Mittwoch, 27. Juli 2011

1996 - I

Der einsame Wanderer trifft unterwegs auf einen jungen Mann. Er will rasten, setzt  sich und der Junge gesellt sich zu ihm. Wie war Dein Weg bisher? fragt voll Interesse
der Junge den Alten. Interessant, sagt der Alte, ich habe viel gesehen, aber eigentlich auch nichts und jetzt fehlt mir der Trieb zum Weitergehen, ich möchte schlafen und bin müde. Wenn es interessant war, versäumst Du dann nichts im Schlaf? Nein, sagt der Alte: ich sah viel Neues, aber es war immer das Gleiche: Fragen, Antworten der Menschen, Verhalten. Die, die nicht gleich sind, z.B. Kranke, Irre, Betrunkene, sind nicht sie selbst. Sie durchschauen vielleicht für einen Moment die Welt, aber Du kannst nicht mit Ihnen reden.
Der Junge grübelte unzufrieden. Diese Aussichten gefielen ihm nicht. Wahrscheinlich setzte der Alte so einen Gleichmut auf, der auf alle auch so wirkte und das schon beim ersten Anblick.
Darauf der Alte in Erregung: Als junger Mann glaubte ich mich attraktiv und schlau, mächtig und stark, phantasievoll und kühn. Voll Unternehmungsgeist wollte ich alles, aber ich fand weder Frau noch Brot auf Dauer. Alle sagten nur: Du bist ein Wanderer, Du brauchst uns nicht. Bleib’ ein bisschen hier und sieh’, wie wir uns amüsieren, doch dann geh’ weiter. Es scholl nur so aus den schönen Mündern der Fräulein und den mächtigen Unanschaulichen, bis ich gelähmt war und nichts gegen den Zustand tun konnte, als zu wandern. Ja, ich glaubte alles und entwickelte Spaß daran und bald hörte ich ihn nicht mehr, den ätzenden Spott. In meinen Ohren entwickelte sich ein eigener Klang und meine Welt wurde harmonisch. Doch allmählich wird der Gang beschwerlich.
Der Junge war nachdenklich geworden. Sollte es das Ende auch seiner Geschichte werden? Der Alte bot ihm nun an, mit ihm zu trinken. So saßen sie, an einen starken Baum gelehnt nebeneinander inmitten des Vogelgesangs und des Insektengebrummes und dem Rauschen der Blätter. Ab und zu ein nervöses Reh..
Sie rauchten, schwiegen und genossen gemeinsam. Das leben ist ein klarer Schluck Nichts, sagte der Alte schließlich, trank etwas und murmelte: der schmeckt verdammt gut. Er wankte von dannen und der Junge freute sich auf die nächste Wanderung. –

Dienstag, 26. Juli 2011

1995 - XVI

In jeder Seele klimmt ein Funken Hoffnung, so groß die Verzweiflung auch sein mag. Ihn verlöschen zu lassen, ist ein Verbrechen. –

Montag, 25. Juli 2011

1995 - XV

Es war einmal ein Volk der Tiroler Bergbauern. Sie ließen ihr Vieh auf den Almen ihrer Heimatberge grasen und bauten sich Holzhütten an ihren Trampelpfaden. So manch einer hieß vielleicht Sepp oder so ähnlich. Da kamen eines Tages viele Menschen von weit her nördlich des bayerischen Voralpenlandes und riefen: „Wir sind Sepp!“. Sie schwenkten ihre Gamsbarthüte und schlugen sich auf die krachledernen Schenkel. Sie vermehrten sich rasch und machten sich die Almen untertan. Also gut, sagten sich die Tiroler Bergbauern und auch die Kollegen aus anderen Bergregionen, also gut, dann seid ihr jetzt die Seppel. Und so trugen sie rasch eine Brettljause nach der anderen auf. Statt von Milch und Käse leben wir jetzt von heute an von Heller und Pfennig.
Ab und zu kann man sie heute in ihren Verstecken sehen, die Tiroler und auch andere Bergbauern. Manche heißen Sepp, aber nicht alle mögen Seppel, also Vorsicht! Da kaufe ich mir lieber einen Tiroler Hut. –

Sonntag, 24. Juli 2011

1995 - XIV

Kühe reiben sich die Köpfe,
nehmen spielend sich aufs Horn,
ihre Milch füllt uns die Töpfe,
sie fressen Gras statt Korn.
Fraglos schauen sie ins Grüne,
scheißen auf den Umweltschutz,
sind als Werkzeug unsrer Bühne
gasend Teil von unsrem Schmutz.

Samstag, 23. Juli 2011

Freitag, 22. Juli 2011

1995 - XII

Am Geburtstag nicht enttäuscht zu sein, ist unmöglich. Entweder trifft das Erwartete nicht ein oder doch. –

Donnerstag, 21. Juli 2011

1995 - XI

Akademischer Handel
Gebrauchte Autos lassen sich momentan nicht gut verkaufen.
Umso schöner war es, als sich unter den Interessenten ein Zahnarzt meldete.
Natürlich haben wir, dem seriösen Kunden zuliebe, DM 900,- von dem in der Anzeige genannten Preis nachgelassen und auch zugesichert, das Auto vor die Tür des Herrn Doktor zu stellen. Der werte Kunde unterschrieb den Kaufvertrag und wir wähnten uns auf der sicheren Seite. Nächste Woche dann telefonische Kontakte und eine Vereinbarung zur Übergabe vor der Arztpraxis. Beim ersten Mal war der Herr Doktor nach Verstreichen der akademischen 15 Minuten nicht da. Nach zwei Tagen erneute Kontaktaufnahme und ein zweiter Versuch. Dafür erklärt uns der Herr Doktor, nennen wir ihn Doktor G. aus F. am Main, er wolle den Wagen so nicht abnehmen, er sei schmutzig (Blütenstaub). Wir wollen ihm das Geld für die Wäsche geben, er lehnt ab.
Leider müssen wir den Herrn Doktor nun auf Einhaltung des Vertrags verklagen. Herr Doktor versteht das sicher nicht, sicher hat ein „junger Mann“ wie ich doch Zeit für die Autowäsche. Ja, ja, Doktoren verlangen viel fürs Geld oder haben sie keins? Immerhin können sie die einfachsten Anstandsregeln verletzen und sich trotzdem als angesehen fühlen. Seriöse Kunden eben. Im Übrigen hat Herr Doktor den Wagen dann doch noch abgenommen, nachdem ich den ganzen Fall meinem Anwalt erzählte. Dieser schrieb dann einen detaillierten Brief und setzte die Frist zur Abnahme. Alles in allem nenne ich das eine akademische Lösung. –