleibt unklar. Denn der strebt ihm zufolge nach der Unendlichkeit, ist also ein  Spinner, während die Frau im Hier und Jetzt lebt, also eine Pragmatikerin. Letzteres unterschreibe ich gern. Er formuliert das in „Entweder - Oder“ wie folgt.   

„Sie ist vollkommener als der Mann, denn der, der etwas erklärt, ist doch wohl vollkommener als der, der nach einer Erklärung sucht. Das Weib erklärt die Endlichkeit, der Mann jagt der Unendlichkeit nach. So soll es sein, und jeder hat seinen Schmerz;  denn das Weib gebiert mit Schmerzen Kinder, aber der Mann empfängt die Ideen mit Schmerzen, und das Weib soll nicht die Angst des Zweifels und die Qual der          Verzweiflung kennen, sie soll nicht ohne Ideen sein, aber sie hat sie aus zweiter Hand."


Montag, 21. Juni 2021

Linden A. Lewis - First Sister

 Ein weiteres Buch aus der Reihe der englischsprachigen Science-Fiction-Autorinnen. Per Zufall stieß ich darauf und leistete mir eine Leseprobe für meinen E-Reader. Der Anfang gestaltete sich sehr zäh, sodass ich kaum voran kam. Zunächst wurden die Protagonisten und ihre Herkunft beschrieben. Das war nicht gerade aufregend, ist aber oft wesentlicher Bestandteil bei dieser Science-Fiction-Sparte, zumal es sich hier auch um Queer-Science-Fiction handelt. Da macht es Sinn, dass sich Figuren allmählich entwickeln. Hintergrund des Romans sind zwei verschiedene menschliche Machtbereiche, die sich feindlich gegenüber stehen. Realistischerweise spielt die Handlung ausschließlich in unserem Sonnensystem, es müssen also keine Wurmlöcher erfunden werden, um in ferne Weiten des Universums glaubhaft vordringen zu können. Ausgangspunkt des Geschehens ist unser Heimatplanet, den die Menschheit so herunter gewirtschaftet hat, dass die Eroberung des Mars der Rettungsanker war. Die dort siedelnde Bevölkerung weigerte sich irgendwann, der Ausbeutung des roten Planeten zugunsten des Wohlstands der irdischen Bevölkerung weiter zuzustimmen. es kam zum sehr langen Krieg, dem Dead War zwischen den Planeten. Als der Krieg schließlich endete, weil niemand die Kraft zum Weiterkämpfen hatte, gab es mit den Icarii eine weitere Kolonisierung von Planeten. Das chemische Element Hermium ermöglichte es, auf den sonnennahen Planeten Merkur und Venus zu siedeln. Schließlich war es ja auch nicht Ikarus, der der Sonne zu nahe kam, sondern dessen Sohn. Eine überlegene Technologie sicherte ihnen das Überleben und weckte bald die Begehrlichkeiten der Geans, so nennen sich die Erdenbewohner und die Marsianer. Soweit die Vorgeschichten. Beide Kulturen werden diktatorisch regiert. Die Geans von den Mothers und den männlichen Warlords, die Icarii ausschließlich vom Militär. 

In drei Handlungssträngen werden die drei Figuren allmählich miteinander verwoben. Die namenlose First Sister, die ihren sozialen Aufstieg mit dem Verlust ihrer Zunge und damit der Sprache bezahlt und deren Aufgabe als Mitglied der Sisterhood es ist, den Soldaten zu Diensten zu stehen. Die Gladiatoren Lito sol Lucius und Hiro Val Akira, die als Zweierteam mittels eines neuralen Implantats eng miteinander verbunden sind. Doch die beiden Duellanten sind sehr unterschiedlich. Während Hiro aus besten Kreisen stammt, allerdings als das schwarze Schaf der Familie, dessen Vater für das Val Akira Labor mit verantwortlich ist, hat es Lito nur aufgrund seiner körperlichen Kraft und seinem Ansehen als Trainer künftiger Soldaten sozial geschafft. Darin gleicht er der First Sister, die aufgrund ihrer körperlichen Schönheit ausgewählt wurde, der Sisterhood anzugehören. Für ein Waisenkind ein ungeheurer Aufstieg, der mit dem Verlust der Sprache und dem absoluten Zwang zur Gehorsamkeit und sexueller Dienstleistung bezahlt werden muss. Je mehr man im Verlauf der kriegerischen Handlungen über die Charaktere erfährt, desto mehr nähert man sich ihnen an. Linden versteht es, ihnen allmählich allen ein sympathisches Gesicht zu geben. Sie kämpfen alle ihren persönlichen Kampf um Selbstbefreiung und für eine gerechte, friedliche Gesellschaft. Die Botschaft ist Liebe, die auch und gerade dann stark ist, wenn sie nicht in Erfüllung geht. Dominanz und Romantik sind wesentliche Elemente des Buches. Es hinterlässt einen mit starken Gefühlen und in der Erwartung einer Fortsetzung. Vieles ist richtig, abgesehen von den Asters, die sich aufgrund ihres Überlebens im Asteoridengürtels genetisch verändert haben, tauchen hier keine wie immer auch gestalteten Aliens auf, die letztlich in vielen Science Fiction-Büchern doch immer in den Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft bewegen. Es sind menschliche Welten mit menschlichen Emotionen und Handlungsweisen.          

Wer eine komplette Geschichte des Sonnensystems erwartet und somit eine der unterschiedlichen Entwicklung der Kulturen, der wird nicht alle Antworten erhalten. Die technologischen Ansätze sind interessant, werden aber nicht bis ins Kleinste ausgeführt. Das ist nur der Rahmen.  

Wichtiger ist das, was über verschiedener Kulturen und Ethnien gesagt wird. Kulturelle Unterschiede und Entmenschlichung sind durchaus beides wieder kehrende Themen der menschlichen Geschichte und werden gut dargestellt. 

Im Gegensatz zu vielen Büchern weiblicher Science-Fiction-Autorinnen kommt die Action nicht zu kurz. "The First Sister" eignet sich sicher für einen gehaltvollen und handlungsstarken Film. Eine Trilogie und somit weitere Lektüre ist bereits angekündigt und das reizt sicher, sich den weiteren Verlauf der Geschichte auszudenken.   


Another book from the series of English-speaking science fiction authors. I came across it by chance and did a reading sample for my e-reader. The beginning turned out to be very tough, so that I hardly made any progress. First, the protagonists and their origins were described. That wasn't exactly exciting, but it is often an integral part of this science fiction section, especially since it is also queer science fiction. So it makes sense that characters develop gradually. The background of the novel are two different areas of human power that are hostile to each other. Realistically, the action takes place exclusively in our solar system, so no wormholes have to be invented in order to be able to credibly penetrate into distant expanses of the universe. The starting point of the event is our home planet, which mankind has run down so badly that the conquest of Mars was the lifeline. The population living there refused at some point to continue to consent to the exploitation of the red planet for the benefit of the prosperity of the earthly population. it came to a very long war, the Dead War between the planets. When the war finally ended because no one had the strength to continue fighting, there was another colonization of planets with the Icarii. The chemical element Hermium made it possible to settle on the planets Mercury and Venus, which are close to the sun. After all, it wasn't Icarus who got too close to the sun, but his son. A superior technology ensured their survival and soon aroused the desires of the Geans, as the people on earth and the Martians call themselves. So much for the story. Both cultures are ruled dictatorially. The geans from the mothers and the male warlords, the Icarii exclusively from the military.

In three storylines, the three characters are gradually interwoven. The nameless First Sister, who pays for her social advancement with the loss of her tongue and thus the language and whose task as a member of the sisterhood is to be of service to the soldiers. The gladiators Lito sol Lucius and Hiro Val Akira, who are closely connected as a team of two by means of a neural implant. But the two duelists are very different. While Hiro comes from the best of circles, albeit as the black sheep of the family, whose father is jointly responsible for the Val Akira laboratory, Lito only made it socially because of his physical strength and his reputation as a trainer for future soldiers. In this he resembles the First Sister, who was selected to belong to the Sisterhood because of her physical beauty. A tremendous ascent for an orphan, which has to be paid for with the loss of language and the absolute compulsion to obedience and sexual service. The more you learn about the characters in the course of the war, the closer you get to them. Linden knows how to gradually give them all a likeable face. They all fight their own personal struggle for self-liberation and for a just, peaceful society. The message is love, which is also and especially strong when it is not fulfilled. Dominance and romance are essential elements of the book. It leaves one with strong feelings and in anticipation of a continuation. Much is correct, apart from the asters, who have genetically changed due to their survival in the asteroid belt, there are no aliens in any form, which in many science fiction books ultimately always move within the limits of human imagination. They are human worlds with human emotions and ways of acting.

Anyone who expects a complete history of the solar system and thus one of the different development of cultures will not get all the answers. The technological approaches are interesting, but they are not detailed. That's just the framework.

What is more important is what is said about different cultures and ethnicities. Cultural differences and dehumanization are both recurring themes in human history and are well presented.

In contrast to many books by female science fiction authors, the action is not neglected. "The First Sister" is certainly suitable for a substantial and action-packed film. A trilogy and thus further reading has already been announced and that will certainly stimulate you to think up the further course of the story.

Mittwoch, 2. Juni 2021

Aufstieg und Übernähe

 "Anders als der Arbeiter, der ab einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens an keine qualitative Verbesserung seiner Zukunft mehr glaubt, sieht der zur Selbstverblendung immer aufgelegte Angestellte sein ganzes Berufsleben lang die Möglichkeit zu einer Wende oder zu einem plötzlichen Aufstieg, und sei es nur durch eine überraschende Personalkonstellation."

"Denn während sie im schaukelnden ICE, dicht bedrängt vom Nebenmann, auf den Boden oder an die Decke starren, sind sie von beidem, von ihrem Job und ihrem Eheleben, gleichweit entfernt, und insofern verbringen sie während der Zugfahrt die einzige unangefochtene Zeitphase, wenn man von der Übernähe der fremden Körper einmal absieht."

Diese beiden Zitate sind entnommen aus: "Tarzan am Main: Spaziergänge in der Mitte Deutschlands" von Wilhelm Genazino. 

Das Buch enthält eine ganze Reihe interessanter und zutreffender Lebensbeobachtungen. Ein Roman ist es nicht, sondern eine Sammlung von Essays, die die Absurdität des Alltagslebens, speziell in Frankfurt am Main, aber auch ganz allgemein, beschreibt. Das ist der gleiche Ansatz, den mein Blog verfolgt: die Analyse dessen, was man als absurd bezeichnen könnte, solange man einen klaren Verstand sein eigen nennt. Es ist zudem amüsant zu lesen, weil es das Bild eines Mannes zeigt, der Frauen im Grunde sehr zugeneigt ist, aber dennoch eine gewisse Distanz zu ihnen bewahrt. Er ist außerdem in Frankfurt ein "Eigeplackter", der die Annäherung an die Einheimischen durch seine Angleichung an deren Verhalten zu erreichen versucht.

Wilhelm Genazino las im Jahr 2015 in Schöneck aus dem damals aktuellen Buch: "Bei Regen im Saal". 


Montag, 5. April 2021

Entweder - Oder / Enten - Eller

 "Meine Seele ist der Möglichkeit verlustig gegangen. Sollte ich mir etwas wünschen, so würde ich mir nicht Reichtum noch Macht wünschen, sondern die Leidenschaft der Möglichkeit, das Auge, das überall ewig jung, ewig glühend die Möglichkeit anblickt."

"Was ist Jugend? Ein Traum. Was ist Liebe? Des Traumes Inhalt."

Zwei Zitate aus Søren Kierkegaard - Entweder - Oder

Ein Sammelsurium aus Sprüchen und Gedanken beherrscht die ersten Seiten dieses Buches, dessen Sinn sich mir kaum erschließt. 

Treffend fand ich die beiden obigen Zitate, wobei das erste das Erleben des Alters beschreibt, das zweite eine prägnante Definition der Liebe. 

Dienstag, 10. März 2020

Becky Chambers - To be taught, If fortunate

Die Schwäche jeder Science Fiction besteht darin, dass die Vorstellung über das, was in der Zukunft passiert, immer vom gegenwärtigen Erkenntnisstand abhängt. In ihrem Buch nimmt Becky Chambers verschiedene Dinge als technisch gelöst an. Vier Astronauten befinden sich auftragsgemäß auf einer kosmischen Reise zu fremden Sonnensystemen, um erdaehnliche Planeten zu erkunden. Während dieses Raumflugs, der Jahre dauert, wird die Crew in eine Art künstliches Koma versetzt und die Ernährung erfolgt intravenös. Erreicht das Raumschiff dann sein Ziel, den zu erforschenden Planeten, wird die Crew geweckt. 
Das alles setzt autarke Systeme an Bord voraus. Woher die Energie für den Antrieb und die lebenserhaltende Versorgung der Astronauten kommen soll, das bleibt offen. Schließlich beträgt die Geschwindigkeit des Raumfahrzeugs ein bisher nie erreichtes Maß. 
Dann ist da noch das Problem der Kommunikation mit der Basis Erde. Die erfolgt mit erheblicher Zeitverzoegerung, zudem altern die Menschen auf der Erde schneller als die mit hoher Geschwindigkeit reisenden Astronauten.
Wie eine Kommunikation über Lichtjahre hinweg überhaupt funktionieren soll, bleibt offen. 
Sehr gut heraus gearbeitet ist im Buch allerdings die Schwierigkeit, den menschlichen Organismus auf die unterschiedlichen Bedingungen, die auf den Zielplaneten herrschen, vorzubereiten.
Ebenso die Wichtigkeit, dass die Crew unter extremen Bedingungen der Abgeschlossenheit des engen Lebensraums zusammen passt. Am Ende des Buches bricht der Kontakt zur Erde ab.
So stellt sich den Astronauten die Frage, ob sie die Mission fortsetzen sollen oder die Rückkehr zur Erde riskieren sollen, deren Zustand sie nicht kennen.
Das impliziert auch die für die Menschheit wichtige Problematik, ob Ressourcen für die weitere Raumfahrt sinnvoll verwendet sind oder ob es besser wäre, unseren einzigen Planeten so zu behandeln, dass er noch lange die letztlich einzig mögliche Heimat des Menschen sein kann.
Es ist eine alte Sehnsucht des Menschen, Leben im All zu finden. Es mag sehr erdaehnliche Planeten geben, die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch sie findet und vor allem angesichts der Dimensionen des Universums erreichen kann, ist sehr gering.
To be taught, if fortunate.






Montag, 8. Juli 2019

Germany - Memories of a Nation

Neil MacGregor beschäftigt sich in seinem Buch mit der deutschen Geschichte, die mit der Aufteilung des Reiches von Karl dem Großen begann.
Er arbeitet dabei den Aspekt des ungefähr 1000-jährigen Bestands des "Heiligen Römischen Reiches" heraus. Der Zusatz "deutscher Nation" kam erst später dazu. Im übrigen sollten die Grenzen dieses Reiches im Osten noch einmal nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von Bedeutung sein, denn bei der Festlegung der deutschen Ostgrenze orientierten sich die Alliierten (vor allem die Sowjetunion) daran. Die quasi föderalistische Struktur dieses Reiches, dass aus einer Vielzahl von Fürstentümern, Grafschaften und Bistümern bestand, war durchaus förderlich für innovative Neuerfindungen wie den Buchdruck. Denn wo die Staatsmacht enge Grenzen hat, kann man sich den besten Platz aussuchen, um innovativ sein zu können. In der Zeit des Heiligen Römischen Reichs sind doch denn auch viele bahnbrechende Entwicklungen zu verzeichnen. Da gab es Albrecht Dürer, der unter anderem das erste Logo aus seinem Namenszug kreierte. Luther, der mit der Übersetzung der Bibel eine einheitliche deutsche Sprache schuf und es erstmalig ermöglichte, dass auch das einfache Volk die heilige Schrift verstehen und lesen konnte. Das Reich erlebte den Aufstieg und Fall der Hanse, einer Handelsmacht, die völlig ohne militärische Unterstützung und auch weit außerhalb der Grenzen des Reiches agierte.
Heute wie gestern stellte sich die Frage, was bedeutet Deutschsein und wer ist ein Deutscher. Neil MacGregor weist darauf hin, dass diese Frage schon früher beantwortet wurde. Es ist die Sprache, die uns einigt, auch wenn wir außerhalb der Grenzen Deutschlands leben und viele historische Stätten, wo Deutsche wirkten, nicht mehr in Deutschland liegen. Und Dichter wie Goethe sind es, die unseren Nationalcharakter abbilden.
Napoleon brachte schließlich dieses erste Reich zu Fall, bevor er selbst geschlagen wurde. In der Folge erstarkte Preußen zur Hegemonialmacht des deutschen Sprachraums. Nachdem Österreich besiegt wurde, war der Weg für ein kleindeutsche Lösung frei, die Bismarck favorisierte. 
Spätestens mit dessen Abdankung begann der Weg, der zum "Platz an der Sonne" führen sollte in die Konfrontation mit fast allen europäischen Großmächten, die mit der Niederlage dieses "Zweiten Reichs" 1918 endete. Der Vertrag von Versailles wird oft als Beleg dafür genommen, dass hier der Grundstein für die Machtübernahme der Nationalsozialisten und den von Hitler angestrebten Krieg gelegt wurde. Das stimmt nur bedingt. Zur Vertragsunterzeichnung gab es keine Alternative, denn das Deutsche Reich wäre dann, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, vollständig von den Alliierten besetzt worden. Leider haben ihn nicht die eigentlich verantwortlichen Militärs unterschrieben. 
Im nachhinein muss festgestellt werden, die junge erste Republik hat ihre Erfolge nicht gut verkauft und sich nicht stark genug verteidigt. Das mag eine Lehre für die heutige Zeit sein.
Neil MacGregor steht vor dem Problem, zu verstehen, wie eine solche Kulturnation wie die deutsche, sich einer so verbrecherischen Weltanschauung wie der nationalsozialistischen ergeben konnte. Immerhin weist er das Paradoxon nach, dass die Nazis zwar das Bauhaus geschlossen haben, sich aber dennoch des modernen Stils bedienten. Ein besonderer Aspekt ist der, dass der Schriftzug auf dem Tor zum KZ Buchenwald von einem verfolgten Kommunisten namens Franz Ehrlich geschaffen wurde. Dieser war als Mitarbeiter am Bauhaus tätig gewesen. "Jedem das Seine" war die sarkastische Botschaft, die die Insassen des Lagers jeden Tag zu sehen bekamen, denn sie war nach innen gerichtet. 
So lebte ein Teil der deutschen Kultur weiter und Künstler wie Käthe Kollwitz sorgten dafür, dass die Trauer und Verzweiflung über die erlebten Kriege einen Ausdruck bekamen. 
Doch je tiefer der Fall, desto höher kann der Aufstieg sein. Deutschland verlor nach dem Zweiten Krieg ein Viertel seiner Fläche von 1937. Glaubte man schon nach dem Ersten Weltkrieg nicht, mit dem Verlust von ca. 70000 qkm auskommen zu können, so waren es nun ca. 120000 qkm und auf die Bizone, die Keimzelle der alten Bundesrepublik entfielen gerade mal knapp 250000 qkm (mehr als die Hälfte weniger als das Deutsch Reich von 1914). Und dennoch gab es wieder Symbole für den deutschen Aufstieg und das Wirtschaftswunder, den VW-Käfer zum Beispiel. 
Neil MacGregor schreibt darüber, dass es eine Erinnerungskultur in Deutschland gäbe, ein Bewußtsein der Schuld. Während woanders Denkmäler an die nationalen Siege erinnern, nimmt er das Holocaust-Denkmal als Beleg dafür.
Doch leider ist dieses Gedenken nicht unumstritten, erscheint seine Sichtweise auf das moderne Deutschland von außen als zu optimistisch. Doch sollten wir uns vielleicht gerade daran ein Beispiel nehmen? Das wir mit Autoritäten jeder Art heute so unsere Schwierigkeiten haben, ist auch nicht nur schlecht.
Was das Buch zusätzlich lesenswert macht, das sind die vielen sorgfältig ausgewählten Illustrationen.

Montag, 5. Juni 2017

Richard David Precht (Eine philosophische Reise)

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? 

Das ist aus der Sicht der Hirnforschung eine berechtigte Frage, die mich an die Sendung "Was bin ich?" erinnert. Der Autor führte in seinem 2007 erschienenen Buch Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen zusammen.
Dennoch fällt es nicht schwer, die Essenz des Buches zu finden.
Das Ego ist schließlich das Ergebnis komplexer verschiedener Bereiche unseres Gehirns. 
Doch unser Bewusstsein ist zum Einen an unser Dasein als Säugetier gebunden und zum anderen gibt es tatsächlich viele verschiedene Zustände unseres Bewusstseins. Mehrfach haben sich Philosophien die Frage nach der Freiheit unseres Bewusstseins gestellt. Wie frei entscheiden wir vernunftgemäß, wie stark ist unser Unterbewusstsein? 
Beim Lesen des Buches wird einem immer mehr klar, wie wenig wir wirklich über uns wissen.
Da hilft wieder nur die Philosophie. Epikur lebte im antiken Athen lange vor Christi Geburt und hielt von unserer Erkenntnisfähigkeit gar nichts. Er hielt sich an das, was er zu sehen glaubte. Der Tod war für ihn kein Thema, denn wenn er eintrete, dann wäre er nicht mehr da. (Mein Vater sagte mal, von mir wirst Du es nicht erfahren.) Das Wissen um die Endlichkeit ist aber geradezu das, was uns vermutlich von den Tieren unterscheidet. 
Unsere engsten Verwandten im Tierreich, die Menschenaffen, verstehen immerhin unter besonderen Laborbedingungen unsere Sprache. Sie verfügen über eine Intelligenz und einen kleinen Wortschatz, den sie in freier Wildbahn nie und nimmer erlernen, weil sie ihn nicht brauchen.
Unsere Erkenntnisfähigkeit ist also sehr von unseren Lebensbedingungen abhängig. Das Gehirn verhält sich bei Unterforderung so wie unsere Muskeln, es baut ab.
Am Ende des Buches bleibt die Frage nach dem Glück. Das hängt, obwohl der 
Mensch nach materiellem Wohlstand strebt, aber nicht von ihm ab. Soziale Beziehungen sollen nach Studien wichtiger sein. Vermutlich ist das soziale Miteinander so etwas wie der Sinn des Lebens, denn einsam will kein Mensch sein. Den Sinn des Lebens erkennen zu können, das scheint auch nicht unsere Aufgabe zu sein. Wir können froh sein, wenn wir zu wissen glauben, wer wir sind.

Montag, 6. Februar 2017

Becky Chambers - A Closed and Common Orbit (Wayfarers, #2)

Science Fiction von einer Frau geschrieben, bedeutet das wenig Action und viel Emotion?
Das kann man für den zweiten Band der Wayfarer-Story durchaus sagen.
Es geht darum, künstliche Intelligenz als eigene Lebensform anzuerkennen. Der Plot ist der, das ein in einem Raumschiff eingesetztes System namens Lovelace aus seinem bisherigen Dasein heraus gelöst wird und mittels eines sogenannten Bodykits, der den menschlichen Körper perfekt imitiert, in die Erfahrung versetzt wird, das Leben von natürlichen Lebewesen zu nachzuahmen. 
Es ist spannend zu lesen, wie die neu gewonnene Mobilität erlebt wird, die gleichzeitig die Beschränkungen eines körperlichen Daseins mit sich bringt. 
Die Protagonistin Pepper, selbst einst als Sklavin nur durch einen Unfall einem unmenschlichen System entkommen (die Sklavinnen waren unter der Aufsicht von Maschinenmüttern nur dazu da, Elektroschrott zu recyclen), ermöglicht das alles und bringt Sidra, so heißt die neu gewonnene Existenz, mit zu sich nach hause, wo sie in ihrem Reparaturladen mit arbeiten soll. 
Sicher hängt die Bereitschaft von Pepper auch damit zusammen, dass sie die Flucht vom Planeten ihrer Sklavenzeit nur mit Hilfe einer künstlichen Existenz eines leeren und gestrandeten Raumschiffs
geschafft hatte. Sidra nun wird sich revanchieren und bei der Befreiung dieser aus dem mittlerweile in einem Museum ausgestellten Raumschiffs helfen.
Wie das erste Buch hängt auch dieses der Idee der Vereinigten Staaten im Weltall nach. Alle Rassen,
die zu diesem Verbund gehören, leben friedlich und gleichberechtigt nebeneinander. 
Zudem ist die feministische Sicht nicht zu verkennen. Manche Aliens können ihr Geschlecht wechseln, andere zeigen ihre Emotionen durch Farbwechsel im Gesicht an. Sex ist Spaß, aber nicht so wichtig. Lustig ist auch, wie einfach die doch sehr fortschrittliche Technologie noch immer an Kabeln und Konsolen hängt, durch die sich Pepper immer wieder hindurch wurschtelt.
Es zeigt sich auch, wie wenig wir uns doch Lebensformen vorstellen können, die so gar nichts mit unserer eigenen zu tun haben.
Aber das ist keine grundsätzliche Kritik am Buch. Man muss sich auf den Plot einlassen, es gibt immerhin ein Happyend für Maschinenwesen und Menschen.


Donnerstag, 4. August 2016

Becky Chambers - The Long Way to a Small, Angry Planet

Science Fiction einer anderen Art, die ein Bild von friedlich koexistierenden Rassen in das All projiziert. Menschen sind selbst Aliens unter vielen. Die Protagonistin ist eine Frau, die mehr als froh sein kann über ihre neue Anstellung auf einem "Tunneling Ship". Mit gefälschten Daten gelingt ihr die Täuschung, die sie später selbst zu geben wird. Im Captain der Wayfarer und in der Crew findet sie eine neue Heimat.
Das Raumschiff bohrt Wurmlöcher ins All und schafft somit Verbindungswege durch den Hyperraum. (Perry Rhodan lässt grüßen.)
Ein Großauftrag schließlich schafft dem in finanziellen Nöten steckenden Captain Luft.
Es soll eine Tunnel zu den bislang verfeindeten Toremi geschaffen werden, eine Rasse, über die man bisher nur wenig weiß. Als entsprechend gefährlich erweist sich der Auftrag.
Für Action erwartende Gemüter mag das Buch langweilig sein, die Beschreibung der Charaktere der einzelnen Personen fällt sehr umfassend aus und ist aber durchaus spannend.
Das Thema künstliche Intelligenz wird genauso beleuchted wie verschiedene Modelle der Fortpflanzung und des Zusammenlebens der Geschlechter. Auch die gesunde Ernährung kommt nicht zu kurz. Dank Dr. Chef, Vertreter einer aussterbenden Rasse, gibt es immer was Gesundes zu futtern und zwar aus dem eigenen Garten des Raumschiffs. Becky Chambers hat sich auch mit Homöopathie beschäftigt, da nimmt das nicht wunder.
Zudem gibt es wie in jedem Science-Fiction-Roman deutliche Bezüge zur Gegenwart. Das von Jedem der fast zu freundlichen Charaktere benutzte Scrib erinnert an die Tablet-Computer unserer Tage.
Aber schließlich muss man die Welt ja auch nicht immer ganz neu erfinden.
Ich jedenfalls freue mich auf Teil 2 der Wayfarer-Story, die im Oktober 2016 erscheinen soll.
Auf deutsch gibt es den Roman unter dem Titel: "Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten", was ich jetzt nur halb so schön finde wie den Originaltitel.

 

Dienstag, 19. April 2016

Rachel Joyce - The Unlikely Pilgrimage Of Harold Fry

Die Geschichte in diesem Buch könnte so oder so erzählt werden.

So: der Pensionär Harold Fry erhält eines Tages einen Brief einer ehemaligen Arbeitskollegin, in den sie ihm schreibt, dass sie unheilbar an Krebs erkrankt unter Angabe des Krankenhauses, in dem sie liegt. Harold erhält diesen Brief von seiner Frau, die diese Kollegin kennt. Er beschließt zu antworten und den Brief persönlich zum Briefkasten zu bringen. Der Weg dahin entwickelt sich zur langen, völlig ungeplanten, Reise und das Pilgern zu sich selbst beginnt. Harold beschließt, den Brief persönlich abzugeben.
Oder so: es wird die Lebensgeschichte zweier Menschen beschrieben, die durch eine Krise gehen mussten (Selbstmord des gemeinsamen Sohnes). Obwohl sie sich die Eheleute danach voneinander entfremdet haben und Maureen (Harold's Ehefrau) nun die plötzliche Trennung von ihrem Mann verkraften muss, finden beide letztlich wieder zueinander, kann es Maureen sogar tolerieren, dass ihr Mann Gefühle für ihre vermeintliche Konkurrentin Queenie (die Kollegin) zeigt.
Man kann also getrost von drei Hauptpersonen reden.

Doch das Buch ist erstaunlicherweise noch mehr. Es leistet sich einen Blick auf unsere Gesellschaft von außen. Es lässt den Protagonisten Harold alle Stadien durchleben, die ein einsamer Wanderer auf Britanniens Straßen durchlaufen mag. Harald lebt im Südwesten Englands und Queenie stirbt im Nordosten. Außer einer Reise durch England leistet sich die Autorin einen genauen Blick auf die Art, wie heutzutage Vermarktung funktioniert und wo sie schon einsetzen mag. Ein Reporter stößt auf Harold und befragt ihn eingehend nach seiner Reise, fotografiert ihn und fortan wird Harold nicht mehr allein sein, werden Festivitäten und Veranstaltungen seinen Weg begleiten. Harold wird das mühsam gefundene Selbst, seine Verbindung zur Natur, sein Leben mit und in ihr, kurzzeitig verlieren.
Beeindruckend die Szene, in der Queenies Tod aus ihrer Sicht geschildert wird, nachdem sie zuvor noch den Harold's Besuch bemerkt hatte, ohne mit ihm sprechen zu können.

Das Leben schreibt oft tiefe und einsame Dramen verbunden mit Gefühlen der Angst und Einsamkeit, der Ohnmacht und auch der Zuneigung gegenüber der Person, die einem im besten Fall das ganze Leben begleitet. Eine ganze Menge davon stellt Rachel Joyce in diesem Roman sehr emphatisch dar.
 

Donnerstag, 2. Juli 2015

Bill Bryson - A Short History Of Nearly Everything

As Bill Bryson mostly puts it: we do know nothing and what we know, we do not know exactly.
Wenn man sein Buch "A Short History Of Nearly Everything" gelesen hat (zu deutsch: "Eine kurze Geschichte von fast allem"), dann weiß man zumindest das.
Ob der homo sapiens als Gattung allerdings tatsächlich weiß, dass er nichts weiß, das sei dahin gestellt.
Zum Inhalt des Buches: Bill Bryson beschreibt sehr anschaulich das, was wir einigermaßen sicher wissen. Die Entwicklung des Lebens und noch viel mehr unserer speziellen Gattung hing von sehr vielen glücklichen Umständen ab, die der Planet Erde geboten hat. Immer wieder gab es den Planeten als Ganzes bedrohende kosmische Ereignisse, die die Entstehung des Lebens auf unserem fragilen Planeten in Frage stellten, aber auch förderten. Unser Planet selbst bietet tödliche Bedrohungen für unser individuelles Leben zuhauf. In einem Land wie Island wird einem das klarer als in Deutschland. Was für den Einzelnen tödlich ist, mag für die Gattung noch lange nicht dasselbe sein, das Leben an sich scheint, je primitiver, desto widerstandsfähiger zu sein.
Es wird klar, dass ein Mikrokosmos uns am Leben erhält, den wir kaum kennen und noch weniger verstehen. Selbst unsere eigene Abstammung können wir nicht 100%ig nachvollziehen.
Wissenschaftliche Auswertungen von Knochenfunden waren oft durch gen-kontaminierte Belege falsch oder widersprüchlich in ihren Aussagen.
Fest steht, unser Organismus besteht aus Zellen, die unser Leben steuern und der genetische Code aller derzeit lebenden Menschen unterscheidet sich nur gering im Vergleich zur Variationsbreite bei den Tieren (Beispiel: Schimpansen). Das lässt den Schluss zu, dass unsere genetischer Pool auf relativ geringen Anzahl von Menschen beruht, die irgendwie irgend etwas überlebt haben.
Trotzdem bringen wir es ja fertig, uns aus den verschiedensten Gründen, gegenseitig umzubringen.
Unsere Atome, die die Baustoffe unseres Lebens bilden, sterben nicht mit uns. Sie verbinden sich einfach zu neuen Elementen. Das wird den Einzelnen nicht trösten und macht die rapide Ausrottung
vieler Tier- und Pflanzenarten durch den Homo Sapiens auch nicht besser.
Bill Bryson schreibt wirklich über "Alles" sehr unterhaltsam und wird nicht müde, die paradoxen Entwicklungen in der Wissenschaftsgeschichte genüsslich aufzuzeigen.
Ob das Leben nun ein großer Zufall war oder das Ergebnis eines zwangsläufigen Ablaufs, einer Schöpfung sozusagen, mit dieser Frage steht jeder Mensch allein da.
0,01% der Erdgeschichte erfreuten sich der Gegenwart des Menschen. Da scheinen die Schlusssätze
von Bill Bryson sehr logisch: "We really are at the beginning of it all. The trick, of course, is to make sure we never find the end."    

Freitag, 10. April 2015

Puppet on a String

Auf der Suche nach einer Theorie, die Alles erklärt, stolpert man zwangsläufig über die Stringtheorie, die hier sehr anschaulich dargestellt wird:  http://superstringtheory.com/basics/basic4.html .
Die Vorstellung ist, dass nicht messbar kleine Fäden, die unter Spannung stehen, diese abgeben an andere Fäden, die Materie werden (make up matters) bzw. die Materienbildung anregen.
Es besteht also eine Art Symmetrie, auch Supersymmetrie genannt. Nur dieses Modell ermöglicht die Einbeziehung von Materie, wobei die Fermionen genannten Partner der Energiefäden nicht nachweisbar sind.

Bill Bryson ist in "A Short History of Nearly Everything" (kurze Geschichte von fast allem) schon weiter. Er bezeichnet den Menschen als einen Haufen von atomaren Teilchen. Das der Mensch und die ihn umgebende materielle Welt überhaupt in dieser Zusammensetzung entstehen konnte, ist der Bildung schwerer Elemente zu verdanken. Diese enstehen bei Sternexplosionen, die eine unvorstellbare Energie frei setzen. Getrost könnte man dies wohl als Schöpfung bezeichnen.
Allerdings braucht es dann noch das Wunder der Zellteilung, um komplexe Lebewesen enstehen zu lassen.

Was sagt das alles? Lebewesen sind wohl tatsächlich die sprichwörtlichen Puppen am Faden. Es ist die berühmte Frage nach dem Glauben. Die menschlichen Eindrücke und Erkenntnisse sind wohl nur dazu gedacht, uns durch dieses eine Leben zu führen. Mit dem Ableben verlieren sie ihren Sinn.
Sicher ist aber auch das nicht, denn wir kennen ja nur drei Dimensionen. Alle weiteren sind unserer Erkenntnis nicht zugänglich.




Sonntag, 26. Oktober 2014

Harry Graf Kessler

Die Lektüre seiner Tagebücher 1918 - 1937 bietet einige Überraschungen.
Man sagte ihm nach, ein Bonvivant zu sein und der Sohn von Wilhelm dem I., dem ersten Kaiser des Deutschen Reichs von 1870. In rechten Kreisen wurde er auch als Hohenzoller gesehen.
Letzteres hat er stets bestritten und zu widerlegen gesucht.
Seine Entwicklung hin zu einem Grafen mit beinahe sozialistischen Auffassungen hat man ihm jedenfalls schwer übel genommen. Allgemein sieht es recht unglaubwürdig aus, wenn ein Mensch aufgrund veränderter politischer Lage seine Auffassungen ändert.
Aber ist es nicht ein Zeichen der Erkenntnis, wenn man sich selbst immer wieder revidiert?
Kann ein intelligenter Mensch überhaupt schwarz-weiß denken? Sieht er nicht viel mehr Facetten als andere?
Die Beurteilungen über seine Zeitgenossen sind jedenfalls stets scharf und faszinierend.
Aber Harry Graf Kessler hat viele Dinge seiner Zeit nicht kommen sehen. Andere Aussagen dagegen haben ein fast prophetisch wirkende Kraft. Es ist also wohl so wie mit dem Affen, der an der Börse spekuliert und dabei nicht schlechter abschneidet als die Profis.
Harry Graf Kessler war Offizier im ersten Weltkrieg, zum Kriegsende für kurze Zeit im diplomatischen Dienst. Der Einstieg in die aktive Politik blieb ihm jedoch verwehrt.
Seine Zuneigung galt den schönen Dingen des Lebens und er verwirklichte sie gern als Verleger der Cranachpresse in zahlreichen bibliophilen Projekten.
1935, bereits emigriert, schrieb er:
"Hitlers große Rede, die er Dienstag im Reichstag gehalten hat, im Original gelesen. Man mag ueber ihn denken, was man will, jedenfalls ist diese Rede eine große staatsmännische Leistung. Sie bietet in ihren dreizehn Punkten eine Gtundlage, die, wenn sie ehrlich aufgebaut ist, den europäischen Frieden auf Jahrzehnte hinaus sichern könnte."
Die entscheidende Einschränkung wurde hier allerdings gemacht.