Direkt zum Hauptbereich

Früher

Ich bin ein sehr altmodischer Mensch. Ich telefoniere nicht mit meinem Handy, wenn ich Auto fahre. Ich schaue erst, bevor ich gehe. Wenn ich Emails schreibe, möchte ich, dass man mir antwortet. Wenn ich zu jemandem freundlich bin, erwarte ich das gleiche von ihm. Wenn ich was für die Allgemeinheit tue, soll sie es mir gefälligst danken.
Ich mache mir sogar Gedanken über meine Rechtschreibung. Ich finde die Kleinschreibung fürchterlich und ich schreibe Du immer noch groß.
Ich weiß, das ist alles voll übel und mir ist nicht zu helfen. Aber wie soll ein Mensch werden, wenn er ohne iPad, iPhone, Handys überhaupt, Fernsehen rund um die Uhr,
ja sogar ohne Computer und Taschenrechner, ohne Kopfstützen und Sicherheitsgurte im Auto und ohne Digitaluhr groß geworden ist? Ohne Küchentücher und Spülmaschinen gar und ohne Tiefkühlkost und Pizza, Burger und Pommes?
Dabei steckt das alles in uns drin. Kleine Chips werden die Zukunft sein, sagte mir mein väterlicher Freund schon in den Siebzigern, ein Diplomingenieur mit Rechenschieber.
Der die Krümel mit dem Löffel aus der Kekstüte gegessen hat. Weil er nichts umkommen lassen wollte, obwohl er in zwei Kriegen Soldat war.  
Das Leben ist eben einfach wunderbar. Wenn es früher das alles gegeben hätte, dann wäre früher jetzt gewesen. Die Leute hätten ihre Telefonate vom Fahrrad aus erledigt und alles weg geschmissen, was zu reparieren gewesen wäre, sie hätten Hitler vergessen und sich stattdessen zu Flashmobs verabredet. Langeweile am Sonntag und ein Sendebild am Tag im Fernsehen hätte es dann nicht gegeben. Aber was wäre aus mir geworden? Vermutlich hätte es mich nicht gegeben und ich müsste mich nicht jetzt erst verlieren.  

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

2002 - X

A rock feels no pain and an island never cries.. Auf der Insel Wahrheit gestrandet, möglicherweise völlig versandet? Einfacher jede Klippe zu umrunden, die Wirklichkeit darstellt und wählt, sich über den Riffen zu bekunden: der eigene Weg nur zählt! Auf dem Meer der Lügen, da lässt es sich gut segeln. Denn im Meer der Lügen, da gibt es keine Regeln.

Platz

Ein großer Flachbau im Industriegebiet, das nennt sich hier "Lieblingsplatz" für Hunde. Nix mit familiären Anschluss oder persönlicher Betreuung wie noch zu Schönecker Zeiten. Auch für Hunde ist das Leben in Lippe härter als gewohnt. 

Wolfgang Herrndorf – Sand

Man könnte meinen, hier habe jemand möglichst viele Klischees zusammen gestellt und sie durcheinander gewürfelt. Aus den vielfältigen und genau beobachteten Eindrücken ist dann die Aufgabe erwachsen, einen roten Faden zu finden, der das ganze zu einem Roman macht. Dieser rote Faden ist der Irrwitz des Lebens, der konsequent durchhält. Der Irrwitz, den wir alle kennen, den die meisten jedoch verdrängen, denn das menschliche Gehirn neigt dazu, Zusammenhänge zu erkennen, wo es keine gibt. Falscher Ort, falsche Zeit, diese Umstände kosten den meisten Menschen das Leben. Und so geht es schlussendlich auch dem Protagonisten, der den Namen Carl trägt, weil er seinen eigenen Namen nicht mehr kennt. Man hat ihm den Schädel eingeschlagen und er darf trotzdem weiter leben, ohne zu wissen warum und mit der Verzweiflung sich selbst finden zu müssen. Denn sie sind hinter ihm her, er hat etwas, was sie brauchen. Ist es eine Mine? Eigentlich auch egal. Da taucht Helen auf, die Frau, die sein Schicksal...