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Posts

Gold - XXXIX

Ich erhalte einen Anruf von Frau Dr. R. am Montag der darauf folgenden Woche. Sie eröffnet mir, daß mein Vater aggressiv sei und sich jeglicher Therapie verweigere. So können sie ihn nicht behandeln. Er müsse erst einmal in einer psychiatrischen Klinik medikamentös eingestellt werden, um therapiefähig zu werden. Auf meinen Einwand hin, ob dies nicht in Bad Orb geschehen könnte, erwidert sie, dass sie das nicht dürften.  An welche Klinik sie gedacht hätte? Ich fürchte einen Verlegung nach Kassel und einen anstrengenden Rücktransport für ihn. Frau Dr. R. erklärt, zuständig sei die Psychiatrie in Schlüchtern. Das wiederum würde weder Egon noch mir helfen. Die Verlegung müsse unbedingt spätestens morgen, erklärt mir Frau Dr.R. Ich erkläre ihr daraufhin, dass ich Vater nicht hergeholt habe, um ihn jetzt wieder irgendwo zu haben, wo ich nicht oft genug hin komme. Ich könne mich gern um ein Krankenhaus bemühen, so Frau Dr. R. Notfalls werde sie ihn nach hause transportieren lassen.  ...

Gold - XXXVIII

Rachel war zufrieden. Endlich schrieb er als sein eigenes Ich und nicht als ein imaginärer Paul. Wer ist denn dieser Paul auch, wer sollte das sein?  Ich bin Paul, wer sonst? erklärte er. Den kleinen Jungen, der aufgeregt den Dampflokomotiven zugesehen hatte, den gab es nicht mehr. Der für alles Begeisterung zeigte, was neu war und der schöne Geschichten mochte. Dessen Fantasie an der Schlafzimmerdecke eine Bühne bot, der sich solange vertiefte, bis er Figuren sah, die sich bewegten.     So, dann bist Du also tot? setzte Rachel nach.  Nur weil etwas nicht mehr lebt, ist es ja nicht tot.  Untot sozusagen? Warum lebt denn dieser kleiner Junge nicht mehr? Der ist einen langen Weg gegangen, hat Stück für Stück nicht mehr geglaubt, eine Mutter gesehen, die mit der Bierflasche in der Hand den Vater schlagen wollte, hat mit Spannung gesehen, wie der Vater sich verteidigen wollte, als Zuschauer, wie bei einem Boxkampf. Die Mutter tobte, bis sie vor Erschöpfung ins Bett ...

Gold - XXXVII

Irgend wann geht auch die längste Reise zu Ende und so tauchte meine Verflossene wieder auf. Sie wusste bereits, dass ich mittlerweile wieder gebunden war und meinen ersten Urlaub mit meiner neuen Beziehung plante. Sie selbst war ihrer ersten Liebe nach gereist, hatte ihn in England getroffen. Das Ganze muss jedoch sehr desillusionierend gewesen sein.  Es galt aber auch Abschied zu nehmen von meinen eigenen Plänen. Noch war ich Student, noch stand der Auslands- und Studienaufenthalt in England an, dessen Finanzierung nicht klar war. Ich erzählte meiner künftigen Frau von meinen Plänen und das ich eventuell für ein Jahr gehen wollte. Sie hatte irgend etwas bereits befürchet und es schien so, als ob ihre Welt, die auf einer gemeinsamen Zukunft mit mir aufgebaut war, geradewegs zusammen brach. ich erblickte in ihren dunklen Augen ein Kartenhaus, sollte ich das gewesen sein? Ich fühlte nach, was in ihr vorging, hielt mir die Entscheidung dennoch offen.  Innerlich war ich mir aller...

Gold - XXXVI

Paul hatte nach seinem Israel-Aufenthalt und der halbwegs erfolgten Genesung, den Entschluss gefasst, mit der Vergangenheit abzuschließen. Er hatte sein Studium an der Frankfurter Uni wieder im Sinn, wo er Philosophie und Anglistik belegt hatte. Er wusste aber auch, dass ihm das studentische Leben fremd war und die sehr unstrukturierte Gestaltung der Studiengänge Probleme bereiten würde. Im Grunde war er ein Arbeiter, so sagte er es sich selbst. Egal was der Vater über Praktiker und Theoretiker erzählte (zu letzteren zählte er seinen Sohn), er wurde im akademischen Leben ignoriert und fand selbst auch keinen Zugang dazu.  Sicher entsprach es ihm mehr, im anglistischen Institut über die geschniegelten BWL-Studenten zu lästern,  aber das allein reichte nicht als Grundlage für ein erfolgversprechendes Studentendasein und vor allem dessen Abschluss. Paul war erfolgsorientiert, auch wenn das niemand wahr nahm und seine Geduld war in allen Belangen nicht allzu groß. Die Geduld mit d...

Gold - XXXV

Er bittet mich um Erlaubnis, etwas Beruhigendes geben zu dürfen und die Arme zu fixieren. Das alles soll nur vorübergehend sein. Schweren Herzens erteile ich die Erlaubnis. Wieder vergehen einige Tage bis ich am Wochenende, dieses Mal mit Auto und Haftcreme, eine Fahrt nach Bad Orb unternehmen kann. Als wir die Tür öffnen, sagt Vater zu mir: "Was machst Du mit mir?" Ohne große Begrüßung, ich bin erst einmal konsterniert. Er hat hier ein Einzelzimmer und es riecht muffig. Vermutlich war das Fenster schon länger nicht mehr offen. Er redet nur zögerlich und wenn, dann sagt er, dass die hier gegen ihn seien. Seinen Katheder empfindet er als Unverschämtheit. Ich sehe neben seinem Bett einen Rollstuhl. Ich versuche erneut, ihn besser zu stimmen und zu trösten. "Wenn Du aufstehen kannst und mir sagst, daß Du nach hause gehen kannst, dann habe ich bestimmt nichts dagegen." Die Wohnung, meint er, die wäre doch wohl noch da? Als ich das bejahe, meint er, daß das auch so bleib...

Gold - XXXIV

Ich muss  versuchen, die Verlegung meines Vaters in ein Krankenhaus in unserer Nähe zu erreichen. Dazu rufe ich im Krankenhaus an, will abklären, was machbar ist. Wie meistens, lande ich erst einmal bei der Schwester. Geplant ist die erneute Verlegung nach Bad Wildungen . Aber wenn ich ein anderes Krankenhaus fände, so sei das kein Problem, ich müsse es nur bald mitteilen. Ich spreche mit der Gesundheitskasse , Egon hat da immer eine gute Meinung gehabt. In der Tat helfen sie mir weiter, Bad Camberg oder Bad Orb stehen als Rehakliniken zur Auswahl. Da Bad Orb entschieden näher ist, gebe ich die Adresse an das Klinikum Kassel weiter. Die Formalitäten lassen sich wohl klären, jedenfalls erhalte ich Nachricht über den Verlegungstermin . Wir haben nun Mitte Januar und ich scheine ein Stück weiter zu sein.  Am Tag der Verlegung denke ich intensiv an Vater, stelle mir seinen Transport vor. Am Vormittag ruft Frau Dr. H. aus Kassel an. Mein Vater sei sehr aufgebracht und weigere...

Gold - XXXIII

Paul hatte sich immer vorgestellt, seinen kranken Vater in der Nähe zu haben. Er wollte die Zeit nutzen, die noch bliebe. Vielleicht ein paar Ausfahrten mit dem Rollstuhl, vielleicht könnte der Vater ja auch seine Wohnung mal besuchen. Alles würde am Ende doch irgendwie gut werden.  Das Leben hatte beide gegeneinander aufgebracht. So kam es ihm vor. Würde es am Ende doch eine Aufklärung geben, könnte er doch ein bisschen Anerkennung erreichen? Paul war wieder mal im Widerspruch mit sich selbst. Einerseits wollte er die Kraft nicht aufbringen, andererseits wusste er, es gibt keinen anderen Weg.