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Gold - LIII

Wir haben einen Termin in Nidderau, eigentlich soll heute der Heimvertrag gemacht werden. Auch den muß ich zur Kündigung von Vaters Wohnung vorlegen. Man läßt uns warten. Zwar begrüßt uns der Heimleiter mit der Frage, ob er etwas für uns tun könne, doch die Verwaltung läßt sich Zeit. Als wir schließlich herein gebeten werden, begrüßt man uns mit der Frage, warum wir eigentlich da sind. Die Dame, die uns angerufen hat, ist nicht im Haus. Da ist ein Fahler passiert. Das Zimmer ist an einen Kurzzeitpflegepatienten vergeben. (In Vaters Krankenzimmer wird Musik gemacht, ein Mann spielt Gitarre, eine Frau schlägt auf eine flache Trommel. Paint it black, lautet die Melodie. Ein Junge ist auch noch dabei. Zuerst glaube ich, es sei mein Kind, aber es gehört wohl zu dem  Mann. Vater stört die Musik, er liegt im Bett. Seine Haare sind wieder dunkler geworden. Ich will ihm am Fenster zeigen, wo ich wohne. Er springt fast aus dem Bett und läuft in seinem Jogginganzug vor mir her. Er sieht kräft...

Gold - LII

Paul kam es vor, als hätte er damals eine glückliche Zeit gehabt, als der Vater nach Frankfurt kam. So war es wohl auch trotz der Umstände die seine Krankheitsgeschichte begleiteten. Die Ärztin sagt mir, sie sei verpennt. Ich müsse entschuldigen, sie hätte Nachtdienst gehabt und daher könne sie nicht so gut sprechen. Damit meint sie es noch gut mit mir. Manche denken einfach nur; scheiße, warum hält mich dieser Mensch jetzt auf. Den freundlichen Doktor, der den besorgten Angehörigen, verbindlich, aber gut gelaunt Auskunft gibt, den gibt es nicht. Der soll auch Verständnis für die Sorgen von Angehörigen aufbringen?. Die Gespräche werden den Ärzten auf genötigt, die schon ihre Mühe haben, den Alltag ohne lästige Kundenbefragungen zu meistern. Ein Dankeschön ist angebracht, wenn jemand mehr als zwei Sätze spricht, übermenschlich erscheint schon eine menschliche Dimension im Gespräch. Ein Gedanke an die Folgen für den Patienten.. So hechelt man ehrfürchtig herum, immer mit dem Gedanken, da...

Gold - LI

Wir erhalten einen Anruf vom Heim in Nidderau, es sei doch ein Pflegeplatz frei. Das war meine Idealvorstellung, die Egon mittlerweile teilt. Als ich ihn wieder nach der Arbeit besuche, hat er die Isolation hinter sich. Er ist in einem Südzimmer mit Blick auf die Frankfurter Skyline untergebracht. Sein Bett steht am Fenster. Das Abendbrot ist schon da. Das innen stehende Bett ist mit einem alten Herrn belegt, dessen Frau am Bett sitzt. Der Mann ist bestimmt genauso schwer krank wie Vater, er spricht kaum. Vater stellt selbstironisch fest: "Ich spreche ein hervorragendes Deutsch."   Tatsächlich hat er durch die Krankheit seinen Dialekt etwas verloren. Die Mühsal des sich Artikulierenmüssens zwingt ihn zu einer deutlicheren Aussprache. Auch wenn das nicht immer gelingt, weil Kraft und Vermögen fehlen, der Kasselaner Dialekt wird schwächer. Ich muß mal wieder das Fenster öffnen, zumindest kippen, Vater billigt es mir zu. Der Geruch von zwei liegenden Patienten in einem relativ k...

Gold - L

Paul war aus ihrer Sicht einfach naiv oder er bastelte sich das Leben so zurecht, wie er das brauchte. Zweifelsohne auch eine Kunst, dachte Rachel. Manchmal beneidete sie ihn um diese Eigenschaft, die Realität ausblenden zu können, sie selbst nutzte lieber andere Möglichkeiten. Sie tat so viel wie möglich, um in ihren Augen gut auszusehen und scherte sich dabei wenig um die Erwartungen, die sie schürte. Sie war nicht böse um ihre Distanz zu den Mitmenschen. Sie wusste, dass alles, was Menschenhirne sich früher oder später mal ausdachten, auch irgend wann geschehen würde. Und sie wollte nicht bei allzu vielen Sachen dabei sein. Die Trägheit der Brei, in dem sie ständig herum rühren müsste, wollte sie etwas Mitmenschliches erreichen. Aber ein Brei ist kein Fundament und schon gar nicht für ihr Leben.  In diesem einen Dasein wollte sie allein bestimmen, welche Zeit sie sich wann für was nahm. Entscheidungen für die Liebe verortete sie klar im Bereich der Märchen- und Sagenwelt. W...

Gold - XLIX

Im Krankenhaus sehe ich Vater nun öfter, allerdings folgt dem positiven Eindruck bei den nächsten Besuchen kein weiterer in Sachen Beweglichkeit. Er weigert sich fast, weitere Versuche mit dem Sitzen zu machen. Schon in der ersten Woche leidet er unter einer so schweren Infektion, dass er isoliert werden muß. Ich finde ihn am ganz anderen Ende des Ganges im letzten Zimmer wieder. Ich muß einen Mundschutz und einen Kittel tragen, Handschuhe anziehen. Ich habe Vater Wasser mitgebracht. Er greift danach wie nach einem Flaschenbier und trinkt sofort. Ich hatte damit gerechnet, dass er sich über meinen Aufzug lustig macht, aber er ignoriert es fast. Mir ist er lästiger als ihm. Er meint: "Da kommst Du also   angeschlichen." Er hatte mit meinem Erscheinen nicht gerechnet und versucht mir nun zu erzählen, dass man ihn in einen anderen Raum gefahren habe, wo er allein war. Niemand habe sich um ihn gekümmert. Eine Sauerei sei das gewesen. Von seinem Zimmer aus geht der Blick Richtung ...

Gold - XLVIII

Paul hatte auch an dem Verlust der Beziehung zu seinem jüngeren Bruder gelitten. Waren sie einst Leidensgenossen, die sich in ihrem gemeinsamen Zimmer die Streitereien der Eltern ansehen oder mindestens anhören mussten, so war der Bruder nach seinem Auszug allein mit einem Vater, der seine Behinderung nicht anerkannte und mit einer Mutter, die sich nicht darum scherte.  Paul war ja nun Betreuer des Vaters und konnte sich gut vorstellen, auch die Betreuung des Bruders zu übernehmen, wenn gleich er wusste, dass dieser in erste Linie auch auf finanziellen Profit aus war.  Zudem stieß ihn dessen  latent vorhandene enorme Aggression ab. Schon als Kind hatte er Dinge zerstört, die eigentlich nicht zerstörbar waren. Für Paul war das damals kein Problem, den aufgrund des Altersunterschieds hatte er meist die klare Oberhand.  Nun aber waren die Karten anders gemischt, im Zweifelsfall wäre wohl der Bruder stärker und hätte das Überraschungsmoment auf seiner Seite, denn Paul wu...

Prag

Ein Wochenende in Prag Wir kommen an einem Freitagmorgen in Prag an, das Taxi haben wir bereits von Deutschland aus bestellt zu einem Festpreis. Sehr viele Warnungen kursieren im Internet ü ber betr ü gerische Taxifahrer. Unser Fahrer ist sehr freundlich, spricht aber kaum deutsch. Dennoch entwickelt sich ein sehr nettes Gespr ä ch auf englisch. Die Fahrt ins Hotel f ü hrt und die Vororte und Vorst ä dte von Prag, die sich nicht sonderlich von anderen St ä dten Europas unterscheiden. Als der Fahrer dann jedoch den Hinweis "Prager Burg" ausgibt, sind wir bald am Ziel. Ü ber den Kleinseitener Ring erreichen wir schlie ß lich unser Hotel gegen ü ber der Deutschen Botschaft in Prag. Vorher wurde unser Auto noch von der Polizei auf Bomben hin untersucht, weil hier auch die amerikanische Botschaft in der N ä he ist. Die Kleinseite ist ein Stadtteil Prags, der westlich an die Moldau grenzt und durch die Karlsbr ü cke mit der Altstadt verbunden ist. Fr ü her wohnten hier wie auch in ...