Posts mit dem Label Roman werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Roman werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 18. Dezember 2012

Gold - XLVII

Als ich nach der Arbeit im Krankenhaus an komme, und sein Zimmer betrete, ist er nicht da. Das Zimmer ist klein und das ihm zugedachte Bett das erste an der Tür. Zum Fenster hin liegt ein Mann, der mindestens so alt ist wie mein Vater. Vaters Tasche steht unausgepackt auf dem Boden, er hat angewiesen, dass nur ich seine Tasche auspacken darf. Als wir gerade etwas ratlos aus dem Zimmer gehen, wird er im Bett vom Flur aus herein geschoben. Die Schwester ist sehr freundlich und der Arzt kommt auch gleich. "Es sieht ja beschissen aus." stellt Vater vorab fest.  
Wir fragen den Arzt, welche Meinung er vom Zustand meines Vaters hat. Das weiß er natürlich noch nicht, weil er ihn gerade zum ersten Mal gesehen hat. Sie haben sein Schluckvermögen getestet und es sieht nicht gut aus. Das Legen einer PEG (Magensonde) wird unvermeidlich sein. Ich gehe kurz mit dem Arzt mit und leiste die erforderliche Unterschrift. Danach beginne ich, Vaters Tasche auszupacken. Das Portemonnaie ist da, eine Brille auch. Ich suche den freien Schrank im Zimmer und finde ihn. Das Bad ist ein Gemeinschaftsbad mit dem anderen Zimmer. Ich sehe daher vom Einräumen ab. Wir fragen die Schwester, ob Vater sitzen darf und sie bejaht, natürlich. Er will es eigentlich nicht so richtig. Immerhin, er sitzt. Aber schon bald zieht es ihn ins Bett zurück. Ich merke, wie schwer es für mich ist, ihn rückwärts liegend, wieder in die richtige Lage zu bringen. Meine Bemühungen tun ihm weh. Er mag nicht mehr so eine hohe Einstellung des Kopfteils. Nun soll es Abendessen geben. Die Schwester setzt ihm die Zähne ein. Ich frage Egon, ob er weiß, wo er ist. "Das höre ich ja." sagt er. Richtig viel reden können wir aber nicht mit ihm, denn der Besuch des anderen Patienten ist in der Mehrzahl. Das macht Gespräche anstrengend. Wir wollen ihn am Sonntag wieder besuchen. Die Telefonnummer vom sozialen Dienst habe ich mit bekommen. Ich lese nun über Pflegeheime. In erster Linie demotiviert mich hier ein Undercover-Report. Gleichzeitig besorge ich mir Listen von Frankfurter Pflegeheimen und Heimen in unserer Umgebung. Vater sagt, er will nicht von uns abhängig sein. Das wäre er dann nicht. Er hat genug gespart, sodass er jahrelang davon leben kann. Mittlerweile ist er auch besorgt, dass von dem Geld etwas weg kommt. Das soll erst mal da liegen bleiben. Seine Wohnung habe ich gekündigt, die Auflösung steht mir bevor. Als ich ihm erzähle, dass ich sein Fahrrad in den eigenen Keller eingeschlossen habe, ist ihm das nicht recht. Die anderen im Haus sollen nicht wissen, dass er nicht da ist. 
Bei normaler Lebensweise würde Vaters Geld lange für ihn reichen. Die Pflegeheime in Frankfurt aber kosten weit über 100 EUR am Tag in der Pflegestufe III, von der ich aus gehe. Bei uns in der Umgebung sind die Pflegeplätze rar. Verschiedene Einrichtungen nehmen gar nicht oder nur mit Warteliste auf. Ich denke an das Pflegeheim in Nidderau, einem Nachbarort, dort wird mir aber gleich beschieden, dass es für Herren kein Einzelzimmer gibt. In vielen Heimen werden die Patienten in Mehrbettzimmern untergebracht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meinem Vater so etwas zu sagt.

Montag, 17. Dezember 2012

Gold - XLVI

Das er sich nun zur Liebe im Allgemeinen bekannte, konnte Rachel nicht sehr beeindrucken. Paul hatte seinen Vater überschätzt und die restliche Welt nicht so ernst genommen. Einer scheinbaren Übermacht erlegen, hatte er sich dem ohnehin nutzlosen Zweikampf entzogen ohne sich von den zu hause erlernten Verhaltensmustern befreien zu können, was allerdings kein Alleinstellungsmerkmal für Paul ergab.
Sein Vater hatte ihm gesagt, Frauen seien etwas Besonderes. Da müsse Mann ran gehen wie die Feuerwehr.
Paul hatte aber nie gesehen, dass der Vater den Worten Taten folgen ließ.
Es selbst konnte bei Frauen einen ungeheuren Pragmatismus gepaart mit einer ständigen Unsicherheit und einem hohen Täuschungsvermögen feststellen. Frauen waren eben auch nur Menschen. Bei seinen Beziehungsversuchen hatte er, wenn es ernst wurde meist kalte Füße bekommen. Ihm war klar, dass wenn er sich auf eine Frau einließe, dies in der Regel eine gewisse Selbstaufgabe verlangte und vor allem war er mit seinem Stolz völlig falsch am Platz. Seine Selbstsicht widersprach oft seinem Ich. Er glaubte noch daran, Frauen erobern zu können und war im Grunde froh, wenn es nicht gelang. Sein androgynes Gefühl nahm er wohl war, aber er wollte es nicht wahr haben. Seine Beziehungen zu Frauen war im Prinzip von großer Vorsicht geprägt, zu tief saßen die Verletzungen, die sie ihm vor allem dann zu fügten, wenn sie selbst großes Interesse an ihm hatten, er sich aber entzog. Die Direktheit mancher Frauen entsprach nicht seinem gelernten Frauenbild, obwohl es sie sich oftmals gewünscht hätte. So glaubte er eine gewisse erfolgreiche Taktik in der Annäherung an Frauen gefunden zu haben, bei der er nicht sein "Pulver" gleich verschießen musste. Er war sich aber nicht sicher, ob er überhaupt welches hatte. Er, das unauffällige Schwein, wie es eine Mitschülerin mal formulierte oder er, der Befreier, wie eine andere meinte. Dazwischen liegt ein schmaler Grad.
Am besten kam er mit Frauen in der Rolle einer Art Schwester klar, deren Existenz er sich so gewünscht hatte, wie sein Vater sich Töchter.

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Gold - XLV

Wir können ihn noch ein bis zwei Wochen hier behalten und es gibt hier einen sozialen Dienst, der sich um die Unterbringung in einem Pflegeheim kümmert. Auch in unserer Gegend. Ich bin skeptisch, ich weiß, aus einer Woche Krankenhaus werden leicht zwei usw.
Ich argumentiere damit, dass die Besuche für meinen Vater wichtig sind. Dr. F. ist wieder sehr aufgeschlossen, er sagt mir erst einmal zu, es in Hanau zu probieren. Er meint aber, dass kein anderes Krankenhaus Vater aufnehmen würde, weil er ja bereits in Behandlung ist. Er ist sich da sehr sicher, überläßt es aber mir, Krankenhäuser zu suchen. Neben der Krankenhaussuche telefoniere ich nun seinen Sachen nach. Im Balserischen Stift ist angeblich nichts geblieben, die Reaktion ist zudem da sehr schwerfällig. Im PKH werde ich fündig, sein Portemonnaie ist dort. Bei der Beschreibung der Brille wird es schwierig für mich. Wir haben hier etliche Brillen und Uhren, wenn Sie vorbei kommen wollen.. 
Nach meiner Beschreibung wird eine Brille ausgesucht. Die Uhr Vaters kenne ich nicht so genau. Man verspricht mir, die Sachen in das evangelische Krankenhaus zu bringen.
Nachdem sich Hanau mal wieder als zugenagelt erweist (im St. Vinzenz-Krankenhaus stehen die Patienten mit ihren Betten auf dem Flur), versuche ich es in Frankfurt.
Das Markus-Krankenhaus weist mich ab, aber im Nordwest-Krankenhaus ist etwas frei.
Ich bekomme die Kontaktdaten der Abteilung und der Ärztin genannt und gebe das postwendend an Dr.F. in Gießen weiter. Der will das erst nicht glauben, akzeptiert es aber schließlich. Der Patient soll zu einem bestimmten Termin da sein. Wenn es Ihrem Vater besser geht, werde er dem Transport zu stimmen. Eine leichte Besserung wird schließlich verzeichnet, aber der Termin nicht gehalten. Vater kommt am 16.2.2007 nach Frankfurt. Dr. F. sagte noch beim letzten Telefonat: Ihr Vater freut sich auf Sie. 
Das war natürlich wie Weihnachten und Ostern zugleich für mich. In der Tat wurde er erst an einem Freitag und am frühen Nachmittag eingeliefert. 

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Gold - XLIV

Du hast also wegen dieser Frau dein altes Leben aufgegeben? fragte Rachel. Paul war erstaunt, wie wenig sie offenbar die Situation verstand, in der er sich befunden hatte. Aber es war ihm schon immer aufgefallen, dass Menschen offensichtlich, die aus ihrer Sicht wichtigen "Highlights" behalten und kommentieren. Er wollte nicht soweit gehen, zu behaupten, dass Frauen generell die Rolle, die Frauen in einer Geschichte spielen können, nur aus dem eigenen Blickwinkel verfolgen.
Es schien ihm aber klar, dass jeder Mensch in seinem eigenen Universum lebte und nur die Dinge zu ordnen konnte, die er selbst mal erlebt hatte. Deswegen legte er auch nicht all zu viel Energie an den Tag, um Erklärungen abzugeben. Wenn er schriebe, dann sicher nur für sich. 
Diese Einsicht stimmte ihn ruhiger, als er gerade zur damaligen Zeit wirklich war. Autarkie hatte er sich erarbeiten müssen. Wer seinen auf einem alten Holzstuhl sitzenden Vater als Gegner ausgehalten hatte, der brauchte sich vor neuen Feinden nicht zu fürchten. 
Da war zum Beispiel die Schwägerin seiner neuen Freundin. Sie hatte ihren Lebensplan zusammen mit ihrer Schwester vorgesehen und sah in Paul nun den Rivalen, den es auszuschalten gab.
Aber: Feindschaften erschienen Paul als vertraut, Freundschaften eher als unsicher. Und Anonymität gab Sicherheit: Frankfurt. 
Mit dieser Einstellung bist Du nach Frankfurt gekommen? Du willst mir nicht sagen, dass Du keine Liebe brauchst? Rachel war ein wenig mitleidig und zugleich beleidigt.
Paul hatte aber zuhause keine Anreden benutzt. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, "Vati" oder ähnliches zu seinem Vater zu sagen. Vielleicht hätte es Vater amüsiert, vielleicht hätte er aber auch seine Autorität untergraben gesehen. Seine Freundin hatte konstatiert, dass sie kein Verhältnis zueinander hätten,
die indirekten Anreden fand sie lustig.
Da stimmte Rachel sofort zu, bestand jedoch auf Antwort.
Paul antwortete eigentlich nicht gern auf so etwas und wenn, dann gab es ein Statement.
Die Liebe, sagte er, ist nicht platt wie eine Flunder. Sie ist vielseitig, sie kann mal Hass sein und mal in der Grauzone. Sie besteht auch über Entfernungen und ohne Nähe. Das beweist doch die Geschichte, die Du gerade liest.    

Dienstag, 11. Dezember 2012

Gold - XLIII

So sitzen wir also an dem folgenden Freitag in seinem Krankenzimmer. Nach der obligatorischen Pause in der Cafeteria beginnt die Suche nach seinem Hab und Gut. Die Handtücher vom Balserischen Stift fehlen. Ebenso sein Portemonnaie, seine Brille und die Uhr. Ich kriege eine nervöse Phase und es entwickelt sich ein Streit. Ich hätte letztes Mal besser kontrollieren sollen. Während ich versuche, zu beschwichtigen, um Vater nicht zu beunruhigen, wird meine Frau immer unruhiger. Vater ist erstaunlich gelassen, sagt nur: "Streitet Euch nicht." Ich sage "Wir streiten immer." Fast scheint es mir, als würde er gleich aufstehen. Er nimmt die Befindlichkeiten unserer Beziehung deutlich wahr. Ich kriege alles wieder, sage ich trotzig, obwohl ich nicht recht daran glaube. Ich habe ein Bild von mir und den Kindern gerahmt  und stelle es auf seinen Nachttisch. Es gefällt ihm. Eigentlich waren wir heute hier, um mit Dr. F. zu reden. Leider mußte dieser unplanmäßig einen Nachtdienst übernehmen und war also nicht da. Der diensthabende Arzt informiert mich darüber, dass Vater wahrscheinlich eine feste Magensonde gelegt werden müsse. Nun werde er solange behandelt, bis die Infektionen im Griff sind. Wir müssen es nun noch regeln, dass Vater endlich die Haare geschnitten bekommt. Ich hinterlasse Geld bei den Schwestern. Im Krankenhaus gibt es keinen Friseur, es kommt manchmal jemand aus der Umgebung vorbei. Kein Erfolg ist auch die Nachfrage nach den fehlenden Gegenständen. Bei den Schwestern ist nichts. Sie fühlen sich auch nicht für Nachfragen zuständig. Immerhin: die Krankenversicherungskarte ist da.
Den Versuch einer Essensaufnahme verweigert Egon in unserer Gegenwart. Wir mögen ihn auch nicht füttern. Zu groß ist die Ungewißheit, wieviel er und ob er überhaupt schlucken kann. Ich versuche Vater noch zu ermuntern. Mein Bruder sei ja auch in der Stadt und könne ihn besuchen. "Das kann er ja mal machen." Sagt Vater daraufhin. Den Plan habe ich innerlich bereits lange verworfen. Mein Bruder ist dazu nicht wirklich bereit und Halbherzigkeiten sind bei meinem Vater nicht mehr angebracht.
Als wir gehen, sagen wir den Schwestern im Flur, sie könnten Vater jetzt drehen. Außer ein paar nichts sagenden Blicken erwarten wir keine Reaktion. Spontane Planänderungen sind hier wohl nicht drin.
Dr. F. ist am Telefon sehr auskunftsbereit, alles geht telefonisch. Er erklärt mir, dass es durch das Verschlucken von Speisen immer wieder zu Lungenentzündungen kommen kann. Das müssen keine Infektionen sein. Zudem müsse Vater, um zu Kräften zu kommen, mit einer festen Magensonde ernährt werden. So schwach, wie ich Vater gesehen habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass er ins PKH und dann zurück in die Reha gehen kann. Seit er in Gießen ist, stagniert alles. Ich dränge auf eine Verlegung in meine Nähe. Internistisch kann er genauso gut in Frankfurt behandelt werden. Herr Dr.F. stimmt mir prinzipiell zu. 
Aber er kämpft um seinen Patienten. Medizinisch, sagt er, sei die Verlegung nicht notwendig.

Montag, 10. Dezember 2012

Gold - XLII

Paul weigerte sich noch, eine gewisse Regel in seinem Leben zu erkennen. Sobald ihm jemand nahe kam, 
sei es als Freund oder Freundin, sah sich diese Person etlichen unschönen Verhaltensweisen der anderen Bekannten ausgesetzt. Die Entscheidung für jemanden schien automatisch eine Entscheidung gegen den Rest der Welt zu sein. Sein Kreis der Kneipenbekanntschaften war dahin. Leute, mit denen er sich manchmal täglich getroffen, manche Nächte verbracht hatte, wendeten sich ab. Ebenso sein "bester" nordhessischer "Freund". Der Neubeginn war eine Zeit der stillschweigenden Abschiede.
Zusätzlich quälte ihn die latent immer schon vorhandene Ungewissheit, wie er sein Sprachstudium in Frankfurt abschließen sollte. Er fragte sich, wie er seine englischen Sprachkenntnisse einsetzen sollte, wenn fast alle Vorlesungen in deutsch gehalten wurden. Und wie er einen Professor dazu bringen könnte, ihm Tipps für eine Forschungsarbeit zu geben. Der Amerikanistikprofessor war sicher ein netter alten Zausel, aber gerade deswegen auch eher an jungen Studentinnen interessiert. Er wunderte sich über die einzigen in englisch gehaltenen Vorlesungen für Linguistik und stöberte in Büchern herum, deren Logik ihm fremd war. Diese ganze Suche nach wortgeschichtlichen Bedeutungen erschien ihm völlig abstrus und an den Haaren herbei gezogen. Soweit er ein System an der Frankfurter Uni erkennen konnte, bestand es darin, möglichst viele Scheine zusammen zu bekommen. Scheine gab es für die Teilnahme an Seminaren oder für das Schreiben von Ausarbeitungen. Da eine Zwischenprüfung genauso fehlte wie jede Anleitung für ein sinnvolles Studium, würde er auf ewig  studieren können, bis er alles zusammen hatte. Die in Frankfurt praktizierte völlige Freiheit bei der Gestaltung des Studiums irritierte ihn und machte ihn angesichts der begrenzten zeitlichen Gewährung von Bafög sehr unsicher. Sein ehemaliger Chef hatte seine Studienabsichten resignierend mit den Worten, er wolle also die Frankfurter Uni beglücken, abgetan.
In der Tat hatte Paul ja bereits neben seinem Ausbildungsberuf in einem weiteren Beruf ohne Ausbildung gearbeitet. Er war die Arbeit als Buchhersteller und Auftragsabwickler allerdings leid gewesen und hätte sich gern den Aufstieg zu einem Lektor ermöglicht. Die Zeit aber schien ihn wieder einmal zu überholen. 
Mittlerweile wurde auch für sein ehemaliges Arbeitsgebiet nur noch Leute mit einem abgeschlossenen Studium eingestellt. Paul wusste das, da er stets Kontakt zu seinen Kolleginnen gehalten hatte.    
So tat er, was notwendig war, um wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Er ging zurück, sobald sich die Chance bot.      

Samstag, 8. Dezember 2012

Gold - XLI

Nach einem Besuch bei meinem Bruder finden wir schließlich das Krankenhaus. Wir haben die Wäsche dabei, die wir eigentlich schon hätten nach Bad Orb mitbringen wollen. Einen Arzt sehen wir an diesem späten Sonntagnachmittag nicht. Wir haben auf Wunsch der Schwestern Handtücher gekauft. Vater reagiert mit einem Seufzer, nachdem ich ihn aus seinem Dämmerzustand geweckt habe. Er redet sehr undeutlich. Ich kontrolliere erst einmal die Wäsche, finde wieder schmutzige Sachen. Er liegt nun am Fenster, ein zweiter Patient liegt längs dazu. Es sei hier ganz gut, sagt Egon. Ich stelle ihm das Kopfteil hoch. Ich erzähle ihm, dass er in Gießen ist.   
Das mein Bruder auch in Gießen ist. Aber er spricht sehr leise. Wir stellen fest, daß das Bad relativ geräumig und modern ist. Jeder Patient hat seine Seite und wir können die neuen Handtücher aufhängen. Aus den Schwestern ist nicht viel heraus zu bekommen, so ist die Dauer des geplanten Aufenthalts nicht zu ermitteln. Nach dem ich routinemäßig über die Wohnung berichtet habe und darüber, daß ich mal wieder hin müßte, gehen wir. Als ich die Tür hinter mir schließen will, hebt Egon den linken Arm, so, als ob er sich verabschieden oder mir zu winken will.  Ich hebe den linken Arm auch und balle ihn zur Faust, um ihm Mut zu machen Dabei habe ich selbst keine Kraft mehr. Schleiche mit dem Auto durch die Dunkelheit nach hause. Wir werden in der Tat demnächst abwägen müssen, ob wir ihn besuchen oder seine Wohnung, am besten beides. So wie er nun ist, scheint er keine Kraft mehr zu haben. Schon die Woche darauf ist er im psychiatrischen Krankenhaus zurück. Allerdings versteht die Ärztin das dort nicht. Er leidet immer noch an Infektionen. Dieses Mal klappt es mit einer Verlegung ins evangelische Krankenhaus. 
Ich nehme mir frei, denn ich schaffe diesen Rhythmus aus Arbeit und Besuchen kaum noch. Wieder ein anderes Krankenhaus und am anderen Ende der Stadt.. Vater hat wieder ein Zimmer für sich. Die Aussicht ist noch nicht einmal schlecht. Man blickt auf Gießen, da das Krankenhaus etwas erhöht steht. Über seinem Bett hängt ein Schild: "Patient darf keine feste Nahrung bekommen." Ich spreche mit Egon darüber, dass er eventuell und nach Möglichkeit in unsere Nähe verlegt werden sollte. Und das wir für ihn eine Unterbringungsmöglichkeit suchen müssen für die Zeit danach. Zu meiner Überraschung sagt er: "Mir ist alles recht, was Du machst." Dabei legt er fast beschwichtigend seine Hände auf die Bettdecke. Wir werden unterbrochen. In zeitlichen Abständen wird Vater gedreht, was jetzt ungünstig ist. Etwas mißmutig ziehen die Schwestern ab. Ich hatte mir doch noch eine Erbsensuppe gemacht, sagt Vater. Das weiß ich, erwidere ich, denn wir haben sie gefunden. Eine Woche zuvor waren wir  in Kassel gewesen. Auf dem Tisch stand noch ein Topf, den wir nicht zu öffnen wagten und den wir bei unseren vorherigen Besuchen übersehen hatten. 
Die große Pflanze im Wohnzimmer verschenkte ich an die Nachbarin, deren Sohn sie in Empfang nahm. Gleiches geschah mit einem Kasten Wasser. Wir entsorgten noch einige Dinge, verkratzte Pfannen wird er sicher nicht mehr brauchen. Auf seinem Nachttisch liegt noch die Bild-Zeitung vom 3. Dezember, ich entsorge sie. Ich ziehe die Bettwäsche ab. Das Laken ist mit Hosenträgern von unten befestigt. Es erscheint mir fast undenkbar, dass Vater wieder hierher zurück kehrt. Im Briefkasten liegt ein Prospekt, "Pflegeheim am Burgfeldkrankenhaus" lese ich. Hier könnte Ihr Vater hin kommen, schreibt die Nachbarin dazu. Wir sortieren die Post und schmeißen das Unwichtige in den Müll. Auf der Rückfahrt wollen wir noch in Gießen aussteigen. Wir schaffen das nicht mehr.

Freitag, 7. Dezember 2012

Gold - XL

Eine schwer wiegende Hürde, über er noch gar nicht nachgedacht hatte, erwartete ihn noch. Er müsste seine Zukünftige noch seinen Eltern vorstellen. Insbesondere sein Vater glaubte, er müsse seine Begutachtung abgeben und ihm die spätere Hochzeit genehmigen.
Soweit war er ja noch nicht. Erst einmal sollte sie nur mit kommen. Das war ein schweres Risiko an sich, denn für ihn war es unschwer zu erkennen, dass es da einen Zusammenhang gab zwischen dem Besuch bei seinen Eltern und der bald darauf erfolgten Trennung von der Ex-Freundin. Solche Besuche hatten ihr Rückschlüsse erlaubt wie: "Für Dich war es schon eine Leistung, nach Frankfurt zu ziehen." Mit anderen Worten: die große weite Welt werde ich mit Dir nicht sehen. Dabei wäre er so bereit gewesen für einen Aufbruch. Seine Eltern hatten die unbekümmerte norwegisch-englische Mischung ganz ansprechend gefunden und amüsierten sich über ihre Dekorationsvorschläge für die Wohnung.  Pet jedoch war total "disgusted" und wunderte sich, wie Paul da heraus gekommen sei.
Noch Jahre danach hielt die Wirkung seines pet an.
Die Neue nun, die es ernst meinte, kam nicht an. Sie ist so still, meinte Mutter. Sein Vater äußerte seine Vorbehalte nicht, er fand sie wohl nicht jung genug. Über einen Altersunterschied, der ja kaum bestand, hatte sich Paul keine Gedanken gemacht. 
Seine Freundin tat das Beste, was sie tun konnte: sie schwieg. Meinte hinterher, Paul sei angespannt, was gelinde untertrieben war. "Das wird schwer." hatte Mutter nur kommentiert.
Paul befand sich "zuhause" jedes Mal in Hochspannung. Bereit, jeden Senf, den man ihm an den Kopf warf, zurück zu geben. Seine Eltern wollten oder hatten nicht begriffen, dass er ausgezogen war, sie ignorierten seine Lebensumstände. Vater ignorierte alles, was Paul über Frankfurt erzählte, mit Spott und der Bemerkung "Das haben wir hier auch.". Brachte das Thema gleich wieder auf Kassel und auf seinen kranken Bruder. 
Man sah da nun auch noch eine Frau, die nicht zu den belanglosesten Nettigkeiten bereit war. Die nicht mit dem Hintern wackelte und die nicht wie ein Tuschkasten herum lief und permanent lachte. 
Seine Mutter dagegen lachte gern, am liebsten über ihre eigenen Bemerkungen. 
Paul verstand, dass sie ihre Unsicherheit kaschieren musste, die permanente Zigarettenraucherei half ihr dabei, machte aber keinen guten Eindruck. Mutter sah einfach nicht seriös aus mit ihren nackten Armen, die aus ihren billigen Versandhauskleidern oder dem Kittel hervor stachen.
In ihrem Mietshaus störte das Keinen, aber Paul hatte sich entfernt. Paul fühlte mit ihr, es war nicht so, dass er seine Eltern nicht mochte. Jeder allein wäre für ihn ein wichtiger Mensch gewesen. 
Zusammen waren sie beide nicht auf seiner Seite.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Gold - XXXIX

Ich erhalte einen Anruf von Frau Dr. R. am Montag der darauf folgenden Woche. Sie eröffnet mir, daß mein Vater aggressiv sei und sich jeglicher Therapie verweigere. So können sie ihn nicht behandeln. Er müsse erst einmal in einer psychiatrischen Klinik medikamentös eingestellt werden, um therapiefähig zu werden. Auf meinen Einwand hin, ob dies nicht in Bad Orb geschehen könnte, erwidert sie, dass sie das nicht dürften. 
An welche Klinik sie gedacht hätte? Ich fürchte einen Verlegung nach Kassel und einen anstrengenden Rücktransport für ihn. Frau Dr. R. erklärt, zuständig sei die Psychiatrie in Schlüchtern. Das wiederum würde weder Egon noch mir helfen. Die Verlegung müsse unbedingt spätestens morgen, erklärt mir Frau Dr.R. Ich erkläre ihr daraufhin, dass ich Vater nicht hergeholt habe, um ihn jetzt wieder irgendwo zu haben, wo ich nicht oft genug hin komme. Ich könne mich gern um ein Krankenhaus bemühen, so Frau Dr. R. Notfalls werde sie ihn nach hause transportieren lassen. 
Mir brennen fast die Sicherungen durch. Mein Vater in seiner Wohnung und ohne Aussicht auf Hilfe, ich beende das Gespräch und beginne, die Krankenhäuser ab zu telefonieren. In Hanau erklärt man mir, man könne keine so alten Patienten aufnehmen. Sie würden hier Schizophrene in Behandlung haben. Das paßt nicht. Die sind von der Betreuung her zu intensiv. Auch Frankfurt am Main und Offenbach passen. Ich rufe Frau Dr. R. zurück, wie sieht es denn in Schlüchtern aus?  Schlüchtern habe sie bereits an telefoniert, sie nehmen nur Patienten aus dem Main-Kinzig-Kreis. Das, so lerne ich, ist wohl bei allen psychiatrischen Klinken so. Diese Art Lokalkolorit gefällt mir gar nicht. Ich schlage vor, Vater selbst zu fragen. Wenn er wirklich nach Kassel will, so muß ich ihn gehen lassen. Frau Dr. R. sicherte mir zuvor zu, daß er nach erfolgreicher medizinischer Einstellung in Bad Orb wieder aufgenommen würde. "Meinen Sie," fragt sie mich "Ihr Vater kann darauf antworten? Er war ja schon verwirrt, als er eingeliefert wurde." Mit ihrer Geduld ist sie am Ende. Sie gibt mir höchstens einen Tag, dann muss mein Vater weg. Mir fällt ein, daß mein Bruder in Gießen in einem psychiatrischen Krankenhaus ist, obwohl er auch nicht aus Gießen ist. Tatsächlich, sie wären bereit ihn zu nehmen, die behandelnde Ärztin ist sogar sehr interessiert und kann sich gut vorstellen, daß Egon vom Krankheitsbild her paßt. Frau Dr. R. klingt erleichtert, auch wenn ein weiterer Tag benötigt wird, um die Übernahme nach Gießen zu organisieren. Vom PKH Gießen höre ich zunächst nichts. Egon ist aber angekommen und ich erhalte einen Anruf der verantwortlichen Ärztin. Vater muß wieder verlegt werden, um internistisch behandelt zu werden. Momentan sei er für die medikamentöse Einstellung zu schwach. Man werde ihn untersuchen und arbeite mit dem evangelischen Krankenhaus in Gießen zusammen. Einen Tag später erfahre ich, daß Vater infektiös ist. Ein klarer internistischer Fall.. Das Problem ist nur,, daß das evangelische Krankenhaus in Gießen keinen Platz für ihn frei hat. Man sucht und findet (ev. müsse er nach Lich) im Balserischen Stift (angeblich ein gutes Krankenhaus) einen Platz. Am Wochenende wird er dorthin verlegt. 

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Gold - XXXVIII

Rachel war zufrieden. Endlich schrieb er als sein eigenes Ich und nicht als ein imaginärer Paul. Wer ist denn dieser Paul auch, wer sollte das sein? 
Ich bin Paul, wer sonst? erklärte er. Den kleinen Jungen, der aufgeregt den Dampflokomotiven zugesehen hatte, den gab es nicht mehr. Der für alles Begeisterung zeigte, was neu war und der schöne Geschichten mochte. Dessen Fantasie an der Schlafzimmerdecke eine Bühne bot, der sich solange vertiefte, bis er Figuren sah, die sich bewegten.    
So, dann bist Du also tot? setzte Rachel nach. 
Nur weil etwas nicht mehr lebt, ist es ja nicht tot. 
Untot sozusagen? Warum lebt denn dieser kleiner Junge nicht mehr?
Der ist einen langen Weg gegangen, hat Stück für Stück nicht mehr geglaubt, eine Mutter gesehen, die mit der Bierflasche in der Hand den Vater schlagen wollte, hat mit Spannung gesehen, wie der Vater sich verteidigen wollte, als Zuschauer, wie bei einem Boxkampf.
Die Mutter tobte, bis sie vor Erschöpfung ins Bett fiel, nicht ohne vorher ins Zimmer des Jungen zu kommen und sich zu beklagen, wie schlecht der Vater sie behandelt habe. der Junge hatte tagsüber den Alkohol besorgt und wusste genau, was die Mutter getrunken hatte.
Vater hat auch geschlagen und der Junge konnte es teilweise verstehen, war hin und her gerissen.
Ich habe es Dir gesagt, so schlecht war Dein Vater nicht.
Paul erwachte. Der Mann, der ihn zum Militärdienst gezwungen hatte, ihm kaum zu behandelnde Angstzustände eingebrockt hatte und der verhindert hatte, dass er sein Studium rechtzeitig begann, der war nicht schlecht?
An Weihnachten, ja, da wurde dieser Mann sentimental, während die Mutter spöttelte. 
Da sollte man Lieder singen und das "Ave Maria" hören.
Und wenn er am 2.Weihnachtsfeiertag nach hause kam statt am Heiligen Abend, weil er es nicht aushalten konnte, da schickte er ihn gleich wieder weg.
Das war Paul, er ging seelenruhig sogar mit einer gewissen Erleichterung. Er machte weiter, wo der kleine Junge nicht mehr konnte. Er ignorierte den Zusammenbruch bis zur Selbstauflösung.
Du meinst, Du bist erwachsen geworden? fragte Rachel nachdenklich. Und: meinst Du nicht, dass andere ähnliches erlebt haben? So schlimm war es doch bei euch zuhause gar nicht. Mache doch andere nicht laufend für Dein Leben verantwortlich.
Paul hatte seine Ideale nicht vergessen. Aber wie soll man jemandem erklären, in welchem Gefängnis man sitzen muss, um innerlich zu sterben?



Dienstag, 4. Dezember 2012

Gold - XXXVII

Irgend wann geht auch die längste Reise zu Ende und so tauchte meine Verflossene wieder auf. Sie wusste bereits, dass ich mittlerweile wieder gebunden war und meinen ersten Urlaub mit meiner neuen Beziehung plante. Sie selbst war ihrer ersten Liebe nach gereist, hatte ihn in England getroffen. Das Ganze muss jedoch sehr desillusionierend gewesen sein. 
Es galt aber auch Abschied zu nehmen von meinen eigenen Plänen. Noch war ich Student, noch stand der Auslands- und Studienaufenthalt in England an, dessen Finanzierung nicht klar war. Ich erzählte meiner künftigen Frau von meinen Plänen und das ich eventuell für ein Jahr gehen wollte. Sie hatte irgend etwas bereits befürchet und es schien so, als ob ihre Welt, die auf einer gemeinsamen Zukunft mit mir aufgebaut war, geradewegs zusammen brach. ich erblickte in ihren dunklen Augen ein Kartenhaus, sollte ich das gewesen sein? Ich fühlte nach, was in ihr vorging, hielt mir die Entscheidung dennoch offen. 
Innerlich war ich mir allerdings klar, dass ein Abbruch meines Studiums auch aus ganz anderen Gründen sinnvoll war. Ganz im Gegensatz zu mir stand sie finanziell auf solidem Grund. 
Ich musste und wollte Geld verdienen, wenn ich ihr Niveau mit leben wollte. Ich arbeitete in den Semesterferien bei einer Metallbaufirma und kam gut klar, war stolz auf mein Geld.
Zudem der Plan, mit meiner muttersprachlichen Freundin nach England zu gehen, war gescheitert.
Ich schaffte es tatsächlich, einigermaßen kalt zu bleiben, auch als sie mir etwas zu schmeicheln begann, indem sie mir sagte, es sei wohltuend, dass ich mich nicht verändert habe. Und mich nach meinem Urlaub fragte, den ich längst mit meiner neuen Partnerin geplant hatte.
Zu meinen eigenen Erwartungen, etwas Genugtuung für das Erlebte zu erhalten, das mir meine eigene Freundin, mein pet, zugefügt hatte, kamen nicht unerhebliche Erwartungen von meiner neuen Freundin dazu. Es war ohnehin ein Wunder, dass sie beim Anblick der Möbel ihrer Vorgängerin nicht gleich wieder geflüchtet war. Nach einigem, aus meiner Sicht überflüssigen Geplänkel, sagte ich ihr, wann sie ausziehen müsse. Die Auflösung meiner Wohnung stand sowieso bevor. Dann ging ich, wir haben uns bis heute nicht mehr gesehen. 
Nach meinem Urlaub würde die Erinnerung an sie in Gestalt ihrer Sachen getilgt sein.

Samstag, 1. Dezember 2012

Gold - XXXVI

Paul hatte nach seinem Israel-Aufenthalt und der halbwegs erfolgten Genesung, den Entschluss gefasst, mit der Vergangenheit abzuschließen. Er hatte sein Studium an der Frankfurter Uni wieder im Sinn, wo er Philosophie und Anglistik belegt hatte. Er wusste aber auch, dass ihm das studentische Leben fremd war und die sehr unstrukturierte Gestaltung der Studiengänge Probleme bereiten würde. Im Grunde war er ein Arbeiter, so sagte er es sich selbst. Egal was der Vater über Praktiker und Theoretiker erzählte (zu letzteren zählte er seinen Sohn), er wurde im akademischen Leben ignoriert und fand selbst auch keinen Zugang dazu. 
Sicher entsprach es ihm mehr, im anglistischen Institut über die geschniegelten BWL-Studenten zu lästern, aber das allein reichte nicht als Grundlage für ein erfolgversprechendes Studentendasein und vor allem dessen Abschluss. Paul war erfolgsorientiert, auch wenn das niemand wahr nahm und seine Geduld war in allen Belangen nicht allzu groß.
Die Geduld mit der herum reisenden Exfreundin hatte ihn längst verlassen und nachdem er bereits zwei Monate nach seiner Rückkehr aus Israel eine neue Freundin kennengelernt hatte, wusste er schnell, was er zu tun hatte. Ein letztes Gespräch mit ihr würde anstehen, dieses Mal unter "seinen" Bedingungen.
Die Möbel der "Ex" standen noch in seiner Wohnung, die er selbst nun schon meist nicht mehr bewohnte.
Schon aus finanziellen Gründen (außer dem Bafög hatte er kein eigenes Einkommen) würde er schnell mit in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Die Wohnungsauflösung stand an, nachdem eine andere Entscheidung bereits gefallen war. 

Freitag, 30. November 2012

Gold - XXXV

Er bittet mich um Erlaubnis, etwas Beruhigendes geben zu dürfen und die Arme zu fixieren. Das alles soll nur vorübergehend sein. Schweren Herzens erteile ich die Erlaubnis. Wieder vergehen einige Tage bis ich am Wochenende, dieses Mal mit Auto und Haftcreme, eine Fahrt nach Bad Orb unternehmen kann.
Als wir die Tür öffnen, sagt Vater zu mir: "Was machst Du mit mir?"
Ohne große Begrüßung, ich bin erst einmal konsterniert. Er hat hier ein Einzelzimmer und es riecht muffig. Vermutlich war das Fenster schon länger nicht mehr offen. Er redet nur zögerlich und wenn, dann sagt er, dass die hier gegen ihn seien. Seinen Katheder empfindet er als Unverschämtheit. Ich sehe neben seinem Bett einen Rollstuhl. Ich versuche erneut, ihn besser zu stimmen und zu trösten. "Wenn Du aufstehen kannst und mir sagst, daß Du nach hause gehen kannst, dann habe ich bestimmt nichts dagegen." Die Wohnung, meint er, die wäre doch wohl noch da? Als ich das bejahe, meint er, daß das auch so bleiben soll. Ich deute an, daß wir das überlegen müssen, mehr nicht. Das Wetter ist mild in diesem Januar und die schöne Umgebung lockt zum Ausgang. Die Schwestern sind hier osteuropäischer Herkunft. Ich gehe zum Schwesternzimmer, zum einen, weil ich der schlechten Luft entfliehen und zum anderen weil ich die Schwester bitten möchte, mir bei einer Ausfahrt mit dem Rollstuhl behilflich zu sein. Ohne große Umschweife fragt sie meinen Vater, ob er mit dem Rollstuhl nach draußen will. Er sagt sofort ja. Sie schafft es ohne meine Hilfe, Egon in den Rollstuhl zu bugsieren. So verlassen wir etwas unsicher sein Zimmer, denn auch das Rollstuhl schieben will gelernt sein. Im Aufzug angekommen, scheint er sich im Spiegel zu sehen. Seine Zähne sind nicht richtig fest im Mund. Er sieht ausdruckslos aus. Entweder sieht er sich nicht oder er begreift nicht, daß er sich selbst sieht. Wir suchen ein ruhiges Plätzchen, erst in der Cafeteria, bis wir merken, daß es am besten wäre, allein mit ihm irgendwo zu sitzen. Das Problem beim Schieben, daß er einen Fuß nicht auf dem Raster stehen hat, sondern auf dem Boden schleifen läßt. Das macht das Schieben schwer und ich habe Angst, ihn zu verletzen. Anscheinend aber gleitet der Hausschuh gut über den überwiegend glatten Boden. Wir finden schließlich einen leeren Aufenthaltsraum, ein Fernseher steht darin. 

Ich habe das Gefühl, er denkt über irgend etwas nach. Täuscht uns, um im nächsten Moment den Versuch des Aufstehens zu wagen. Ich gerate innerlich in Panik, weil ich weiß, daß ich die Situation nicht beherrsche. Wieso nimmt er seinen Fuß nicht hoch und warum spricht er nicht, wenn ich ihn was frage? Da sitzen wir beide sprachlos neben einander. Quälend lange, bis ich es nicht mehr aushalte. Ich will mit ihm zurück auf das Zimmer, so schnell wie möglich. Trotz des offensichtlich schlechten Zustands meines Vaters drängen sich Leute vor uns in den Aufzug. Wir warten bis ein leerer Aufzug kommt. Ich fahre Egon bis neben das Bett. Nun brauche ich die Schwester wieder. Im Schwesternzimmer sage ich ihr, das Vater sich über seinen Katheder beschwert hat. Sie erwidert daraufhin nur lakonisch, daß mein Vater inkontinent sei und es nicht merke, wenn er müsse. Angesprochen auf seine angebliche Aggressivität, sagt sie nur, das sei bei alten Leuten hier normal, das komme öfter vor. Wiederum schafft sie es allein, meinen Vater ins Bett zu setzen und zu legen. Er fällt erleichtert nach hinten und muß noch ein Stück hoch gezogen werden. Das ist schwer. Immerhin spricht er nun wieder. Redet über eine kleine Wohnung mit Küche, ein Zimmer vielleicht, scheint sich doch mit einer Veränderung anzufreunden. Bemerkt, dass es nun für mich nicht mehr so weit sei. Ich erkläre ihm den Fernseher, den er hier für sich allein hat. Zeige ihm den Nachtisch, der noch ungeöffnet da steht. Es sieht so aus, als nähme er das alles erst jetzt zur Kenntnis. Nachdem wir die Wäsche kontrolliert haben, es ist Schmutzwäsche darunter, und seine sonstige persönliche Habe auch da ist, scheint erst mal wieder alles im Lot. (Die Bilder wurden nicht geschnitten, die Fingernägel wenigstens.) Die Schmutzwäsche nehmen wir mit, hier wird er nun wieder auch was brauchen. Vielleicht sollte ich in der Woche mal hinfahren, sonst wird es knapp. Mir wird allmählich klar, dass durch die Verlegung ich der einzige Anker bin, den Egon in einer ihm fremden Welt noch hat. Nachdem ich die Position des Kopfteils für ihn eingerichtet habe, legt er sich nach der Verabschiedung auf die Seite. Den Fernseher habe ich eingestellt, vielleicht schaut er ein bißchen. Er ist zu schwach für längere Gespräche.
Wie immer ist an den Wochenenden kein Arzt zu sprechen. Ich kenne den Namen der Ärztin hier, aber was nutzt das, sie hat keinen Dienst. 

Donnerstag, 29. November 2012

Gold - XXXIV

Ich muss versuchen, die Verlegung meines Vaters in ein Krankenhaus in unserer Nähe zu erreichen. Dazu rufe ich im Krankenhaus an, will abklären, was machbar ist. Wie meistens, lande ich erst einmal bei der Schwester. Geplant ist die erneute Verlegung nach Bad Wildungen. Aber wenn ich ein anderes Krankenhaus fände, so sei das kein Problem, ich müsse es nur bald mitteilen. Ich spreche mit der Gesundheitskasse, Egon hat da immer eine gute Meinung gehabt. In der Tat helfen sie mir weiter, Bad Camberg oder Bad Orb stehen als Rehakliniken zur Auswahl. Da Bad Orb entschieden näher ist, gebe ich die Adresse an das Klinikum Kassel weiter. Die Formalitäten lassen sich wohl klären, jedenfalls erhalte ich Nachricht über den Verlegungstermin. Wir haben nun Mitte Januar und ich scheine ein Stück weiter zu sein. 
Am Tag der Verlegung denke ich intensiv an Vater, stelle mir seinen Transport vor. Am Vormittag ruft Frau Dr. H. aus Kassel an. Mein Vater sei sehr aufgebracht und weigere sich, transportiert zu werden. Ob ich mit ihm sprechen könne. Mit seiner etwas hohen Stimme, erklärt er mir, dass er nicht verlegt werden, sondern in seine Wohnung wolle. Mühevoll erkläre ich ihm, dass er sowieso in die Reha verlegt werden sollte und dass das nicht an mir liegt. In Bad Wildungen hätte es ihm ja nicht gefallen und nun könne er in meine Nähe. Ich stelle abschließend fest, er sei krank. Daraufhin erklärt er mir voller Zorn: "Du bist krank!" Wieder versuche ich ihn zu beschwichtigen: "Ich kann Dich dann besuchen!" Völlig unerwartet bricht es aus ihm heraus: "Ach, da freue ich mich!" Das Gespräch endet. Mir ist klar, dass Egon wahrscheinlich während des Gesprächs etwas Beruhigendes gespritzt bekommen hat. Frau Dr. H ist wieder dran und betätigt mir, dass die Verlegung nun beginnen kann. Am Abend des gleichen Tages erhalte ich einen Anruf aus dem Rehazentrum in Bad Orb.
Der diensthabende Arzt teilt mir mit, dass Vater heute angekommen ist. Er würde aber keinen an sich heran lassen.

Mittwoch, 28. November 2012

Gold - XXXIII

Paul hatte sich immer vorgestellt, seinen kranken Vater in der Nähe zu haben. Er wollte die Zeit nutzen, die noch bliebe. Vielleicht ein paar Ausfahrten mit dem Rollstuhl, vielleicht könnte der Vater ja auch seine Wohnung mal besuchen. Alles würde am Ende doch irgendwie gut werden. 
Das Leben hatte beide gegeneinander aufgebracht. So kam es ihm vor.
Würde es am Ende doch eine Aufklärung geben, könnte er doch ein bisschen Anerkennung erreichen?

Paul war wieder mal im Widerspruch mit sich selbst. Einerseits wollte er die Kraft nicht aufbringen, andererseits wusste er, es gibt keinen anderen Weg.

Dienstag, 27. November 2012

Nachwort?

Heute nacht lag ich mit der Hand auf der Brust im Bett, ich mache das immer, wenn ich aufwache. Mir war, als wollte mir jemand mitteilen, dass er so dagelegen hat wie ich, als er gestorben ist. Ich lag auf dem Rücken mit dem Kopf leicht nach hinten gestreckt. 
(24.5.2007)

Montag, 26. November 2012

Gold - XXXII

Die Bemerkung von Rachel, er sei so wie sein Vater, hatte in Paul Spuren hinterlassen. Hatte nicht die Mutter darüber geredet, dass sein Vater vor ihrer Zeit Besuch von merkwürdigen Frauen hatte?
Aber was war für sie merkwürdig oder komisch?
Paul selbst hatte nach seiner Zeit in Israel die Kneipenbesuche notgedrungen wieder aufgenommen.
Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, bei Eltern oder anderen Verwandten in schlechten Zeiten unterzukriechen. An solchen Abenden machte er sich zumindest bei den Frauen mit der Bemerkung unsterblich, ob eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau sich denn immer auf das Eine reduzieren lassen müsse. Das war ein Volltreffer, der ihm aber sonst keinen weiteren Erfolg brachte.
Wenn Fahrten nach hause stattfanden, dann mit dem Zug und nur um hinterher festzustellen, dass es besser für ihn gewesen wäre, schnell wieder nach hause zu fahren. Es war so ein Zwang, meist ausgelöst durch die Frage der Mutter, wann er denn mal wieder einmal kommen würde. Er selbst wusste nicht, warum er sich diesem auf einem einfachen Stuhl sitzenden Mann aussetzte, der nur auf den ersten Schlagabtausch zu warten schien, während die Mutter so tat, als sei er der jüngere Liebhaber. Sie war frei von Sorgen, die sich Mütter normalerweise um ihre Söhne machen, dagegen voller Erwartungen (bringst Du mir etwas mit?).
Es konnte nur die vertraute Gegend sein, die ihn hin zog.
Und diese lag nicht in der Siedlung der Eltern sondern im sogenannten "Vorderen Westen" der Stadt, genau dort, wo er als Kind den Zügen nachgesehen hatte und nach dem Auszug aus dem Herrschaftsbereich des Vaters in möblierten Zimmern versucht hatte, wieder heimisch zu werden.      

Sonntag, 25. November 2012

Gold - XXXI

Ist das auch wieder so eine Geschichte, wie die mit den Kindern? 
Warum lügst Du Deinen Vater an? fragte Rachel vorwurfsvoll. Du hast keine Kinder, soweit ich weiß.
Doch, es sind meine, gab Paul zu. Deine? Du hast nie für sie gesorgt, warst nie mit ihnen zusammen. Hast Du sie groß werden sehen? 
Dein Vater hat Dich groß gezogen und sich gekümmert. Er hat Dich geliebt.
Woher weißt Du das? Paul wurde zum ersten Mal richtig wütend. Dieser Mensch hatte Spaß daran gehabt, ihn anzuziehen, wie er wollte, ihn zum Friseur und zum Wehrdienst zu zwingen, den er fast nicht überlebt hätte. Der Mutter die Unselbstständigkeit ermöglicht und nicht verstanden, dass sein zweites Kind behindert war. Er hatte einen Krieg gegen seine eigene Familie geführt, die Altersmilde seiner Stiefmutter abgetan. Mit einem Satz, er wich nicht einen Millimeter von seinen Vorstellungen ab und schon gar nicht wegen seiner Kinder.
Nun hatte Paul alle Argumente beisammen, ein altbekannter Hass mischte sich mit ebenso bekannter Abneigung über die aus seiner Sicht bestehenden Tatsachen zu diskutieren.
Rachel kommentierte nur trocken: Du bist wie er. Nur das er bereits verstanden hatte, warum wir zusammen sind.
Paul hatte sich verrannt, er wollte weiter in die gleiche Richtung, aber ihm fiel ein, wie der alte Mann im Krankenbett ihre ab und an aufkommenden Unstimmigkeiten kommentierte: streitet euch nicht.
Wie er die Ohren gespitzt hatte und die jeweiligen Argumente, die sie austauschten, verfolgte.
Schon früher hatte er ihm geraten, sich nicht aufzuregen. Vater hatte immer eine klare Meinung. Da musst Du nichts machen, war seine, bezogen auf die Kinder. Er hatte sich damit abgefunden, wie es war.
Er war ein Meister darin, sich Abzufinden.
Rachel tat, was sie immer tat, wenn sie Zuneigung empfand, sie stellte ein Bein zwischen seine, drängte sich heran und fragte: das mit den Kindern, das war ein Wunsch?
Yep, sagte Paul und war sich sicher, dass das Thema nun erledigt sei. 



Samstag, 24. November 2012

Gold - XXX

So oder so, die Geschichte in Kassel war zu Ende.

Vater war gut vorbereitet, er hatte sich Kalender für das nächste Jahr besorgt. Solange das Wetter gut war,
konnte ihm der Winter und die Weihnachtszeit nichts anhaben. Sein Fahrrad stand bereit. Von der Bank hob er 30 € ab, das sollte für die nächste Woche reichen.  
Am Wochenende des 1. Advent war er mal wieder mit der Hausordnung dran. Das hieß vor allem Treppe wischen und vor dem Haus fegen. Nicht jeder machte seine Hausordnung ordentlich, vor allem die Ausländer nicht, wie er stets betonte. ihm aber war diese Pflicht der Mieter nicht egal. Er brachte die Karte, auf der die Mieter ihre Unterschrift leisten mussten, nachdem sie die Hausordnung erledigt hatten, zur Nachbarin im 
1. Stock, die in der nächsten Woche dran war. 
Als er zurück zur Wohnung ging, fühlte er sich seltsam benommen. Vielleicht sollte er sich hin legen, aber das war ihm zu unsicher. Eigentlich hatte er nichts mehr zu tun. Das Essen für den Tag hatte er sich schon gekocht. Ein großer Topf mit Erbsensuppe stand bereit.
Ihm fiel ein, dass er noch Sofakissen bügeln musste. Als er das Bügeleisen aus dem Schrank geholt hatte, bemerkte er ein Kribbeln in den Händen. Es fiel ihm aus der Hand. Die eigene Wohnung wurde nun zum  See, auf dessen Mitte er sich bewegte, ohne das Ufer zu erreichen. Angst stieg in ihm hoch, gepaart mit einer gewissen Überraschung. Er war doch sonst gut vorbereitet, ein gepackter Koffer mit Sachen für das Krankenhaus lag auf seinem Schlafzimmerschrank. Das Zimmer, in dem er gar nicht mehr schlief, seit seine Frau hier gestorben war. Er wollte anrufen, es ging um das Geld. Das war ein Ziel, aber der Körper machte nicht mit. Der rechte Arm war lahm, der linke ließ den Hörer fallen. Er versuchte, beruhigend auf sich einzureden, verstand sich aber selbst nicht. Was war das für ein unverständliches Kauderwelsch?
Die wenigen Meter zum Sofa dauerten eine Ewigkeit, er ließ sich fallen, kam in Rücklage, drehte und drehte sich dauernd. Irgend wann muss es doch aufhören, dachte er noch, begann zu dämmern. Endlich schlafen.
Sein Sohn war doch da, in der Aue, Männer standen um ihn herum, wollten Geld. er nahm die Verteidigungshaltung ein, bis er einen Schlag auf dem Kopf spürte. Wenn er nur seinen Schlagring dabei gehabt hätte. Er rannte und rannte, wollte nur noch nach hause.
"Du darfst mich nicht ins Krankenhaus bringen." 

"Heute Vormittag haben wir einen Anruf aus der Neurologie in Kassel bekommen. Der zuständige Arzt hat uns informiert, dass ihr Vater dort kurz nach seiner Einlieferung verstorben ist. (Nähere Informationen über die Todesursache habe ich aufgrund der Schweigepflicht des Arztes auch nicht). Ich habe der Klinik in Kassel mitgeteilt, dass ich Sie als Bruder von Herrn Dreyer informieren werde, damit sie alles Weitere organisieren und möglicherweise noch Abschied von Ihrem Vater nehmen können. Daher bitte ich Sie, sich in der Neurologie in Kassel zu melden. Leider liegt uns keine Telefonnummer von Ihnen vor, so dass wir Sie lediglich auf diesem Weg benachrichtigen können. Ihren Bruder werden wir die Nachricht in den nächsten Tagen übermitteln, sofern sein Gesundheitszustand dies zu lässt.
Mit freundlichem Gruß
(Dipl.-Psych.)"
Den Zettel mit meiner Telefonnummer und der Notiz seines Vaters, dass er im Falle seines Todes der Ansprechpartner sei, den hatte er später im Sekretär zusammen mit den übrigen wichtigen Unterlagen gefunden. Ebenso wie den Topf Erbsensuppe.  

Freitag, 23. November 2012

Gold - XXVIX

Das soll also die Wahrheit sein, dachte Rachel. Es ist aber wieder etwas übertrieben. Er tut so, als sei er ein Frauenschwarm gewesen. Jetzt schreibt er aber weiter und bringt die Krankheitsgeschichte eines Mannes zu Papier, den er besser ruhen lassen sollte. Anscheinend wird er auch damit nicht fertig. Sie betrachtete ihren langen Fingernägel, die sie gern irgendwo hin gekrallt hätte.
Paul hatte gelernt, dass man Frauen gegenüber nicht emotional argumentieren sollte. Vor allem nicht dann, wenn man mit ihnen zusammen lebte oder sie glaubten, man stünde ihnen näher. Es lag ihm auch fern, seine Berichte zu verteidigen. Er blieb stattdessen stumm und dachte über die Frage nach, was Fiktion oder Non-Fiktion war. Erinnerte sich nur kurz daran, wie er früher schon bemerkte, dass aus eigentlich ganz netten Typen in der Kneipe mit dem Auftauchen einer Freundin an ihrer Seite wahre Spaßbremsen und Langweiler geworden waren. Die Bedürfnisse, die Mütter in ihren jungen Söhnen wecken, werden sicher von anderen Frauen, die einem über den Weg laufen, nicht erfüllt. Die Mutterrolle, die eine Frau gegenüber ihrem Sohn einnimmt, ist sicher eine Fiktion. 
Dieser Gedanke allein hätte bei Mutter den Satz "Das darfst Du nie denken." ausgelöst. Obwohl sie sich selbst immer auf die "Gedanken sind frei" berief. 
Gewisse Dinge darf ein Mann nicht denken. Censored by Schatz, sozusagen.
Rachel jedoch war noch nicht fertig. Was sind das für Kinderbilder, die Du ihm ins Krankenhaus gebracht hast, so lautete die Frage. 
Reine Fiktion, murmelte er und dann entschlossener: etwas Hoffnung musste in diese Geschichte ja hinein kommen. Wenn Zweifel ein Feuer sind, dann loderte das jetzt schon ganz heftig.