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Mittwoch, 30. Mai 2012

2001 - XIII

Dias en la Vida

Schweren Schritts watete er bedeutungsvoll durch die Gassen. Die Saloontüren schwingen noch hin und her, eben noch hatte er an der Theke seinen Whisky aus Wassergläsern gekippt. Er fühlte sich in die Rolle eines Wyatt Earp versetzt, der mit seinem dunklen Mantel fast die Straße aufkehrte. Aus den Häusern quoll die Angst um ihn herum aus den Ritzen. Er roch sie und fast schon konnte er sie von seinem mächtigen Schnauzbart abperlen sehen. Er leckte sich die Lippen und fügte seinem Gang noch mehr Sicherheit hinzu. Keiner sah seinen Colt, hatte er überhaupt einen? Egal, so wie die Dinge lagen, würde er ihn in der Schwärze der Nacht nicht brauchen. Er genoss es draußen, denn drinnen war er ein Teil von ihnen. Da half ihm auch die doppelläufige
Flinte nicht, die er zuweilen unter seinem Umhang versteckte. Die Angst infiltrierte jedes Haus. Wenn er die morschen Holztreppen heraufgestiegen war, die Zimmertür hinter sich schloss und seinen Patronengürtel abgelegte hatte, konnte er es nicht mehr ignorieren. Im Schlaf schreckte er hoch und rannte los, um den Kampf zu suchen, nur um beim Aufflackern der Lampe zu sehen, dass es keine sichtbaren Gegner gab.
Er gewöhnte es sich ab, den schnellen Erfolg zu suchen, arrangierte sich mit dem wabernden Gefühl, wenn die Ungemütlichkeit der Angst eintrat. Mal nebelnd, mal fließend umgab sie ihn und nährte seine Gewissheit nicht mehr zu wissen, auf welcher Seite er stand. Für das Gute tötete er und manchmal zu schnell.
So kämpfte er allein fast aussichtslos um so härter der Sache willen. Ohne Aussicht auf Genugtuung oder Glück im Wissen und gleichzeitiger Ohnmacht der eigenen Macht.
Nein, einen Whisky brauchte er nicht an diesem Morgen, nur einen Kaffee und eine Zigarre, um die Sache hinter sich zu bringen. Josie würde heute in die Stadt zurückkommen. Aber diese Stadt ist kein Ort für sie.

Sonntag, 27. Mai 2012

2001 - XI

Chiclaner Spatzen

Genießen Sie Ihren Urlaub, lassen Sie sich von den Spaniern empfangen, nehmen Sie teil an diesem Leben.
So endete ein Vortrag der Reiseleiterin. Während allseits ein matter Applaus aufbrandete, dachten viele der Urlauber daran, was sie die nächsten Tage lernen würden. Viele fürchteten sich auch eher davor, in irgendein triviales Urlaubsgefühl zu versinken. Warum sich auf etwas einstellen, was so schnell vorbei geht?
Die Spatzen von Chiclana, sie sind etwas ganz Besonderes. Nicht, das Sie denken, sie sehen genauso aus wie zuhause, das wäre nur eine oberflächliche Betrachtung. Die Reiseleiterin tanzte schon fast.
Nein, sie haben Zigeunerblut in den Adern und einen arabischen Einfluss. Sie können und beherrschen den Flamenco perfekt. (Da sie allerdings kein festes Schuhwerk anziehen, hören sie die stampfenden Schritte nicht!)
Sie sind imstande, aus dem Stand einen Spagat zu vollziehen. (Das praktizieren sie allerdings nur sehr selten, da ein auf dem Bauch liegender Vogel mit seitlich abgespreizten Füßen eher dämlich aussieht und dazu sehr unbeweglich wirkt.) Unter den Spatzen von Chiclana herrscht allerdings die Ansicht, dass sich ein Ausflug nach Novo Sancti Petri lohnt, da dort die Hombres und Senoras aus aller Herren Länder in aller Öffentlichkeit vieles fallen lassen, wonach sich das Picken lohnt. So hüpfen ganze Scharen unserer braun gesprenkelten Chiclaner Spatzen zusammen umher, um stakkatoartig zuzustoßen. Hier ein Keksbrösel, da ein Stück Pollo, wer weiß. Das ist leckerer als andern Orts. Wenn auf dem Boden nicht genügend übrig bleibt für alle, hüpfen sie zur nächsten Liege, sperren den Schnabel auf und starren mit andalusischen Augen jeden an, der ihren Blick erwidert. "Poolhopping" nennen sie das intern. Nahrungsquellen bilden hier die widerrechtlich von den Touristen aus den Speisesälen entführten Rationen bzw. deren Reste. Die schmecken natürlich auch kleinen ortsansässigen grünen Eidechsen gut, die mit ungewohnten Bewegungsabläufen (sich halbwegs auf den Rücken legen) einen Teil der Nahrung abspenstig machen wollen. Aber nicht nur die Lufthoheit haben die schnelleren und zahlreicheren Chiclaner Spatzen.
Ein letztes Mal sprühte die Reiseleiterin aus dunklen Augen ihren südländischen Charme über das Urlaubermeer.
Im Vortrag fand sie das Ende nicht ohne die vielfältigen Ausflugsmöglichkeiten zu erwähnen. Dabei stand die Urlaubsplanung eigentlich schon lange fest. Morgens zuerst an der Liege sein, das Beste für sich und die Seinen aus dem Speisesaal herausholen und vor allem schön braun werden. Die Spatzen von Chiclana sind es bereits.



Dienstag, 22. Mai 2012

2001 - VI

Gedankenwahl

Frisch gedruckt und schon gebunden,
oder alt und gelb zerschunden,
liegen sie in großer Zahl,
Einband schön, gute Wahl.

Sonntag, 20. Mai 2012

2000 - IV

What happened?

What happened? Fragte die neudeutsche Transenimitation mit einem Blick wie eine frisch geschwängerte Auster. Dabei erwies "sie" sich eher als bieder altdeutsche Bemühung, etwas Pep in einen gekünstelten Beziehungsfilm hereinzubringen.
Oder ist das alles ist nur der Epilog zu einem neuen Versuch, die Welt in schwarz und weiß einzuteilen?
Denn am Anfang saß in der Ecke der kleine Jasagerzwerg "Jaz" und machte ein Gesicht. Da verlor der große arrogante Schnösel "Gas" seinen Traum bei dessen Anblick und beschloß, alles aufzuschreiben, solange er noch über genügend Traummasse verfügte. Gerade hatte er eine Grenze irgendwo zwischen Arkansas und Wiskonsin überquert, die in einem Fußgängertunnel lag, dabei mißtrauisch beobachtet von den Grenzern. Er war Berge hinab Ski gefahren, bis der Schnee zu Ende war und mußte nun zu Fuß gehen. Das alles war Geschehen, bevor der Jaz ihn ansah. Der Jaz betrachtet den Gas ständig, egal ob dieser nun schon in Singapur mit seinen Hochhauslandschaften im Jet vorbeigerollt ist oder von Straßenbahnen in deutschen Vierteln verfolgt wird.
Jasagezwerge sagen entgegen Ihres Namens nicht zu allem ja, insbesondere nicht zu einem großen arroganten Schnösel. Der Gas dagegen hat nichts gegen den Jaz, er sieht ihn ja meistens nicht. Der Jaz hat viel, sehr viel Angst, nur nicht vor dem Gas. Im Herzen des Jaz herrscht ein wildes Durcheinander von fremden Gedanken. Da kreuzen sich Bibelsprüche mit eigenen Losungen und politische Allgemeinplätze liegen in vollem Mißtrauen. Seine körperliche Kleinheit macht dem Jaz zu schaffen. Der Gas sieht das nicht, weil er sie selber nicht kennt.
Der Jaz braucht Ersatz: Achtung, Besitz und Erfolg müssen ihn immer wieder bestätigen. Der Gas glaubt, schon alles zu haben und merkt nicht, wie ihn die kleinen Jaz immer wieder hindern und umgehen. Irgendwie möchte er gern mit den kleinen Jaz reden, aber sie verstellen sich, sooft er sie anspricht.
Freundlich sind die Jaz nur beim Jasagen, denn sie haben eigentlich Angst vor dem Nein. Sie erkennen sich gegenseitig am Augenblick und wissen sofort: ein Ja hilft weiter. Nur dem Gas geben sie ein verstecktes Nein, ein offenes widerspräche ihnen. Oft wundert sich der Gas darüber und versucht dies durch Umschmeichelung eines Jaz zu ändern, um einmal so freundlich behandelt zu werden wie ein Jaz.
Das geht soweit, daß der Gas sich klein machen will wie ein Jaz. Ein Jaz liebt aber keine Veränderung, erst recht nicht die Verwandlung eines Gas in seines Gleichen. Er machte dann immer weiter ein Gesicht.
Der Gas ist auf das Treffen mit anderen Gas angewiesen, aber die sehen immer nur sich selbst.
Was ist geschehen? Jeder möge entscheiden, welche Kategorie in diesem Spiel Bestand hat. Gase verschwinden und entstehen neu, das Ja bleibt ewig bestehen aus Angst vor dem Nein.

Sonntag, 13. Mai 2012

2000 - XXI

Gratin

Den ganzen Hexenzauber überlebst Du nur,
wenn Du Dir aneignest des Teufels Statur.
Der Versuch eines Kartoffelgratins artete zum Gemüseaufstand aus.
Röchelnd, mit dem Schlag seiner Pfote, machte er ihm den endgültig den Garaus.
Es war lediglich die äußere Form gewahrt,
geschmacklich hat sich die Apokalypse offenbart.
Sie blickte so konsterniert vom Teller auf,
da nahm eine Handyschar von Jungmädels ihren Lauf.
Alle hielten zur "Sehr her, ich habe ein Handy"-Gestik
eine "Aber ich verstehe nicht"-Blickmimik mitgebracht.
Die Gedanken und die Analyse der seltsamen Genetik
reichten und der Führer hätte aus ganzem Herzen gelacht.
Sicher erläßt und erlaubt er nur Führernetze
mit fest einprogrammierten Reichskristallnummern.
Hilfe von außen erwartet keiner dieser Sätze,
dumpf und brüllend beginnt es in ihr zu schummern
Sie sticht mit der Gabel fest zu und stöhnt,
der Satan ißt ihr einfach zu verwöhnt.
Gute Gäste reklamieren so nie,
sie halten den Koch stets für ein Genie.
Da fühlt er diesen teuflischen Schmerz,
erst hält er das alles für einen Scherz,
dann eilt er keuchend atmend zum Spiegel:
ein schuldiges Wesen hat nun Flügel,
vergißt die Hölle und ihre Zügel.
Sich ihr nähernd beginnt er zu wabern
als güldener Nebel, um sie zu erahnen.
Doch sie, einst Herrin von Kandelabern,
ist nun Politesse, in engen Bahnen.
Als Schönheitskönigin durch sein Herz gekürt,
hat sie ihm eilends sein Vehikel entführt.

Freitag, 11. Mai 2012

2000 - XIX

Öffentlicher Nahverkehr

Die Arme des Nachbarn werden langsam breiter,
da ist die Betriebsstörung, es geht nicht weiter.
Vielleicht klingt es jetzt zu vermessen,
ich habe einmal besser gesessen.
Gleich gebe ich dem Nachbarn einen Kuß,
damit dieser endlich aussteigen muß.
Es gab da doch einen Unfall,
meldet der Fahrer mit Krawall.
So blättere ich meine Zeitung um,
lese über allen Worten herum.
Von Hilfsbereitschaft und Toleranz
steht es gedruckt ohne Firlefanz.
Dermaßen und über alles belehrt
fühle ich mich so richtig verkehrt,
mache mich noch ein bißchen kleiner,
meinem Nachbarn geht es noch feiner,
schlägt den Koffer mir auf mein Knie,
der Schmerz danach läßt nach und wie!
Eine alte Dame faßt über meinem Kopf
Und erreicht dann auch endlich den Halteknopf.
Die Türen sind sogleich offen,
eine neue Freiheit läßt mich hoffen.
Mein Nachbar ist sofort aufgestanden,
mir ist wie im Flieger nach dem Landen.
Fast möchte ich applaudieren,
um mir Beifall zu spendieren.
Da ertönt wieder einmal die Stimme,
die Störung geht noch weiter, die schlimme.
Der Nachbar kommt schon wieder zurück,
ich zucke, rucke, rutsche ein Stück.
Da sagt er: was sind Sie empfindlich!
Wohin denken Sie: nur befindlich.

Donnerstag, 10. Mai 2012

2000 - XVIII

3. Oktober

Einigkeit und Recht:
Banane
und Freiheit, Urlaub:
Spanien,
Speisesaal und Strand:
Banane,
Feiertag im Bund:
Flughafen,
Republik nimmt mit:
Banane.

Dienstag, 8. Mai 2012

2000 - XVI

Handwerkszeug

Sie müssen schon mehr tun, als nett sein, junger Mann!
rief die ältere Verkäuferin ihm zu, als er ratend vor dem Verkaufstresen stand.
Die jüngere pflichtete eifrig bei.
Was darf es denn sein? Ein Brötchen bitte!
Vollkornbrötchen? Nein, er wünschte sich ein weißes, schmales mit einer Kerbe in der Mitte.
Nein, ein weißes bitte!
Kaiser-, Rosen-, Buttermilch-, Mohn-, Sesambrötchen oder eine Schribbe?
Er grübelte, früher war alles so einfach, das zum Bäcker gehen und einfach Brötchen verlangen
und bekommen.
Dieser Luxus des Auswählens brachte ihn in Verlegenheit, obgleich
preislich eine gewisse Angemessenheit mit dem Angebot zu erkennen war.
Ungefähr so schwer wie aus der Form des Brötchenteigs sich das Endprodukt vorzustellen, ebenso belastete
es ihn, den Geschmack des Endprodukts zu erahnen.
In der Präbackmischungszeit hatte eine gewisse Unverwechselbarkeit beim Biß ins Brötchen gewirkt.
Das frische Innere und die knusprige Schale, die Erinnerung daran schlug Wellen in seinem Gedächtnis.
Unzufriedenheit stand in seinem Gesicht und fiel auf ihn zurück.
Backen Sie doch selbst, junger Mann! barschte die Alte ihn an.
Gute Idee, aber mit welchem Grundteig?
Er machte sich ja seine Wurst auch nicht selbst,
der Gedanke mit einem Eimer Wurst und einem Meter Darm den Metzger zu verlassen,
kam ihm amüsant vor.
Fast normal dagegen, sich die Brötchen selbst zu verbrennen.
Weißen Teig bitte! herrschte er die junge Verkäuferin an.
Da müssen sie morgens früher aufstehen, jetzt ist der Teig ausgegangen.
Er war versucht zu fragen, wohin. Gut dann eben ein Baguettebrötchen, der Ausweg!
Hatten Sie vorbestellt? Schaltete sich die Alte ein, ein bißchen triumphierend.
Sein Auge fiel auf ein eingepacktes Stück Weißbrot, geschnitten.
Sandwich ist weißer als Brötchen und weicher.
Aber es fehlt der Charakter.


Träume weiter diesen chrunchigen Traum
Und nimm' das Innere aus dem Brötchen
die Kruste davon ist gebräunter Flaum,
die Vorstellung davon gibt Dir Pfötchen.

So hauchte die holde Bäckersfee.
Er zog ein weißes Taschentuch aus der Hosentasche, musste er nicht zur Tankstelle?
Knacke uind backe, wenigstens die im Regal weißen Brötchen!

Freitag, 4. Mai 2012

2000 - XIV

Von der Lippe

Es stehet ein Verslein vor der Tür,
lass' es nicht rein, ich kann nichts dafür.
Da lärmen plötzlich ein paar Gedichte,
persönlich mag ich lieber Geschichte.
Hochnäsig naht die Poesie,
trägt bauschend auf und schleimt wie nie.
Die Lyrik dagegen will viel verstecken
in verborgenen und halbdunklen Ecken.
Als Wahrheit will uns wohl erscheinen
das Essay als Versuch im kleinen.
Die Erzählung und der Aufsatz
bietet der Wahrheit keinen Platz.
Es gilt garnicht zu interpretieren,
sei es gesagt und soll nicht genieren.
Ein Verslein steht auf der Kippe,
es kommt mir nicht von der Lippe.

Sonntag, 29. April 2012

2000 - IX

ES

Es tut mit leid, ich habe das nicht gewollt, sagte Gott und zog sich in den Schmollwinkel seines Daseins zurück.
Gerade war die Schöpfung zu Ende gegangen.
Es kann passieren, war seine Meinung.
Es war einmal, er kannte es nicht.
Wer oder was war dieses kleine große "Es", das ihn überall umgab.
Es schwärmte über seinem Kopf aus, es war aktiv und doch da.
Er weiß es, es ist vorgekommen, erschließt sich seiner Betrachtung, schmeckt gut.
Es könnte sein, Du fasst es nicht, es macht sich.

Samstag, 28. April 2012

2000 - VIII

Off cause!

Das geschah bisher: die Blätter rauschen unbeständig wie die Kurse der Wertpapiere.
Das Wort Gewinn schwebt über erwartungsfrohen Köpfen,
ab und zu fällt ein Moorhuhn herunter. Es geht nichts über eine sichere Beute.
Die Jagd endet mit wenig Erfolg.
Was geht? Die Moralapostel ziehen sich verschämt in die Trendyecken zurück.
Dort bieten sie ungestört ungenierte Profile als Rezepte zum Nachkochen an.
Als Desktopmotiv gut geeignet, nicht um damit zu arbeiten.
Arbeit steht im Trainingsplan nicht mehr im Kontrast zur Ruhe.
Stille Bewegung sieht gut aus, manchmal Aufregung sachlich thematisieren, das hilft.
Analyse und Rating auf der Basis von Eckdaten.
Die Motivation bleibt das Ziel am Ende des Wegs.
Alle wollen, keiner kann.
Die Blätter sprießen fast schlagartig hervor,
ewig singen die Wälder, nur solange das Verhältnis zwischen innerem Wert und Gewinnerwartung stimmt.
Zu Englisch: Shareholder value in Korrelation zu political correctness.
Watt is leading to results?
Trading am Euroboard, E-Commerce statt Unterhaltung oder Käse auf dem Brotbrett.
Das Ohr summt ständig dazu: gesund sterben, reich und glücklich.
Of cause!

Donnerstag, 26. April 2012

2000 - VI

Entdecke die Möglichkeiten ..

Er hat auch schon länger Probleme mit der Erektion und jetzt eine Vakuumpumpe bekommen.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, denn mit der Pumpe funktioniert es nicht so richtig?
Pioneer 10 wird nach Schätzungen der Wissenschaftler wahrscheinlich seinen Heimatplaneten Erde überleben.
Dunkle, sonnengebräunte Holzhäuser erheben sich auf soliden weissen Steinfundamenten
und wechseln sich mit vereinzelten, weissgetünchten Steinbauten ab.
Ein gepflasterter Weg führt durch das Dörflein zur Kapelle und dem schönen,
mit Steinplatten gedeckten Brunnen, welcher leicht erhöht am Dorfweg steht.
Wenn sich die Sonne in fünf Milliarden Jahren zum Roten Riesen aufbläht und kochende Ozeane
das Ende der Erde anzeigen, dann dürfte der bislang erfolgreichste Raumfahrtpionier
immer noch die Gefilde unserer Milchstraße durchpflügen.
Es scheint, als wäre die Zeit stehengeblieben.

(Entnommen aus:
Frankfurter Neue Presse vom 31.März und 1. April 2000 und
Die Lupe, Das Magazin für den Briefmarkenfreund, Ausgabe März 2000)

Freitag, 20. April 2012

2000 - III

Gö, holt Haider !

Der Schwung wird besser und die Erkenntnis trifft Dich wie ein Messer.
Es war immer so und wird immer so sein:
Österreich ist des Deitschen Heim.
Was zuhause längst vergessen scheint,
findest Du nur hier, mein Freind.
Hast Du das erst einmal kapiert,
nur Urlaubsfreude Dir passiert.
Der Dichter kauft sich eine Vignette,
fährt davon und sprengt die Kette.
Vier Sterne namenlos am Himmel stehen,
die Berge sind doch wunderschön.




Donnerstag, 12. April 2012

Wolfgang Herrndorf – Sand

Man könnte meinen, hier habe jemand möglichst viele Klischees zusammen gestellt und sie durcheinander gewürfelt. Aus den vielfältigen und genau beobachteten Eindrücken ist dann die Aufgabe erwachsen, einen roten Faden zu finden, der das ganze zu einem Roman macht.
Dieser rote Faden ist der Irrwitz des Lebens, der konsequent durchhält. Der Irrwitz, den wir alle kennen, den die meisten jedoch verdrängen, denn das menschliche Gehirn neigt dazu, Zusammenhänge zu erkennen, wo es keine gibt.
Falscher Ort, falsche Zeit, diese Umstände kosten den meisten Menschen das Leben. Und so geht es schlussendlich auch dem Protagonisten, der den Namen Carl trägt, weil er seinen eigenen Namen nicht mehr kennt. Man hat ihm den Schädel eingeschlagen und er darf trotzdem weiter leben, ohne zu wissen warum und mit der Verzweiflung sich selbst finden zu müssen. Denn sie sind hinter ihm her, er hat etwas, was sie brauchen. Ist es eine Mine? Eigentlich auch egal. Da taucht Helen auf, die Frau, die sein Schicksal von nun an in der Hand halten wird. Eine Geheimagentin und der völlige Antitypus, zu all dem was Mann gemeinhin unter Frau versteht.
Das Ganze spielt in einer nordafrikanischen Hafenstadt, die natürlich von einer Wüste umgeben ist, in der sich eine Oase befindet. Und da das Ganze in den Siebziger Jahren spielt, darf eine Hippiekommune nicht fehlen, in der ein paar frühe Vorfahren der heutigen Aussteiger ihr durchgeknalltes Leben fristen. Hier besucht Helen eine Schulfreundin, die wirklich köstlich dargestellt wird. Mehr sei nicht verraten. Die Handlung besteht in erste Linie aus Verfolgungsjagden. Carl wird zunächst von Helen in ihrem Hotelappartment aufgenommen, zwischendurch immer wieder von üblen Gestalten gejagt, verprügelt, verhört und hört selbst nicht auf mit der Suche nach der Wahrheit. Helen haut ihn ein um das andere Mal aus dem Schlamassel, nur um am Ende drauf zu kommen, dass mit Carls Geschichte etwas nicht stimmt. Der amerikanische Geheimdienst, wir ahnen es, hat wie immer die Finger im Spiel und lässt Carl foltern, um ihm endlich sein Geheimnis zu entlocken. Eine absurde Situation für Menschen, der unter einer Amnesie leidet.
Soviel sei verraten, es gibt kein Happy End für Carl. Er wird angekettet und in einem unterirdischen See eines Bergwerks sich selbst überlassen. Der Leser darf den Überlegungen des Überlebenskampfes folgen und wird sich auch nicht wundern, wie viel ein Mensch ohne  Essen und Trinken leisten kann Dazu ist die Geschichte zu absurd. Figuren tauchen auf und spielen einfach keine Rolle mehr.
Der Weg ist das Ziel, so könnte das Motto dieses Buches lauten. Das es einen trotz eines fehlenden Sinns fesselt, liegt an den vielen kleinen Momenten, wo die Wahrheit durch den Sand scheint. Das Leben wird in seiner Banalität und dem oben schon genannten Irrwitz derartig bloß gestellt, dass man oft genug ein inneres Schmunzeln, ja sogar ein Lachen nicht vermeiden kann.

Warum ich nun nach dem Schreiben der Zeilen von zwei Fischen, einem goldenen und einem roten geträumt habe, weiß ich nicht. Sie schwammen am Rand des Beckens, der rote bedrängte den goldenen und sprang schließlich aus dem Wasser. Vorsicht, rief ich ihm unsinnigerweise zu, aber da lag er schon auf der Erde und zappelte. In der Ausführung der  Aufgabe, ihn wieder ins Wasser zu setzen, wachte ich auf. Mein „Sand“ liegt offensichtlich unter Wasser. Und er passt in keine Schublade.

Freitag, 30. März 2012

1999 - XI

Deadly Unliving Show

Fakten, Fakten, Fakten, brüllte der Dicke, hieb mit der Faust auf den Tisch
und stierte ausdrucksvoll. Er war im falschen Film, nicht seine Redaktionssitzung lief hier ab,
Tatsache ist, dass Sie mit Ihren Gästen keine Zuschauer ansprechen.
Die Quoten sinken und das heißt: ganz schnell muß ein neues Konzept her.
Vielleicht ohne Sie ? Sie haben noch eine Chance ! Welche ?
Der Moderator grübelte, als wachte er aus einem bösen Traum auf.
Da war etwas, er mußte es einladen. Etwas, das es garnicht gibt, die Attraktion.
Keine anderer Sender hätte da eine Chance. Einladendes Es fesselt uns,
so sah er die Schlagzeilen, eine nach der anderen an sich vorbei laufen.
Moderator bietet dem Tod brillant die Stirn. Unmenschlich gut, schreiben Sie das.
Raus aus diesem Gefasel, ja dann will ich mal, an die Arbeit, Sie verstehen ?
Allgemeines Grinsen folgte im versteckt auf den Flur des endlosen Korridors,
trieb ihn in das kleine Aufnahmestudio.
Große Bühne, Vorhang auf !
Gelungen, ein selbstzufriedener Moderator tritt auf, lächelt und begrüsst das Publikum.
"Heute habe ich die Ehre, Ihnen einen ganz besonderen Talkgast vorzustellen.
Es ist etwas ganz persönlich anwesend, sozusagen das Ende am Anfang und das Beste ist,
es ist völlig inkognito. Stimme und Name sind tot. "
"Sehen Sie doch nur in den Spiegel, ich bin bei Ihnen !"
So bildeten sich Worte wie eine schweigsame Wolke und mündeten in ein Mikrofon zwecks Verdeutlichung.
"Nun, meine Damen und Herren, wir wissen schon, es zielt auf den Schwachpunkt unseres Lebens ab, das unvermeidbare Ende als Fanal unserer Körperlichkeit.
Selbst die größten Kulturleistungen der Menschheit verstummen am Ende.
Es zielt sicher auf das mit dem "Ackermann aus Böhmen" geführte Gespräch ab. Johannes von Tepl schrieb davon."
In den Raum gewandt sprach der Moderator es direkt an: "Sie führen die Schlechtigkeit und Nichtigkeit des menschlichen Seins an und setzen die menschliche Körperlichkeit mit einem Kotfass gleich.
Ihr Streit ging immerhin nur unentschieden aus, da Gott dem Mensch als Kläger die Ehre gab, ohne ihre Funktion auszusetzen.
Wäre es nicht an der Zeit, angesichts der sich verschiebenden Grenzen zwischen göttlicher Natur
und menschlicher Technik, den Dialog mit einem neuen Ergebnis wieder aufzunehmen ?"
Der Moderator lehnt sich nun souverän zurück im Angesicht seiner hohen Gedanken. Es aber sprach zu ihm: "So höre, wem Gehör gegeben: Gott bekennt sich zum Tod. Ihre Fragen danach sind ohne Sinn für Ihre Existenz.
Fragen bedeuten Suche nach Erkenntnis. Wollen Sie gottgleich erkennen ?"
Der Moderator räuspert sich und unterbricht: "Ein Kotfass kann sicher keine Erkenntnis gewinnen, ist es das, was Sie uns sagen wollen ?"
Es drängte, Energiewolken produzierend an die Öffentlkichkeit: "Sie fertigen Bilder an, die mit Erkenntnis nicht im Zusammenhang stehen.
Das materielle Erscheinungsbild schafft Grenzen, die Ihnen Bilder vermitteln.
Sie sehen, was Ihnen vorgesehen ist zu sehen und manchmal noch nicht einmal das.
Ihre Bestimmung können Sie nicht verleugnen. Sie stellen Fragen und werden vor den Ergebnissen geschützt."
Zum Publikum gewandt fragt der Moderator zwischen: "Wie erklärt es sich dann, dass der Mensch als einziges Lebewesen über ein bewusstes Denken und Handeln verfügt, dass ihm, wenn auch begrenzte, Erkenntnis verschafft ?
Wozu hat die Schöpfung uns so verschwenderisch ausgestattet ?"
"Sie brauchen Bilder um zu verstehen. Nehmen Sie ein Lebewesen wie einen Vogel, seine komplizierten Lebensvorgänge sind wie die Ihren auch vollkommen einprogrammiert in die unbewussten Bereiche seines Daseins.
Stellen Sie sich vor, der Vogel versucht bewusst, seine Flügelbewegungen zu steuern, er wird abstürzen.
Sie selbst schaffen es nicht, ihre inneren Abläufe zu ignorieren.
Ihre Welt funktioniert weitgehend ohne Sie und besteht auch ohne ihre Existenz.
Im kosmischen Sinn zeichnen sich Wesen mit "Bewusstsein" eher dadurch aus, dass sie schnell Materie, die sie umgibt, verändern.
Sie haben da so einen schönen Begriff: "Freie Radikale".
Da die Materie ohnehin nichts Bleibendes ist, wie manche von Ihnen glauben, richten Sie im Grunde keinen Schaden an.
Meine Funktion ist Ihrem Leben immanent.
In Ihrer Begrifflichkeit bin ich der "Tod",
Sie könnten mich auch Dateimanager nennen und mir einen Icon verpassen."
"Ein Skelett wäre da das passende Symbol ?" fragt ein nachdenklicher Moderator."
Ein tanzender Derwisch saugt sich mitten in der Bühne ein: "Sehen Sie nur Ihre Bilder an:
Ihr Skelett trägt den Körper, geradezu ein Symbol des Lebens, der Schädel schützt Ihr Gehirn, auf dass Sie so stolz sind.
Ein Wunderwerk, auf dass die Schöpfung kaum stolz ist.
Um nicht zu hart zu erscheinen, manches Mal stelle ich mir wie Sie die Sinnfrage, wie kann ich ohne Ihr Leben sein ?"
Der Moderator protestiert: "Sie jagen uns mit unseren eigenen Erkenntnissen ins Boxhorn, was sind Ihre originären Gedanken ?"
"Individualismus ist das Ergebnis Ihrer Relationen zur übrigen Materie. Ihr Geist scheint nicht materiell, ist dennoch das Ergebnis Ihrer körperlichen Energie.
Energie, die sich in Ihnen bricht und dennoch vervielfältigt.
Sinn Ihrer Form ist es sicher Erfahrungen zu sammeln. Egal welcher Art und wie elementar." "Vielen Dank für Ihre Ausführungen!" Der Moderator kratzt sich gelangweilt am Kopf. "Der Mensch ist Ihnen zufolge ein Teil des ewigen Lebens. Sie existieren also wirklich nicht ?"
"Es ist ein Grundthema des Bewusstseins, die Endlichkeit zu empfinden und nach der Überwindung dieser zu streben.
Dieses Streben ergibt den Sinn. Somit ist meine in Ihrem Körper integriertes Ableben sinnvoll.
Sie sollten ein wenig dankbar sein. "
"Ja, es heisst ja wohl, der Tod, das muss ein Wiener sein,
in diesem Fall ist er ein Schlawiner und setzt sich den Heiligenschein auf."
Es tönte: "Ich kann aber ooch sächseln !"
"Hervorragend, das erleichtert den Abschied. Das Ende ist also nicht real, ist es Ihr Bild ?"
"Sehen Sie es, wie Sie wollen, das ist nicht meine Sendung, aber sie ist zu Ende."
Ein überraschter Moderator: "Nicht wirklich ?"
Der Aufnahmeleiter nickt, der Abspann läuft.

Dienstag, 20. März 2012

1999 - IV

ASAP_IPO

sagte der Herr und das Geschirr blieb draußen.
Der Master der unlösbaren Terminpläne lächelte unwissend.
Die Indianer schwiegen und der große Berater fragte in ihre unbeirrbare Runde:
müssen wir das umsetzen oder ist es nur: nice to have ?
Der Gringo mit dem Sombrero unter ihnen murmelte: wir machen es quick und dirty, eh ?
Es fand sich keine Schürze, um die vielen herrenlosen Fragezeichen einzufangen,
die im Raum umherschwebten.
Auch die Bewegung der aufstehenden Krieger vertrieb sie nicht.
ASAP, bedeutete Ihnen der große Häuptling, bereit die Friedenspfeife anzuzünden,
obwohl es noch keinen Krieg gegeben hatte.
Als sich die Versammlung in Rauch auflöste,
blieben die großen Terminpläne für immer ein IPO,
leider hält das Papier nicht ewig.

Samstag, 10. März 2012

1998 - IV

Portugal

Das ist so eine gute Wahl,
im Sommer geht's nach Portugal.
Wir fahren garnicht nach Spanien,
auch nicht nach Mesopotamien,
im Thüringer Wald ist es zu kalt,
die Nordsee langweilt einen doch sehr bald !
Ich glaube es nun auf jeden Fall:
Urlaub ist nur gut in Portugal !

Donnerstag, 8. März 2012

1998 - II

Ein deutscher Gruß

Danke schön und bitte sehr,
so liebt es der deutsche Herr.
Guten Tag, auf Wiedersehen,
darauf will er immer bestehen.
Sein "Was haste, was kannste, was biste",
es verfolgt Dich bis in die Kiste.
Am Himmelstor der Herr wird sitzen
mit irgendwelchen dicken Listen.
Du sollst in der Hölle schwitzen,
dabei wird er Dich dann siezen.
Er fragt Dich nach der Reservierung, Mann.
Du hast sie nicht, verschwinde dann !
So merke: Freundlichkeit, die gibt es nur,
hast Du gesellschaftlich Statur.
Es bleibt Dir nur zum Abschied zu singen,
in Dir will es die ganze Zeit schon swingen:
danke schön und auf Wiedersehen ...

Montag, 5. März 2012

1980 - LI

Königin

Meine Königin hat schöne Beine,
mein Königreich ist 78qm groß
und liegt auf einer Etage,
meine Königin hat einen Purpurumhang,
meine Droschke hat kw,
sie zeigt mir ihr Perlmutt
und ich verliere mich in den zarten
Windungen der Muschel,
kein Anschluß unter der Nummer
meines Telefons,
selbst fahre ich zur Jagd,
die Königin sitzt neben mir
im Wolfspelz,
knirschend rutschende Räder,
Schnee,
die Zentralheizung meines
Königreiches lärmt
und verursacht quellende Augen,
Durst und ausgetrocknete Hälse
trotz preußischblauem Hintergrund
für die Orangen im Fernsehen,
das schale Bier und die Qual der Prospekte,
tausendfach weiches Papier gespült
im Schlund der Abflußrohre,
kistenweise Papier und Glas vom
Wochenende mit der Königin,
die Fata Morgana zeigt ihr wirkliches Gesicht,
die Kehrseite, die trennt und doch verbindet,
wo ist das Königreich des Herzens ?
Der weiße Held, der schwarze Dämon.

Sonntag, 4. März 2012

1980 - L

Auch die Hessen haben süße Töchter

Sportliche junge Damen kennen kaum Probleme mit den Pfunden und der Figur.
Ehefrau Andrea: "Wir haben nicht den geringsten Grund, das Geschäft zu bedauern,
so angenehm sind wir noch nie ins neue Jahr gerutscht."
Kein Wunder bei dem Talent.
Durch einen unwahrscheinlichen Zufall ist jetzt entdeckt worden,
daß vor 20 Jahren eine Mutter ihren dreijährigen Jungen verhungern ließ.
Die Waschmaschine der Kompanie blieb leer,
das Geld stecken wir lieber ins neue Haus.
Aber jetzt schon damit posieren ?
Mannequins haben's halt auch manchmal schwer,
meist gebe es keine Leistungssteigerung,
Marion und Vicky überlegen aber,
ob sie die Hüllen fallen lassen.
Im Kaisersaal sorgen sie "für das gewisse Extra" und
verleihen dem Frankfurter Rathaus bei großen Empfängen den festlichen Glanz.
Auf diese Weise soll die nach wie vor weitverbreitete und
umweltfeindliche Öl- und Kohle-Einzelheizung drastisch zurück gedrängt werden.
Mitmenschlichkeit, die Bundespräsident von Weizsäcker forderte,
ist kein leeres Wort.
Schön und gut - ein aufregender Einteiler im Leopardenlook,
find' ich auch chic.
"Lady Tiger", die bei einem Aufenthalt ihrer Familie im Airporthotel
in eine Klimaanlage gelaufen ist
und daher in Deutschland bleiben mußte,
kommt vermutlich zu einer Dame.
Die Studiochefin macht derzeit verstärkt Jagd
auf die schönen Mädchen von Rhein-Main,
um sie gegen Honorar, nackt oder zumindest halbnackt,
ins Blatt zu kriegen.
Wer nimmt da noch ein Blatt vor den Mund ?

aus: Armenlust Nacktausgabe