Freitag, 17. August 2012

2008 - II

Spiel
Wortspiele winden
sich wiederholt wartend weiter,
jeder Satz ein Hit
mit wenigen Besuchern,
so lange bis sie
ihr Ziel erreichen und
das Original
bedeutungslos verwandeln
in Ortografie,
die schlecht verstanden genügt.

Donnerstag, 16. August 2012

2008 - I

Menuwahl
Die Gulaschstücke sahen mich an, aber sie riefen nicht: iss' mich, sondern eher:
warum gehst Du nicht einen gepflegten Hamburger essen und lässt uns in Ruhe vergammeln? Von Soße überschüttet, deren Herkunft mir völlig unbekannt war, stimmten sie mich depressiv. Ich musste weg hier von diesem GAST-Essen und anderen Leckereien, schnell raus bevor sich so etwas wie Lebergeschnetzeltes auf meinem Teller breit machen würde, möglicherweise mit einem großen Haufen Nudeln und völlig zerkochten Gemüseresten.
Vorbei am Dressing geschädigten Salaten und nicht im Preis enthaltenen Desserts sowie "Junger Mann" - rufendem Kassenpersonal, das zuweilen jungen Frauen kostenlose Zugaben zu billigt, und heraus aus der freien Menüwahl. Sollte ich es wagen, mir an einem Bratwurststand ein verbranntes Exemplar auf die Glasplatte legen zu lassen und dazu ein zu lange gebranntes Brötchen probieren? Oder wähle ich lieber ein frisch zu bereitetes Fischbrötchen, vom Mitarbeitern, die anerkannter Maßen in hygienischen Dingen geschult wurden und daher statt Handschuhe zu tragen, sich regelmäßig die Hände mit einer desinfizierenden Lotion waschen? Oder lasse ich mir liebevoll in einer Filiale einer Fast-Food-Kette ein paar Pommes auf das Papier legen , wo auch mein Wechselgeld schon ist
Nein. Ich beobachte lieber die backenden Minijobblerinnen, schlendere an einer großen Glutamatschleuder namens Asia Imbiss vorbei und stelle mir vor wie mir alternativ ein Fleischkäsebrötchen vom Metzger, eingehüllt von schleimigen Essigketchup mit lauter hochgestellten Zahlen meine Speiseröhre herunter gleitet, in meinem Magen ein wohliges Entsetzen auslöst, das in stundenlangem Nachgeschmack vor sich hin durstet. Als Nachtisch käme ein leckerer frisch aufgebackener Schoko-Muffin in Betracht, von dem mir spätestens nach zwei Stunden herrlich schlecht wird und dessen Verzehr mit einem ähnlichen Durchfall belohnt wird, wie ich ihn von einer braunen Spaghetti Bolognese auch gern bekommen würde. So kehrte ich in die Isolation meines gewöhnlichen Büroalltags zurück, unter Verzicht auf alten Kuchen und zu lange gelagerte Negerküsse, und gab mich dem Genuss von biologisch angebauten grünen Tee hin in der Gewissheit, dass das hastig verschlungene Lakritz auch gut gegen den Magen sein würde.

Mittwoch, 15. August 2012

2006 - VII

Deswegen frage ich.

Kaum hat man Wolfsburg, dieses städtebauliche Kleinod der Dreißiger Jahre mit dem ICE verlassen, braust man ein bisschen durch die heideähnliche Landschaft und findet sich in Berlin-Spandau wieder. Erst tauchen da ein paar Einfamilienhäuschen-Siedlungen auf, plötzlich ist da Bahnhof. Spandau, ein Stadtteil von Berlin, so groß wie mancherorts manch stolzes Städtchen, hat natürlich alles, was de so brauchst, vor allem Einkaufsmöglichkeiten.
Weiter rollt der Zug durch den Bahnhof Zoo, nachdem er den Grunewald zur einen und die Messe zur anderen Seite passiert hat, zum neuen Hauptbahnhof . Das Wolfsburger Thema aus rotem Backstein und neuen Gebäuden aus viel Glas und Beton wird in Berlin wieder aufgenommen. Frage mich, wann hier die ersten Verzweifelten in die tiefen Abgründe fallen, die sich zwischen den einzelnen Ebenen dieses Monuments unserer Staatsbahn auf tun.
Sicher soll das alles luftig, frei und transparent wirken. Wofür der Bahnhof gebaut wurde, wird aber schnell klar. Der am schnellsten erreichbare Ausgang führt geradewegs zum Regierungsviertel. Mit dem Köfferchen kommste bequem über den Vorplatz zur Brücke über die Spree und dann ab ins Büro. Egal ob Kanzleramt oder Abgeordnetenhaus, alles wirkt in Sichtbetonbauweise provisorisch und man fragt sich, wie lange es wohl dauern mag, bis diese Gebäude abgebrochen werden, um was richtiges zu bauen. Dem Erich sein Lampenladen musste ja auch dran glauben. Aber Backsteine, die gibt es ja auch noch in Berlin.
Überall stehen sie noch herum die alten Häuser. Die Charité verscherbelt gerade so einiges.
Und es gibt noch mehr Stein, besser gesagt Basaltstelen: das Holocaustdenkmal. Es steht an einer Stelle, an der gerade Platz für noch weitere schöne Apartmenthäuser gewesen wäre.
Das war vielleicht 'nen Ärger, dass es ausgerechnet da hin gebaut wurde. Aber keine Sorge, am Potsdamer Platz war noch genug Platz für Stein, Beton und Glas. Da ist das Hochhaus der Deutschen Bahn, das Sony-Center und das Daimler-Chrysler Haus. Auf letzteres darf sogar hochgefahren werden. Die Treppenhäuser allerdings sind nur im Notfall zu benutzen.
Vieles ist sehr groß in Berlin, vor allem die Fläche. Manches dagegen wirkt unscheinbar. Das Brandenburger Tor zum Beispiel oder noch kleiner der Checkpoint Charlie. Der ist völlig vermauert mit Andenkenläden und Museum. "You're leaving the American Sector", das war einmal und ist nicht mehr. Selbst die Kunst vermarktet die ehemaligen Symbole und malt Bilder darüber. Und doch ist diese Stadt so urdeutsch mit ihren alternativen Geschäftsideen.
Man wartet bei Rot noch an der Ampel, man quert die Alleen am Übergang und man rüpelt sein Recht als Fahrradfahrer durch, auch wenn man dabei Touristen anfährt.
Tja und dann der Osten, diese Dauerbaustelle. Klar, da gibt es keine so schönen miefigen Cafés wie im Westen, in Tegel etwa. Dafür alles andere noch etwas günstiger und mehr. In Weißensee hängt an einem Haus eine Gedenktafel. "In diesem Haus wurden 1943 sieben jüdische Familien deportiert. Vergesst sie nie!" Wann diese Inschrift wohl angebracht wurde?
Neben dem Geschichtsunterricht gibt es auch handfeste Vorteile, Mürbestreusel beim Bäcker etwa.. Wir laden uns noch drei Stücke Streusel (im Angebot) dazu auf. Die Verkäuferin meint, sie fragt besser noch einmal nach, weil das vielleicht ein bisschen zu viel für uns ist und sie uns dann ein Stück einpacken will.

Dienstag, 14. August 2012

Nett

Nettsein ist in Deutschland immer zweckgebunden. Wenn jemand richtig nett ist, ist er verdächtig. Da lauert das Misstrauen. Der/die will doch was? Was will er/sie denn?

Darum wundern sich die Deutschen im Ausland auch immer, wie nett alle sind.
Denn Nettigkeit ist nichts, wofür man in Deutschland aufsteht.
Dabei ist Nettsein essentiell wichtig für das Zusammenleben. Aber der Deutsche will auch nicht zusammen leben, genauso wenig wie einfach so Platz machen.

Allenfalls prinzipiell kann ein Deutscher nett sein, Kinder zum Beispiel werden gern blöd angelächelt. Randgruppen können prinzipiell netter behandelt werden. Und zum Boss ist man natürlich ebenso prinzipiell sehr nett.

Aber da ist man eben auch nicht so richtig nett. Oder?

Weiter geht es mit meiner eigenen kleinen und netten Historie.

Montag, 13. August 2012

2006 - VI

I came in from Metallica zappin'

Keinen Besuch mehr
sagt der Mann,
wünscht er sich, was soll
es bringen,
Zeitreiter ihre
Sense schwingen.
Die Ernte ist gut,
die Zeiger
singen die Strophe
der Einkehr
in Heimatdingen.

Sonntag, 12. August 2012

2006 - V

Timeless

Man könnte ja warten, aber stattdessen sticht einem der heiße Atem in den Nacken, fliegen Türen auf, werden Taschen geworfen, Schuhe auf den Boden geschmissen. Der Vordermann sitzt im Kofferraum, die Scheinwerfer versenkt, lassen dein Nummernschild erstrahlen. Von hinten schießen sie rechts und links oder laufen quer vorbei. Die Zeitmonster sind wieder unterwegs, sie schwitzen und hupen, sie grölen und tuten, sie stolpern die Rolltreppe hinab, hasten leichtfüßig herauf. Sie haben keine Zeit und sie nehmen sie dir. Ich muss zum Zug, bitte sehr! Kein Blick zurück und keiner auf morgen, nur im Moment, da quälen sie Sorgen. Wie kann ich es schaffen, ich muss was erreichen, es ist die Uhr, die will nicht weichen. Keine Zeit sie zu verstehen, das Drehen der Zeiger sich anzusehen. Und sollte dereinst das Jagen doch enden, so ist die Uhr bei Zeiten zu Ende. Die Ewigkeit ist still und nicht zu sehen,
doch das haben sie vorher übersehen.

Samstag, 11. August 2012

2006 - IV

Fünfundzwanzig

Du ahnst, dass der Tag kommt.
Fragst Dich, warum schon wieder,
weißt nichts, damit anzufangen.
Du siehst Lichter, Dein Kopf ist besetzt
von Alp- und Wunschträumen.
Du gibst es auf, zu verstehen und schließt die Augen.
Irgendwie schaffst Du es aufzustehen und
setzt Dich gleich wieder im Schneidersitz hin.
Wie spät ist es überhaupt ?
Du stierst ins Leere, brauchst kaltes Wasser
für dein Gesicht.
Willst wach bleiben und
Fragst Dich, wie lange Du das schaffst.
Sollte mehr versuchen,
was von mir preisgeben,
mich öffnen, das Handtuch fallen lassen?
Aber ich merke, dass mir Schlaf fehlt.
Der Raum vibriert, versinkt tief.
Will noch etwas sagen,
Gehe zum Fenster, sehe das Licht
und warte auf den Beginn des Tages.