Im Krankenhaus sehe ich Vater nun öfter, allerdings folgt dem positiven Eindruck bei den nächsten Besuchen kein weiterer in Sachen Beweglichkeit. Er weigert sich fast, weitere Versuche mit dem Sitzen zu machen. Schon in der ersten Woche leidet er unter einer so schweren Infektion, dass er isoliert werden muß. Ich finde ihn am ganz anderen Ende des Ganges im letzten Zimmer wieder. Ich muß einen Mundschutz und einen Kittel tragen, Handschuhe anziehen. Ich habe Vater Wasser mitgebracht. Er greift danach wie nach einem Flaschenbier und trinkt sofort. Ich hatte damit gerechnet, dass er sich über meinen Aufzug lustig macht, aber er ignoriert es fast. Mir ist er lästiger als ihm. Er meint: "Da kommst Du also angeschlichen." Er hatte mit meinem Erscheinen nicht gerechnet und versucht mir nun zu erzählen, dass man ihn in einen anderen Raum gefahren habe, wo er allein war. Niemand habe sich um ihn gekümmert. Eine Sauerei sei das gewesen. Von seinem Zimmer aus geht der Blick Richtung Norden. Das Fenster ist klein, man kann es mit einer Gardine zu machen. Er deutet an, dass er Probleme mit dem Liegen hat, es tut ihm weh. Sonst spricht er ja nie über Schmerzen. Da ich seine Uhr nicht wieder besorgen kann, gebe ich im meine. Die hat auch ein Metallarmband, man kann es aber nicht einfach überziehen, es muß verschlossen werden. Das macht im Probleme, aber er nimmt sie trotzdem. Wir sind nun sehr vertraut, dass ich allein komme, scheint ihm zu gefallen. Seine Handgelenke sind so dünn geworden, das die Uhr hin und her rutscht. Mir verrutscht immer der Mundschutz. Er spricht so, als wenn er sich vorher Luft verschaffen muß. Aber er ist ziemlich lebhaft. Ich verspreche ihm, dass ich ihm ein Telefon besorgen werde. Bevor ich gehe, ziehe ich die Gardine wunschgemäß etwas zu und stelle den Fernseher wieder an. Leider kriege ich den Fernseher nicht so eingestellt, wie er das braucht. Ich verspreche, der Schwester Bescheid zu geben. Ich habe die ganze Zeit niemanden gesehen. Schließlich treffe ich jemand im Schwesternzimmer. Ja, wir kommen gleich sowieso mit dem Abendessen, heißt es. Bevor ich zu Vater ging, war ich noch kurz beim sozialen Dienst, der in einem Baucontainer untergebracht ist. Hier bekomme ich mein Attest, das ich dem Amtsgericht vorlegen muß, um die Wohnung kündigen zu können. Frau Dr. F. hat es unterschrieben. Durch Egons Erkrankung verzögert sich das Legen der Magensonde. Das ist ein Zeitgewinn bei der Suche eines Heimplatzes.
Auf dem Weg Als frisch gebackene Wohnungseigentümer fühlten wir uns wie befreit. Über der ganzen Wohnanlage lag eine gewisse Euphorie. Gespräche zwischen den neuen Nachbarn fanden fast überall statt. Der Weg zum Müll und zurück kostete oft sehr viel Zeit in der Kennenlernphase. Schon bei der ersten Eigentümerversammlung stellte sich ein Eigentümer für die Hausmeisterdienste zur Verfügung und Ruth ließ sich in den Wohnungseigentümerbeirat wählen. Nachdem wir zu Anfang mit den Nachbarn unter uns ein freundliches Verhältnis hatten, immerhin wurde uns sogar Hilfe bei elektrischen Installationen seitens des Mannes angeboten, kam es bald zu Dissonanzen. Die Frau des Hauses war auch im Beirat, der aus drei Personen bestand, und nutzte ihre Position, um ihrer Reklamation vermeintlicher Geräusche in den Heizkörpern mehr Gewicht zu verleihen. Mehrfach wurde nach den Ursachen geforscht, letztlich ein Gutachter bestellt. Warum die Reklamation so hartnäckig betrieben wurde, das lässt Spekulationen
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