Posts mit dem Label Hoffnung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Hoffnung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 15. Januar 2013

Gold - LXV

An einem sonnigen Tag sitze ich im Zug nach Kassel. Mein Vater wird mich vom Bahnhof Wilhelmshöhe abholen und wir werden Weg zur seiner Wohnung zu Fuß gehen. 
In einem Kopfhörer läuft "Time & Again".  
The sun brought me
The moon caught me
The wind fought me
The rain got me..
Schon die ersten Worte drücken meine Gefühle aus. Es ist schön und traurig zugleich.
Eine tiefe melancholische Stimmung erfasst mich, die ich kaum aushalte.

Am Bahnhof empfängt mich mein Vater. "Das kannst Du öfter machen" sagt er, während wir gehen und meint damit meinen Besuch. Wir werden in der Wohnung Musik hören, seine Musik. Er ist gut gelaunt.
Seine Hände haben dunkle blaue Streifen, ich frage danach. Er hat die alten Tonbänder vernichtet, nicht einfach weg geschmissen. Er hat sie mühsam von Hand abgespult. Da war Musik drauf von mir und von meiner Band. Er hat mich nicht gefragt vorher und wir sprechen nicht drüber.

Wir gehen zum Friedhof, zum Grab seiner Frau, meiner Mutter. Die Rosi, sie fehlt mir schon manchmal, wird er sagen. Beim Verlassen der Wohnung vergewissert er sich mehrmals, dass er den Schlüssel dabei hat. Ich kenne das. Wir gehen essen, weil ich keine Bratkartoffeln aus zerkratzten Pfannen mag. 
Wie hat Vater immer gesagt, er isst nicht bei alten Leuten. Das Lokal ist schön gelegen, "Schöne Aussicht" eben, Vater ist hier bekannt. 
In der Nähe haben die Eltern immer auf einer Bank gesessen. 
Die Luft, sage ich, ist hier besser als bei uns.


Montag, 7. Januar 2013

Gold - LVIII

Eines schönen Wintertages fuhr Paul mit dem Zug in die Stadt, um seine Wiedereinstellung perfekt zu machen. Zum Glück war der Chef wegen des Studiums nicht nachtragend. Und es war auch für ihn eine einfache Lösung, Paul wieder einzustellen, denn die Stelle, die Paul vorher inne hatte, war wieder frei geworden. Damit war seine finanzielle Unabhängigkeit gesichert und Paul über den Verdacht erhaben, von seiner Freundin leben zu wollen. Was er einst als Stagnation empfunden hätte, sah er nun als die sichere Rettung. Wenngleich er schon ahnte, dass seine Unzufriedenheit zurück kehren könnte, denn an den Herrschaftsgebaren seines Chefs hatte sich naturgemäß nichts geändert. Er war Frauen gegenüber wesentlich aufgeschlossener und glaubte immer in jeder Äußerung eines Mannes, die seiner Meinung widersprach, einen Angriff auf sein Patriarchat sehen zu müssen. Das machte es Paul schwer, sich wohl zu fühlen, zumal er solche Verhaltensweisen bestens kannte. Die Personalpolitik des Chefs war eindeutig, hier arbeiteten überwiegend junge Frauen. Eine Kollegin zum Beispiel, die manche Äußerungen Pauls mit einem herzhaften Lachen quittierte. Sie lud ihn zu sich nach hause ein, um ihm einen Vogel zu zeigen (das meinte sie ernst), dabei war klar, sie hatte bereits einen Freund. Der Arbeitsplatz erschien Paul mehr und mehr als wenig gutes Pflaster für einen mühsam den Hafen der Ehe ansteuernden Mann. 
Paul näherte sich einem zurück haltenden, stets um Seriosität bedachten Mann an, der im Verlag als Autorenbetreuer arbeitete und zweifelsohne ein besseres Standing als er selbst genoss. 
Paul hatte geträumt und erzählte während eines gemeinsamen Kneipenbesuchs davon. Die Eltern waren beide gestorben und er empfand das Gefühl des Verlustes als entsetzlich. Sie sprachen also über seine Eltern, die zu dem damaligen Zeitpunkt beide noch sehr lebendig waren und insbesondere über den Vater.
Überraschenderweise fand Paul nun in seinem Gesprächspartner einen verständnisvollen Menschen, der ihm die Rolle des Vaters zu erklären suchte. Ob er denn meinen würde, dass der Vater alles so gewollt habe, wie es sei. Er habe doch immerhin eine Familie aufgebaut, seine Familie und suche sicher ab und zu seine Freiheit. Da fand sich Paul wider Willens in der Position eines Anklägers, dem die moralische Berechtigung für ein Urteil fehlte.
    

Samstag, 5. Januar 2013

Gold - LVII

Im Zug beachtet eine Dame gerade nicht meinen auf der Lehne liegenden Arm. Vielleicht ein Anstoß, um den Traum dieser Nacht Revue passieren zu lassen. 
Ich sehe zwei Kinder, die mit einem Schlitten eine Skipiste hinunter fahren wollen. Jedes Kind sitzt also auf seinem eigenen. Der weiße Schnee blendet mich. Ich weiß nicht, warum das zugelassen wird. Ich habe Angst um sie, kann aber nicht eingreifen. Vor meinem Auge kreuzen sich zwei weiße Streifen, die immer breiter werden. Ich sehe nur noch weiß. Sie können das nicht geschafft haben, da herunter.    
Ich wache auf, ich muss ins Licht sehen, um dieses Weiß allmählich loszuwerden.
Kinder, so erzählte Paul, waren für sie kein Thema. Zu sehr waren sie mit dem Aufbau ihrer Existenz und der Bewältigung ihrer Isolation beschäftigt. Die Nachbarn ihrer ersten gemeinsamen Wohnung waren eigentlich nicht so übel und ganz freundlich. Aber das Regiment führte in diesem Haus ein Herr Schulz. Frau Schulz sah manchmal etwas mitleidig zu ihnen herüber, aber Herr Schulz empfand Paul wohl als eine ziemliche Zumutung.
Paul hatte wohl vergessen, dass in Deutschland die Frauen immer nett und gesprächig zu sein hatten. Und sie sollten vor allem auch optisch wirken. Ja, und die Kinder? Man nimmt doch eine Frau nicht, weil man sie menschlich schätzt. Da nimmt Mann sich doch etwas Junges, so hatte es der Vater vorgegeben.
Paul interessierte das nicht, noch hatte er keine Arbeit und die neue Freundin sprach von Verlobung. Darunter konnte er sich nicht viel vorstellen. Sie trugen beide Kettchen mit den Initialen des anderen. Zwei Ignorierte, die sich beide wollten.  

Freitag, 28. September 2012

iPaddelei


Ein Jahr Erfahrung liegt nun hinter mir als Benutzer des iPad2. Ein Jahr, in dem ich das mir immer schwerer scheinende Teil treu und brav in meiner Tasche herum trage. Das Auspacken unterwegs ist mir eigentlich schon zuviel Aufwand. Vorwand für die Anschaffung des iPads war ein Zeitungsabo. Doch ich muss bis heute feststellen, dass mich das unerschöpfliche Angebot an Apps bis heute davon abhält, meine Zeitung wirklich zu lesen. Die "App des Tages" beginnt mich mehr zu interessieren als die redaktionellen Inhalte der Zeitung. Als Zeitungstext nehme ich das Gelesene ohnehin nicht war. Und meine Zeit und Energie droht im gleichen Verhältnis abzunehmen wie die Lebensdauer des Akku im iPad.
Passives Genießen und leider auch der Überfluss an abschaltbaren Push-Mitteilungen scheinen zum Credo der App-Welt zu gehören.
Doch was ist nun eigentlich das iPad: als Telefon zu unhandlich, als Laptop zu eingeschränkt ist es eher ein mobiles Surfgerät mit Emailempfang und eine Spielekonsole. Wobei die meisten Spiele nur eingeschränkte grafische Optionen offenbaren.
Nicht zu übersehen sind die mangelhaften Möglichkeiten der Synchronisation mit einem herkömmlichen Windows-PC oder Laptop. So lädt das iPad nicht seinen Akku, wenn es nicht mit einem Apple-PC oder -Laptop verbunden ist.
Und obwohl ich iTunes lästigerweise immer brav auch auf meinem Laptop aktualisiere, synchronisiert sich längst nicht alles.
Aber zurück zum Zeitungsabo: sollte ich weider eines wollen, dann nur in gedruckter Form. Nicht wegen der Druckerschwärze, aber wegen der Ruhe, die ich dann beim Zeitungslesen habe werde. Lesen statt Laden, das ist meine Zukunft.
Fazit: das Inseldenken von Apple ist out. Dem etwas etwas größeren Touchscreenhandy mit einer vernünftigen Kamera und der Anbindung an alle gängigen Systeme gehört die Zukunft. Wer aktiv arbeiten will, der kommt um einen PC oder Laptop mit Drucker sowieso nicht herum.

Mittwoch, 22. August 2012

2009 - I

Wieder Neujahr
Wie wird man mit einem verlorenen Gefühl fertig? Ganz einfach, gar nicht. Gefühle verliert man nicht. Sie sind Teil des Selbst, sie lassen sich nicht ausbuchen. Welchen Termin man sich auch setzen mag, er ist von vorn herein nichtig. Mit der verlorenen Liebe ist es so, wie mit einem verstorbenen Menschen, den man geliebt hat. Auch er ist nicht mehr Teil des Alltags genau wie ein geliebter Mensch, der nicht da ist oder nicht da sein will oder kann. Aber würde man behaupten, den Verstorbenen, den habe es nicht gegeben? Das wäre ein Selbstbetrug, der höchstens im Kopf funktioniert. Um vergangene Liebe trauere ich so wie um einen Toten. Es bleibt aber im Gegensatz dazu immer die Hoffnung, dass die Trauer unerwartet unterbrochen wird. Und wenn nicht, wird auch die stärkste Trauer sich einmal mindern müssen. Sie wird weniger ein Teil sein als eine schöne Erinnerung.

Dienstag, 21. August 2012

2008 - VI

Un Angelo
Ein Mensch ist traurig,
den ich mag.
Eine Liebe zweifelt,
darf nicht sein.
Gib' mir die Energie
zu schützen
und die Strategie
zu sehen,
damit sie nicht zerbricht,
die Einsicht,
los zu lassen und
gewinnen:
erst dann kann das Spiel
beginnen.

Montag, 20. August 2012

2008 - V

Der Liebe Wege

Meine Melancholie ist nichts
als eine Lüge.
Ich trinke meine Ideen vor mir her.
Ich verrate meine Liebe,
es ist so bequem.
Ich gehe,
weil ich stark sein will.
Ich bin's nicht,
aber das wird noch.
Did not want
to offend you,
just to say: ILY.
Did not want
to hurt you,
just to express
what I feel,
it is meanless
to say and will stay.
Was Leiden schafft
ist Leidenschaft.
Teile mein Herz
in Teilchen
so schwerelos und frei..
Es is' wirklich net zu fasse,
ei der Bub, er kann's net lasse.
Er muss immer wider schreibe
von Liebe und dem ganzen Treibe.
Damit des Gedicht sein Ende find':
entreisst ihm den Stift, ganz geschwind!

Sonntag, 19. August 2012

2008 - IV

Neu Fahrland - Far away

Der Kirchberg
und die Seen pur,
die Wälder
prägen die Natur.
Wer wandert
über Brücken ein,
der findet
Wege, Lampenschein.
Steg am See
mit Tanz und Wonne,
Lichterglanz,
Gesang und Sonne,
Far away,
so weit zu fahren
nach Fahrland:
far away, so far too long.



Dienstag, 14. August 2012

Nett

Nettsein ist in Deutschland immer zweckgebunden. Wenn jemand richtig nett ist, ist er verdächtig. Da lauert das Misstrauen. Der/die will doch was? Was will er/sie denn?

Darum wundern sich die Deutschen im Ausland auch immer, wie nett alle sind.
Denn Nettigkeit ist nichts, wofür man in Deutschland aufsteht.
Dabei ist Nettsein essentiell wichtig für das Zusammenleben. Aber der Deutsche will auch nicht zusammen leben, genauso wenig wie einfach so Platz machen.

Allenfalls prinzipiell kann ein Deutscher nett sein, Kinder zum Beispiel werden gern blöd angelächelt. Randgruppen können prinzipiell netter behandelt werden. Und zum Boss ist man natürlich ebenso prinzipiell sehr nett.

Aber da ist man eben auch nicht so richtig nett. Oder?

Weiter geht es mit meiner eigenen kleinen und netten Historie.

Samstag, 11. August 2012

2006 - IV

Fünfundzwanzig

Du ahnst, dass der Tag kommt.
Fragst Dich, warum schon wieder,
weißt nichts, damit anzufangen.
Du siehst Lichter, Dein Kopf ist besetzt
von Alp- und Wunschträumen.
Du gibst es auf, zu verstehen und schließt die Augen.
Irgendwie schaffst Du es aufzustehen und
setzt Dich gleich wieder im Schneidersitz hin.
Wie spät ist es überhaupt ?
Du stierst ins Leere, brauchst kaltes Wasser
für dein Gesicht.
Willst wach bleiben und
Fragst Dich, wie lange Du das schaffst.
Sollte mehr versuchen,
was von mir preisgeben,
mich öffnen, das Handtuch fallen lassen?
Aber ich merke, dass mir Schlaf fehlt.
Der Raum vibriert, versinkt tief.
Will noch etwas sagen,
Gehe zum Fenster, sehe das Licht
und warte auf den Beginn des Tages.

Dienstag, 7. August 2012

2006 - I


Man soll nicht sterben,
bevor man tot ist.
Es ist immer das Gleiche.
Das Jahr ist zu Ende und man denkt,
es geht nicht weiter.
Doch so wie im Frühjahr die Pflanzen austreiben,
so beginnt wieder ein neuer Jahreslauf,
obwohl sich eigentlich nichts ändert.
Das Alter bietet den Vorteil,
jedes Jahr immer bewußter erleben zu können,
den Neubeginn der Natur immer mehr zu schätzen.

Montag, 6. August 2012

2005 - XII

Das soll es gewesen sein.

Das soll es nun gewesen sein. Ich habe dem Geschriebenen nichts mehr hinzuzufügen.
Freunde, Bekannte und Verwandte werden es nicht verstanden haben, warum ich so eine Site mache oder sie werden sie gar nicht kennen. Denn an die große Glocke habe ich das nicht gehängt. Meine Feinde, so ich welche habe, werden ihre Munition gesammelt haben. Aber der größere Teil wird meinen Geschreibsel neutral gegen über gestanden haben. Wie auch immer, letzteres ist sowieso das Beste, was einem passieren kann. Es ist z.b. nicht angenehm, Anrufe zu erhalten, die einen dazu auffordern, eine Verlinkung zu entfernen Da ich das Schlüsselwort Charts für Musikcharts in die Suchmaschinen eingegeben habe und jemand dann vermutete, ich würde in Konkurrenz zu dessen Onlineangebot Kurscharts für Aktien etc. anbieten, musste ich den Link auf besagtes Onlineangebot entfernen. Das Schlüsselwort habe ich auch gleich mit entfernt. Man sieht dann, was die Welt wirklich bewegt: der Verlauf des Geldes.

Wie auch immer, ich habe diese Texte für mich geschrieben. Sicher werde ich weiterhin einzelne Seiten vervollständigen. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer neue Ziele setze, auch wenn die alten noch nicht erreicht sind. Ich wurstele eben gern getreu dem Motto: der Weg ist das Ziel. Manch einer mag sich über die Kühle, ja Kälte meiner Texte und das fragmentarische Skelett geärgert haben. So ist es nicht. Es gibt immer zwei Seiten jeder Medaille. Wenn eine Familie mit wenig Kontakt nebeneinander her lebt, so heißt das nicht, dass sie sich nicht liebt. Vielleicht mag man seinen eigenen Traum des Lebens am liebsten und möchte ungern von wem auch immer gestört werden.
Ich muss das nicht alles beschreiben, denn andere können es besser. Sehr gut ausgedrückt finde ich mein Lebensgefühl in einem Gedicht des Heimatdichters Max Dreyer weder. Das spiegelt diese Mischung aus Schwermut und Lebensfreude wieder, die mich treibt. Es ist das Lied, was in mir spielt.

Ji segt, ick bün olt...
Ji segt, ick bün olt un gries wad mien Hoor -
is jo nich wohr!
Dörch de Feller striep ick,
denk nich an de Tied,
wat ick bruuk, dat griep ick,
Morgens is noch wiet.
Denken geiht doneben,
hüest, dat is mien Holt -
de all morgen leben,
sünd in vörut olt.
Ick lew hüet - un warm
schient up mi de Sünn,
dat ick juchz un larm,
luershals, wiel ick bün!
All dat Singen, Bloihen,
all de Duft, de Schien -
wur ick mi an freuen
moet, dat is ook min!
Dorch de Feller striep ick,
mi gehürt de Tied,
wat ick bruuk, dat griep ick,
un de Welt is wiet,
un de Welt gehürt mi,
de gehürt uns Jungen -
glöwst, da Bääk de stürt mi?
Dor wad röwer sprungen!
Wierer, wierer ümmer -
hei de dralle Diern!
Dor gah`k nich üm rümmer -
mien, wat nah un fiern!
Hark un Henkpott grögt es,
denn se kümmt vont Heuen,
un to`n Küssen dögt se,
denn ehr Lippen bloihn,
As`n Pahl so fast
stell`ck mi vör ehr hen,
lad se in to Rast,
as wenn`ck lang se kenn:
"Legg doch mal, mien Puting,
Hark un Henkpott dahl!
Du büst mien lütt Snuting,
un ick bün - keen Pahl!"
Un se dheet`t. De Strähnen
wischt se ut de Stiern,
lacht mit blanke Tähnen,
und ehr Oogen pliern.
Bruuk sich nich besinnen,
fragt nich, wat ick will -
lehnt den Kopp nah hinnen,
un hölt still - hölt still...
Ji segt, ick bün olt un gries wad mien Hoor -
is jo nich wohr!

Dienstag, 31. Juli 2012

2005 - VI

Sex

Alle Dinge im Leben, die etwas werden, gehen schnell.
Dinge, die nichts werden, dauern ewig.

Freitag, 20. Juli 2012

2004 - I

Gugelhupf

Haben Sie zwischen den Jahren Zeit?
Es ist etwas ruhiger weit und breit.
Termine gibt es auch im Januar,
das ist so etwa im neuen Jahr.
Kinder, Kinder, es verrinnt die Zeit wie Sand.
Drehe sie um, es beginnt von vorn, bekannt.
Ein Guglhupf, gespießt mit fünf Kerzen,
gebacken, gepudert aus dem Herzen.
Fünf Jahrzehnte ausblasen ist nicht schwer?
Na gut, na gern oder auch: bitte sehr.

Donnerstag, 19. Juli 2012

2003 - XV


Bleistift

Mein Bleistift will nicht auf Papier gleiten,
schlafe nicht, die Sinne weiten
meinen Horizont in der Dunkelheit,
wirft sie es ab, das Panzerkleid?
Ist die Skizze schon passiert,
das Event gar flink fixiert?
Die Tür zum Keller öffnet sich,
ein Duft verströmt so schauerlich
wohlige Fügung eiserner Strenge,
Zärtlichkeit gepaart mit Länge
einer Nacht dunkler Macht.
Am Firmament die Sterne blitzen,
mein Bleistift will das Papier nur ritzen.

Dienstag, 17. Juli 2012

2003 - XIII


Eine dolle Nummer!

(Kurt Tucholsky über Valeska Gert)
Du hast gelebt und wusstest um den Tod,
die Haare stets schwarz, der Mund so rot.
Zu sein, so wie Du bist,
kein Kompromiss, ein bisschen List.
Der Ausdruck steht Dir im Gesicht,
im Tanz erfüllst Du Deine Pflicht.
Der Traum von der Unsterblichkeit,
so etwas Hexerei auf Zeit,
die Todesnachricht nicht überlebt,
Gesichtsmuskulatur: erbebt!

Mittwoch, 11. Juli 2012

2003 - VII


Prince

Ein Universum
zu klein für die Welt
da draußen
und doch so groß
in der Kraft der Beherrschung,
so abgeschlossen,
so schön und
doch so zerbrechlich.
Es steht nicht
auf meinem Wunschzettel
und doch habe
ich es bekommen.
Die Sterne am Firmament
sind meine Wünsche,
die Wüste ist
meine Erde,
das Wasser mein Durst,
meine Unruhe ist
der Wind,
die Bäume meine
Erinnerung,
deren Blätter fallen,
der Wald ist mein
Versteck
und die Flüsse
meine Gedanken,
das Meer ist mein
Ursprung und die
Wolken meine
Vergänglichkeit,
die Musik mein Herz,
der Stein meine Ruhe.
Gibt es einen Antrieb,
der die Schwerkraft meines
Planeten überwindet,
fragt sich der kleine
Prinz und stürzt
zuweilen ab.

Dienstag, 10. Juli 2012

10. Juli

Es wurde einst ein Kuss geboren, an den ich mich erinnern mag.
Wie viel Zeit ging seither verloren an diesem wundervollen Tag?


Alt, das wird man selber,

jung bleibt die Erinnerung.

Freitag, 6. Juli 2012

2003 - V


Die Vorstellung

Rasiermessersitz, 1. Reihe, wir sitzen in einem Lichtspielhaus. Die Stimmung im Saal ist angespannt amüsiert. Schließlich wird etwas geboten und das hat man zu würdigen.
Schwarzweißfilme flimmern von Streifen und Punkten durchzogen über die Leinwand.
Die ersten kalten Farbsequenzen sind stolz untergemischt. Ab der dritten Reihe sitzen hinter uns Soldaten in grauen Ausgehuniformen. Die sind etwas besonderes, scheinen die einzig freien Menschen im Saal zu sein. Ihre Begeisterung scheint mir aufrichtiger und gleichzeitig will ich mich richtig verhalten, weil es ja jemand sehen könnte, wenn es mich nicht interessiert.
Von großen Plänen ist die Rede, es scheint so eine Art Wochenschau am Anfang zu sein. Ein freies Feld wird gezeigt mit dem Blick zum Horizont. Hier soll einmal das Nordwestzentrum entstehen, so tönt es laut. Da vermischen sich die Ereignisse, scherenschnittartig werden zwei Profile von Politikern eingeblendet. Der Kommentator nennt die Namen: Lafontaine und Schröder heißen diese beiden Figuren. Der Sprecher überschlägt sich, denen sähe man es an der Nase an, wer sie seien. Die Nasen schieben sich noch ein bisschen weiter vor. Ich überlegte, wieso hier aktuelle Politiker gemeint sein können.
Der Sprecher bekommt spontanen Applaus für seinen Kommentar.
Die Vorstellung ist zu Ende. Wir verlassen den Saal. Gehen durch lange Gänge an Ausstellungstücken vorbei, die den Blick auf schneebedeckte Gipfel versperren. Meine Frau möchte so gern die Zugspitze sehen, Deutschlands höchsten Berg. Ich suche die Bergformationen ab, sage noch, kennst Du denn die Zugspitze nicht? Der Gang hat kleine Nebenräume. Aus einem Raum höre ich, wie einem Mann erklärt wird, das er diese oder jene Rechte nicht hat, weil er eben kein Volksgenosse ist. Wenn er einer wäre, könnte er natürlich dieses oder jenes bekommen. In mein Erstaunen, wie leicht es doch ist, zu sagen, das ein Mensch unter anderen steht, mischt sich neues Unbehagen. Das Gespräch hörte sich bestimmt aber freundlich an. Es gab keinen Streit oder schlechte Stimmung. Es ist, wie wenn einem Vertragsbedingungen für einen Vertrag, den man nie unterschrieben hat, erklärt werden. Pech gehabt, das es diesen Vertrag doch gibt.
Endlich sehe ich die Zugspitze allein da stehen. Fast, so scheint es mir so, als ließe sie die Schulter nach rechts hängen. Ich zeige sie meiner Frau. Ich bemerke, dass ich nur einen Kulturbeutel bei mir und diesen unter dem Arm festgeklemmt habe und sage zu ihr: ich glaube, so richtig wohl fühle ich mich erst, wenn wir wieder in unserer Zeit sind.