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Montag, 2. Juli 2012

2003 - II


Irgendwann

vergesse ich im Worthagel
eure zappelnde Ignoranz
genauso wie das Lachen meiner Mutter
und den ersten Kuss,
lasse mich ein auf den weißen Blitz
und hoffe, das es nicht
die schwarze Unwissenheit ist.
Irgendwann lasse ich mich
nicht mehr von euch in bequemen
Limousinen jagen,
meine Zeit ertragen und
den Wolkenkratzern beim
Wachsen zu sehen, das Lied
hören und daran denken,
das wäre es, irgendwann.

Mittwoch, 27. Juni 2012

2002 - XIII

Die Tür

Die Türen hatte er alle aufgestoßen. Stets war die Leere gewachsen, wenn er irgendwo hindurch gegangen war.
Die Dunkelheit beschien ihn unerträglich, fast keine Sekunde sah er irgendetwas im nirgendwo.
Die Fassaden der Mimik und Gestik intonierten unaufhörlich neue Worte, die er nicht hörte.
Irgendwann erreichte er die Ebene. Das ewige Licht leuchtete hier und gab allem eine Kontur.
Eine Ahnung von Wahrheit leuchtete hier und wehte ihm zu. Merkwürdig wie er gehen konnte, obwohl alles so weich war. Er fühlte Wärme, obwohl die Gegend eiskalt schien.
Allein und nicht einsam nahm er Geborgenheit in der Härte der Strahlung an, so war es.
Die Protagonisten des Lichtes mögen vergangen sein, das Licht ist.

Samstag, 23. Juni 2012

2002 - IX

Du sollst Dir kein Bildnis machen

Ein Bild von Dir in mir
wächst und entsteht,
alte Eindrücke, blätternd, schweben dahin.
Schaum lässt nach in meinem Bier,
steigt und vergeht,
traumatisch, faszinierend, feucht am Kinn.

Freitag, 22. Juni 2012

2002 - VIII

Kinderhände

beschmieren Tisch und Wände,
sie berühren meine Seele,
leider bin ich keine Stele.
So fällt schon bald mein Dach,
ich sehe den Himmel und ach
wäre ich bloß, was ich geblieben bin:
kinderlos und ohne Sinn.

Donnerstag, 21. Juni 2012

2002 - VII

The Hook

My eyes have seen you,
so don't you give me that look,
my mind has been through,
hey what's up, I am on the hook!

Mittwoch, 20. Juni 2012

2002 - VI

Betriebsstörung

Ihre Stöckelschuhe knallen in seinem Kopf wie in einer leeren Kokosnuss. Die Mähne schwingt an seinem Gesicht vorbei, links, rechts. Wozu soll das neue Leben gut sein? Gedanken fliegen hin und her, zerplatzen wie Seifenblasen. Flüssigkeit sucht den Weg immer nach unten. Dazwischen gibt es diese Fontänen, auf deren Spitze so ein kurzes Innehalten angebracht wäre, aber leider: bitt' schön, gehn's weiter, schaun's, es wollen auch noch andere hinauf. Viele Punkte geben ein Bild. Ihm fiel es nicht ein, das Warum?
Dieser Aufzug fährt heute nicht, wir bitten, die Betriebsstörung zu entschuldigen. Störung, ein Irrtum also, diese Liebe. Daher.. Entschuldigung, würden Sie für mich mal was steppen, mir fällt die Melodie nicht mehr ein. Ein kleines Lied, das spielt oder "Love will kill you". Keine Bewegung auf der Rolltreppe, das Ganze immer wieder von vorn. Er klopfte auf das Frühstücksei, wie immer war es nicht weich genug.

Dienstag, 19. Juni 2012

2002 - V

Salz

Die Menschen schienen zu sein, irgendwie. Ab und zu bildeten sich Löcher im Salzsee, verschiedentlich standen sie zu Säulen erstarrt mit Gesichtern aus Salz, die Ausdrücke der Gesichter festgehalten für die Ewigkeit. Der Boden bildete eine trügerische Oberfläche, über dem die Scheinbilder schwebten, umso mehr die Luft in der Sonne flimmerte. Er sah eine Sanddüne und beim Versuch, diese zu besteigen, rieselten die feinen Körner herunter, rutschten in Schüben und nahmen ihm den Schwung.
Das Meer sehen, einmal nur, diese blaue, glitzernde Fläche, die zuvor alles bedeckte, das war ein Ziel. Er ruhte in einer Sänfte, zwischen ihm und der Außenwelt schien ein Hohlraum zu sein. So unendlich schwer, wie das Besteigen dieser Düne, war es, in der Lebendigkeit zu baden. Die Sehnsucht trieb ihn weiter und er wusste, sie sind alle da. Die Seelen der Verstorbenen, unverändert, als hätten sie lediglich ihre leidige irdische Existenz abgestreift und ihren Charakter behalten. Ein schwarzer Mund bildete sich und eine Stimme sprach. Er hörte, bevor es dazu kam und fühlte die Erleichterung. Aber auf der Spitze der Düne zu stehen, erfüllte ihn mit Angst.
Wenn ich einmal sterbe, so begann fast jedes Mal ein Satz dieses alten Mannes und er zitterte dabei. Warum dachte der Alte ständig an sein Ableben? Sobald er allein blieb in seinem Appartment, würden ihn die Gedanken überwältigen, sie warteten, bis der Besuch gegangen, aber sie kamen wieder. Durchbrach er zeitweise die Mauer um den alten Mann durch seine Anwesenheit? Auf dem Tisch liegt braunes Papier mit Soldatenkopfaufdruck. Ein kantiges Wehrmachtsgesicht unter dem charakteristischem deutschen Stahlhelm mit eisernem Blick. El Alamein oder Frankreich, keiner bekam das Ende des Krieges mit. Landserdasein: vom Arsch die Brüh' statt Frommage de Brie.
Die Tür war versiegelt, der alte Mann am Grab der Mutter gefunden worden. Das Appartment leer geräumt, die Lampe fällt auf den Kopf, auf dem Tisch liegt die letzte Postkarte von ihm und er nimmt sie schweigend an sich.
Eine Einsamkeit mit Ende, am Strand sieht er mehrere Frauen, die auf Scheiben zielen und treffen. Der Bogen gespannt, schwingt er den Pfeilen hinterher. Eine große Welle läuft auf den Platz zu. Doch nur ein Ausläufer erreicht die Scheibe und versickert dort im Sand. Die Situation wiederholt sich.

Samstag, 16. Juni 2012

2002 - IV

Kaffee bitte!

Du schreibst aus dem Café
Und ich denke an Schnee
Fontänen wie ein Pilz in der Luft
Erahne ich ihn je, diesen, Deinen Duft?
Marihuana in den Niederlanden,
ob Deine Gedanken dort je Ruhe fanden?
Du sagst, lies´es mir vor, Dein Gedicht,
ja, natürlich, wer will das nicht?
Auf dem Papier steht alles so schön,
doch wie ist sie, die Wirklichkeit, anzuseh'n ?

Mittwoch, 6. Juni 2012

2001 - XIX

Daheim (Leserkreis)

Daheim, da brennt so ein Licht.
Daheim, da stört es mich nicht,
wenn etwas draußen ist,
was an meiner kleinen Seele frisst.
Daheim, das bleibt Daheim,
Dir schenke ich den Reim.

Dienstag, 5. Juni 2012

2001 - XVIII

D-Day

Zartes Grün an grauem Tag,
nichts ist so, wie ich es mag.
Regen statt der Herzen Klopfen
höre ich an Fenster tropfen.

Samstag, 2. Juni 2012

2001 - XVI

Kartenspiel

Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht,
mein Herz ist schwer, habe an Dich gedacht.
Wie Du wohl aussiehst und wie Du heißt,
ein Gedanke, der um Dich wie die Sonne kreist.
Nach bangen Minuten und ewigem Warten
mischt er sie neu, der Schlaf seine Karten.

Donnerstag, 31. Mai 2012

2001 - XIV

Herbstlicht

Ein Fenster steht offen, lässt Licht herein scheinen,
der Sommer entfaltet eine laue Nacht,
im Bett neben mir, da sehe ich gar keinen
Grund und schlafe nicht ein, nur sacht
dämmere ich dahin, will es manchmal meinen,
der Herbst sei schon da, entfaltet mit Macht
den bunten Reigen mit allen Weinen.
Da ist schon wieder die Sonne, sie lacht.

Samstag, 26. Mai 2012

2001 - X

Pensare a Lei

Er dachte an die Wohnung ohne Spuren, das weiße Tuch.
Feuer brannte im Ofen, während Hände über Gitarrenhälse glitten, suchend.
Er dachte an ihre Stimme am Telefon, die Tanzfläche, sein Hemd mit den schwarzweißroten Streifen,
den ersten endlosen Kuss.
Er hatte das Hemd ausgezogen und sie legte den Kopf an seine Brust.
Du musst zum Friseur bald. School's out for ever!
Sind Sie wirklich so blöd? Er ist so unauffällig.
Wie ein Maurer, der sich hinter den selbst soeben hochgezogenen Wänden versteckt.
Aber er war kein Maurer und keiner, der Mauern lässt.
Baumeister, was willst Du einmal werden: Architekt.
Auf der Kirchenbank saßen gesichtslose Gestalten, Gedanken, ein jeder einmal oder öfter gedacht.
Sie beteten seinen Altar an, den er jetzt verließ.
Durch die prächtigen Fenster fiel das Tageslicht gedämpft hinein.
Strahlen schnitten die staubige Luft.
Er schloss die schwere Tür hinter sich und dreht den Schlüssel um.
Draußen sang der Frühling sein Lied.
Die Vögelscharen stimmten wie ein Orchester zusammen.
Vielfältige Lichteinfälle sprenkelten den weichen Boden.
Wurzelstränge durchzogen die Erde, bedeckt von Laubresten und braunen Tennennadeln.
Werden und Vergehen in Hochstimmung.
Er folgte schmalen Wegen ohne wesentliche neue Ausblicke.
Er setzte sich auf einen Baumstumpf und blickte empor. Manchmal sah er den Wald nicht vor lauter Bäumen, die Wipfel schwebten in unendlicher Höhe. Beiseite schieben wie das Efeu über einem Grabstein? Inschriften lesen, ohne den Menschen zu kennen. Das Moos weg kratzen. Langsam würde es wieder kommen. Gedanken, die sich in den Unebenheiten der Zimmerdecke spiegeln. Hier waren sie die Phantasiegestalten, die über ihn herrschten, die sich verwandelten von einer Minute zur anderen das Bild bestimmten und unbestimmt das Bild verließen. Die Realität zeigte viele Formen, aber keine schnellen Änderungen. Der Sommer war und blieb fast ewig. Er folgte den Gabelungen und Verästelungen der Pfade bis an den Rand des Parks. Eine Kulturlandschaft wechselte sich ab mit dem Bild des von Menschenhand für Menschen geschaffenen Waldes. Der Teich mit der großen Fontäne, die Müßiggänger und die Alten, die Mütter mit den kleinen Kindern, den Säuglingen in den Kinderwagen, plötzlich schien er zu sehen.

Freitag, 25. Mai 2012

2001 - IX

Der
Tag an
dem Du mir
sagtest, dass es
ist,
zugleich
der Anfang
für dieses Sein.
Der
Tag an
dem Du mir
sagen möchtest,
es
ist da
ein Ende
mit Sonnenschein!

Mittwoch, 23. Mai 2012

2001 - VII

Mitte der Welt

Das rote Backsteinhaus trägt eine besondere Aufschrift, die seine Lage unterstreicht: Mitte der Welt. Ein Paar Schritte führen zum See. In dessen Mitte sprudelt ab und an eine Fontäne und verdeckt ein wenig den Blick auf den Ort. Die Blicke gehen am Ufer entlang und streifen viele leere Fenster in Sichtweite des Ufers. Mag die Mitte der Welt gefüllt sein, die nähere Umgebung steht ein wenig leer. Gewiss es gibt neue moderne Bauten, aber auch die teilen das Schicksal des Leerstehens, wenn auch nicht in so vollem Umfang. Platz, sich niederzulassen bietet die Mitte der Welt und erst recht die Deutschlands also. Woran liegt es, dass sich die Mitte ein bisschen ziert, gefüllt zu werden? Vielleicht an der Käsesahnetorte, die hier auch Himbeerkäsesahnetorte heißt oder vielleicht Käsesahnekuchen. Hier ist Genauigkeit am Platz, sonst gibt es leicht das, was nicht bestellt war. Oder es ist die Butter, die mancher frisch gebratenen Forelle fehlt, wenn sie auf dem Teller zum Verzehr bereit liegt. Einfach nachbestellen? Aber bitte dazu sagen, dass die Butter zerlassen sein soll, oder besser gebraten, sonst gibt es kalte Butter. Oder ist es die Gemütlichkeit, die entsteht, wenn die Bedienung schon vor Beendigung des Verzehrvorgangs nach weiteren Wünschen fragt, freundlich natürlich. Nun fragen Sie sich, wo das ist? Eben die Mitte der Welt und Deutschlands, das grüne Herz oder die grüne Hölle, wie immer es empfunden wird. Höllisch genau ist die Verweildauer am Tisch geregelt: Kommen, Bedientwerden oder -sein, Verzehren, Zahlen und Gehen. Beschwerden sind außerordentliche Vorkommnisse, die gründlich als haltlose Anmerkungen verstanden werden, denn sie weichen von der Norm ab. Vieles ist neu in dem Ort der "Mitte der Welt", steht leer und ist auch leer. Die Schaufenster sind klein und das Reinschauen erfolgt bewusster als anderswo. Schon macht jeder sein Ding. Aber was für eins? Die Rezepte sind nicht neu geschrieben worden, nur die Ergebnisse teurer. Es gibt sie noch, die Platzanweiser und Rollenverteiler. Nun sind sie in privater Konkurrenz bezahlt. Der Natur geht es dabei besser und das Herz ist gesund. Insofern darf es ruhig ein bisschen mehr sein.

Montag, 21. Mai 2012

2001 - V

Die Scholle

Die Erde reicht bis zum Horizont,
Bäume verbergen sich gekonnt,
hier leben, sich niederzulassen,
den Rest der Lebenszeit verprassen,
das schafft dem Gedanken Raum,
allein der Glaube hilft hier kaum.
Wer immer woanders gewesen,
wird hier wohl nicht genesen.
Bringt die Besinnung auf eigene Werte,
die Scholle, zurück zur Heimaterde?

Sonntag, 20. Mai 2012

2000 - IV

What happened?

What happened? Fragte die neudeutsche Transenimitation mit einem Blick wie eine frisch geschwängerte Auster. Dabei erwies "sie" sich eher als bieder altdeutsche Bemühung, etwas Pep in einen gekünstelten Beziehungsfilm hereinzubringen.
Oder ist das alles ist nur der Epilog zu einem neuen Versuch, die Welt in schwarz und weiß einzuteilen?
Denn am Anfang saß in der Ecke der kleine Jasagerzwerg "Jaz" und machte ein Gesicht. Da verlor der große arrogante Schnösel "Gas" seinen Traum bei dessen Anblick und beschloß, alles aufzuschreiben, solange er noch über genügend Traummasse verfügte. Gerade hatte er eine Grenze irgendwo zwischen Arkansas und Wiskonsin überquert, die in einem Fußgängertunnel lag, dabei mißtrauisch beobachtet von den Grenzern. Er war Berge hinab Ski gefahren, bis der Schnee zu Ende war und mußte nun zu Fuß gehen. Das alles war Geschehen, bevor der Jaz ihn ansah. Der Jaz betrachtet den Gas ständig, egal ob dieser nun schon in Singapur mit seinen Hochhauslandschaften im Jet vorbeigerollt ist oder von Straßenbahnen in deutschen Vierteln verfolgt wird.
Jasagezwerge sagen entgegen Ihres Namens nicht zu allem ja, insbesondere nicht zu einem großen arroganten Schnösel. Der Gas dagegen hat nichts gegen den Jaz, er sieht ihn ja meistens nicht. Der Jaz hat viel, sehr viel Angst, nur nicht vor dem Gas. Im Herzen des Jaz herrscht ein wildes Durcheinander von fremden Gedanken. Da kreuzen sich Bibelsprüche mit eigenen Losungen und politische Allgemeinplätze liegen in vollem Mißtrauen. Seine körperliche Kleinheit macht dem Jaz zu schaffen. Der Gas sieht das nicht, weil er sie selber nicht kennt.
Der Jaz braucht Ersatz: Achtung, Besitz und Erfolg müssen ihn immer wieder bestätigen. Der Gas glaubt, schon alles zu haben und merkt nicht, wie ihn die kleinen Jaz immer wieder hindern und umgehen. Irgendwie möchte er gern mit den kleinen Jaz reden, aber sie verstellen sich, sooft er sie anspricht.
Freundlich sind die Jaz nur beim Jasagen, denn sie haben eigentlich Angst vor dem Nein. Sie erkennen sich gegenseitig am Augenblick und wissen sofort: ein Ja hilft weiter. Nur dem Gas geben sie ein verstecktes Nein, ein offenes widerspräche ihnen. Oft wundert sich der Gas darüber und versucht dies durch Umschmeichelung eines Jaz zu ändern, um einmal so freundlich behandelt zu werden wie ein Jaz.
Das geht soweit, daß der Gas sich klein machen will wie ein Jaz. Ein Jaz liebt aber keine Veränderung, erst recht nicht die Verwandlung eines Gas in seines Gleichen. Er machte dann immer weiter ein Gesicht.
Der Gas ist auf das Treffen mit anderen Gas angewiesen, aber die sehen immer nur sich selbst.
Was ist geschehen? Jeder möge entscheiden, welche Kategorie in diesem Spiel Bestand hat. Gase verschwinden und entstehen neu, das Ja bleibt ewig bestehen aus Angst vor dem Nein.

Donnerstag, 17. Mai 2012

2001 - I

Ende des Tunnels

Die Rolltreppe am Ausgang lief nicht. Während er die Stufen hinauf stieg, weitete sich der Blick. Ihm kam es vor, als sei er zwanzig Jahre im Tunnel gewesen. Das Licht schien auf der Straße viel heller, obwohl der Himmel bewölkt war. In der U-Bahn hatte er sich an die trübe Neonbeleuchtung und die wechselnden Fahrgäste gewöhnt, nun war er allein und blickte auf das, was hier Skyline hieß. Der junge Mann blickte auf eine junge Stadt. Die meisten Häuser standen noch nicht vor zwanzig Jahren. Dennoch schien sich Rauch auf die spiegelnden Glasfassaden zu legen, sie schaut stumpf in die Atmosphäre und bemühten sich vergebens ihren Glanz zu transportieren. Die Menschen fühlten sich drinnen wohler als draußen, die Straßen kaum gefüllt, fühlte es sich unbehaglich an. Unverhohlen schaute ein glatter junger Mann seinen Gefühlen zu, die seinen Kopf wie eine Wolkendecke umschwebten. Verstohlen dagegen die beiden vermummten Frauen., die sich einen flüchtigen Kuß zuhauchten.
Die Endstation hieß Südbahnhof und er behielt die Richtung bei. Er schaute an die geschrägte Decke, irgendwo im Haus rumorte ein Kind, was nicht das seine war. Dennoch hatte er eine intensive Beziehung dazu. Er dachte nicht mehr in Gegensätzen. Im Kampf gegen Autoritäten aller Art hatte er sein Ziel verloren. Wenn das Schießen zum Prinzip wird, ist das die Niederlage und Beugung vor gewalttätigen Ideologien.
Die Waffe war nun abgelegt, der Tunnel verlassen, aber das Licht schien nicht. Alle Wege führen zum Ende, aber die Ausgänge sind sehr unterschiedlich. Einen Rückblick wert waren zwanzig Jahre nicht, aber sie führten ihn zu neuen Erfahrungen. Er begann, ein bißchen dankbar zu sein.

Dienstag, 15. Mai 2012

2000 - XXIII

10 vor acht oder halb sieben

Die Hündin sitzt nachts vor dem Haus und betrachtet das Panorama des Dachsteins. Ein Mensch kommt zum Hinterausgang heraus mit Tüten in der Hand. Sie begrüßt ihn und schnüffelt interessiert an dem, was er da im Schnee hinterläßt: schmutzige Wäsche und Schuhe. Der Schnee liegt gut 15 cm hoch auf dem Autodach und der Mensch schaufelt es frei um halb sieben. Er muß immer wieder den Deckel des Kofferraums öffnen und neu packen, eine Gelegenheit für immer neue Einblicke. Will er sie ins Haus lassen? Nein, er benutzt wieder der Hintereingang. Er wird frühstücken und dabei überlegen, welcher Weg der beste sein wird. Der verschneite Umweg oder eine halb vereiste Kehrenstraße, die den direkten Weg zur Heimat verspricht.
Nahezu alles im Auto ist verschneit oder naß, schon am Vorabend hatte es geschneit. Was macht es schon, die Räder werden knirschend über die dichte Schneedecke hinweg rollen. Er wird dahin kommen, wo er hin will, vorher noch tanken. Die Wirtin des Hofs und er verabschieden sich mit festem und herzlichem Händedruck.
Die Angst besiegen, das ist es, was zählt. Dunkle Stunden ertragen, ohne zu verzagen. Hoffen auf das Licht am Ende des Tunnels. Besser, das Licht in Erinnerung zu behalten, als die dunkle Felswand. Er sagt sich einmal na, na, als er die Kurven fährt. Es ist keiner da, ihm zuzuhören. Da ist diese innere Kraft, die ihn hypnotisiert auf seinem Sitz. Möge die Kraft mit Dir sein, nicht die Macht, denn sie ist es nicht. Die Hündin winselt die letzten Schritte zum Auto mit. Sie wird auch heute nacht wieder das Dachsteinmassiv betrachten, was denkt sie bloß dabei? Aus dem kleinen Funke wird eine große Flamme: die Heimat. Gewohnte Umgebung und Diktion, doch was treibt ihn fort? Heimat ist überall, wo Menschen sind, die sich dem Leben stellen. Wird er wieder kommen und Silvester feiern? Was macht es schon, die Welt ist groß und schön.
Ein letztes Mal streichelt er die Hündin über den Kopf und nimmt so nebenbei den Abschied. Er wird ankommen mit dem gewissen Gefühl, auch wenn er nicht weiß, wo. Er mag das Kind nicht beim Namen benennen. Aber dieser Tag war ein Geschenk und ein kleines Dankeschön. Sollte es nur eine Hündin sein, die sich an ihn erinnerte, es wäre schon alles wert. This is my Thanksgiving Day.

Samstag, 12. Mai 2012

2000 - XX

"Ich schreibe im Dunkeln"

Was trieb, war unheimlich klein, doch die Kraft ließ nicht nach. Viel stärkere Antriebe hatten versagt. Zu groß geraten, wurden die so bewegten Objekte von Meteoriten getroffen. Schwerlich zu identifizieren als Ziel, so lautete die Formel die Formel des Erfolgs. Er würde unendlich treiben, um irgendwann etwas Leben zu finden. Die Sonne schien ohne Wirkung, das kleine Feuer in der Holzhütte fühlte sich ungleich wärmer an. Den Schatz der Zeit genoß er draußen vor der Tür beim Blick auf den zugefrorenen See und die tief verschneite Landschaft. Im Nerz gehüllt, warf er einen Blick durch die Scheibe, auf dem Tisch lag ein Buch über die Raumfahrer, die Kosmonauten. Er las darin und dachte an den taumelnd die Sonne umkreisenden Planeten, der manchmal der seine zu sein schien. Ein riesiges Raumschiff ohne eigenen Antrieb, nur von der Gewalt der Anziehungskräfte an- und abgestoßen, ohnmächtig die Bahn zu verlassen, deren Einhaltung seinen Bestand garantierte. Es war überflüssig, seinen Lauf durch einen Kommandanten überwachen zu lassen.. Die Naturgewalten bestimmten es und regelten auch den kurzen Sommer und den langen Winter, die Kälte des Sees, das Summen der Mücken über launigen Mooren, all das waren Zeichen. Die Größe des Landes, des Eismeers und der Milliarden Schicksale, alles nahm Platz auf einem Staubkorn des Kosmos. Die Größe des Weltalls in der es nichts zu entdecken gab außer der eigenen Bedeutungslosigkeit. Sie gab ihm die Kraft hier zu sitzen, sein Heim als gemütlichen Platz zu entdecken, sich an den Spielen des Lichts zu erfreuen und manchmal einen Wodka nach dem anderen zu trinken, wenn das Essen gut, die Freunde da und die Liebe seltener zu Gast waren. Sie sagten, er schreibe im Dunkeln, weil er was auf das Papier kritzelte und meistens vergaß, was er einen Moment lang gedacht hatte, wenn er das nicht tat. Wenn das Eis aufbricht, ginge er wieder zum Fischen.
Seine Zettel verwelkten wie abgefallene Blüten, doch er würde neue beschreiben, sobald er in der Stadt etwas Papier kaufen könnte. Sein Haar schien grau und er dachte immer noch wie ein Kind, wenn es um die Freunde ging. Er strahlte, wenn sie kamen und vergaß sie, sobald die Tür hinter ihnen ins Schloß gefallen war. Pjotr, der Kosmonaut, umkreiste die Welt in seiner Kapsel wie einst Juri Gagarin, allein. Längst hatte er den Kontakt zum Boden verloren und würde ihn nicht mehr finden. Der Staat hatte aufgehört zu sein, was er einst vorgab: ein Brotgeber. Zahlungen gab es schon lange keine mehr. Pjotr handelte, tauschte Naturalien. Aus dem bediensteten Forstaufseher war ein selbständiger Verwalter geworden, der einfach die Arbeit seines Vorgängers auf eigene Rechnung übernommen hatte. Er versorgte seine Freunde mit Fleisch und Fisch und bekam dafür alles, was er brauchte: Tabak, Wodka und ein paar Lebensmittel. Natürlich auch Berichte über den Kosmos, den er zu einem ganz kleinen Teil überblickte. Gewiß, für Frauen war seine neu gewonnene Freiheit nicht viel wert, aber er genoß sie zunehmend. Wenn er morgens aus den warmen Fellen aufstehen mußte, wartete er genüßlich, bis ihn ein Anfall von Kraft dazu bringen würde, endlich aufzusitzen und dann ein Feuer zu entzünden, um die kleine Stube zu erwärmen. Eines Tages würde er nicht mehr aufstehen, das wußte er, aber bis dahin würde er jeden Moment einzeln auskosten. Das Glas zögerlich austrinken und immer wieder absetzen, wohlwissend das der letzte Schluck irgendwann getrunken werden muß.
Ein Kosmonaut kennt nicht den ganzen Kosmos, aber er ist dennoch Kosmonaut. Seine Reisen sind lang und doch in kosmischen Maßstäben unbedeutend. Die Erfahrung, die er dabei sammelt, ist riesig. Soeben blinzelt die Sonne durch die matten Scheiben seiner Datscha und Mütterchen Rußland tanzt mit Väterchen Frost. Spasiba!