Posts mit dem Label Tod werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Tod werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 9. Oktober 2023

2007 Epilog

Lieber Vater,

der Worte sind genug gewechselt, nun lasst Taten folgen. 
Das meine ich, gilt nicht für uns. Nachdem sich jahrelang unser Lebensweg getrennt hat, führte uns deine schwere Erkrankung wieder zusammen. Ich hätte gern noch etliche Worte mit dir gewechselt, leider war die Zeit zu kurz. Die Zwänge, wie sooft waren sie zu übermächtig und zum Schluß fehlte dir die Luft zum Atmen. Die Hand hast du bis zum Ende gereicht. Du sagtest einmal, daß du nicht verstehst, warum dich die Leute nach einem Streit nicht die Hand geben und in Frieden auseinander gehen. 
Das ausgerechnet der verlorene Sohn in den letzten Monaten bei dir war, hat dich hoffentlich etwas getröstet und dich sehr erstaunt. 
So lasse ich dich nun gehen und hoffe, du findest deine Ruhe in Zufriedenheit. 














Samstag, 7. Oktober 2023

2007 Besuch

Die Schwester sagt, wir sollten uns nicht wundern über seine Geräusche. Als ich das Krankenzimmer betrete, bin ich entsetzt. Er atmet schnell und fast keuchend. Ringt nach Luft. Er liegt nach links und kann sich wohl nicht mehr selbst umwenden. Ich trete näher, mit jedem Atemzug bringt er mehrmals meinen Namen heraus. Wolfgang, Wolfgang, Wolfgang, es ist das Einzige, was ich verstehe. Seine Augen sind weit offen, in seinem Blick liegt das Entsetzen über die Situation. Noch sm Samstag hatte er mich mit den Worten begrüßt: "Du lebst ja auch noch."
Nun will er etwas sagen, braucht eine lange Pause für den nächsten Versuch. Ich verstehe nur "He..", mehr nicht. Nein, das war es nicht. Meine Frau tritt hinzu, seine Hand streckt er aus und gibt sie ihr. 
Zwischen den wässrigen Geräuschen seines Atems sehe ich hin und her. Seine linke Hand ist nicht verbunden, hat einen blauen und einen grünen Fleck. Mir fällt nichts ein, als so dicht wie möglich seinen Sprechversuchen zu lauschen, lege ihm die Hand auf die Schulter, würde ihn am liebsten in den Arm nehmen. Ich sehe ihn an und er senkt den Blick. Sein Atem riecht unangehm. Trotzdem will ich ihm nahe sein. Ich versuche, ihm zu erklären, dass das Antibiotikum seinen Atem besser machen sollen. Das ich anrufen werde und komme, wenn was ist. Seine Arme und Beine werden davon nicht besser. Im Ständer hängt ein leerer Beutel, die Nahrung ist alle. Das Licht über seinem Bett ist unangenehm hell. Vier Betten stehen im Zimmer. Seine Tasche und seine Wäsche, die er an hatte, stehen unauspackt neben dem Bett. Wieder ist die Wäsche in einem Sack. Ich kenne das nun schon. 
Auch wenn das Krankenhaus das Schlimmste ist, was ich bisher gesehen habe, der Arzt nimmt sich Zeit für mich. Erklärt uns, das Schluckstörungen nach einer Gehirnblutung immer schlimmer werden und eine künstliche Beatmung eine Quälerei werde. Es ist ein Desaster und ich begreife, dass ich nichts mehr tun kann. 
Zum ersten Mal bin ich hilflos. 
Wir gehen, er spricht
nicht mehr. 
Gut drei Stunden später ist er tot. 























Dienstag, 6. April 2021

Neuro-Logisch

 Kolja war komisch geworden. Seine Geschäfte liefen nicht mehr gut. Ich arbeitete als eine Art Sekretärin für ihn, wusste vermutlich zu viel und sollte ausgeschaltet werden. Wusste, was das bedeutet. Vor dem Tod fühlte ich keine Angst, ich würde es kaum merken. Aber plötzlich nicht mehr zu sein, das wollte ich nicht. Ich musste ihn davon überzeugen, weiterhin nützlich sein zu können.

Ich erkannte Frankfurt kaum wieder, war länger weg gewesen. Die Straßenbahn sah merkwürdig aus, so ein Modell hatte ich zuletzt in Sachsen gesehen. Sie wirkte so schmal, die Fenster viel kleiner als bei den modernen Straßenbahnen. Hatte ich die Orientierung verloren? Es musste eine sächsische Stadt sein, in der ich mich befand. Hohenzietschen, wieso ging mir dieser Begriff durch den Kopf?

Ein anderes Mal versteckte ich mich in der Küche vor einem Besuch. Es war ein Schulfreund, den ich nicht sehen wollte. Ich empfand große Angst.

So saß ich nun im gut ausgestatteten Wartezimmer eines Neurologen. Ich hatte es mir bequem gemacht, die Beine auf einem anderen Stuhl hoch gelegt und überlegte, welche von den merkwürdigen Zeitschriften ich zur Lektüre auswählen wollte. Sah allerdings Fotos an der Wand hängen, die von den Patienten während ihrer Wartezeit gemacht worden waren. Gerade als mich das zu beunruhigen begann, kam der Arzt mit einem Patienten aus dem Sprechzimmer. Ein langer, schlanker Mensch, der mich nun sehr freundlich auf ein paar Dinge im Wartezimmer aufmerksam machte. Mitten im Raum gab es eine bepflanzte Insel, die mit polierten Steinen eingefasst war. Er machte mich nun auf einige Dinge aufmerksam, die ihn offensichtlich ärgerten. Sowohl oben als auch unten waren die Seitenwände der Insel  jeweils durch eine Reihe nach vorn gewölbter polierter Steine begrenzt. Marmor, der, wie es mir schien, nicht an allen Stellen von gleicher Struktur war, die Kanten waren mal glatt, mal rauher. Er bemängelte auch, das die unterer Steinreihe gar nicht notwendig gewesen sei. Ich verstand nicht, warum ich dazu etwas sagen sollte. Später im Sprechzimmer, meinte er, ich sei eine treue Seele, ich könnte nun auch mal schwach sein.








Donnerstag, 13. August 2020

Keineswegs

"Keiner kehrt von den Toten wieder; keiner ist anders in die Welt eingegangen, als weinend; keiner fragt einen, wann man hereinwill; keiner, wann man herauswill." (aus "Søren Kierkegaard: Entweder – Oder" von Søren Kierkegaard)
Wo er recht hat, hat er recht. Zu Coronazeiten wird das noch deutlicher. Der Mensch stirbt heutzutage sehr oft allein im Krankenhaus. Jetzt auch ohne Besuch der nächsten Angehörigen. 
Frei ist man in der Wahl, neues Leben in die Welt zu setzen. In eine Zeit des Konsums, der unsere Lebensgrundlagen vernichtet. Dies Verantwortung tragen wir.



Freitag, 31. Juli 2020

93 - Meine Zeit!

93-jährig starb am 25.7.2020 meine Schwiegermutter und mit ihr ein Stück altes Ostpreußen. Obwohl nicht ganz unerwartet, aber dann doch nach einer kurzen Besserung, trat für die Hinterbliebenen plötzlich der Tod ein. Nun sind alle Elternteile von meiner Frau und mir nicht mehr lebend.
Es gibt für mich zwei Leben: eines vor dem Tod der Eltern und eines danach.
Denn mit dem Versterben der Eltern endet auch das Kind-Sein. Welche Ziele sollen wir dann noch erreichen, denn wir werden eine der nächste Generationen sein, die abtreten müssen.
Der Tod beendet das, was wir als unsere Erkenntnis von unserer Individualität besitzen. Er löscht das Erlebte unwiderruflich. Zum Glück hat die Verstorbene ein Buch hinterlassen, in dem sie über ihr Leben berichtet. Das können nicht alle von sich sagen und nicht alle Menschen haben Nachkommen, die sich für das Geschriebene interessieren. Bei uns ist das anders, insofern kann man von einem Glücksfall reden. Zum 90. Geburtstag der Verstorbenen hatte ich ein Gedicht verfasst, dass ich aber nicht vortrug. Ich hatte bei den Feierlichkeiten nicht das Gefühl, dass andere Menschen und Gedanken für meine Schwiegermutter im Augenblick interessanter waren als ein kleines Gedicht. So ist das mit den besonderen Tagen, sie gehen vorbei und hinterher weiß keiner mehr, was sich eigentlich abgespielt hat. Bei der Trauerfeier war es nun leichter, das Gedicht zu Gehör zu bringen. Leider hat es meine Schwiegermutter nicht mehr gehört. Es ist eine sehr kurze Beschreibung ihres Lebens, ohne all zu viel über sie öffentlich zu machen.

Oma Leni ist die allerbeste,
deshalb feiern wir heute feste.
Vor 90 Jahren hat sie in Neidenburg das Licht der Welt erblickt,
der Weg nach Westen war schwer, doch ist er geglückt.
Sie sagte einmal, in Ostpreußen, da wäre ich versauert.
Den Verlust der alten Heimat hat sie dennoch bedauert.
Das neue Leben führte sie schließlich nach Ostwestfalen-Lippe.
Hier trafen sich viele aus ihrer Sippe.
Sie schaute nicht allzu gern zurück,
fand lieber mit Friedrich ein Lebensglück.
Die Familie wuchs im eigenen Haus,
drei Kinder erzogen, zwei zogen aus.
Und sind auch manche Menschen verstorben, die sie einst kannte,
Leni freut sich über zwei Enkel als nahe Verwandte.

"Meine Zeit!" sagte meine Schwiegermutter immer, wenn sie sich ein bisschen aufregte. So hat jeder seine Zeit, aber eben nur die eine.

Sonntag, 26. Juli 2020

Tierisch

Siehe, darum will ich lieber Schweinehirte sein auf Amagerbro und von den Schweinen verstanden werden, als Dichter sein und von den Menschen missverstanden werden." (aus "Søren Kierkegaard: Entweder – Oder "
Da hat der Gute Recht, zwar bin ich kein Schweinehirte aber ein Hundebesitzer.
Hunde wissen immer was zu tun ist und wen sie lieben sollten. Sie haben auch keine Kenntnis vom Tod, sie leben einfach. Das erscheint mir als schlüssiges Konzept. Und wie komme ich nun auf das Pik-Ass? Es soll angeblich die Todeskarte sein. Menschliche Symbolik eben..

Samstag, 29. Juni 2019

Abschiede

Die letzten Gedanken meines Vaters kreisten um die Frage, wie er das Geld auf seinem Girokonto vor dem Zugriff der amtlichen Betreuerin meines Bruders bewahren könnte. Er beauftragte mich, zur Bank zu gehen und das Konto zu leeren. Er konnte kaum noch sprechen, aber ich verstand das auch so. Ein letztes Mal hatte er mir seine bleiche Hand gereicht. Einen Tag später würde ich ihn nur noch leblos sehen. Selbst im Tod schien er noch empört darüber, dass es nun ein Ende hatte und ich bildete mir kraft meines Willens ein, er wolle mir noch einmal die Hand geben. Das mit dem Geld hat natürlich nicht gehen können und so kommt vieles anders als gedacht.
Auch die Abschiede, die während des Lebens notwendig werden und nicht mit dem Fall in die ewige Singularität enden, sind nicht immer gleich voraussehbar. 
Nach und nach habe ich Abschied von meinen Eltern genommen, von meiner Heimatstadt, von der Idee, Freunde zu haben, von Kindern, die ich nie hatte und einem Sternenkind, von meinem Wohnort, vom Grab meiner Eltern und nun von körperlichen und mentalen Fähigkeiten, die ich früher für mich reklamieren konnte. Vom Beruf will ich gar nicht schreiben, da war ich ohnehin nur wie ein Söldner auf Zeit beschäftigt. Jedem Abschied wohnt ein neuer Anfang inne, so heißt es. Das stimmt leider nicht immer. Die Vergangenheit ist wie eine abgeschlossene Kiste ohne passenden Schlüssel.
Abschied nehmen ist nicht schwer, das zu begreifen aber sehr.

Mittwoch, 12. September 2018

Das Alter

Gern wird es auch blumig mit dem Wort "Lebensabend" umschrieben. Den Lebensabend genießen, eine schöne Vorstellung. Mit einem schönen Glas Rotwein auf der Couch einduseln und nicht mehr aufwachen. An der Stelle würde ich wahrscheinlich das Licht anlassen und versuchen, auf keinen Fall einzuschlafen.
Tatsächlich ist das Alter etwas anders. Die Dramaturgie der letzten Jahre wird bestimmt durch die Qualität der eigenen Gene und dem Ergebnis Deiner gesundheiitlichen Verhaltensweisen. Was Du Deinem Körper angetan hast, das wird er Dir nun danken oder sich unangenehm bemerkbar machen. Alle diese Vorgänge  in unserem Organismus sind meist nicht umkehrbar.
So bleibt nur zu erkennen, dass das Alter der einzige Lebensabschnitt ist, der nicht in einen anderen übergeht. Somit lebt es sich besser, wenn man nicht abschnittsweise denkt. Der Tod schließlich ist kein Thema des Lebens. Wenn meiner eintritt, werde ich nicht da sein. Ansonsten bräuchte ich viel Rotwein.

Freitag, 1. Dezember 2017

83 to 89 or 16

Geburtstage in einer Zeit
daran zu denken, bin ich nicht bereit.
83 und 89 im gemeinsamen Grab,
16 und gebrochener Stab,
die kleinen Lichter im dunklen Raum,
sie funkeln weiter, aus der Traum.





 

Dienstag, 24. Oktober 2017

Egalite

Vor dem Sterben ist allies egal.
Ob Du grosse Töne spukst oder kleine,
den groben Socken strickst oder feine,
die Welt  lieb hast oder nie Verttrauen zu ihr fasst.
Egal  die ganze Qual.
Dein Hirn mag Dir was anderes sagen,
Ein Ende kann keinen Anfang wagen.
Und auch das Ende ist egal,
wenn es kommt, bist Du nicht da.
Das Leben ist ein langes Sterben,
Ins Jenseits lässt sich nichts vererben.

Donnerstag, 24. August 2017

Schneeweiß

Da liegt er da, der schwarze Vogel hat den Schnabel aufgerissen und ist tot. Irgend jemand wird ihn schon weg räumen in unserer Gemeinde, so denke ich. Tags darauf ist der Vogel platt wie eine Briefmarke, ein Auto war darüber gefahren und hat ihn so ausgepresst, das nicht einmal mehr die Fliegen ihren Spaß dran haben. (vermutlich eine verspätete Mutter, die ihr Kind abliefern muss oder jemand vom Lehrpersonal) Man mag ihm nicht in die Augen schauen. Diese Verzweiflung.
Aber das Tier bleibt nun weiter da liegen. Tage- und Wochenlang, bis sich jemand erbarmt und die Reste mit einem weißen Tuch bedeckt und dabei den Kopf mit Schnabel vergisst. Das bleibt einige Zeit so, mein Hund hat schon lange kein Interesse mehr an dem Objekt, das sich mitten auf der Zufahrt zu unserer Schule befindet. Nun ist auch das Tüchlein weg geweht und alles wie vorher. Halt, der Schnabel ist nun weiß und alle Passanten dürfen dieses Monument der Vergänglichkeit weiter beobachten.

Donnerstag, 4. Juni 2015

Herzlich

Die Liebe, die Liebe,
sie raubt uns alle Triebe.
Die Liebe, die Liebe,
beansprucht das Herz so arg,
sie bereitet fein den Sarg.

Und kommst Du dann zum Himmelstor,
das gibt es nicht, drum stell Dir vor,
steht da ein Wächter und der spricht,
was bist Du nur ein armer Wicht.
Immer an das Nichts zu glauben,
das musste jede Lust Dir rauben.
Und endlich wie Du nun mal bist,
verstrich die letzte Galgenfrist.
So musstest Du von dannen weichen
und Deine Knochen werden bleichen.


Dienstag, 19. Mai 2015

Real.0

Den "Murky Wallows" und der "Sea of Flames" entkommen, erreicht Dich die Erkenntnis, dass Gegner nicht einfach so zu besiegen sind. Aufgaben können nicht erledigt werden, weil Du blockiert wirst. Manch einer rempelt Dich an und findet es gut. Und leider gibt es auch nur ein Leben, dessen Energie sich nicht auffüllen lässt, auch wenn wir uns das manchmal wünschen.
Also betrachten wir das richtige Leben, als das, was es ist. Eine Gegebenheit, deren Konditionen viel irrealer und komplexer sind, als die erstarrten Fantasien der selbst ernannten Kreativen.
Am Ende des Lebens steht kein Gewinn. Es ist eine Idee, deren Schöpfung uns verborgen bleibt und kein Spiel.

Sonntag, 2. März 2014

Verlust

Nichts kann Dir den Verlust eines Menschen ersetzen, erst recht nicht den endgültigen eines geliebten. Da gibt es keine Worte, die richtig wären, kein Gefühl, was man mit fühlen kann.
Es ist das Ende, von dem man glauben mag, es sei ein Freund. Aber der Glaube trügt, auch der von der angeblichen Zeit, die wir noch haben. Das Leben vergeht zu schnell, um zu warten und doch machen eigentlich alle genau das. Warten auf den Anderen, warten auf sich Selbst, warten auf Erfolg oder das Glück, warten auf den Tod. Manche suchen, manche finden.
Es bleibt der Verlust, den man nur haben kann, wenn man vorher einen Gewinn hatte.

Dienstag, 28. Januar 2014

Ringgeist - Das Ableben

Vermutlich im Zusammenhang mit meinem eigenen Älter-Werden dachte ich am 4.9.2007 über die Umstände eines Lebensendes nach.

Mein Vater ging immer davon aus, dass er vor seinem Ableben krank würde und dann sein bevor stehendes Ende abschätzen könnte, mir damit rechtzeitig Bescheid gäbe, damit ich seine Angelegenheiten regeln würde. Diese Vorstellung erfüllte sich in mehrfacher Hinsicht nicht. Die Anzeichen der Krankheit, wenn welche da waren, hat er unterschätzt. Die Zeit, die ihm zum Handeln blieb, war zudem zu kurz. Er konnte nicht mehr schreiben und somit auch nicht mehr telefonieren. Die zweite Vorstellung, die er hatte, der Tod könne ihm im Bett ereilen, erfüllte sich auch nicht. So blieb der Zettel auf dem Nachttisch mit der Notiz, im Todesfalle mich zu benachrichtigen, unbeachtet. "Von mir wirst Du es ja nicht erfahren." Das sollte sich bewahrheiten.

Mittwoch, 1. Januar 2014

Ringgeist - HNY

Der Jahresbeginn 2007 ist nicht zur Wiederholung empfohlen. Der Beitrag vom 14.1.2007 markiert einen Beginn und ein Ende zugleich.

Jeden Morgen ertönt eine Stimme aus dem Lautsprecher: der IC nach Stralsund fährt von Gleis ... ab. Es gelingt mir nicht, mich so schnell zu entfernen, dass ich das nicht mehr hören muss. Gern würde ich in einen der bereit gestellten Züge steigen. Stattdessen muss ich in Hausfluren herum laufen, die nach Vergänglichkeit riechen und dennoch so unvermeidbar sind. Gerade noch sehe ich das Kraftwerk mit seinen blauen Lichtern vor dem orangefarbenen Himmel, schon bin ich im schwarzweißgrauen Linoleumtal.
Ich soll seine schwarze Lederjacke mit bringen und die graue Hose. Als wolle er sich fein machen für den letzten Ausgang. Weiß er nicht, dass das nichts mehr wird?
Er wollte das sicher nicht, aber will ich, was ich habe?
Die Sonne scheint, sagt er, das Wetter ist gut. Eine Tür schließt sich.

Freitag, 6. September 2013

Ringgeist - Geiz ist Gier


Der Tsunami in Asien störte sich 2004 nicht an der üblichen "Zwischen den Jahren"-Atmosphäre.
Er riss die Menschen in den Tod. Wer übrig blieb verzweifelte oder meckerte. Der Eintrag vom 29.12.2004 beendete das Jahr in meinem Blog.

Die Zahl der Toten steigt von Tag zu Tag. Menschen, die die Tsunamiwelle überlebt haben, verloren ihre Existenz, von den physischen und/oder psychischen Verletzungen ganz zu schweigen. Aber da gibt es Menschen, die ficht das nicht an. Sie machen Urlaub: vom Menschsein. Sie mokieren sich darüber, dass die Einheimischen nicht schnell genug aufräumen und sie ihren Urlaub nicht genießen können. Das kennzeichnet den völligen Realitätsverlust vieler Leute.
Jeder wird nun sagen, das Unglück wäre nicht in diesem Ausmaß vorhersehbar gewesen. 
Aber muss man unbedingt in Länder verreisen, in denen Armut herrscht und damit die Prostitution der Einheimischen in jeder erdenklichen Hinsicht billigen?
Reicht uns unser Land nicht mehr? Muss es immer billiger und gleichzeitig vermeintlich besser werden? Es ist zu befürchten, dass die diese Welle uns bereits in unseren Köpfen erfasst hat und den Verstand hinweg reißt. Selbst Politiker und Wirtschaftsbosse fordern es: mehr Arbeit für weniger Geld, Kündigungsschutz lockern, Geiz ist Gier! Zumindest aber tödlich für die, die keinen sicheren Platz finden.

Mittwoch, 28. August 2013

Meldungen

Gestern Abend erzählte mir meine Frau, Wolfgang Herrndorf sei tot, das sei die Meldung des Tages. Ich hatte ihr den "Tschick" zum Lesen empfohlen. Daher kannte sie den Namen.
Gestern wurde aber auch über einen Mann berichtet, der seinem vor sechs Wochen verstorbenen Frau ein Liebeslied geschrieben hatte, das er aber selbst nicht singen könne.Ein kleines Label hat es nun heraus gebracht, gesungen von einem richtigen Sänger. "Sweet Lorraine" heißt es.
75 Jahre werden wir nicht schaffen, dazu haben wir zu spät geheiratet.
Was hat die Frau nun davon, dass er ihr dieses Lied geschrieben hat, war mein erster Gedanke.
Die, um die es geht, haben halt nichts mehr davon. Solange man lebt, ist es anders.
Es ist also zu spät, eine Laudatio auf Herrndorf heraus zu bringen und das Rühren im Betroffenheitsquark hätte er wohl nicht gemocht. Der letzte Eintrag seines Blogs jedenfalls enthält die Vermeldung seines Suizids.
Korrekt und nicht geschönt, so wie er es wohl auch wollte.
Das Schreiben eines solchen Blogs mit dem Wissen um die eigene Krankheit und das unvermeidlich aus ihr resultierende Ende beeindruckte mich und ich habe es ihm auch geschrieben.
Er hat aber wohl soviel Post, vor allem zu seiner Krankheit bekommen, dass er vieles nicht beantwortete.
Mir ist auch selbst schon die Unmöglichkeit eines solchen Briefes, den ich da schrieb, aufgegangen.
Eine Fassung habe ich dann auch gar nicht erst abgeschickt.
Ihn selbst hat es wohl nicht gefallen, dass er sich zum Schluss nicht mehr so ausdrücken konnte wie er wollte.
Der Kontrollverlust und die Veränderung seiner Persönlichkeit, die er bei sich selbst bemerkte, haben ihn erschreckt. Er war trotz aller Freunde allein mit seiner Endlichkeit und er wusste das. Dennoch hat er die schönen Momente, die ihm noch blieben, soweit er konnte, auch im Blog festgehalten.
Ob es überhaupt möglich ist, in einem Blog auch nur annähernd das wieder zu geben, was an Mensch an Gefühlen empfindet, ist eine andere Frage.
Er selbst hat zum Schluss daran gezweifelt, den Zweifel geteilt, mit denen, die lesen wollten.
Ich selbst wollte und will und es bleibt zu hoffen, dass sich gute Menschen seiner möglicherweise hinterlassenen Texte annehmen und so noch einmal etwas was zu lesen sein wird von diesem Wolfgang Herrndorf.

 

Mittwoch, 17. Juli 2013

Der Kopte


Wer ist wir, möchte man fragen. Ich weiß es nicht. Es handelt sich ja um einen Traum, da wird nichts erklärt. 
Ein Wir, wo jeder Einzelne für sich ist und doch nicht allein. Ein gutes Gefühl eben.

Wie alle kannten uns und trafen uns auf dieser Reise wieder. Eine Wochenendfahrt, Anlass war das Treffen mit dem Kopten. Er strahlte eine unglaubliche Freundlichkeit und Herzlichkeit aus, war letztlich aber immer nur er selbst. Ein dunkelhäutiger, grauhaariger Mann, schlank und mit einem kleinen Bart.
Die Umgebung war moslemisch geprägt, dennoch sollten wir einen christlichen Gottesdienst besuchen, der eher einer Jubelveranstaltung glich. Das Lachen und Singen steckte uns alle irgendwie an. Innerlich war ich dennoch sehr verblüfft über mich selbst, denn eigentlich war ich nur einer  Einladung gefolgt, seiner.
Bei der Messe sahen wir ihn nicht. Nachts sehe ich einen Träger mit einem kleinen Sarg auf dem Kopf in der Dunkelheit laufen. Nahezu unerkannt.
Am nächsten Tag erfahren wir es: er war gestorben und hatte uns zu sich gerufen, ohne lange mit uns zu verweilen.
Freiheit, die ich meine, so ging es mir durch meinen Kopf. Und zum ersten Mal versuchte ich, die Melodie dazu zu singen.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Ringgeist - Schule

Und weiter gehen meine unendlichen Bemühungen, dass digitale Nichts zu entschrotten.
So schrieb ich am 3.9.2004 über ein universelles Thema:

Schrecklich ist der Gedanke, dass Kinder in einer Schule von Bewaffneten festgehalten werden und dass sie möglicherweise umgebracht werden. Der Mensch ist eine der größten Fehlkonstruktionen der Schöpfung. Wer je das Denken des Menschen entwickelte, der hat völlig vergessen, dass er biologischen Zwängen unterworfen ist und seine Beschränkungen nicht erkennt. Allein der Gedanke daran, es sei gerechtfertigt, Menschenleben zu vernichten, um einen heiligen Krieg zu führen, spricht für die Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis. Dieselben Gefühle, die hier Vater des Gedanken sind, bergen die Sehnsucht nach einem Paradies in sich. Ein Paradies, dass wir nur auf dieser Welt finden, denn dazu sind wir berufen: Erfahrungen zu machen. Die Sucht einem Propheten zu folgen, der angeblich göttliche Erkenntnisse besitzt, ist ein hilfloser Versuch, die Existenz eines Gottes zu beweisen.
Sollte es ein Paradies außerhalb unseres Daseins geben, sind wir nicht ermächtigt, es nach eigenem Willen zu betreten.
Es gibt keine universelle Antwort.