Montag, 23. Juli 2012

2004 - IV

Die Immobilienmakler

oder "Na, Gipskartonständer oder Kalksandstein?"
Na, haben Sie sich die Sache schon angeschaut? fragte der Makler am Telefon. Vor mir, besser gesagt, vor meinem geistigen Auge, lag ein Prospekt mit bunten Grundrissen einer Wohnung. Ich mag keine bunten Grundrisse, weil ich mich dann an meine Kindergartenzeit erinnere. Nein, musste ich zugeben, so richtig hatte ich es mir nicht angesehen. Somit war mir auch der Aktionspreis entgangen. Zu haben wäre freilich nur noch die Wohnung mit der Nordostausrichtung, so erklärte mir der Makler freundlich, aber dafür liegt die Wohnung ja auch in einem alten, gewachsenen Wohngebiet. Das es mehr als 30 km von meinem Arbeitsplatz entfernt liegt, das Objekt, wird erleichtert durch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, erst Bus, fußläufig zu erreichen, und dann direkt die S-Bahn.
Wer da nicht zugreift und sich nicht gleich noch den Stellplatz für € 20000 sichert, pardon, der muss gekauft werden, ist selber schuld.
Schuldbewusst versprach ich denn auch, mir das alles gut durchzulesen und falls ich Fragen hätte, mal anzurufen.
Was heißt eigentlich fußläufig? Gibt es andere Art zu laufen, als mit den Füßen? Nun im Geschosswohnungsbau sicher nicht. Da fehlt vielleicht mal das Tageslicht im Bad, dafür gibt es aber auch mannshohe Scheiben im Wohnzimmer. Die Küche ist natürlich offen, sonst wäre das ja auch alles nicht so großzügig gestaltet. Höchstens die wirklich große Loggia ist noch großzügiger. Schließlich soll es genug Platz geben draußen vor der Tür. Tja, die Ausstattung ist schon malerisch draußen vor der Stadt, ganz anders als in meiner eigenen Mietwohnung.
Gut, die beiden anderen Räume haben in meiner Wohnung bessere Grundrisse. Im Schlafzimmer kann ich locker einen Dreimeterschrank stellen. Aber ich bin ich nicht betriebsblind? Vielleicht sollte ich dem Kerl zeigen, dass ich es ernst meine und die Reservierungsgebühr von € 500 bezahlen. Was habe ich nicht schon für gute Objekte vor meinem inneren Auge vorbei ziehen lassen, anstatt sie zu erwerben.
Eckhäuser, schlüsselfertig verwandelten sich in Ausbauhäuser in Mittellage (ein Druckfehler in der Zeitung, die alte Anzeige ist stehen geblieben). Dachwohnungen am Bahndamm, Häuser ohne Keller auf Industriegelände oder am Bahnhof. Und immer sind die besten Objekte schon reserviert..
Da heißt es nun wirklich mal, Geld bezahlen und möglichst schon morgen zum Notar des Vertrauens, pardon, des Maklers, gehen. Was bedeutet es schon, dass einem der Vorvertrag zwei Wochen vor dem Notartermin vorliegen muss, wenn man entschlossen ist? Die Frage nach dem eigenen Notar erübrigt sich dabei auch, der hat bestimmt nicht so schnell Zeit.
Achso, ja , habe ich eigentlich eine Finanzierungszusage von der Bank? Schriftlich wäre gut.
Die stellt mir mein Banker garantiert aus, vorsichtshalber mal mit Wertermittlungsgebühren und Bereitstellungszinsen gleich vom 3. Monat an und mit einem Zinssatz, der nicht zu günstig ist und ohne Sondertilgung. Dann habe ich wenigstens mal einen Plan, was wirklich auf mich zukommt. Ich verliere mich in der Bauschreibung und erfahre etwas über Sondernutzungsrechte, Sonderbauteile und Sonderwünsche. Weiterhin über Wegerechte und Versorgungsräume. Immerhin gehören mir die Zwischenwände der Wohnung, das ist noch solide Wertarbeit: Kalksandstein oder Gipsplatten. Das Ganze erinnert stark an eine Mischung aus Aufpreiskatalog für deutsche Autos und Pauschalreiseangebot. Bei letzterem ist zumindest der Transfer zum Hotel inklusive. Nein, denke ich mir, das kann ich so nicht unterschreiben. Der Notartermin hängt wie ein Damoklesschwert über meinem Haupt.
Mein Makler ist, als er das hört, von meiner Kaufbereitschaft nicht überzeugt. Nein, nein der Termin muss sein, es wird schließlich weiter gebaut. Schweren Herzens muss ich den Traum vom eigenen Heim sausen lassen und wenn es nach meinem Makler geht auch die 500 €.
Da sind ja bereits Kosten entstanden beim Notar. Der hat mir bereits den Kaufvertrag per Email geschickt, es steht sogar schon mein Name als Käufer drin. Die Kosten für die Sonderbauteile kann er mir nun auch schon beziffern. Es ist klar, es wird ein bisschen teurer.
Noch immer wirbeln Vertragsdetails und Teilungserklärungen in meinem Kopf.
Vielleicht hilft mir ja die Konkurrenz, es müsste doch etwas zu finden sein. Oder soll ich den Ordner "Mein Eigenheim" gleich wieder schließen? Ein anderer Anbieter empfiehlt mir jedenfalls seine Objekte, sie seien viel billiger und hätten eine bessere, weil städtische, Lage.
Er erzählt mir vom Partisanenland und betätigt meine dunklen Befürchtungen vom Umfeld da draußen auf dem Land. Ich sehe sie alle vor mir, wie aus den Hecken springen und mir ihre Rechte zeigen. Vermutlich werde ich nicht genügend Stimmrechte aufbringen, um das Unheil abzuwenden. Oben drein werden mich die Partisanen zwingen, meinen Pflichten nachzukommen. Aber eine Reservierungsvereinbarung will er nicht sehen, er macht lieber gleich den Notartermin aus, der Mann von der Konkurrenz, der sich weit hinter Offenbach immer verfährt. Zu viele Partisanen, ich verstehe.
Versonnen blicke ich dem abblätternden Lack meines Balkongeländers nach, höre wie mein Nachbar mit seinem Filius herum tobt. Vermutlich holt mich hier niemand raus, aus meinem Mietobjekt. Und das beruhigt mich und obwohl mein Nachbar gerade im Bett hustet, versinke ich in einen traumlosen Erlösungsschlaf.

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