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"Kunst kommt von Können oder Kennen."

Was ich an Kassel wieder mal so toll finde, das ist der völlige Realitätsverlust, unter dem ein Kreis von einheimischen Leuten leidet, der sich für kulturell bewandert hält. Sie lieben ihren Beuys und wissen auch sonst gut Bescheid darüber, was Kunst ist. Sie sehen nun die Freiheit der Kunst in Gefahr, reden von Zensur, bloß weil ein armseliges Geschmier voller Karikaturen wegen antisemitischer Deutungsmöglichkeiten auf politischen Druck hin entfernt werden musste. Zu Recht haben verantwortliche Leute ihren Hut nehmen müssen, denn sie wussten offensichtlich nicht, was da ausgestellt werden sollte. Und auch die Stadt Kassel hat spät reagiert, auch weil sie es mit der Kunst gar nicht so ernst nimmt. Und es ist ja auch so, Kunst im klassischen Sinn bietet die documenta sowieso nicht. Gern erinnere ich mich an die Schlitten, die Herr Beuys mal zusammen gebunden hatte und als Werk präsentierte. Ich hätte das auch gekonnt, nur heiße ich leider nicht Beuys. Wenn ich Kunst sehen möchte, dann g

Vorderer Westen

 Ich war unterwegs, wusste zuerst nicht wo. Dann erkannte ich den Bebelplatz, eine meiner alten Heimaten in Kassel. Aber nun überlegte ich, wie ich nach hause kommen könnte. Ich war bei einem geschäftlichen Treffen gewesen. Die Linie 4 nehmen Richtung Bahnhof Wilhelmshöhe. Das schien mir aber die falsche Richtung zu sein. Ich musste doch zum Bahnhof und dazu eigentlich nur geradeaus laufen Richtung Stadt. Da hatte ich einen Zeitsprung gemacht. Zurück in eine Zeit, als in Kassel-Wilhelmshöhe noch ein kleiner verschlafener Bahnhof stand und ich hier in den Bus umsteigen musste, um nach Helleböhn zu kommen. Der Hauptbahnhof aber war nur stadteinwärts zu erreichen. Doch noch während ich darüber nach dachte, wurde mir klar, es gibt kein zuhause mehr, eben so wenig wie Eltern, geschweige denn die elterliche Wohnung. Ich irrte weiter herum, stiefelte mit meiner Aktentasche unter dem Arm durch ein mit sehr schönen Holzvertäfelungen ausgestattetes Gebäude, offensichtlich ein Hotel, ohne dass mi

MyLife 1982

  Hohe Zeit vor der hohen Hecke Wir schmiedeten Hochzeitspläne, doch zunächst einmal stand mein Arbeitsbeginn beim Lang Verlag für mich im Vordergrund. In der Herstellungsabteilung war ich der Hahn im Korb, misstrauisch beäugt vom Chef. Ich hatte Kolleginnen aus der Pfalz ( Marianne St.), aus meiner Heimat Nordhessen (Eva E.) und aus Südhessen (Uschi S.). Letztere war meist als Teilzeitkraft tätig. Autorenbetreuer und im Endeffekt Verkäufer war Stefan K., dessen freundliche, bisweilen fast schleimig wirkende, Art mir wohl immer in Erinnerung bleiben wird. Er war Raucher und zumindest in der Firma Antialkoholiker. Insgesamt war ich froh, wieder zurück zu sein. Meine Hochzeitsplanungen waren schon bald Thema und die Begeisterung meiner Kolleginnen darüber hielt sich in Grenzen. Der Verlag zog im Laufe des Jahres um. "Hinter den Ulmen" im Stadtteil Eschersheim befand sich in einem rot gestrichenen Haus unser Domizil.    Mit meinen Eltern gab es nach wie vor Auseinandersetzungen.

MyLife 1981

Hva heter du? (Over the bridge and far away) Das wusste ich zu Beginn des Jahres kaum noch. Ein bisschen Norwegisch hatte ich von unserem Weihnachtsurlaub mitgebracht. Wir hatten Bekannte von Astrid besucht und uns auch da wieder gut unterhalten. Gefühlsmäßig kam ich wohl ganz gut an. In Bergen besuchten wir an einem Tag die Bibliothek. Nun nahm mich der Alltag wieder in seinen Besitz. Astrid hatte schon seit einiger Zeit eine Bekanntschaft mit einem Iren geschlossen und zu dem zog sie mit samt ihrem großen Bett. Ihre übrige Möblierung blieb weitgehend in meiner Wohnung. Ich selbst schlief nun auf meiner braunen Cordcouch, dachte über die Dinge nach, die zu unserer Trennung geführt haben konnten. Einen  Streit bekam ich mit ihr bei einer Diskussion darüber, warum das deutsche Volk sich nicht gegen Hitler aufgelehnt hatte, das war eine Auswirkung ihres VHS-Kurses, der sie noch einmal richtig hoch brachte. Ich erlaubte es mir zu sagen, das ich das verstünde. Im Englischen meint "to

Sarah

 Die Bosetti, Sarah ist keine Freundin von der Jana aus Kassel. Sie ist sogar richtig böse mit ihr, weil sie denkt, sie hat sie in die Fresse gehauen und nun schlägt sie zurück. Die Vergleiche der Corona-Maßnahmen unserer Regierung mit der Nazizeit sind natürlich Mumpitz. Aber das eigentlich Schlimme an diesen Vergleichen ist, wie sie zustande kommen. Da wird aus irgendwelchen Quellen, die man gegoogelt hat, irgendeine Schlussfolgerung gezogen, ohne dass man sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt. Diese Oberflächlichkeit ist ein Zeichen unserer Zeit. Oberflächlich ist es allerdings auch, alle Menschen die auf Querdenkerdemonstrationen mit gehen, als Idioten zu bezeichnen. Die Medien sind es, die immer wieder Menschen mit idiotischen Denkansätzen vor die Kamera ziehen und damit alle anderen diffamieren, die mit den dort geäußerten Thesen nichts am Hut haben. Irgendwo ist ja immer ein Körnchen Wahrheit drin. Eine offene Diskussion über Corona und die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmun

Der Ullrich kommt

Der Ullrich kommt hieß es früher zuhause. Da kam ein alter Mann mit Baskenmütze und abgetragenem braunen Mantel. Er brachte eine Butterbrotstüte gefüllt mit Keksen mit und mir in der Regel viel Arbeit. Zwei Jahre mußte ich nachmittags sofort nach dem Essen meine Schulaufgaben machen, unter seiner Aufsicht und mit Nachhilfe, wenn ich nicht alles verstanden hatte. Nach zwei Jahren war ich aus dem gröbsten raus. Die Kurzschuljahre komprimierten den Stoff und da ich eher die Tendenz hatte, in der Schule nichts zu lernen und das später zuhause nachzuholen, weiß ich nicht, ob ich es ohne Ullrich geschafft hätte. Bei Ullrich mußte alles gleich klappen, sonst wurde er nervös. Er zitterte und heulte auch schon mal. Also strengte ich mich an. Ich war ja schließlich sein Jüngelchen. Ullrich hatte sich seit meiner Geburt in den Kopf gesetzt, mich zu unterstützen. Das wurde zwar gern angenommen, aber nicht unbedingt von meinen Eltern gern gesehen.  Ullrich hieß eigentlich Rudolph Ullrich und war 18

MyLife 1971 - 1974

  Mittlere Reife und Wirtschaftsabitur / Wehrdienst  Bis zur Abschlussfeier unserer Realschulklasse war ich bereits mit meinem ersten handschriftlichen Teil, der sich mit dem Erlebten von in 1955 bis hierhin beschäftigte, gekommen.  Diese fand in der Wohnung unserer Klassenlehrerin, Frl. Schäfer, in der Kölnischen Straße statt. Sie war eine blonde, hochgewachsene, Frau, die viel von meiner Intelligenz hielt. Ich solle doch mein Wissen preis geben. Nur ich wusste allerdings, dass ich gar nicht soviel wusste. Mündlich war ich sowieso nicht stark und beschränkte mich auf das Notwendige. Ich war also schüchtern und zurückhaltend und auch meine Eltern trauten mir die Knutscherei mit Mädchen nicht zu, die am Abend des 10. Juli stattgefunden hatte. Ich jedenfalls war selig, obwohl mir ein Kamerad ein Bein in den weg gestellt hatte, als ich in ein anderes Zimmer von Fräulein Schäfers Wohnung eindringen wollte. Aber das mit dem Bein im Weg sollte mir in meinem Leben noch öfter passieren. Der Tä

Mäh sin mäh

Ab und zu kommt Kassel auch in den Medien mal vor. Wenn, dann leider nicht immer besonders vorteilhaft. Das beruhigt mich auch ein bisschen, denn es zeigt mir, dass sich seit meiner Zeit dort kaum etwas geändert hat. Eine Shopping-Queen wurde nun in Kassel gekürt, was immerhin angenehmer ist, als sich die Frage zu stellen, wer den schmierigen Herrn Szieleit aus dem Leben befördert hat. Kurzum, die vier Kandidatinnen verkörperten Prototypen Ihres Gattung. Der Kassel-Faktor verstärkte dies dann eindrucksvoll. Da hätten wir die klassische Provinzblondine, der das hier verkürzt genannte Motto "Frühlingsrock" einfach am hübschen Allerwertesten vorbei saust. Schwarz geht immer, sagt sie und nimmt den schwarzen engen Leder-Rock. Auch nach der schlechtesten Bewertung findet sie sich noch gut. Dann wäre da noch die Frau mit der lila Brille und den fisseligen, rot gefärbten, Haaren. Eine Pädagogin, die in ihrer eigenen, selbst geschaffenen, Welt lebt. Sie schreckt vor keiner Farbe zurü

Biographische Notizen zu meinem Bruder - oder Michael ist größer als ich

Mein Bruder heißt Frank und wurde am 24.1.1962 geboren. Zu der Zeit lebten wir in der Kasseler Hansastraße in der Nähe des Bebelplatzes. An der Ecke des Bebelplatzes befand sich noch ein Trümmer - Grundstück, das vom Zweiten Weltkrieg übrig geblieben war. Frank kam als Hausgeburt zur Welt. Meine Mutter hatte bereits vor Ihrer Schwangerschaft mit dem regelmäßig en Trinken einer Dreiviertel-Liter-Flasche Wein angefangen. Zuckerwürfel wurden heraus gelegt, damit der Klapperstorch ein Kind bringen sollte. Mir war das gar nicht so recht, fühlte ich mich doch als Mutters Liebling ganz wohl. Immerhin durfte ich ihr die Haare kämmen. Als das Baby dann da war, reagierte ich entsprechend verhalten. Unsere Tage in der Hansastraße waren damit auch gezählt. Obwohl ich erst sechs Jahre alt war, musste ich morgens vor der Schule schon Fleischsalat, Brötchen und die Bild-Zeitung holen. Einmal passte ich dabei nicht auf und hatte einen Scheinwerfer eines Autos in meiner Kniekehle, ohne das mir viel pas

Ringgeist - Die Ankündigung II

Versuchte zu verstehen, was meinem Vater passiert ist. Kombinierte aus seinen Erzählungen am 9.3.2007 .  Das er mich auf einem Volksfest gesehen haben wollte, wo ich definitiv nicht anwesend war, schmeichelte mir. Die Geschichte müsste umgeschrieben werden. Er wollte doch weg, in das Krankenhaus, wo sein Sohn als Baby lag. Eine Sanitäterin war nett, sie sagt: wir machen das schon. Seine Telefonrechnung zeigt einen Anruf. Die Nachbarin hat den Notdienst gerufen. Drei Männer hätten ihn eingekreist, in der Aue. Bis zum letzten Tag ist er mit dem Fahrrad gefahren, zu seinem Lieblingsplatz. Er will sich wehren, bekommt einen Schlag auf den Kopf von hinten. 15 Euro hatte er gehabt. Dann ist er weg gelaufen, weiß nicht wohin. In der Nähe eines Volksfests sei es gewesen. Der Herkules steht eingerüstet ohne Kopf. Er sagt, die Sonne scheint, ins Krankenzimmer.

Ringgeist - Eine Sekunde

Ja, auch mal wieder so ein Beitrag wie der vom 1.11.2006 , der nichts an Aktualität eingebüßt hat. Der durchschnittliche Deutsche ist ein bisschen zu dick, bewegt sich zu wenig und hat irgendwann in der Regel eine Herz-/Kreislauferkrankung. So geht es durch die Presse. Das allein ist nur die halbe Wahrheit. Er fürchtet sich nämlich auch vor BSE und dem Waldsterben. Das große Ozonloch macht ihm eine Heidenangst. Er moralisiert über den Feinstaub und weigert sich das Rauchen in öffentlichen Gebäuden sein zu lassen. An der Nahrung spart er, er gibt das Geld lieber für teure Autos aus und feiert. Solange die Erderwärmung das noch zulässt, fährt er gern schnell. Er hasst den Stau und steht gern drin. Er mag keine Experimente und die Angst ist seine Lust. Die Polizei in Kassel hat jetzt ein Faltblatt herausgegeben, in dem die letzte Sekunde vor dem Unfalltod beschrieben wird (beim Aufprall mit Tempo 80 und vermutlich unangeschnallt und ohne Airbag). Der Deutsche mag es plakativ, aber begrei

Ringgeist - Ich bin kein Star, holt mich hier raus!

Ja, Sein oder Scheinen, das ist hier wohl die Frage am 10.11.2004 oder wohl auch nicht, wenn man nach der Textzeile aus dem Song lebt. Echte Holztüren, massive Fußleisten, eine Schiebtür aus Holz, Linoleumböden, die Wohnung hatte, was das Herz begehrt, der Preis ist günstig, nur der Ort falsch. Leider kann ich nicht jeden Tag von Kassel zur Arbeit pendeln. Also, Adieu, Gedanke! Es war wohl wieder eine Reminiszenz an früher, die mich so euphorisch machte. Und meine Bessere teilt die Erinnerung nicht, zu negativ waren unsere Besuche in dieser Stadt zu lange gewesen. Und leider verdiene ich noch eine ganze Zeit lang mein Brot woanders. Apropos Brot: wird mein Blog tatsächlich gelesen oder leide ich an Verfolgungswahn? Wahrscheinlich ist Letzteres. Ich gehe in einem Meer von Geschwalle zugrunde. Wie sagt mein Patenkind sehr schlau immer: das muss ich mir noch überlegen. Dabei sind Überlegungen das Letzte, was ich brauche. Das Gesetz des Handelns ist außer Kraft in meinem Leben, obwohl das

Ringgeist - Cat

Am 25.10.2004 mischte sich mal wieder Traum mit Realität, einer Realität, die es heute nicht mehr gibt. Epilog Die Katze saß auf dem Nachbarbett und näherte sich. Ich fletschte die Zähne und begann zu brüllen wie ein Löwe. Die Katze erschreckte sich und verschwand. Ich wachte auf und röchelte. Besuch Mein Vater verdrückte sich ein paar Tränen, als er davon erzählte, was er als junger Mann unternommen hatte. Fahrradtouren zum Edersee mit der Clique, zelten draußen. Alles was schön ist, ist irgendwie schwer. Ich hatte geglaubt, meine Heimatstadt vergessen zu haben und plötzlich war alles wieder da. Die Wege der Jugend und Kindheit, die erste eigene Bude. Der Biergarten mit Blick über die Dönche ist einer der schönsten in Kassel, mir war nie bewusst, dass mein Vater den Platz so mochte. Ich hätte auch nie geglaubt, dass er mal so offen über sich spricht. Er stubste mich anerkennend am Arm und mir bekam das gut. So verbrachten wir zwei Stunden mehr in der Kneipe als gewollt und hatten kei