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Es werden Posts vom 2011 angezeigt.

Phänomenal

Da glaubte man über der Römerberg-Ostzeile eine biblische Erscheinung zu sehen an diesem so heiligen Abend. Und als man dann noch hörte, dass sicher Herr Heesters nun doch entscheiden hat, mit dem Tod mitzugehen und nicht länger nach Simone zu rufen, da war ja eigentlich klar, das war ein Zeichen. Des Niedergangs oder des Aufstiegs? Es ging deutlich nach unten, es war ja nur Schrott, immerhin Weltraumschrott. Nun werden die Phänomene wieder alltäglicher. Jeder kennt ja das Hoch- oder Runter-Syndrom beim Kloodeckel, jeder Mann zumindest hat davon gehört. Und auch das Fenster auf- oder Fenster zu-Problem ist bekannt. Man muss also nicht in den Himmel sehen, um unerklärliche Vorgänge zu betrachten. Und um eine Entscheidungshilfe zu geben: im Zweifelsfalle geht das Licht immer aus, auch wenn es manchmal an ist. Das ist im Übrigen auch im neuen Jahr so.

Glückstraum

Weihnachten ist da und wer hat es bestellt? All das Grün, das viele Geld. Moralisch wirst Du nun vermessen, hast Du Geschenke, hast Du Vergessen? Die Entscheidung unterm Weihnachtsbaum entpuppt sich schnell als kruder Traum.   Die Toten werden nicht mehr lebend, Zeit ist vergänglich, nicht vergebend

Contestant

Nachdem ich ein paar Bilder geflickrt habe, tumblr ich weiter, um mir via Instagram einen zu twittern. Ich hätte aber auch mit dem Facebook ins Haus fallen können. Kontakt mit meinen Kollegen habe ich kaum noch, bin einfach zu beschäftigt. Außer wenn ich gerade ein gebrauchtes Theraband um einen Schädel gelegt habe, um meine Halsmuskulatur zu dehnen. "Rücken fit" nennt sich so etwas. Dabei hat mein Rücken gar keine Chance gegen mein iPad (2 wohl gemerkt). Oder doch? Da fragt mich neulich der tumblrbot vom tumblr, was mein liebster materieller Gegenstand sei. Das iPad ist mir nicht eingefallen, er war beleidigt, der Roboter.

John M. Coetzee – Summertime

Das Buch des südafrikanischen Schriftstellers ist Fiktion und dennoch autobiographisch. Mehrere wichtige Personen im Leben des Alter Ego kommen zu Wort, interviewt von dem stets im Hintergrund bleibenden englischen Ph.D.-Studenten, dessen Fragen aber den Charakter des zu erforschenden, vermeintlich bereits verstorbenen, Autors John M. Coetzee ein ums andere mal heraus arbeiten. Da tritt in den Schilderungen der Zeitzeugen ein recht spröder und weltfremder Mensch hervor, der seine Cousine als Kind lieb hatte, ein kurzes Verhältnis mit einer betrogenen Ehefrau eingeht, eine brasilianische Sambatänzerin stalkt und deren Tochter unterricht und eine Liebe zu einer französischen Lehrerkollegin hatte. Ein Mensch, der von den Frauen als zu leicht empfunden wird, zu wenig gefühlvoll und zu andersartig, um als richtiger Mann durchzugehen. Und auch der übrige Erfolg im Leben stellt sich kaum ein. Dieser John M. Coetzee ist in die U.S.A. ausgewandert, muss das Land verlassen, weil er dort Probleme...

What to do with my iPad?

Es hat sich einfach in mein Leben eingeschlichen, es weckt mich morgens und zeigt mir lauter bunter Bilder auf dem Display. Die Schutzfolie hat erste Macken, dennoch sehe ich die mehr oder weniger gut gestalteten Icons meiner Apps zu deutlich. Es sind zu viele, das Wort „gratis“ hatte mich in seinen Bann geschlagen. Ich spiele nun Klavier, obwohl ich es nicht kann, schiebe Holzklötzchen in der Beginner-Ebene aus einem Raum. Ich drehe mein iPad um einem Skifahrer waghalsige Kopfübersprünge zu erlauben, die er meistens nicht überlebt oder um eine Mission in einem aussichtslosen Kampf gegen den Feind zu erledigen. Zeige ich meiner Frau das knisternde Kaminfeuer auf meinem Display, ernte ich nur ein Schulterzucken. Vieles dieser einfach kindlich gestalteten Spiele kann man allerdings auch geradewegs ins Feuer werfen, ins echte allerdings. Immer öfter überkommt mich die Versuchung, das iPad wie ein gelesenes Buch in die Tasche zu stecken. Wäre da nicht das Email-Signal, auf das ich geradezu...

London

Wähnte mich in einer Kneipe mit vielen unbekannten, aber freundlichen, Menschen. Sie sprachen deutsch mit mir, obwohl wir in London waren. Aus dem Fenster konnte ich meinen Zug einfahren sehen, sodass ich schleunigstens zum Bahnsteig eilte. Konnte ihm aber nur hinterher sehen. Merkwürdigerweise fuhr der Zug nach Glauburg-Stockheim. Ich müsste wenigstens bis nach Frankfurt am Main. Auf den nächsten Zug zu warten, das erschien mir nicht als Option. Ich irrte durch die Strassen, versuchte mich zu erinnern. Fand mich damit ab, dass da keine Erinnerung mehr war. Nur an die Angst vorm Fahren, die mir nun vergangen war. Manchmal ertappte ich mich dabei, dass fast einnickte, so sehr entspannte ich nun beim Autofahren. Immer noch suchte ich ein Vehikel, das mich nach Frankfurt bringen würde. Ich fragte eine indische Familie, die in einem offenen Buggy saß und sich über mein Ansinnen, mit ihnen nach Frankfurt zu fahren, fast tot lachte. So möchte ich wohl enden: in den Armen des Schosses der Ver...

Blut

Blutspenden ist in Deutschland nicht so einfach, wie es scheint. Zwar wird in den Medien ab und an beklagt,   dass Blut fehlt, aber das heißt nicht dass das DRK potentiellen Spendern nicht ein paar ordentliche bürokratische Hürden aufstellt. Beim Blutspendedienst, zu dem man ohne Termin kommen kann, muss man jedes Mal erneut den gleichen Fragebogen ausfüllen und ein Märkchen für den Verwendungszweck aufkleben, merkwürdigerweise entscheidet man das selbst. Erst danach wird man zu einem Arzt vorgelassen, der dann eine Auswahl von Fragen wieder stellt (obwohl im Bogen schon angekreuzt). Wer von dieser Prozedur schon genervt, hat beim Blutspenden nichts zu suchen. Zunächst wird der Hämoglobinwert im Blut durch einen Piekser in den Finger festgestellt. Dann fragt der Arzt mal, ob man ausreichend getrunken hat oder nicht. Schließlich wird der Blutdruck gemessen. Ist er durch die Aufregung z.B. zu hoch, kann man unverrichteter Dinge nach hause gehen. Auch wenn man sonst völlig gesund ist ...

Radfahrer wie wir

Wir befinden in uns in einem Frankfurter Ausflugslokal mit Blick über Frankfurt. In einem Zelt sind Tische und Bänke aufgebaut. Wir steuern auf einen Tisch, an dem als einzigem Klappstühle stehen. Hier fühlen wir uns sicherer. Wie zur Bestätigung quält sich ein alter Herr an einem alten Ehepaar vorbei, um die Bank neben ihnen zu besetzen. Die Ehefrau Des Paares steht sofort auf und es beginnt schon gleich ein unausweichlicher Smalltalk über „Dies und Das“. „Es geht den Menschen wie de Leut’“ dröhnt derweil der Ehemann des Paares. Gefeit vor derartigen Parolen und Allgemeinplätzen beobachten wir, wie sich neben uns an einem weiteren Tisch mit Bänken letztere füllen. Hier gesellt sich zu einem älteren Paar ein mittelaltes. Die Stühle neben uns werden sicher leer bleiben. Da die meisten Paare nebeneinander sitzen anstatt sich gegenüber, haben sich die Paare im Blick. Die Frau des etwas jüngeren Paares hat ein unsichtbares, aber großes „F“ für Frankfurt auf der Stirn. Du weißt, von vorne h...

Sport und Spiele

Es gäbe schon einige neue Trendsportarten, über die man berichten könnte. Das aggressive Kinderwagenschiebing etwa, da wird der Kinderwagen dem nächsten Fußgänger in die Hacken geschossen. Aber menschliche Schutzschilde sind nix Neues. Oder das Zugrenning, da haben möglichst viele Teilnehmer und -innen die Aufgabe, trotz zu wenig Zeit noch ihren Zug zu schaffen. Aber es ist langweilig, da die gleichen Regeln wie im Straßenverkehr gelten und man keine Lichthupe hat. "Heirating for money" ist da eher was Handfestes. Man heiratet einfach pro forma und lässt sich die Feier gegen die Übertragungsrechte im Fernsehen bezahlen. Nach kurzer Zeit trennt man sich, weil man zum Beispiel feststellt, dass man gar nicht zusammen wohnt. Leider ist auch das nichts für mich, meine Hochzeit will niemand sehen. Bleibt mir nur, weiter mit meinem iPad zu spielen. "Verappling"! gefällt mir gut. Da lädt man "kostenlose" Apps für "Umme" herunter und stellt dann fest, das...

1993

Die Kämpfe werden anders entscheiden auf dem Schachbrett des Seelenlebens. Nun gibt es da auch so etwas wie Figuren. Ein Bauer mag sich als König fühlen, er wird nie ungestraft wie Einer ziehen können.

Brettsche

Mein iPädsche is e Fettbrettsche. So könnte meine Bilanz nun aussehen. Klar, die aufgeklebte Schutzfolie ist nicht schmutzabweisend und ein paar Luftbläschen hat sie immer noch. Aber das kann ich meinem iPad2 nicht ankreiden. Mittlerweile funktioniert so einiges. Auch wenn ich immer noch nicht weiß, wie ich Musik aus der iPod-Anwendung löschen kann und mir beim Versuch, das Cover meiner Musik-CDs zu laden, stets gesagt wird, ich müsse mich erst im iTunes-Store anmelden. Als Apple-User geht man an einer relativ kurzen Leine. Klar kann man sich viele Apps gratis laden, leider ist dann im App selbst nichts mehr gratis. Logisch, dass die Zeitungen gegen die Tagesschau-App Sturm laufen. Das ist die einzig mir bis jetzt bekannte kostenlose App, die Sinn macht. Ein iPad zu nutzen, ist so, wie wenn man versucht, aus einem steifen Brett ein biegsames Tool zu machen. Beweglich ist hier vor allem die Ladestandsanzeige des Akkus, die fast minütlich ein Prozent weniger Akkuleistung anzeigt, vor all...

Wischtechnik

Das Wischen kannte ich bisher nur vom Frühjahrsputz und Wischtechnik beim Auftragen von Farben. Letztere ist schon wieder veraltet. Gewischt wird aber fleißig auf der Oberfläche des iPad2. Und zwar mit dem Fettfinger über die mittlerweile angebrachte Schutzfolie. Die wirft auch noch etliche Luftblasen, die angeblich spätestens 72 Stunden nach dem Aufbringen der Folie verschwunden sein sollen. Da die Folie nicht so schmutzabweisend ist wie das iPad selbst, ist sie bald so fettig wie ein Butterbrotpapier. Das Fett lässt sich nun gut verreiben, damit es wenigstens in eine Richtung schmiert. Das kann ich aber alles dem guten Steve (Gott habe ihn selig) nicht ankreiden. Immerhin kann ich jetzt täglich meine Zeitung abrufen und habe gelernt, mit dem iPad kleine Filme zu drehen. Sicher sah ich sehr lustig aus, als ich mit dem iPad vor meinem Bauch einen Schwenk vom Balkon unserer Ferienwohnung aus machte, um das ganze Panorama rund herum einzufangen. Nun muss ich nur noch die Filme auf meinen...

Applelei

Ich gebe es zu, ich lese und bin auch noch Abonnent einer Tageszeitung. Wenn ich ehrlich bin, komme ich am Wochenende kaum zum lesen. Die Ausgabe landet meist im Papierkorb. Dann sind unsere Austräger auf dem flachen Land auch nicht immer willig, einige Male kommt die Zeitung im Monat nicht. Meistens dann, wenn besondere Ereignisse am Vortag waren oder Beilagen die Zeitung aufwerten, dann eben ist sie nicht da. Grund genug über ein Ipad-Abo nachzudenken, dachte ich jedenfalls. (Überhaupt, mir tun die gefällten Bäume leid, ich lese längst nicht alles, was in der Zeitung steht.) Zur elektronischen Zeitung gibt es das Gerät dazu und für läppische 24 Monate Bindung ist es meins. Das Ganze kostet nicht mehr als meine bisherige Zeitung im print. Tolles Geschäft, denke ich. Dabei habe ich mir allerdings nicht überlegt, was ich mit dem iPad (dem iPad2) überhaupt will. Nun egal, es kommt vom Paketversand und ich bin erst mal enttäuscht. Es ist so klein und hat kaum Knöpfe, geschweige denn Taste...

2002 - III (Le Fin)

Früher war der Bahnhof eine Heimat. Hier trafen sich alle, um irgendwo hinzufahren oder anzukommen. Eine große Gemeinschaft der Reisenden, die sich ständig veränderte, wie das Leben. All das konnte ich genießen, mir einbilden, stets mit jedem oder jeder ein Gespräch haben zu können, wenn ich nur wollte. Die Landschaft zog vorbei, die Orte sind wie eine Kette vertrauter Namen, die nur eins im Sinn haben: mich nach hause zu bringen und zu begleiten. Heute fährst Du selber, eingesperrt in den eigenen Blechkasten und keiner hindert Deine Mitmenschen daran, kein Blick ins Gesicht oder sonst etwas, Dich zu schneiden oder zu drängeln. Die Geschwindigkeit, mit der alle hintereinander her fahren, scheinbar geschützt durch Kopf- und Seitenairbags, Aufprallschutz, ABS und Antriebsschlupfregelung, ist nicht natürlich. Etwas für Spieler, die die Regeln des Spiels immer neu setzen, sich manchmal dabei überschätzen. Wer lenkt Dich? Da fehlt ein Gespräch, ein Augenblick. Du redest mit der Strasse, mit...

2002 - II

Wer bin ich nun? Eine Hure meiner Zeit? Bin ich schon bereit? Habe ich genug verdient? Zeit meines Lebens nur gegrient? Ein Pendel zum Schlag einer Uhr, ein Rädchen sich drehender Natur? Der Inhalt in einem Buch, auf wen lastet welcher Fluch? Am Ende ist es egal, ob die Zeit verfliegt oder als Qual mir vorkommt oder gelingt. Es zu vergessen, Hoffnung bringt.

2001 - I

Hoffnung des Lebens, wo bist Du geblieben? Güte, meine, wer hat Dich zerrieben? Welche finstere Türe zugeschlagen, Licht verdunkelnd, zum Verzagen. Meine Kraft reißt Dir die Maske vom Gesicht, widerwillig wendest Du Dich ab vor meinem Licht. Liebe meines Lebens, wo bist Du gewesen? Nicht lange her, im Buch habe ich darüber gelesen. Das wäre was für Dich gewesen, aue, die Sächsin lacht in die Nacht, die laue. Sei ein letztes Mal in meiner Mitte, ich weiß, Du kannst das, bitte!

2000 - II

Es tut mir leid, ich habe das nicht gewollt, sagte Gott und zog sich in den Schmollwinkel seines Daseins zurück. Gerade war die Schöpfung zu Ende gegangen. Es kann passieren, war seine Meinung. Es war einmal, er kannte es nicht. Wer oder was war dieses kleine, große „Es“, das ihn überall umgab? Es war nicht aktiv und doch da. Er weiß es, es ist vorgekommen, erschließt sich seiner Betrachtung, schmeckt gut. Es könnte sein, Du fasst es nicht: es macht sich.

1999 - VII

Herzlichen Glückwunsch, der Mensch ist nicht mehr da, dessen Stimme nicht immer zum richtigen Zeitpunkt zu hören war. Wie willst Du ihm noch gratulieren? Eine Gedenkanzeige schalten, einen Blumenstrauß aufs Grab legen, am Ende selbst zum Grab gehen? Wo sollen wir denn sein? fragte mich dieser Mensch einmal, als ich ihn zuletzt zuhause besuchte und vorher fragte, ob er auch da sei. Meine Frage erschien damals so banal unsinnig und ist es bis heute geblieben, obwohl doch die Antwort so anders ausfallen müsste. Es gibt niemanden mehr, der sich anstelle dieses Menschen über Blumen freut. Ein Stückchen Erde vielleicht irgendwann mit einem Stein drauf. Das Gefühl der Verlorenheit stellt sich da schnell ein. Irgendwo gibt es doch eine Verletzlichkeit, die den Automatismus unserer Zeit bremst. Der Tod kann übersehen werden, aber nicht ignoriert. Er mahnt uns zu leben, solange wir leben. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

1999 - VI

Zwischen Alpenrand und Waterkant erstreckt sich so ein schönes Land, für seine Regeln wohl bekannt, mit Bürgern, die sozialverträglich leben, für die Sache an sich den Finger heben, die Arbeit schaffen sich als Monument von Wohlstand und Reichtum   für sich getrennt. Solidarität steht auf dem Papier, sozial produktiv, auch mal beim Bier. Die ganze Welt soll von uns lernen, doch erst was kaufen, sich dann entfernen.

8. Mai 1945

Das Kriegsende nach 50 Jahren als Tag der „Befreiung“ in Deutschland feiern zu wollen, das ist eine Verarschung des Auslands. Schließlich ist das „Großdeutsche Reich“ mindestens mit einem Drittel Überzeugungstätern, einem weiteren Drittel Mitläufern und höchstens mit einem Drittel an kritisch eingestellten Menschen angetreten, um die Welt zu erobern. Nur die völlige militärische Niederlage bescherte einigen ein Quentchen Einsicht. Aber letztendlich ist Deutschland eben nur militärisch besiegt worden. Rechthaberei, Selbstüberschätzung, Moralismus und Intoleranz haben überlebt. Schauen wir z.B. den Straßenverkehr an und wir wissen: es ist Krieg. Den Tag der „Befreiung“ muss sich jeder selbst erarbeiten. Wir sollten froh sein, dass die politische Lage in Europa nicht mehr so labil ist wie zu Weimarer Zeiten. – Die Frankfurter Neue Presse druckte den Leserbrief mit dem Hinweis, zum Thema gäbe es schon so viele Leserbriefe, nicht ab. –

1999 - IV

Mein lieber Fabricius II In „seiner“ Familie schottet sich der Jungehemann bald ab, einem Zwang zum Versteckspielen folgend. Diktatorisch nimmt er Rache für sein Zurückgesetztsein in der Jugend. Stets trug er die abgelegten Sachen seiner beiden älteren Habbrüder. Die Pflegemutter setzt sich mit ihm auseinander und zeigt erst im Alter späte Reue. Reue dafür, dass sie nicht mit ganzem herzen dabei war als ihr gestrenger treudeutscher Mann ihr einen Sohn unterschiebt, den er mit seiner Nichte gezeugt hat, die gleich nach der Geburt ihres Kindes untertauchen muss. Die Rettungsaktion einer Familie lastete auf ihren Schultern. Aber das sieht er nicht, der aufgenommene Sohn, er fühlt nur die Sehnsucht nach seiner Mutter, als ihm das Fundament einer „normalen“ Familie unter den Füßen weg gezogen wird. Das ist der erste Urlaub, von dem niemand aus meiner Familie weiß. Wer ist da noch übrig? Mein Vater hat, nachdem er mir versicherte, dass er mich nicht anruft, das Abheben des Telefonhörers verw...

1999 - III

Mein lieber Fabricius Er blickte auf und sah zu seiner Rechten den Herkules über den kahlen Sträuchern. Links gleißte die Wintersonne über der Dönche. Vor ihnen im Schnee versteckten sich ungefähr 40 x 40 cm Platz für die letzte Ruhe. Das hätte nicht sein müssen, sagte der Vater. Sie gingen noch ein Stück über den ehemaligen Truppenübungsplatz, heute eine zum Spazieren ein wie gemachtes Stück Landschaft. Vater wusste nicht, dass der Sohn hier seine Grundausbildung erhalten hatte, mehrmals in Schlammpfützen zum Hinlegen gezwungen und hinterher ausgemergelt und ausgepumpt zum Foto mit der Kompanie genötigt wurde. Auch die damaligen Kasernen dienen nun einer anderen Bestimmung. Sie kamen an einer Bank vorbei, die einen schönen Ausblick auf das Gelände gewährte. Hier habe ich früher oft mit Deiner Mutter gesessen, kam knapp über seine Lippen. Ein Stich ins Herz des Sohnes. „Zuletzt nicht mehr, da hat sie ja nichts mehr gemacht.“ Der Blick reichte von hier bis zum VW-Werk nach Baunatal und ...

1999 - II

Wärst Du am Ende ein Drachentöter, eine Elfe oder eine gute Fee? Fragt sich unwissend der Schwerenöter, denkt und schlürft seinen grünen Tee. Er träumt und nimmt nicht teil am Unterricht. Gehe nicht auf die Schule, der Lehrer spricht. Das Leben hat trotzdem angefangen, zum Träumen ist ihm weiter, in allen Belangen kein Weg auf der Lebensleiter zu weit und er wird immer bereiter, den Vorrat allein aufzubrauchen, sorry, ihr lieben Kleinen. Es liegt mir, nicht mehr aufzutauchen, ein Gruß noch an die Meinen.

1999 - I

Jesus hatte die Händler aus dem Tempel vertrieben. Da haben sie sich ihre eigenen Tempel gebaut, geblieben ist nur der „Heilige Geist“. Im Sonderausverkauf auf CD, MC oder LP hat er Zulauf. Und jetzt   kommt „The Best“, zahlbar per Scheck oder Bankeinzug, schnell weg mit dem Rest, davon bekomme ich doch nie genug. 

1998 - VII

Am Heiligabend die übliche Unsicherheit, was wir machen sollen. Wir fuhren mit der Dorfseilbahn und gingen zu Fuß nach Boden, nachdem wir morgens eine Fahrt zur Engstligenalp verworfen hatten. Es war sehr kalt und schneite. Das tat der weihnachtlichen Stimmung keinen Abbruch. In der Hütte am Skilift in Boden saß eine einzelne Frau und sah mich ununterbrochen an. Das Essen hier im Hotel ist außergewöhnlich gut. Wir verzichteten auf den abendlichen Besuch einer Kirche und es fing nach dem Abendessen erneut an zu schneien. –

1998 - VI

Holy, wo? Sie betrachtete ihren Sohn und suchte nach den Reaktionen, die sie von ihm schon als Kind kannte. Irgendein Hauch dieser geschätzten kindlichen Mimik würde sie erleichtern, ihr den unbeschränkten Zugang zurück geben, den sie brauchte. Er saß aber undurchdringlich da und zeigte keine Regung. Irgendetwas sollte passieren, er dachte, er wäre im falschen Film. 20 Jahre war er schon nicht mehr zuhause, der verlorene Sohn. Aber die Wiederkehr schien ihm keine gute Idee. Der Vater blieb im Bett und damit so nicht vorhanden wie immer. Die Mutter rauchte eine nach der anderen und verpaffte das Happyend. Von allen guten Geistern verlassen, dies wird kein Hollywoodende. Die Zigarette zur letzten Stütze der Mutter, sie selbst immer kleiner werdend und weniger an Person. Der Vater stur wie als Kind: „Bevor ich Schulaufgaben mache, lasse ich mir lieber den Hintern versohlen.“ Da richtet nicht einmal der Heilige Geist etwas aus. Er war noch nicht einmal Jesus, also trank er sein Glas allmäh...

1998 - V

In mir spielte einst ein kleines Lied, Armeen von Bildern brachten mich dazu, es nicht mehr zu hören. Die Zahlenkolonnen marschieren in wirrer Ordnung und zertrampeln die Noten im Takt eines ekstatischen Hammers. Sie nisten in meinem Gehirn und bringen es dazu, wie ein Computer zu reagieren. Einst kannte ich Menschen und litt. Nun beherrsche ich den Zustand und fühle mich leidlos. Ich trinke kein fremdes Bier (in Anlehnung an ein Sprichwort) und singe niemandes Lied. Aber wo ist das kleine Lied? Gefühlsschwankungen formieren sich zu Aktienkursen. Tabellarisch vermittelt das Chaos auf dem Papier ein Gefühl der Ordnung. Kurvenreich so manche Darstellung, aber was bewegt Dich eigentlich? Warum nutze ich den Wirtschafsteil einer Tageszeitung, ich brauche doch auch keine Noten. –

1998 - IV

Der Pool am Hotel ist, wie wohl überall üblich, bereits am Mittag belegt. Das Hotel ist eigentlich so, wie wir es nicht wollten: groß, kastig und von durchschnittlicher, mediterraner Qualität. Wenn man bedenkt, welche Überwindung die Anreise hierher kostet, so steht das Ergebnis, mal abgesehen vom Strand und schönem Wetter, eigentlich nicht dafür. – Das Bett hier ist eher einfach. Eine aufgelegte Spanholzplatte mit einer knüppelharten Federmatratze. –

1998 - III

Ich wollte, ich könnte die Zeitung verstehen, ein Bild der Welt mir machen, unbesehen. Mein Leben ist jedoch ganz anders, ich heiße auch nicht Lilo Wanders. Ich bin erschreckend und normal, keine Headline ziert mein Initial. –

1998 - II

Die Buchstaben verwandelten sich in Begriffe, die auf dem Bildschirm flimmern. Scheinbar gestochen scharf, doch nur ein Auf und Ab von Hell und Dunkel, formen die Begriffe die Gedanken, bestimmen den Ablauf, setzen regeln. Sie erzeugen mehr Material als ein mühsamer Schreiber jemals. Herrscher über den Kopf: die Programme, immer nach dem gleichen Prinzip wie ein Ritual zwingen sie den Denker in die Bahn, sagen ihm, dass seiner Kreativität Grenzen gesetzt sind. Je mehr Aktivität, desto mehr der Wunsch nach unerfüllter Erfüllung. Dein Gehirn ist auf Sommerfrische, lieber Freund und der Sommer ist der PC. –

1998 - I

Ihm war, als zeigte sie ihm ihr Innerstes, dabei trafen sich ihre Blicke. Sie sprachen wie in vertrauter Atmosphäre der Nacht und er glaubte, schon alles erlebt zu haben. Entsprechend behutsam und vorsichtig verlief das Gespräch, denn sie musste nicht mehr viel sagen. Da er alles kannte, endete die Geschichte, bevor sie begann. –

1997 - XI

Die Melodie ist immer dieselbe, nur die Instrumente sind unterschiedlich, sagte er zu ihr. Sie lächelte und zog ihr kurzes Kleid über den nackten Po. So spielen sie immer weiter Auf ein- und derselben Leiter In Formen der Phantasie, befreit im Kopf wie nie. –

1997 - IX

Sylt 1977 – 1997 Ich näherte mich Sylt von Norden her an. Auf einer Butterfahrt schipperten wir vor dem Lister Hafen herum. Die Jugendherberge auf Rømø war mein Aufenthaltsort. Ein ehemaliger Pferdestall mit Betten, trotzdem gemütlich und zwanglos aufgrund gemischter Besetzung. In einer gemütlichen Küche konnte selbst gekocht werden. Wir schrieben das Jahr 1977 und ich unternahm meine erste selbstständige Reise. Manche der Bewohner der Herberge waren schon etwas älter und stolz darauf, das deutsche Reich ein paar Kilometer südlich zu wissen. Nicht so angenehm war das Ganze für Mutter und Kind. Daher entschloss ich mich, die Beiden aufgrund des freundlichen Angebots nach Sylt zu begleiten. Dort wohnten wir in der Lister Jugendherberge, schön getrennt. Der Sylter Weststrand bei List und irgendeine Musikkneipe sind mir noch in dunkler Erinnerung. Besonders schön fand ich die kasernenartige Jugendherberge nicht. Da ich als Tramper unterwegs war, nahm ich das Angebot gern an, bis Quickborn ...

1997 - VIII

Der Abschied fällt mir so schwer, will ihn garnicht nehmen. Knochen rasseln, Skelette eher, Flammen sollen sie zähmen. Soll das alles nur noch Asche sein? Die Seele ist dann sehr allein. Moderne Zeit will keine Spuren, Geld macht uns zu großen Huren. Die Moral wollen wir uns schenken und Deiner trotzdem gut gedenken. So ruhe sanft in unseren Herzen. Und vergiß’ die ganzen Schmerzen.

1997 - VII

Das Leben geht zu Ende, er sieht nur noch Wände, wo einst er Kinder zeugte, blickt er jetzt in gebeugte Gesichter des Entsetzens, Gefahren des Verletzens. Müde hebt er den Arm, verkrampft liegt er, noch warm. Des Körpers wilde Schmerzen, die Qual in seinem Herzen, lassen ihn nicht in Ruh’. Du fragst Dich nur, wozu? –

1997 - VI

Schweißperlen im Gesicht, nichts geht mehr, er schreit ohne Wissen von sich selbst, ruhig und erdrückt 10 m unter dem Boden kriechend auf der Suche nach dem Ausweg. Halte die kleine Flamme bedeckt. Wieso willst Du nicht mehr, fragt die Schöne, perfekt braun geformt. Wieso? Der Kopf schmerzt entsetzlich, es knackt, rings herum fallen PC-Gehäuse in Staub zusammen. Er hat den Heimweg gefunden. Das weiße Licht vernichtet die Gestalten des Grauens. Er jagt ein Phantom der Angst, schreitet über die scheinbar mächtigen Fesseln hinweg, die zerbröseln zu einem Häufchen Mehl. Er hat ein Date, das zählt. –

1997 - IV

Ich sitze hier am Lago de Schlier und trinke ein Maß voll kühles Bier. Dabei denke ich an Tunesien, wäre ich doch bloß dort gewesien. Bestelle mir noch ein halbes Maß, sehe ein Dirndl und denke mir was. Die Wüste wird grün in meinem Herz. Nach Tunesien? Wohl nur ein Scherz! –

1997 - III

Es gibt kleine Momente der Wiederauferstehung im Leben: wenn der Schlauch nach der Magenspiegelung wieder aus dem Mund verschwindet oder die Chartermaschine nach dem Flug wieder den Boden findet. Es gibt unbeschreibliche Genüsse wie den ersten Schluck Bier nach einem anstrengenden Tag. Es gibt die unglaubliche Erleichterung, wenn jemand noch so ist, wie er früher mal war. Leider vergessen wir das alles so schnell. –

1997 - II

Nun sind wir wieder mal in einem 4-Sterne Hotel in Österreich. Herr Muxler ist der Gastgeber und wollte sich besonders um uns kümmern, wie wir befürchteten. Geblieben ist davon nicht viel. Nachdem wir im Speisesaal einen anderen Platz wollten als den beengten im Wintergarten, kriegten wir morgens den Kaffee kommentarlos um die Ohren gehauen. Gestern mussten wir nach unserer Bestellung eines trockenen Weißweins einen lieblichen trinken und erlaubten uns, das später in der Bar zu sagen. Wir bekamen dann eine neue Flasche (Roten). Morgens schon mussten wir um Austausch des in der Mitte durchgebrochenen Holzrahmens meines Betts bitten. Die erste Nacht schlief ich in der Mitte durchhängend. Immerhin müssen wir aufgrund des Angebots von Herrn Muxler die Getränke beim Abendessen nicht bezahlen. Wir können über unseren Getränkebonus nur froh sein angesichts von Preisen von bis zu 35 ÖS für einen Capuccino. –