Dieses Buch ist sehr erhellend und enthält durchaus historisch interessante Aspekte. Die Regierung der jungen deutschen Republik war bemüht, die Kriegsschuld des Deutschen Reichs am Ausbruch des ersten Weltkriegs möglichst zu widerlegen, vor allem im Vorfeld der Friedensverhandlungen in Versailles. Kautsky war beauftragt, die vorhandenen Dokumente aus dem Jahr 1914 zu sichten, auch um das Deutsche Reich in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen.
Das Gegenteil ließ sich aber aus dem vorhandenen Aktenmaterial herauslesen. Das Attentat von Sarajewo gilt allgemein als Grund für den Ausbruch des Krieges, sozusagen ein halbwegs gerechtfertigtes Motiv für die K.u.K-Monarchie in deren Gefolge das Deutsche Reich als Bündnispartner in den Krieg mit einzutreten hatte.
Historisch ist bis heute nicht erwiesen, dass die serbische Regierung mit dem Attentat überhaupt etwas zu tun hatte. Österreich-Ungarn war jedoch bestrebt, auf dem Balkan seine Macht zu sichern. Man stellte also wenige Wochen nach dem Attentat an Serbien ein scharfes Ultimatum, dass innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden musste. Zuvor hatte man sich die Unterstützung des Deutschen Reichs gesichert. Kaiser Wilhelm der II. hatte es nicht nur versäumt, sich vertraglich mit den europäischen Großmächten gut zu stellen, er war auch ein ausgesprochener Kriegstreiber, der mögliche Verhandlungspartner schon mal als Schufte bezeichnete und über das serbische Volk als Gesindel urteilte. Dies geht aus den Randnotizen des Kaisers hervor, mit denen er erhaltene Nachrichten kommentierte. Die Wiener Monarchie konnte sich seiner Unterstützung so anfangs sehr sehr sicher sein.
Doch Serbien akzeptierte das gestellte Ultimatum auch zu seiner Überraschung. Nun mussten neue Gründe für einen Krieg gefunden werden, in dem zuerst Frankreich und dann Russland besiegt werden sollten. Von England erwartete man Neutralität und von Italien aktive Unterstützung, schließlich befand man sich mit der K.u.K.-Monarchie und dem Königreich Italien in einem Dreierbund. Doch beide Annahmen erwiesen sich als falsch. Es war eine schwere Aufgabe, selbst den Überraschten zu spielen, was Österreichs Vorgehen anbelangte und zudem noch als Friedensengel aufzutreten wo man doch den Krieg wollte. Am 29. Juli 1914 war das Spiel bereits aus und so beschreibt Karl Kautsky die Lage: