Sonntag, 29. April 2012

2000 - IX

ES

Es tut mit leid, ich habe das nicht gewollt, sagte Gott und zog sich in den Schmollwinkel seines Daseins zurück.
Gerade war die Schöpfung zu Ende gegangen.
Es kann passieren, war seine Meinung.
Es war einmal, er kannte es nicht.
Wer oder was war dieses kleine große "Es", das ihn überall umgab.
Es schwärmte über seinem Kopf aus, es war aktiv und doch da.
Er weiß es, es ist vorgekommen, erschließt sich seiner Betrachtung, schmeckt gut.
Es könnte sein, Du fasst es nicht, es macht sich.

Samstag, 28. April 2012

2000 - VIII

Off cause!

Das geschah bisher: die Blätter rauschen unbeständig wie die Kurse der Wertpapiere.
Das Wort Gewinn schwebt über erwartungsfrohen Köpfen,
ab und zu fällt ein Moorhuhn herunter. Es geht nichts über eine sichere Beute.
Die Jagd endet mit wenig Erfolg.
Was geht? Die Moralapostel ziehen sich verschämt in die Trendyecken zurück.
Dort bieten sie ungestört ungenierte Profile als Rezepte zum Nachkochen an.
Als Desktopmotiv gut geeignet, nicht um damit zu arbeiten.
Arbeit steht im Trainingsplan nicht mehr im Kontrast zur Ruhe.
Stille Bewegung sieht gut aus, manchmal Aufregung sachlich thematisieren, das hilft.
Analyse und Rating auf der Basis von Eckdaten.
Die Motivation bleibt das Ziel am Ende des Wegs.
Alle wollen, keiner kann.
Die Blätter sprießen fast schlagartig hervor,
ewig singen die Wälder, nur solange das Verhältnis zwischen innerem Wert und Gewinnerwartung stimmt.
Zu Englisch: Shareholder value in Korrelation zu political correctness.
Watt is leading to results?
Trading am Euroboard, E-Commerce statt Unterhaltung oder Käse auf dem Brotbrett.
Das Ohr summt ständig dazu: gesund sterben, reich und glücklich.
Of cause!

Freitag, 27. April 2012

2000 - VII

Time-Eater

Sie lächeln Dich an und meinen es gut.
Sie wenden sich ab und Du kriegst die Wut.
Sie ziehen Dich an oder aus,
machen aus Prinzip Dir den Garaus,
sie pudern und sie wickeln Dich
in Watte erst und dann der Stich:
es wird Deine Zeit Dich kosten,
Du stehst auf verlorenem Posten.
Spätestens auf dem Totenbette
ist es zu spät, nun rette
die Vielzahl der guten Stunden,
um sie alle zu überrunden.
Ist Deine Zeit erst abgelaufen,
werden sie alle zusammen saufen.
Im Rausch werden sie Dich vergessen,
suchen was Neues, um Zeit zu essen.

Donnerstag, 26. April 2012

2000 - VI

Entdecke die Möglichkeiten ..

Er hat auch schon länger Probleme mit der Erektion und jetzt eine Vakuumpumpe bekommen.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, denn mit der Pumpe funktioniert es nicht so richtig?
Pioneer 10 wird nach Schätzungen der Wissenschaftler wahrscheinlich seinen Heimatplaneten Erde überleben.
Dunkle, sonnengebräunte Holzhäuser erheben sich auf soliden weissen Steinfundamenten
und wechseln sich mit vereinzelten, weissgetünchten Steinbauten ab.
Ein gepflasterter Weg führt durch das Dörflein zur Kapelle und dem schönen,
mit Steinplatten gedeckten Brunnen, welcher leicht erhöht am Dorfweg steht.
Wenn sich die Sonne in fünf Milliarden Jahren zum Roten Riesen aufbläht und kochende Ozeane
das Ende der Erde anzeigen, dann dürfte der bislang erfolgreichste Raumfahrtpionier
immer noch die Gefilde unserer Milchstraße durchpflügen.
Es scheint, als wäre die Zeit stehengeblieben.

(Entnommen aus:
Frankfurter Neue Presse vom 31.März und 1. April 2000 und
Die Lupe, Das Magazin für den Briefmarkenfreund, Ausgabe März 2000)

Mittwoch, 25. April 2012

2000 - V

Der Spieler und der Dieb

Wenn ich doch nur ein Herz gewönne,
so wüsste ich um den Sinn dieses Spiels.
Wäre ein Herz nur mein,
so könnte ich ganz zufrieden sein,
seufzte der Spieler.
Doch die Konkubinen zogen vorbei,
ohne das es ihm gelang,
auch nur eine wirklich an sich zu binden.
Ein Lächeln hier, eine Zärtlichkeit da,
doch am Ende mischte das Leben stets erneut die Karten.
Du bist nicht nur ein Spieler, sondern auch ein Narr,
sagte da der Dieb, der die ganze Zeit verstohlen in der Ecke gestanden hatte.
Ein Gewinn ist nicht von Dauer,
das Spiel geht weiter und
Du musst neuen Einsatz erbringen,
ich dagegen stehle meine Herzen lieber.
In der Tat hatte der Dieb einige Herzdamen an seiner Seite versammelt.
Sie holten ihr langweiligstes Gesicht hervor und schauten den Spieler von oben bis unten an.
Aber, fragte der Spieler, wie willst Du wissen,
ob sie Dir wirklich gehören?
Das ist mir egal, entgegnete dieser,
ich sammle die Herzen nur, um den Besitzstand zu wahren.
Ich will sie nicht gewinnen, dafür sind sie mir zugehörig.
Da muss es einen Ausweg geben, murmelte der Spieler mehr sich selbst als dem Dieb zu.
Welches Ass hast Du denn dieses Mal im Ärmel, grinste der Dieb,
nicht ohne Raum und Zeit mitzunehmen.
Die nächste Runde begann: faites vos jeux, s'il vous plait.

Dienstag, 24. April 2012

2000 - IV

Ja ja

Verbrannte Menschen von Russland bis Polen,
schneidiger Schritt auf dicken Sohlen,
Ja, ja, sagte sie immer,
Wortfetzen fliegen durch das Zimmer.
Jungen wollen immer einen Sieg,
für die Alten ist es der ewige Krieg.
Ja, ja, wann kommst du wieder,
weiß ich nicht, wann blüht der Flieder?
Weihnachten wollen wir zuhause sein,
Wer es besser weiß, werfe den ersten Stein.
Ja, ja, ich weiß es ja auch,
nur der Wille unterliegt dem Bauch.
Ein Zweifeln in diesem Blick,
ewig lange bleibt dieser zurück.
Ja, ja, was bedeutet Material und Erfolg?
Der Sieg ist es, das will unser Volk.
Der einzelne soll sich ihm unterstellen,
Beifall brandet auf in Wellen.
Ja, ja, Dein Lachen hört nicht auf.
Du stoppst ihn nicht, den Weltenlauf.
Da will Einer für alle viel zu viel,
Mann, das wäre was für Dich auch,
ja, ja, ein schönes Ziel.

Samstag, 21. April 2012

Früher

Ich bin ein sehr altmodischer Mensch. Ich telefoniere nicht mit meinem Handy, wenn ich Auto fahre. Ich schaue erst, bevor ich gehe. Wenn ich Emails schreibe, möchte ich, dass man mir antwortet. Wenn ich zu jemandem freundlich bin, erwarte ich das gleiche von ihm. Wenn ich was für die Allgemeinheit tue, soll sie es mir gefälligst danken.
Ich mache mir sogar Gedanken über meine Rechtschreibung. Ich finde die Kleinschreibung fürchterlich und ich schreibe Du immer noch groß.
Ich weiß, das ist alles voll übel und mir ist nicht zu helfen. Aber wie soll ein Mensch werden, wenn er ohne iPad, iPhone, Handys überhaupt, Fernsehen rund um die Uhr,
ja sogar ohne Computer und Taschenrechner, ohne Kopfstützen und Sicherheitsgurte im Auto und ohne Digitaluhr groß geworden ist? Ohne Küchentücher und Spülmaschinen gar und ohne Tiefkühlkost und Pizza, Burger und Pommes?
Dabei steckt das alles in uns drin. Kleine Chips werden die Zukunft sein, sagte mir mein väterlicher Freund schon in den Siebzigern, ein Diplomingenieur mit Rechenschieber.
Der die Krümel mit dem Löffel aus der Kekstüte gegessen hat. Weil er nichts umkommen lassen wollte, obwohl er in zwei Kriegen Soldat war.  
Das Leben ist eben einfach wunderbar. Wenn es früher das alles gegeben hätte, dann wäre früher jetzt gewesen. Die Leute hätten ihre Telefonate vom Fahrrad aus erledigt und alles weg geschmissen, was zu reparieren gewesen wäre, sie hätten Hitler vergessen und sich stattdessen zu Flashmobs verabredet. Langeweile am Sonntag und ein Sendebild am Tag im Fernsehen hätte es dann nicht gegeben. Aber was wäre aus mir geworden? Vermutlich hätte es mich nicht gegeben und ich müsste mich nicht jetzt erst verlieren.