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MyLife 1993 - 1998

 Verluste

Meine Berufstätigkeit verlangte weiterhin viel von mir. Die Anerkennung, die ich mir so sehr wünschte, erreichte ich nur partiell. Mit der Ernennung eines Abteilungsleiters für den Bereich Satz neigte die Waage endgültig in Richtung meines Kollegen in der Kursredaktion. Zwar wurde mir wieder einmal der Posten eines Gruppenleiters angeboten, doch ging ich darauf nicht ein, weil ich genau wusste, dass ich dafür keine Unterstützung aus dem Haus gehabt hätte und dass es wahrscheinlich sowieso nicht gemacht würde. 

Mein Bruder hatte unterdessen wieder einmal geschlagen, dieses Mal eine Frau und es kam zu einer Gerichtsverhandlung in Kassel. Für die Dauer der Verhandlung war er zeitweilig sogar in der JVA Wehlheiden untergebracht. Es gab wieder einen gerichtlichen Beschluss, der für ihn die Verlegung zurück nach Gießen bedeutete. Mein Verhältnis zu ihm war schwierig. Sobald ich etwas sagte, was ihm missfiel, schrie er, einmal hieb er mit der Faust auf den Tisch. Ich erschreckte mich ziemlich. Immer wieder gab es Anforderungen materieller Art, die insbesondere von der Mutter geschürt wurden. Mich belastete das sehr, im Grunde hatte ich vor meinem eigenen Bruder Angst. Mutter ging es schlecht, sie ging kaum noch aus dem Haus. Ihre Beine waren dünn und verbunden. Ihre Medikamente mussten von Vater besorgt werden. Vater wirkte aufgrund der Entwicklungen moderater mir gegenüber. Das Mietshaus der elterlichen Wohnung war von der Neuen Heimat modernisiert worden (u.a. Sprechanlage). 

Zu meiner Unterhaltung spielte ich viel am 286er PC, oft zog mich Tetris in den Bann. Unser Vermieter begann, das Haus zu dämmen, das brachte uns eine Mieterhöhung auf fast 1000,- DM (inkl. Nebenkosten) ein. Immerhin konnte ich unseren roten Kastenpolo (so nannte ich ihn) privat zu einem vernünftigen Preis verkaufen. Das Auto war von Anfang an ein Fehlkauf, da es aufgrund der fehlenden Servolenkung als Zweitwagen viel zu schwergängig für Ruth war. Zudem wurden, wenn es an der Straße stand, auch mal an den Radventilen manipuliert. Das Auto hatte sich auch der Aufmerksamkeit einer neuen Kollegin erfreut. Manchmal fuhr ich damit an die Arbeit im Bahnhofsviertel. Da Parkplätze im Frankfurter Bahnhofsviertel rar sind, musste ich öfter auch welche mit Parkuhr nehmen und die musste regelmäßig mit Geld versorgt werden. Damit ich nicht hinlaufen musste, ging sie hin um nachzuzahlen. Dafür bekam sie später ein Fahrrad von mir. Es war mein erstes, ein Garelli-Rad mit relativ dünnen Reifen, fast ein Rennrad. Mir war das mit der Zeit zu sportlich. 

Aus Lemgo kamen 1993 keine guten Nachrichten. Eine Cousine meiner Frau war an Leukämie erkrankt und das mit kleinen Kindern. Die Verwandtschaft bat nun um Hilfe mit einer Knochenmarkspende. Dafür musste man sich testen lassen. Man sollte verschiedene Antworten ankreuzen, die letzte lautete: "Ich will nicht helfen." Ruth ließ sich ärztlich beraten, der Arzt fand die Formulierungen auch happig, riet ihr aber von einer Knochenmarkspende ab. Das mussten wir also mitteilen. Der Gesundheitszustand meines Schwiegervaters hatte sich indes auch verschlechtert. Da wir bei unseren Besuchen stets mit Essen bewirtet wurden und dafür nichts bezahlten, war die Stimmung gereizt. Unsere Hotelkosten blieben dabei unberücksichtigt. Es legte sich aber alles wieder, wir luden die Schwiegermutter zu uns ein und auch mein Schwager mit Freundin besuchte uns. Das Treffen verlief harmonisch.

Weniger Glück hatten wir mit unseren Urlaubshotels. In Livigno schrieb ich: "Wir stellten heute fest, dass unser Hotel das teuerste im ganzen Ort ist. Unsere Flurlampe wurde heute erneuert. Nachdem ich das zum x-ten Male reklamiert hatte und einem der Angestellten zeigen musste, was ich mit Flurlampe meine, drehten die auf unserer Etage einfach eine Birne raus und setzten sie bei uns ein." Auch in Pietrasanta, wo wir das Hotel Mistral gebucht hatten, dass wir schon 1981 wählten, mussten wir das Hotel wechseln. Mit Glück bekamen wir ein kleines Zimmer im renovierten Teil eines anderen Hotels mit Strandblick. Wir waren dorthin noch einmal mit dem Auto gefahren und realisierten auch einen erneuten Trip nach Elba. 

In der Firma tat sich einiges. Zwei Geschäftsführer verabschiedeten sich in den Ruhestand. Von vieren blieben also nur noch zwei übrig. Auch ein verdienter Mitarbeiter der Wertpapier-Mitteilungen, Godfather der sogenannten Gattungsdatei, die den Aufbau der Datenbank beschrieb, beendete seine Berufstätigkeit. Und es wurde ein Verlagsleiter eingestellt, der zukünftig Chef unserer Abteilung werden würde. Mittlerweile gab es auch ein Stechuhr und die Gleitzeit, was vieles erleichterte.

Mutter hatte manchmal klare Momente, wo sie auch freimütig über ihre eigene Familiengeschichte berichtete. "Mein Großvater, Gerhard Keßler, wurde im Juli 1903 geboren. Er hatte einen Bruder namens Heinz Keßler, der in Hamburg als Arzt lebte und eine Schwester. Sein Vater war ein Oberlehrer. Die Mutter stammte aus besseren Verhältnissen. Die Familie musste erst die Schulden des Gerhard Keßler bezahlen, damit er meine Großmutter heiratet, die bereits im dritten Monat schwanger war." (Gerhard Keßler hatte Spielschulden.) "Mit der Familie ist die der Hilde Keßler, meiner Oma (heute 82) gemeint. Sie ist eine geborene Amende. Sie hat ihrerseits drei Brüder, von denen einer in Stalingrad gefallen ist. Ein anderer starb an Krebs." Mutter konnte allerdings die Sticheleien gegen Ruth nie ganz lassen. Während ich ich mich bei einem Besuch in Kassel mit meinem Vater ganz gut verstand, ihm meine neue Video 8-Kamera erklärte und er sogar ein bisschen damit die Wohnung abfilmte, rief sie dann, als wir wieder zuhause waren, an und behauptete, Ruth habe geweint. Das entsprach natürlich nicht den Tatsachen. 

Unsere 40. Geburtstage standen an. Ruth sollte eigentlich Besuch aus Lemgo bekommen, der aber kurzfristig abgesagt wurde. Dazu kam dann noch eine merkwürdige "Danksagung" seitens der Verwandtschaft, weil Ruth sich nicht zu einer Knochenmarkspende bereit erklärt hatte. Ein für später avisierter Ersatzbesuch der Eltern und des Schwagers wurde dann unsererseits abgesagt. Ruth wechselte wieder einmal die Stelle, von einer Anwaltskanzlei in die nächste. Wir kauften erneut einen Zweitwagen, dieses Mal einen Fiat Punto. Das Thema Eigentum ließ uns nicht los. Wir besichtigten immer wieder Wohnungen.

In der Firma wurde ich in sachlich fachlichen Fragen immer wieder gebraucht. Ansonsten geriet ich fast immer wieder zwischen verschiedene Fronten, die ich mir nicht aussuchen konnte. Es war Politik des Hauses, jeden Mitarbeiter nach Belieben mit jeder Arbeit zu betrauen, ohne das Kompetenzen geregelt waren. Das sorgte immer wieder für Unsicherheiten und brachte kollegiale Zwistigkeiten. Zum 31.3.1994 erhielt die Investmenttabelle durch die Einführung einer Berechnung des Zwischengewinns neue Bedeutung. Die Anzahl der Investmentfonds stieg durch die Veröffentlichungspflicht nochmals stark an. Dokumentation und Information darüber gehörte zu meinen Aufgaben. Die Broschüre "Was steht wo im Kursteil" gehörte nun auch zu meinem Metier.

Am 17.4.1994 starb meine Großmutter. Sie war in ihrer letzten Zeit sehr verwirrt. Es begann das unwürdige Schauspiel um einen Fernseher, denn ich aus Mainz abholen und meiner Mutter bringen sollte. Nach einigem Hin und Her erwartete mich der jüngste Sohn meiner Großmutter, mein Onkel Michael in seiner elterlichen Wohnung in der Mainzer Leibnizstraße. Neben dem Fernseher nahmen wir noch etwas Geschirr mit. Den Rest hatte wohl Michael aufzulösen. Im seinem Auto (einem roten Kadett) saß neben seiner zweijährigen Tochter noch seine damalige Freundin, die wir aber nicht mit der Mutter des Kindes in Verbindung bringen konnten. Auf der Rückfahrt nach Frankfurt musste ich entnervt das Steuer abgeben. Da mein Schwiegervater Geburtstag hatte, konnten wir Sachen auf einem Zwischenstopp in Kassel gleich abgeben. Über Lemgo schrieb ich: "Ich beneide die Leute in der Provinz, die ohne umgerannt zu werden, in die Stadt gehen können." 

Wir realisierten einen lange gehegten Wunsch und reisten mit dem Bus zum Nordkap. Die obere Etage des Doppeldeckerbusses bot nicht genug Höhe, um aufrecht stehen zu können. Da meldete sich die Platzangst bei mir. Aber: mit gegangen, mit gefangen. Wir schifften nach der Ankunft in Kiel für eine Nachtüberfahrt nach Göteborg ein. Erster Stopp war Gävle in Schweden. Hotel miserabel und Weiterfahrt nach Sundsvall, wo uns eine der besseren Übernachtungen erwartetet. Sundsvall merkte ich mehr als sehenswertes Städtchen. Skelleftea war unser Ziel nach Überschreiten des Polarkreises Bei Rovaniemi. Das Polarzeugnis bekamen wir vier Kilometer südlich vom Polarkreis, was ebenso wenig ausmacht wie die Tatsache, dass das Nordkap gar nicht auf dem Festland liegt, sondern auf einer Insel, die nicht nördlichste Europas ist. In Sodanklyä waren wir in Finnland. Das war verbunden mit gutem Kaffee und leider etlichen Moskitostichen. Zwei quälten mich besonders, einer am Haaransatz und einer am Ellbogen. Hinter der norwegischen Grenze sahen wir von Schnee bedeckte Berge und keine feuchte Sumpflandschaft mehr. Abends waren wir zum Glück pünktlich im einfachen Hotel auf der "Nordkapinsel". Die Mitternachtssonne wurde natürlich um Mitternacht zelebriert, obwohl sie eigentlich die ganze Nacht scheint. Die nächtliche Sommersonne hatte uns die letzten Tage schon begleitet, wir gewöhnten uns daran. Unser fränkischer Busfahrer dagegen überzeugte immer wieder mit abgelesenen Fakten: so sei München die zweitgrößte Stadt Deutschland und Norwegen sei 800000 qkm groß (es hat eigentlich nur 385000 qkm). Das Hauptproblem war aber, dass er einen neuen Bus übernommen hatte, den er nicht gut kannte. Entsprechend fuhr er immer langsamer als nötig. Die Länge Norwegens sollten wir auf der Rückfahrt zu spüren bekommen. Über Hammerfest ging es auf dem Rückweg nach Storslett. Storjord sollte dann die nächste Etappe sein. Hier fuhr unser Fahrer einfach mal 100 km zu weit südlich, verirrte sich dann in eine schmale, abschüssige Straße, wo er kaum Wendemöglichkeiten fand. Viele der recht alten Gäste bekamen massive Absturzangst und Schnappatmung. Auf den einsamen Strecken entlang der Fjorde einen Unfall zu haben, war keine gute Vorstellung. Es gab weder Handys nach Navigationssysteme. Das Verhalten des Fahrers wurde natürlich von etlichen Gästen, typisch deutsch, verteidigt. Oslo erreichten wir schließlich über Mo i Rana, Hell, Trondheim, Gjövik und Lillehammer. In Trondheim hatten wir schon überlegt, die Reise anzubrechen und nach Hause zu fliegen, da unser Hotel am Flughafen lag. Die Nachtüberfahrt von Oslo brachte uns nach Frederikshavn und über Bad Oldesloe nach hause zurück. Filme und Bilder bleiben davon sehr eindrucksvoll zurück. Ich jedoch war in ängstlicher und nervöser Stimmung und hörte, wie Ruth bemerkte, die Grillen nicht mehr zirpen. Es stellte sich heraus, dass ich an einem Tinnitus litt. Die Behandlungen mit Infusionen, Akupunktur und der Überdrucktherapie brachten keinen nennenswerten Erfolg. Während eines Besuchs in Lemgo erlitt Ruth eine Gesichtsnervenlähmung. Gesichtsgymnastik im Heilig-Geist-Krankenhaus half ihr letztendlich. 

Meine berufliche Situation war durch meine Krankschreibung nach der Nordkap-Fahrt etwas entspannter, die Probleme blieben. Neuer Mitarbeiter in der Kursredaktion, neues Personal in der Datenerfassung für die Investmentfondspreiseingabe. Folglich suchte ich nach beruflichen Alternativen. auch in Lemgo, allerdings ohne Erfolg. 

Einen kleinen Erfolg hatte ich mit meinen Gedichten. Der Autorenverlag im Weserhof veröffentlichte in einem Sammelband mehrere Gedichte und Texte von mir. Ich musste lediglich die Belegexemplare bezahlen. "Das Boot", "Königin", "Mann nehme", "Rubbish" und "Heißer Stein" hatten es aus meinem Buch "Melancholie unter Palmen" in den Sammelband "Unser Bestes" geschafft.

Was behielt ich von 1994 zurück: das Ohrensausen und eine neue Küche, die erst nach mehreren Besuchen von Handwerkern komplett war. Wir verschönerten unsere Mietwohnung auf unsere Kosten und ließen die Küche zusätzlich fließen. Auch investierten wir in einen BMW 318i für 48.000 DM. Das gelang uns erst, nachdem wir den freundlichen Verkäufer überzeugen konnten, dass auch wir den 10%igen Rabatt verdient hätten, den sonst nur Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei bekamen, in der Ruth tätig war. Zwischenzeitlich war auch mein Bart ab. Irgendwie wollte ich mich jünger machen. Mich quälte der Gedanke an den 40. Geburtstag, schließlich hatte ich früher schon gedacht, dass ich im Jahr 2000 45 und damit schon sehr alt wäre. Sexuell suchte ich nach Auswegen aus meiner Monogamie, ohne dass es fruchtete. Der Gedanke an Nachwuchs war nun sehr stark in mir. 

Von den Damen in der Investmentpreiserfassung wurde ich mal angezogen, mal abgestoßen. Eine Frau Polesnik meinte immer "Bitt' scheen, i bitt' Sie, wir können doch über ols reden." Zu deutsch, zu sagen haben sie mir nichts. Die dienstältere Frau Mosebach dagegen meinte: "Sie haben mir gar nichts zu sagen." Darin jedenfalls waren sich die Damen einig. Bewerbungen meinerseits im Bankengewerbe scheiterten immer an meinem Ausbildungsberuf  "Buchhändler" und wenn es zu einem Gespräch kam, dann war ich meist nach Schilderung meines Arbeitsplatzes zu überqualifiziert. Die Eindimensionalität im Bankenwesen gefiel mir allerdings auch oft nicht. Der Zirkus ging also in der Börsen-Zeitung weiter.

In die Tinnitusklinik ging ich nicht, obwohl eine Auszeit vielleicht gut gewesen wäre. Aber im nachhinein bin ich dankbar, es genauso wenig getan zu haben wie mir Cortison geben zu lassen. Das Ohrensausen wurde mir zum Betriebsgeräusch. Wenn ich es nicht mehr höre, dann bin ich bestenfalls schlafend. 

"Herr E. erklärt, dass er Ende 1996 ausscheiden wird. Ich soll die Nachricht für mich behalten. Wahrscheinlich wüssten es sowieso schon alle."

Schwiegervater feierte seinen 80. Geburtstag: 

"Achtzig Jahr, selten wahr, Gesichter wachen, ihm ist nicht zum Lachen."

Mutter wurde immer dünner, isst nicht mehr wegen fehlender Zähne. 

Unseren Zweitwagen hatten wir nun nach kurzer zeit wieder verkauft an einen Zahnarzt aus Fechenheim. Nachdem wir uns eigentlich handelseinig waren, wollte er letztlich den Wagen nicht abnehmen, obwohl wir ihn wunschgemäß gewaschen hatten. Ich musste erst zu einem Anwalt gehen, den Dr. Volze in Frankfurt, dem ehemaligen Anwalt des Lang Verlags. Für ihn hatte ich während der Zeit im Verlag ein Buch produziert und er war mit mir zufrieden gewesen. Er forderte den Herrn Doktor nun auf, den Wagen innerhalb einer gesetzten Frist abzunehmen. Da erschien der Herr Doktor dann an einem Freitagabend mit einem Zeugen. 17000,- DM zahlte ich danach auf der Post ein.  

Meinen 40. Geburtstag verbrachte ich in einem kleinen Hotel direkt in Kaltern am See. Meine Schwägerin war dabei. Insbesondere geschah dies auch deshalb, weil die von mir ausgesprochene Einladung anlässlich meines Jubeltages, die ich an Ruths Familie in Lemgo gerichtet hatte, ohne Reaktion blieb. Ich erhielt noch nicht einmal eine Antwort. Die Berge zogen uns weiterhin an. Auch die Gegend um Ellmau wurde uns zum Ziel. Unser neues Auto ramponierten wir uns bei einem weiteren Urlaub in Kaltern. Die Auffahrt zur Ferienwohnung erwies sich für unser Sportfahrwerk am BMW als ungünstig. Zum Glück erwies es sich als Schramme am Unterboden. 

Mit dem stückweisen Rückzug des Geschäftsführers Herr E. wendete ich mich mehr und mehr von den betrieblichen Vorgängen ab. Ich verstand mich gut mit Zena, einer polnischen Programmiererin und mit José, zu dem ich immer mit Änderungswünschen kommen konnte. In Sitzungen meinte José oft: wir machen es "quick und dirty". Das gefiel mir. Mit der Satzabteilung gab es dagegen immer Probleme. Die Unterstützung der Technik hatte sich bereits mein Kollege in der Abteilung gesichert. Der Abteilungsleiter imponierte ihm mächtig.  

Ich dagegen versuchte nun mein Leben dichterisch zu verarbeiten. Das gelang auch in meinen eigenen Augen mal besser, mal schlechter. Wo wir konnten, spielten wir Tennis. Das war immer dann mühselig, wenn wir es ohne Trainer versuchten. Wenn ich mit meiner Mutter telefonierte, musste ich regelmäßig gähnen. Ich wusste selbst nicht warum. Mir brachte das immer die Frage ein: "Bist du müde, Junge?". Das war meistens nicht der Fall. Die Idee, damit in eine Talkshow zu gehen, kam auf, als bei Frau Schreinemakers in der Sendung das Thema "Gähnen" behandelt wurde. Nachdem wir eine Einladung bekommen hatten, fuhren wir auf Kosten von RTL mit dem Zug nach Köln. Shuttleservice, Hotel und Verpflegung vor Ort, alles war im Preis drin. Nur zum Auftritt kam es nicht, denn Margarete verbiss sich in das Thema "Rinderwahn". Der Beitrag und die Diskussionen zogen sich endlos hin. So fuhren wir unverrichteter Dinge ins Hotel "Wasserturm" zurück und genossen die komfortable Unterbringung. Dummerweise hatte ich Mutter unterrichtet und die wiederum die Verwandtschaft alarmiert. Erklärungsbedarf, die Sendung sollte dann im November 1995 nachgeholt werden, fiel aber auch ins Wasser. Mir blieb eine Flasche Schreinemakers-Sekt und ein Scheck über 500,- DM Honorar.

"Möglicherweise letztmalig erlebten wir gestern den Besuch meines Schwiegervaters bei uns. Mein  Schwager kam mit seiner Freundin und den Schwiegereltern gegen halb elf morgens aus Leese an." Da auch meine Schwägerin gekommen war, saßen wir mit sieben Personen auf unserem Balkon und aßen eingelegte Hähnchenfilets und tranken dazu einen Pinot Grigio, den wir aus unserem letzten Kaltern-Urlaub mitgebracht hatte. Unser neues Bad wurde ebenso besichtigt wir die Wohnung meiner Schwägerin in Frankfurt-Ginnheim. Als sie kamen, saß ich vor dem Fernseher und sah irgendeinen sinnlosen Piratenfilm. Mein Schwiegervater setzte sich auch gleich auf die Couch. Er war der Einzige der Familie, der regelmäßig nach meiner Familie fragte und der uns ab und zu einen kleinen Zuschuss zu unseren Hotelübernachtungskosten zu steckte, da wir im Fachwerkhaus der Schwiegereltern nicht mehr übernachteten. Wir hatten einen gemeinsamen Nenner. Er verstand meine Einsamkeit. Er selbst war als junger Mann schon allein in Deutschland unterwegs gewesen, hatte im ostpreußischen Schwirgstein einen Hof seiner Mutter bewirtschaftet (sein Vater war früh auf Zeche verunglückt) und den Russlandkrieg mit Geschick und Glück nicht ohne Verletzungen überlebt. Einzig in der Frage, ob der Krieg gegen Russland zu gewinnen gewesen wäre, waren wir uneinig. Er glaubte, ohne die Materiallieferungen der Amerikaner, hätten sie gewonnen, denn "Der Russe hatte ja nichts".  Im Nachgang zum damaligen Tagesbesuch schrieb ich:

"Der alte Mann sprach, 
es war wohl das letzte Mal,
das ich hier war.
Gemach,gemach,
hast noch Zeit,
es ist noch nicht soweit,
meint da der Sensenmann.
Er lächelt und der Alte
            geht zitternd davon."      

Unseren nächsten Tennisurlaub in Strobl am Wolfgangsee buchte ich per Email, was einiges an Aufsehen erregte. Das taten zu der Zeit nur Japaner oder Amerikaner.     

Das Jahr 1997 brachte unangenehme Gewissheiten. Nach dem Ausscheiden von Herr E. wurde ein Unternehmensberater damit beauftragt unsere Abläufe zu analysieren. Den Namen Wippermann kannte ich bis dato nur aus Lemgo. Dort gab es einmal eine Schnapsbrennerei gleichen Namens. Das er auch vorübergehend unser Vorgesetzter war, bekam mir nicht sonderlich gut. Es führte nicht nur dazu, dass ich mich erneut einer Magenspiegelung unterziehen musste (ich litt schon länger unter dem Reflux-Syndrom), sondern dass ich darüber nach dachte die Abteilung zu verlassen. Ich sollte aus der Projektarbeit herausgezogen werden. Mein Kollege, der ja insgesamt schon länger als ich in der Abteilung tätig war, sollte das übernehmen. 
"..dadurch reduziert sich meine Tätigkeit auf eine reine Durchführung und Überwachung des Datenflusses WM-BZ sowie auf die Vertretung meines Kollegen, Herrn B.. Nach der vollständigen Automation der Datenübertragung fällt für mich in Zukunft keine Projektarbeit mehr an."
Aus dem Veränderungswunsch wurde nichts, da ich selbst zurück zog. Ich wusste genau, dass meine Spielräume in einer WM-Fachabteilung noch viel enger werden würden. Die Investmentpreiserfassung sollte aufgrund vieler Querelen ebenfalls eine verantwortliche Person bekommen. Mir gingen viele Damen auch nachts in meinen Träumen noch durch den Kopf. Real ließ mich die österreichische Kollegin Polesnik wissen, dass es schade sei, dass bei mir nichts weiter gehe. Auf diese Information hätte ich gern verzichtet. Und da war noch der aufsteigende Stern am Investmentfondshimmel, eine gewisse Tatjana, mit der ich ab und zu essen ging. Sie war eine kleine, blond gefärbte Person und wir verstanden uns ganz gut. Einmal saßen wir zusammen auf einer Parkbank auf dem Westendplatz. Sie fragte mich, ob ich nervös sei. Sie trug ein kurzes, schwingendes Kleidchen, natürlich konnte Mann da nervös werden. Ich blieb natürlich cool, äußerlich. Es war aber kein Wunder, dass die anderen Frauen der Abteilung hinter unserem Rücken tuschelten. Das, so belehrte mich mein neuer Chef, machen Frauen nun mal so. 

Während ich mich in Liebesgedichten erging und Träumereien aller Art ausbadete, starb mein Schwiegervater am 30.8.1997 an seiner Parkinsonerkrankung. Es war der Hochzeitstag der Schwiegereltern. Zum Schluss war er nicht mehr bewegungsfähig. Die Pflege während seiner letzten Zeit lag in den Händen meiner Schwiegermutter. Um mir zu verdeutlichen, wie schwer sie es hatte, sollte ich ihr einmal helfen, ihn aus den liegenden Position aufzurichten. Sie war schon etwas verzweifelt, es ist sehr schwer. Auch wenn der Mensch gar nicht so viel wiegt, einen steifen Körper zu bewegen, das erfordert viel Kraft. Bis wir in Lemgo ankamen, war schon alles geregelt. Eine Halbschwester, mit der sie den meisten Kontakt hatte, unterstützte sie. Er sollte eingeäschert werden. Irrtümlicherweise glaubten wir, das wäre nicht sein Wille gewesen. Die Töchter wurden in den Ablauf allerdings auch nicht eingebunden. Auch stand es nach dem Trauerfeier im Raum, dass nun ein Erbfall eingetreten wäre. Diese Diskussion kam für uns zu früh. Nun war also der zweite Gast unserer Hochzeit verstorben, denn auch Ruths Cousine hatte ihre Leukämie nicht überlebt. Das lag allerdings schon länger zurück. 

Ich fing in diesem Jahr an, eine eigene Homepage ins Internet zu stellen. Anfangs gab es sogar noch ein positives Feedback aus dem Netz. Das sollte sich nicht mehr oft wiederholen.  


Das Bild zeigt den Stand aus dem Jahr 2000

Das Weihnachtsfest 1997 verbrachten wir in Fieberbrunn, also in einer Gegend, die wir schon kannten. Letztlich waren wir aber auch da froh, als wir noch im alten Jahr nach hause fahren konnten. Unsere Urlaubsreise ging aber weiter: Thüringen statteten wir im Mai 98 einen Besuch ab. Weimar, Erfurt und Eisenach waren unsere Stationen. "Die Thüringer sind keine lauten Leute, eher zurückhaltend, manchmal muffelig besonders in Supermärkten, im Dienstleistungsbereich freundlich und auskunftsfreudig." So war mein Fazit damals. Meinen Geburtstag verbrachte ich in Portugal an der Algarve. Leider war unser gebuchtes Hotel überbucht und wieder einmal mussten wir mit einem Ersatzhotel vorlieb nehmen. Eine malerische Fahrt im Bus brachte uns an meinem Geburtstag nach Lissabon. Pinienwälder, Korkeichen, Eukalyptus- und Mandelbäume säumten oft den Weg, der uns über das Monchique-Gebirge führte. "Lissabon ist chaotisch, es gibt nur Sitz-Cafés ohne Toiletten. Letztlich landeten wir wieder bei McDonalds, kurz bevor dort die Toiletten wegen Überlastung geschlossen wurden." Solcherlei Impressionen nahm ich immer gern schriftlich auf. Das Monchique-Gebirge besuchten wir noch einmal und fuhren mit dem Mietauto bis nach Monte Gordo in Spanien und auf der anderen Seite nach Sagres, dem westlichsten Punkt Europas. An den Praias fanden sich auch kleine Buchten, wo das Nacktbaden ungestört möglich war. Alles in allem ein schöner Urlaub trotz Widrigkeiten, aus dem ich sogar vom Strand aus mal zuhause anrief, um mit Mutter meine Eindrücke zu teilen. 

In der Firma spitzten sich die Gerüchte um ein Verhältnis meinerseits mit Tatjana zu. Eine der Datenerfasserinnen behauptete sogar, dass wir ein Verhältnis hätten. Das war Tatjana unangenehmer als mir. Das Ganze ging aufgrund Ihrer Beschwerde bis in die Geschäftsführung. Ein neuer Geschäftsführer Herr H. musste schlichten. Auf die Abteilung warf das kein gutes Bild. Die Respektlosigkeit der Damen war aus dem Ruder gelaufen. Tatjana verließ die Firma noch im gleichen Jahr, nicht ohne das ich ihr ein Gedicht nach schrieb. Mittlerweile war die Datenerfassung für die Investmentfondspreise den Wertpapier-Mitteilungen zugeordnet worden. Diese hatten tatsächlich spät erkannt, dass man mit der elektronischen Auslieferung der Preisdaten Geld verdienen konnte. Die Kursredaktion war nun dem Verlagsleiter, Herrn W., unterstellt. Es wartete viel Arbeit auf uns. Nicht nur die Euro-Umstellung war vorzubereiten, auch, nachdem endlich die Webpräsenz der Zeitung entstanden war, ein Informationssystem für Stammdaten und Kurse/Preise aller in der Zeitung veröffentlichten Wertpapiere sollte als Zusatznutzen für die Abonnenten der Printausgabe entstehen. Die Realisierung wurde extern vergeben. Ich hatte damit Glück, denn es zog sich wie ein roter Faden durch meine Berufstätigkeit, dass ich stets bei Kunden und Lieferanten als Ansprechpartner besser angesehen war als in der Firma, für die ich arbeitete. Mit der Geschäftsführerin und ihren Mitarbeitern verstand ich mich recht gut und so durfte ich sogar einmal nach München reisen, wo die Firma ansässig war. Im Haus selbst hatte ich durch die Konkurrenzsituation mit meinem direkten Kollegen schlechtere Karten. Lediglich beim Verlagsleiter war das etwas besser, weil der scheidende ehemalige Geschäftsführer mich ihm empfohlen hatte. Was mich nervte, waren die ständigen Sitzungen, die nun notwendig wurden. Dichterisch war das zu verarbeiten:
"ASAP sagte der Herr und das Gescherr blieb draußen.
Der Master der unlesbaren Terminpläne lächelte unwissend.
Die Indianer schwiegen und der große Boater fragte in ihre unbeirrbare Runde:
Müssen wir das umsetzen oder ist es nur: nice to have?
Der Gringo mit dem Sombrero unter ihnen murmelte:
Wir machen es quick und dirty, eh?
Es fand sich keine Schürze, um die vielen herrenlosen Fragezeichen einzufangen,
die im Raum umherschwebten.
Auch die Bewegung der aufstehenden Krieger vertrieb sie nicht.
"ASAP" bedeutete ihnen der große Häuptling,
bereit die Friedenspfeife anzuzünden, obwohl es noch keinen Krieg gegeben hatte.
Als sich die Versammlung im Rauch auflöste,
blieben die großen Terminpläne für immer,
leider hielt das Papier nicht ewig."        

Neue Mitspieler hatten die Bühne betreten. Doch während ich der Szenerie noch etwas Humoriges abgewinnen konnte, entwickelte sich in Kassel ein unumkehrbares Drama.
"Sie saugt den Hauch der Welt hinein,
        hört sich nicht mehr und sagt nie nein."
So könnte man es beschreiben. Sie war 64 Jahre alt geworden und kur danach kamen wir noch einmal auf ein Stippvisite vorbei. Seit wir einmal in meiner elterlichen Wohnung übernachtet hatten und es damit endete, dass Mutter abends vollkommen alkoholisiert und vor Wut schäumend in mein ehemaliges Kinderzimmer eindringen wollte, haben wir uns nicht mehr länger dort aufgehalten. Auch wegen des starken Tabakgeruchs in der ganzen Wohnung und ihrer ständigen Raucherei war ein längerer Aufenthalt gar nicht möglich. Sie selbst schien mir immer kleiner werdend und immer weniger an Person. Sie hustete oft verlegen, schien irgendeine Regung meinerseits zu suchen. Ich war aber selbst viel zu entsetzt über das, was ich sah. Zum Abschied drehte sie sich ab, unfähig, den Schmerz zu empfinden, es war zu viel für sie. Ich würde die Zigarette meiner Mutter nicht ausmachen, ebenso wenig wie der Vater die abendliche Weinration der Mutter verhinderte. Oft genug hatte ich mit Vater versucht, eine Basis für eine gemeinsame Hilfe zu schaffen. Doch er stand zu ihr und im Zweifel gegen mich. Bei unserem Besuch tauchte er erst gar nicht auf, hatte das Bett vorgezogen. 

Weihnachten 1998 verbrachten wir mal wieder in Adelboden im Berner Oberland. Dort war uns das Hotel Bristol noch in guter Erinnerung. Erstmals nach fünf Jahren waren wir wieder da. Am Vortag des heiligen Abends waren wir angereist und überlegten nun, wie wir den Tag verbringen wollten. Wir entschieden uns, die Dorfseilbahn zu benutzen und von der Talstation aus zum Ortsteil Boden zu gehen. Es war sehr kalt und es schneite. Das tat der weihnachtlichen Stimmung keinen Abbruch. Zu Füßen des Chuenisbärgli fanden wir eine gemütliche Einkehr in einer Holzhütte. Wir setzten uns, um etwas zu trinken. Eine ältere Frau mit ungepflegten Haaren saß allein auf einer Bank und starrte mich die ganze Zeit an. Mir wurde das allmählich unheimlich, Ruth bemerkte es nicht. Ich war froh, als wir das Lokal verlassen konnten, um zum Hotel zurück zu kehren. Das Abendessen in mehreren Gängen war vorzüglich, genauso wie der gute Rotwein. Meist gab es, wenn man am späten Nachmittag herein kam noch ein paar Häppli. Die Familie Johner war sehr gastfreundlich. Ich war mittlerweile stolzer Besitzer eines sogenannten Handys der Marke Bosch, das wollte ich aber für die paar Tage nicht anschalten. Schließlich würden wir ja auch schon am 27.12. zurück fahren. Ein paar Stunden der heiligen Nacht standen uns bevor. Draußen schneite es wieder, wir überlegten noch, ob wir in die Kirche gehen sollten, bleiben aber lieber im Hotel.

Kein neues Jahr, ein neuer Tod. Als wir zuhause von der Reise zurück kamen, fand ich auf dem Anrufbeantworter die Nachricht meines Vaters. "Deine Mutter ist tot." Diese Worte brachte er gerade noch voller Erschütterung heraus. Sie starb am 25.12. im Krankenhaus. Bereits am Heiligabend gegen 23 Uhr verlor sie das Bewusstsein. Sie hatte sich mit einem Bier ins Schlafzimmer zurück gezogen. Meinem Vater hatte sie eingebläut, er dürfe sie nicht ins Krankenhaus bringen. Ihr Herz wurde wieder belebt, aber innere Blutungen hatten das Ende besiegelt. Vater war am Heiligabend nicht ins Krankenhaus mitgefahren, hatte sich ins Bett gelegt und abgewartet. Mutter wollte eingeäschert und anonym bestattet werden.    
"Eine Trauerfeier wird es nach dem Willen meines Vaters nicht geben. Zu einem Urnenbegräbnis auf dem Westfriedhof konnte ich ihn noch überreden. Hoffentlich bleibt es dabei."

Meine mir vollkommen unbekannte Tante Ursula Klatt geb. Keßler schrieb mir am 4.1.1999:

"Deine Mutter kannte ich sehr gut, sie ist in Glauchau geboren, wie ich auch. Ich habe sie als junges Mädchen oft spazieren gefahren. Sie war ein süßes kleines Mädchen. Warum wir uns alle so aus den Augen verloren haben, ich weiß es nicht. Es ist geschehen, es tut mir heute leid, aber es ist zu spät. Ich glaube, ihr Leben war nicht leicht, denn sie hat es sich selbst nicht leicht gemacht." 

Das Lachen der Rosi war erloschen. 

      

 

 

 

      

     



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