Montag, 13. Juni 2011

1989 - IV

Während eine nervige Fliege über meine Füße krabbelt, versuche ich meine Gedanken zu ordnen. Wenn Jesus heute am Kreuz hinge und fragen würde: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Was könnte er antworten, etwa: Weil ich solche dürren Jammerlappen wie Dich nicht leiden kann. Die dickbäuchigen, zufriedenen, mit ihren kleinen Sorgen beschäftigten, Menschen sind mir lieber. Die ihren Weg klaglos gehen, alles akzeptieren, die schweigende Mehrheit, die Du zu kritisieren wagst, die dafür sorgen, dass alles weitergeht und große Änderungen, die ich nicht wünsche, auch nicht statt finden. Die Menschen wollen kein Seelenheil, keine reine Lehre. Sie wollen Farbfernseher, Videorecorder, Autos etc., wie Du sehen würdest, wenn Du 2000 Jahre Zeit hättest. –

Samstag, 11. Juni 2011

1989 - III

Ein dunkler, bewölkter Tag am Strand. Mein Blick geht über einen subtropischen Garten mit orangefarbenen Blüten, in die sich andere grelle Farben mischen. Ich sehe über den Wolken zwei Flugzeuge, es sind aber überall Flugzeugformationen in der Luft. Das eine fliegt über das andere, so scheint es wenigstens. Dann ein Pfeifen, irgendetwas fliegt ins Wasser. Später fährt ein Motorradfahrer mit einem Anhänger vorbei. Ob da ein Mensch drauf liegt? In dem Haus sind wir, weil wir vor einem riesigen Affen geflohen sind. Wir haben uns verbarrikadiert, entdecken jedoch, dass wir einen einen kleinen Affen schon im Haus haben. Das beruhigt.

Freitag, 10. Juni 2011

1989 - II

Heute nacht von Gefangenen bei Khomeini geträumt. Mit mehreren Anderen sollten wir gekidnappte Personen im Iran besuchen. Ich fuhr mit dem Auto in ein arabisches Land, von da aus weiter. Ich fand einen Palast vor, der offen war für jeden Zugang, wo aber eine Art Fremdenführer uns ständig in den Raum mit den Schwimmbecken drängte. Die Gefangenen mussten mit Tauchflaschen ausgestattet im Wasser mit Haien zusammen Bahnen schwimmen und durften nicht auftauchen. Die Fische waren eher klein, aber ziemlich zahlreich. Einige der Gefangenen durften Auskunft geben und auftauchen. Ich entsinne mich an eine blonde Frau, offenbar Holländerin, die barbusig war, deren Brüste beim Auftauchen zu sehen waren. Schließlich sollten wir alle festgehalten werden. Wir versuchten, zu entkommen, verrannten uns aber in einem engen Raum, aus dem wir durch ein Fenster herausschauen konnten. Das Dunkelblau der Wandfarbe und die ockergelbe bis schmutzig braune Patina der Wände erinnere ich gut. –
Heute morgen von blauer Urkunde geträumt. Ich hatte da plötzlich einen anderen Namen. Mengheti oder so ähnlich für Mensch oder Mohammed. –

Donnerstag, 9. Juni 2011

1989 - I

Nach meiner Abfahrt kehrte ich allein zurück. Es war nur mein Schwiegervater da. Er sagte etwas wie „Jetzt schon“ oder „Schon jetzt“, worauf ich grinste und sagte: „Du meinst wohl: Schon wieder.“ Darauf lächelte er verschmitzt. Plötzlich gab es einen dumpfen Knall und die Decke gab nach. Es entstand ein Loch und das ganze Füllmaterial des Fachwerkhauses prasselte auf uns nieder. Es war allerdings mehr feucht und weich. Dann fiel ein Stuhl mit einer Puppe darauf herunter. Die vorherrschenden Farben waren ockergelb (der Wände bzw. des Füllmaterials), der Stuhl war rot und die Puppe nicht angezogen, aber gesichtslos und völlig unerotisch wie eine Schaufensterpuppe. –
Sonnenaufgang mit gleichzeitigem Mondaufgang: der Mond war gleich groß wie die Sonne, allerdings hatte er einen blauen Fleck. Er wurde kleiner als er höher stieg. Dann sah ich plötzlich in das gesamte System der Planeten mit den unterschiedlich großen Himmelskörpern. Der Standort meiner Beobachtungen war wohl die Erde, allerdings mit einem hellblauen, aber kräftig farbigem Himmel. Ein leichter Dunstschleier machte die Eindrücke weicher. –

Mittwoch, 8. Juni 2011

1988 - III

Wir werden von Gefühlen regiert, die jedes Primat der Vernunft einfach weg wischen, sei es auch noch so stark gebaut. Das ist das Geheimnis des Lebens, das uns hilft, Mauern und Gefängnisse unseres Verstandes niederzubrechen. Die Wahrheit ist das Lächeln, der Blick, der Moment, der Genuss. Lockt nicht auch die Natur mit scheinbaren Genüssen, wenn sie etwas von uns verlangt?
Was ist das Leben ohne Barmherzigkeit, selbst wenn es die im Grunde nicht gibt, die Geste allein hat die Kraft, der Wille ist der Weg. –

Montag, 23. Mai 2011

1988 - II

Ja, Deutschland, das Land der Beamten, der verschlossenen Kirchen, des Ladenschlusses, der Schubkästen.
Der saubere Deutsche wirft alles aus dem Autofenster, faselt gern über Menschlichkeit und liebt die großen Gesten ohne Inhalt. –
Die Sprachlosigkeit der Hessen ist übermächtig. Wenn sie den Mund aufmachen, dann nur zum Bescheißen. Sollte mein Vater recht behalten?
Einmal habe ich mit einem mir befreundeten Paar zusammen gewohnt. Die Wohnung war sehr schön und groß, aber die Menschen hatten beängstigende Eigenschaften. Sie erdrückten mich fast und die Freundlichkeit wirkte wie eine aufgesetzte Maske, hinter der sich Zerrbilder versteckten. Sie kamen mir vor wie Figuren aus einem Retortenkuchen. So wie beliebig geklonte Figuren, die nur dazu geschaffen sind, mich mit ihrer Unnachgiebigkeit ihrer Existenz zu verfolgen. Ein schrecklicher Albdruck.. –
Ich befand mich in einer Wohnung und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wie nach einander Frauen in Badeanzügen aus dem Fenster sprangen. Nur einmal war kurz ein Mann zu sehen, eine bewaffnete Figur, ein Mädchen zögerte auch kurz. Verschiedene Frauen drehten in der Luft ein Salto, als ob sie zum Kunstspringen angetreten wären und im Wasser einzutauchen. Aber wie um zu bestätigen, dass dies nicht der Fall ist, sah ich dann auf der Straße eine der Frauen wieder, sie wurde weg getragen. –

Freitag, 20. Mai 2011

1988 - I

Als Buchhändler und dazu noch als ziemlich jung wirkender Mensch hat man eigentlich keine Chance auf einen ernsthaften, guten Job. Bevor ich mich nun weiter im Teufelskreis verstricke, den man natürlich auch als einzige, quasi vorgegebene, Lebensform sehen kann, will ich überlegen, ob ich nicht doch meine Bermudas rauskrame. –
Es wird immer nur mit nackten Zahlen operiert, ohne den beträchtlichen Verwaltungsaufwand zu sehen, den die EDV nun einmal mit sich bringt. Die EDV, das große Wunderding, das von allein arbeitet.