Direkt zum Hauptbereich

2000 - XIX

Öffentlicher Nahverkehr

Die Arme des Nachbarn werden langsam breiter,
da ist die Betriebsstörung, es geht nicht weiter.
Vielleicht klingt es jetzt zu vermessen,
ich habe einmal besser gesessen.
Gleich gebe ich dem Nachbarn einen Kuß,
damit dieser endlich aussteigen muß.
Es gab da doch einen Unfall,
meldet der Fahrer mit Krawall.
So blättere ich meine Zeitung um,
lese über allen Worten herum.
Von Hilfsbereitschaft und Toleranz
steht es gedruckt ohne Firlefanz.
Dermaßen und über alles belehrt
fühle ich mich so richtig verkehrt,
mache mich noch ein bißchen kleiner,
meinem Nachbarn geht es noch feiner,
schlägt den Koffer mir auf mein Knie,
der Schmerz danach läßt nach und wie!
Eine alte Dame faßt über meinem Kopf
Und erreicht dann auch endlich den Halteknopf.
Die Türen sind sogleich offen,
eine neue Freiheit läßt mich hoffen.
Mein Nachbar ist sofort aufgestanden,
mir ist wie im Flieger nach dem Landen.
Fast möchte ich applaudieren,
um mir Beifall zu spendieren.
Da ertönt wieder einmal die Stimme,
die Störung geht noch weiter, die schlimme.
Der Nachbar kommt schon wieder zurück,
ich zucke, rucke, rutsche ein Stück.
Da sagt er: was sind Sie empfindlich!
Wohin denken Sie: nur befindlich.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

2002 - X

A rock feels no pain and an island never cries.. Auf der Insel Wahrheit gestrandet, möglicherweise völlig versandet? Einfacher jede Klippe zu umrunden, die Wirklichkeit darstellt und wählt, sich über den Riffen zu bekunden: der eigene Weg nur zählt! Auf dem Meer der Lügen, da lässt es sich gut segeln. Denn im Meer der Lügen, da gibt es keine Regeln.

Platz

Ein großer Flachbau im Industriegebiet, das nennt sich hier "Lieblingsplatz" für Hunde. Nix mit familiären Anschluss oder persönlicher Betreuung wie noch zu Schönecker Zeiten. Auch für Hunde ist das Leben in Lippe härter als gewohnt. 

Wolfgang Herrndorf – Sand

Man könnte meinen, hier habe jemand möglichst viele Klischees zusammen gestellt und sie durcheinander gewürfelt. Aus den vielfältigen und genau beobachteten Eindrücken ist dann die Aufgabe erwachsen, einen roten Faden zu finden, der das ganze zu einem Roman macht. Dieser rote Faden ist der Irrwitz des Lebens, der konsequent durchhält. Der Irrwitz, den wir alle kennen, den die meisten jedoch verdrängen, denn das menschliche Gehirn neigt dazu, Zusammenhänge zu erkennen, wo es keine gibt. Falscher Ort, falsche Zeit, diese Umstände kosten den meisten Menschen das Leben. Und so geht es schlussendlich auch dem Protagonisten, der den Namen Carl trägt, weil er seinen eigenen Namen nicht mehr kennt. Man hat ihm den Schädel eingeschlagen und er darf trotzdem weiter leben, ohne zu wissen warum und mit der Verzweiflung sich selbst finden zu müssen. Denn sie sind hinter ihm her, er hat etwas, was sie brauchen. Ist es eine Mine? Eigentlich auch egal. Da taucht Helen auf, die Frau, die sein Schicksal...