Dienstag, 9. September 2014

9.9.

Vor einem Jahr saß ein nervöser Mann in der Notaufnahme des Ida-Tallinna Keskhaigla-Krankenhauses  von Tallinn. Die Einheimischen konnten das Schauspiel eines zwischen Arztzimmer, Anmeldung und Behandlungsraum pendelnden Mannes verfolgen, der glaubte, er könne mit seiner Frau die Heimreise antreten, obwohl sich diese frisch den Oberschenkel gebrochen hatte. Passiert war alles beim Frühstück, als sich diese noch eine Tasse Kaffee holen wollte und dabei mit dem rechten Bein an einem der Krakenfüße seines Stuhls hängen geblieben war. Aus dem Sturz auf das linke Bein resultierte nun der Besuch der Notaufnahme.
Behindert wurde ich bei meinem Verkehr auch dadurch, dass der Weg zum Behandlungsraum, in dem meine Frau zur Verwahrung lag, bis man ein Zimmer für sie gefunden hatte, normalerweise nur dem Krankenhauspersonal vorbehalten war. So hing es vom Goodwill der einzelnen Personen ab, ob ich Zutritt erlangte oder nicht.
Den Ärzten war relativ schnell klar, dass meine Frau in ihrem Krankenhaus operiert werden müsste. Nur sagte man es mir nicht so schnell. Im Gegenteil, mehrfach bekam ich gesagt, es würde ein Transport zum Flughafen organisiert werden, um den für diesen Tag geplanten Heimflug noch zu erreichen.
Ein Krankenpfleger veranlasste mich, ein Medikament zur Blutverdünnung bei der nächst gelegenen Apotheke zu erwerben. Man wisse dort schon, welches Medikament das richtige sei. Als Ergebnis brachte ich Aspirin zurück. Nicht gerade das Richtige für jemandem, dem eine OP bevor steht.
Unsere Krankenkasse in Deutschland meinte, sie sei nicht zuständig, man wusste wohl nicht, dass Estland zur EU gehört. Das Krankenhaus verlangte aber nur die Krankenversicherungskarte, sonst nichts. Da wir eine Pauschalreise gebucht hatten, konnte ich mich immerhin an unsere Reiseleiterin wenden. Die befand sich bereits auf dem Flughafen und rief mehrfach zurück. Sie sagte, ich bräuchte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens des Krankenhauses resp. eine Bestätigung, dass meine Frau sitzend transportiert werden könne.
Meine Frau wusste mittlerweile nicht mehr, wie sie liegen sollte. Mittlerweile hatte sie eine Infusion bekommen und blutete aus dem Arm auf ihre neue Handtasche, die sie immer noch bei sich trug.
Die freundliche Dame in der Anmeldung meinte, sie könne einen mehrtägigen PKW-Transport von Estland nach Deutschland organisieren, den wir, selbstverständlich zu einem günstigen Preis, selbst zahlen müssten.
Außer der Krankenkasse hatte ich  nun den ADAC in München verständigt. Der dortige Arzt telefonierte dann mit dem Arzt vor Ort und riet mir eindeutig, den Oberschenkelhalsbruch so schnell wie möglich in Tallinn machen zu lassen. Es gelte keine Zeit zu verlieren, um das vorhandene Gewebe zu retten. Der Standard sei in Estland sehr gut.
Auch das Krankenhaus machte mir mittlerweile klar, dass es mir gar nichts nütze, wenn ich meine Frau zum Flughafen schaffen würde, denn die Lufthansa würde uns nicht mit nehmen. "So läuft das hier nicht." sagte mir eine Ärztin. Wir müssen hier blieben, nörgelte es in mir. Die Anspannung fiel ab und wich einem tiefen Gefühl der Machtlosigkeit, dass dem geglichen haben muss, was mein Vater empfand, als er immer und immer wieder an seinen völlig sinnlosen Plänen gehindert wurde, in seine Wohnung zurück zu kehren.
Auch meine Frau war komplett verzweifelt. Auf der einen Seite war ich für ihre Versorgung zuständig, auf der anderen Seite wollte sie mich nicht gehen lassen. Es blieb mir nichts übrig, als unsere Reiseleiterin zu bitten, dass von meiner mitgereisten Schwägerin zusammen Gepackte, zu uns zurück ins Krankenhaus zu bringen.
Sehr zu unserer Erleichterung erschien Sirli, so ihr Name, dann abends mit unserem Gepäck. Endlich war jemand da, der in der Landessprache mit dem Personal verhandeln konnte.
Wir gingen dann gemeinsam, um etwas zu essen zu besorgen. Ich würde es einen russischen Hamburger nennen, was wir da nach einem Tag ohne Verpflegung, verzehrten.
Es dauerte noch etwas, bis für meine Frau ein Platz in einer Privatstation gefunden war. Sirli begleitete uns, die Dame von der Anmeldung hatte mir noch ein paar von ihren Süßigkeiten zugesteckt, dazu noch ein paar Teebeutel. Sirli wurde nicht müde zu betonen, für wie wenig Geld das Personal hier einen guten Job macht. Und "wir haben hier die besten Ärzte!".
Auf der Station selbst wurde alles getan, um uns den Abend einigermaßen angenehm zu gestalten. Es gab noch Tee und Gebäck. Wir verabschiedeten uns von Sirli mit der Absicht in Kontakt. Ich konnte mir einige Tränen nicht verkneifen. Sie meinte, ich könne dies ruhig mal offen zeigen und richtig weinen. Sie sprach meiner Frau noch einiges an Mut zu, was temporär dann auch Wirkung zeigte.
Ich durfte nun mit ihr zusammen im Zimmer verbleiben und würde die Nacht auch hier verbringen.
Durch einen Vorhang von ihrem Bett getrennt und durch das offene Fenster von den Geräuschen der Nacht, die gelegentlich durch Fluggeräusche an- und abfliegender Maschinen verstärkt wurden, begleitet, begann ich meinen Halbschlaf.



Dienstag, 2. September 2014

Erfahren

Das Fahren, egal ob mit Auto oder Fahrrad, macht in diesem, unserem, Land wenig Freude. Der Werbeslogan von BMW "Freude am Fahren"  kommt mir da wie eine ironische Aufforderung vor.
In einer Reportage über das Autofahren, auch und insbesondere auf unserer heiß geliebten Autobahn, kam einmal einer dieser Helden zu Wort, der sich selbst wohl für einen der allergrößten Fahrzeuglenker hielt, den der liebe Gott gestattet hat, das Licht dieser motorisierten Welt zu erblicken. Es gebe, so sagte er, zu wenig inspirierte Autofahrer. Das könnte wohl auch engagiert, ambitioniert oder motiviert meinen. So wie dieses unzertrennliche Pärchen einer Luxuslimousine mit einem Motorrad nebst Fahrer desselben, das neulich mit gefühltem Tempo 220 auf der linken Spur der Autobahn an mir vorbei brauste. Ein Sinnbild nicht nur für die Götter, von denen sie verlassen waren, sondern auch für die täglichen Verfolgungsjagden und Duelle, wie sie sich auf unseren Straßen abspielen.
Da gerät so Einer wie ich, der fährt, weil er ankommen will, leicht zwischen die Fronten. Ein sonntäglicher Rat lautete denn auch, ich solle meinen Führerschein abgeben. Ich mag nun einmal nicht durch engste Lücken fahren, wenn ich nichts sehe. Das passte einem lippischen Landbaron so wenig, dass er schnell zum "Du" überging, denn genau das wollte er. Eine neue Freundschaft hat sich da aber nicht entwickelt.
Anderentags läuft mir ein junges Mädchen vor die Kühlerhaube, ich sehe es zum Glück rechtzeitig, sie macht mir den Scheibenwischer vor.
Wer glaubt, auf dem Fahrrad sei es anders, der täuscht sich. "Nicht so ängstlich!" heißt es da, wenn enge Lücken an überbreiten Erntefahrzeugen auf schmalen Feldwegen nicht im Sattel genommen werden. Da ärgert sich wieder Einer, dass er mal vom Rad herunter muss.
Vermutlich wird mich das Schicksal direkt vor der Haustür meines Arbeitgebers in Gestalt eines den Fußgängerweg benutzenden Radfahrers überfahren.Hoffentlich werden sie oder er Inspirationen gehabt haben.
Ich träume derweil von ausdruckslos glotzenden Jungmädels, die mit ihren Kleinwagen an meinem Kofferraum kleben, während ich zum Bahnhof fahre.

Mittwoch, 27. August 2014

Blueprints

Mit dem Schreiben per Hand tue ich mich schwer. Unvermittelt bringe ich in einzelnen Worten Abstände rein. Schon immer habe ich einzelne Buchstaben in Druckschrift geschrieben, doch geschah dies meist am Anfang eines Wortes und koordiniert. Nun schreibe ich einzelne Buchstaben mal in Schreibschrift und mal wieder in Druckbuchstaben. Manche Buchstaben verschlucke ich, so das m. Es ist ein Mangel an Konzentration, Koordination und das Bestreben, schnell fertig zu werden. Und dann fehlt die Übung. Aber auch mit hätte ich das Gefühl, es nicht mehr wie früher hinzukriegen.
Schon die Unterschrift mit meinem Namen bereitet mir Probleme, von sechs Buchstaben bekomme ich nur noch vier hin. Zum Glück gibt es außer einem Testament kaum etwas, was man komplett handschriftlich abfassen muss. Persönliche Briefe fallen wenige an (außer an meinen Bruder, den mein Gekrakel aber weniger interessiert).
Aber auch beim Schreiben auf der gebräuchlichen Tastatur schleicht sich meine zunehmende Flüchtigkeit ein.
Da fehlen schon mal ganze Worte oder ich komponiere bisher nicht gekannte Reihenfolgen der Buchstaben. Leider kann ich nicht objektiv beurteilen, ob meine Bemühungen um Kontrolle Erfolg haben. Feedback gibt es auch auf im Internet veröffentlichte Texte sehr wenig. Man solle, so klärte mich eine Dame, Mitglied im gleichen Verein wie ich, nach dem Schreiben und vor der Veröffentlichung immer alles Korrektur lesen lassen und meinte damit offensichtlich, Ihre Berufung unterstützen.
Handschriftliche Texte sind allerdings keine Blueprints, sondern Originale, die unwiderruflich entstehen und im Falle von Fehlern neu geschrieben werden müssen. Das und das Fehlen von "Copy & Paste" machen mir, bewusst oder nicht, Angst.

Montag, 25. August 2014

Salú

Gerade hat sich ein langjähriger geschäftlicher Kontakt von mir verabschiedet. Mein eigener Abschied wird mir dadurch auch immer bewusster. Im Laufe des Gesprächs kamen dann so angenehme Themen wie Alter, Krankheit und Rente in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Bei manchen Männern kollabiert in einem gewissen Alter die Lunge und sie finden sich auf der Intensivstation wieder, ohne das die Mediziner wissen, warum so etwas passiert. Es ist schon beeindruckend, auf wie viele Arten man dem Jenseits näher kommen kann und manchmal ein kleines Wunder, wenn es Einem selbst nicht geschieht.
Doch auch die Vergangenheit, der mich z.Z. widme, ist nicht so erfreulich. Es gibt viele Tagebücher des ersten Weltkriegs, die man nun lesen kann. Schon nach wenigen Wochen des Krieges offenbaren einem die Schreiber die Wirklichkeiten eines solchen Gemetzels, das so gar nicht zum patriotischen Vorspiel passt. Dennoch gibt es auch im Untergang unterschiedliche Betrachtungsweisen abhängig vom Rang der Soldaten. Während die Offiziere relativ frei hinter der Front herum fuhren, bleibt dem einfachen Soldaten nur die bedrückende Perspektive des Schützengrabens.
Harry Graf Kessler hat mich als Tagebuchschreiber bisher am meisten beeindruckt.

Freitag, 22. August 2014

Kabarett oder die "Weisheit der Moni"

Kommissar Bröhmann hat mich heute in Beschlag belegt. Dietrich Faber hat sich da eine tolle Figur ausgedacht und ihm einen sehr eigenen Ausdrucksstil verpasst, den ich sehr gut nachvollziehen kann.
Ich dachte mir spontan beim Lesen der ersten Zeilen, dass ich auf die Art und Weise mein Leben gut kurz und knapp beschreiben könnte. Das wäre ein machbares Projekt und wer weiß, vielleicht realisiere ich das bald.
Für nicht machbar halte ich es ohnehin, alles zu schaffen, was man sich vorgenommen hat. Das wäre ein erschreckende Vorstellung, nichts mehr vor sich zu haben. Ich will ja noch nach vorn gucken, auch wenn Dieter Hildebrandt mal bemerkte, vorn habe er noch nie was gesehen.
Völlig irrsinnig ist jedenfalls die Angst, etwas zu verpassen. Mit jedem Erlebnis verpasst man ja zwangsläufig irgend etwas anderes.
Dieses Leistungsdenken hat heute aber auch viele junge Leute erfasst, dabei ist es doch wichtiger was der Mensch ist und nicht was er glaubt, geschaffen zu haben.
Einstweilen halte ich mich an die letztens in der Leipziger Pfeffermühle gehörte und von Frank Sieckel so überzeugend geäußerte "Weisheit der Moni":

"Wenn de zwee Lotschen host
un eener is fort,
dann nutzen der alle beede nischt."




Freitag, 15. August 2014

Die Sonne

Es gibt kaum ein beliebteres seriöses Fotomotiv als den täglichen Sonnenuntergang. Schon die alten Ägypter verehrten die Sonne und spendierten ihr einen eigenen Gott. Mittlerweile scheinen wir vergessen zu haben, wie wichtig sie für uns ist. Der Klimawandel wird als Problem erkannt, obwohl es ihn schon immer gab und er in der Vergangenheit wohl weniger von Menschen als von der doch so verehrten Natur selbst verursacht wurde. Die Wissenschaft versucht durch historische Betrachtungen des CO²-Gehalts in der Atmosphäre sowie die Gegenüberstellungen von Durchschnittstemperaturen Vergleiche zu schaffen, die daraufhin deuten,
dass der menschliche CO²-Ausstoß nun die Balance der erlaubten CO²-Menge stört. Der Mensch mal wieder als das berühmte Zünglein an der Waage, die Uhr mal wieder auf 5 vor 12 gestellt. So etwas ist beliebt. Wer erinnert sich nicht an die täglichen Berichte über das Waldsterben und das Ozonloch? Wo sind sie geblieben?
Während Meteorologen noch nicht einmal das Wetter für den nächsten Tag genau vorher sagen können, macht sich Lieschen Müller im Idealfall mal Gedanken, wie sie die Produktion von CO² vermeiden helfen kann. Schlimm ist es besonders, wenn man dann zu sehen darf, wie engagierte Schauspieler dann ihrer Meinung zum besten geben. Vegetarisch oder gar vegan leben ist ja heutzutage schon fast Mode, auch wenn die Sachen dann vom Bioladen geliefert werden (hallo Umwelt?).
Jeder, der meint, moralisch on top zu sein, muss zum Klimawandel was sagen.
Angesichts der Gelder, die für die Verbreitung der "CO² ist schuld" - Theorie ausgegeben werden, sollte die Frage erlaubt sein, welche Protagonisten da eine goldene Nase dran verdienen.
Fest steht doch nur eins: die Sonne wird die Welt samt ihrem Arsch verbrennen und bis dahin sind sicher alle Geister à la "Klimawandel" in irgendeinem Nirvana verschwunden.  

Mittwoch, 13. August 2014

Blog 1. Weltkrieg

Das Tagebuch von Ernst Pauleit wird als Blog im Netz veröffentlicht. Ein Tagebuch, dem ich gern folgen werde, weil es gerade die Lücke deckt, die sich im wahren Leben längst aufgetan hat: es gibt keine lebenden Zeitzeugen mehr.
Je mehr man über den Ausbruch des ersten Weltkriegs und die folgende Zeit liest, desto klarer wird Einem, als welche Schmach der Frieden von Versailles empfunden werden musste.