Donnerstag, 23. Februar 2012

1980 - XLI

Nirgendwo

Wenn das Elend an den Wänden hoch kriecht
und die Suche nach dem Ausweg beginnt,
dann weiß sich das Leben bemerkbar zu machen,
drückt sich aus im Aufschrei der Seele,
die ihre jämmerliche Verkleidung nicht verlieren will
und doch die Angst beiseite schieben muß,
wie dunkle Rauchschwaden,
um Berge zu besteigen
und finstere Abgründe zu durchmessen.
Nirgends lebt es sich schlechter als im Nirgendwo.

Dienstag, 21. Februar 2012

1980 - XL

Apocalypse now

Jäger der Apokalypse,
die Hunde hetzen Dich
in immer neue Kammern des Labyrinths,
doch keine Tür, die Du hinter Dir verschließt, schützt Dich.
Was Du anfaßt, löst sich zu Staub auf.
Du erhälst nichts und Du wirst nicht erhalten,
wen willst Du vernichten ?
Gegen wen Dich verteidigen ?
Der Untergang ist einzig und allein in Dir
und die Kraft heißt:
damit leben.

Montag, 20. Februar 2012

1980 - XXXIX

Bilanz

Den Nebel beiseite wischend, erscheinen die Sterne als
Punkte des Universums so leuchtend klar, wie die Augen es können, wenn sie fixiert betrachten.
Jede Bewegung bedeutet Verwischung und muß daher zum Stillstand gebracht werden, sonst wäre sie keine.
Den Status Quo der Nichtbewegung erreicht jeder Energiefluß nach gewisser Dauer.
Mag sein, daß alles einem übergeordneten Prozeß dient, die Bewegung selbst scheint nur den Selbstzweck zu kennen.
Das Denken als Reflektion der Aktion ist sekundär für den Ablauf, es sei denn, den Einzelaktionen wohnt ein übergeordneter Gedanke inne, den wir nicht kennen,
und unser eigenes Denken wirkt als Überordnung für zahllose Kleinwelten.
Wir, ob Herren oder Diener, trinken unser Glas aus, mal schnell, mal langsam,
und welche Form der Wesenheit wir danach erreichen, weiß keiner von uns.
Als Ebene des Lebens verlassen wir den Körper, der quasi abgeschaltet wird und den Positivzustand verändert.
Gibt es einen gigantischen Ausgleich zwischen Sein und Nichtsein ? Nichtsein als modifizierter Zustand des Seins ? Göttliche Fragen, über die zu denken unsinnig scheint und doch stecken wir mitten drin.
Die Suche nach Zufriedenheit, die in unserem Zustand nie erreicht wird, weist sie nicht hin auf das Ende ?
Der Weg ist das Leben, aber ohne Leben gäbe es den Weg nicht.
Eine Einheit des Ganzen läßt sich erahnen.
Über den Namen dafür streiten wir noch immer.

Sonntag, 19. Februar 2012

1980 - XXXVIII

Heuchelbach

Es klappert die Mühle am Heuchelbach, sie wird es immer tun,
denn die Heuchelei ist nichts weiter als eine gigantische Vergewaltigung der Idee. Forscht man einmal nach, so stellt sich heraus, das jeder religiöse Mensch,
und religiös ist hier als Charaktereigenschaft gemeint,
gut ist, weil er dem Leben einen Sinn abgewonnen hat
und ihm somit positiv gegenüber steht.

Nun gibt es einige, die meinen, das Kind müsse einen Namen bekommen.
Also die Tatsache, daß ihre innere Überzeugung ihnen beim Leben hilft,
die soll nun verbreitet werden.
Das Ganze geschieht natürlich nicht aus völlig altruistischen Motiven.
Ein Kind, das schwimmen gelernt hat, prahlt auch gern bei seinen Altersgenossen, die nicht schwimmen können.
Der Unterschied ist nur, daß nun der Glaube an die eigene Überlegenheit den Namen Gott, Gottes Sohn und Heiliger Geist (was immer das sein mag) trägt
und die Ungläubigen (wahrscheinlich vor Staunen) mit einiger Nachhilfe
(früher mit primitiver, aber wirkungsvoller, Gewalt, heute durch Agitation) zu Ihrem Glück gezwungen werden sollen.

Wie wird aus einer an sich guten Kraft eine schlechte ?
Ganz einfach: der Zweck heiligt die Mittel.
Mit diesem Satz läßt sich alles rechtfertigen, sofern der Zweck, der christliche Moralkomplex, erst einmal selbst geheiligt ist.
Das besorgt die Kirche, die Neigung, sich im Zweifelsfall nicht auf sich selbst zu verlassen,
sondern imaginäre Stützen zu suchen, treibt ihr immer wieder seltsame Schafe zu.

Ein eigenes, urmenschliches, Gewächs ist da entstanden, das nichts mehr mit Urahnungen und Gotteserfahrungen zu tun hat.
Wie einem Krebsgeschwür wohnt allen menschlichen Institutionen inne, daß sie Eigenleben entwickeln.,
wachsen ohne Sinn und schließlich ihre Grundlagen vernichten.
Wenn Gott wirklich überall ist, dann ist er in Jedem, wozu also noch Kirchen bauen ?
Wie soll eine Kraft übertragen werden, die Andere nicht spüren ?
Eine reine Machtfrage entscheidet, was die Kinder glauben dürfen, was nicht.
Falsche Religiosität wird an den Tag gelegt, menschliche Beziehungen zerstört, bevor sie angefangen haben.
Haß gegen Juden, Araber, ist das Gott ?
Was ist mit Allah ? Dem Nirwana ?
Der Teufel trägt das Kruzifix des Gottgötzen
und der Geist wendet sich mit Grausen.

Samstag, 18. Februar 2012

1980 - XXXVII

Spiel

Lieber Gott, fragst Du Dich manchmal,
warum die Starken nicht immer gut,
die Schwachen nicht immer schlecht,
die Reichen nicht immer stark
und die Armen nicht immer schwach sind ?
Wie hälst Du den Zufall aus,
der in Deiner kunterbunt zusammen gewürfelten Welt
immer die gleichen gewissenlosen Menschen
an den Schalthebel führt,
der die Macht über Tausende von Menschen bedeutet und deren Unglück ?
Gewiß, manchmal gewinnt auch ein Guter,
im Märchen zum Beispiel läßt es sich happy enden.
Aber Du verbreitest unwidersprochen, die Welt sei gut,
alles soll so bleiben:
findet Euch mit dem bißchen Unglück ab und betet.
Dabei geht Deine Schöpfung, zumindest deren Krone gewaltig in die Hose.
Vielleicht hast Du auch nur ein Spielchen mit Deinem Kompanion,
genannt Teufel, gewagt und leider verloren.
Ein neues Spiel - ein neues Glück.
Jetzt mußt Du Deine Karten mischen,
sonst verlierst Du wieder
oder hast Du Dich abgesprochen
und am Ende gar nichts verloren ?
Jagst uns die Puppenfiguren der Angst auf den Hals,
läßt uns schwitzen, am Ende für nichts ?
Womöglich bist Du selbst so eine Figur,
ein Lächeln wird Euch beiseite wischen.

Freitag, 17. Februar 2012

1980 - XXXVI

Augenblick !

Sechs Milliarden Endzeiten verrinnen,
neue beginnen,
im Rausch der Ewigkeit des Augenblicks
und höchsten Glücks,
gezeichnet von der Endlichkeit
mit Verschwendung ohne Endung,
entsteht aus Leidenschaft neue Lebenskraft
- nie so zahlreich, doch so einsam.

Donnerstag, 16. Februar 2012

1980 - XXXV

Blauer Tag

Sieht nach blauem Himmel aus
oder nach einem blauen Tag,
der Rauch der Zigarette
ringelt den Sonntagshimmel,
ein Weg an einer langen Straße
führt den Spaziergänger
an Deine Tür,
mit braunen Augen in den Tag,
der blau scheint
in das Stilleben der
Kaffeetassen und Aschenbecher,
Brotreste in der Küche,
die Kühe im Stall bemerken es nicht,
der Himmel ist blau über dem Asphalt
und den kleinen Staubwolken,
die unsichtbar umher eilen
und irgendwo die Einkehr,
um sich die Zigarette zu drehen
und Kaffee zu trinken
und erst abends beim Bier
merkst Du und die Gestalten der Nacht:
es war ein blauer Tag.