"Die Welt von gestern", so nannte Stefan Zweig seine Lebenserinnerungen. Und er meinte damit eine Zeit, in der es noch kein Geschwatz aus dem Radio gab. Wenn er wüsste, dass das Radio erst der Anfang dieser allumfänglichen Bedudelung der Menschen war, gefolgt vom Fernsehen und dem Internet. Letzteres trägt man überall mit sich herum. Passanten sprechen laut vor sich hin, sodass der Gedanke an Selbstgespräche aufkommt, bis klar wird, dass da ein Mobiltelefon vor dem Mund positioniert wird oder in ein kleines Micro vor dem Gesicht hängt. Die Menschheit hat es noch weiter gebracht als zu Zweigs Zeiten, die bereits er als großen Umbruch erlebte. Passend zu seiner Verzweiflung über die erzwungene Trennung von seinen europäischen Wurzeln und die kurzfristige diktatorische deutsche Herrschaft, werden nun wieder Vergleiche zum Überfall Hitlers mit dem heutigen russischen Einmarsch in die Ukraine gezogen. Aus den Medien tönen wieder zahlreiche überflüssige Kommentare. Klar ist doch nur eins: wenn eine Macht wie Russland stets isoliert an den Pranger der westlichen Welt gestellt wird, dann darf es eigentlich keine Verwunderung über die Reaktion Putins geben. Er steht sicherlich in Russland nicht allein da mit seinen Ansichten. Der Westen und allen voran die USA wiederholen doch ständig den gleichen Fehler. Sie wollen das Modell der westlichen Demokratien allen Völkern dieser Welt aufzwingen und übersehen dabei die regional unterschiedlichen Verhältnisse. Eine Ukraine am Tropf der EU, dient das den deutschen Interessen? Aber danach fragt in diesem Land ohnehin schon keiner mehr. Längst haben wir uns selbst aufgegeben zugunsten unserer globalen Wirtschaftsinteressen. Ein moralisches Gewissen haben wir schon lange nicht mehr, höchstens eine stets moralisierende Rechthaberei. Was wissen wir über die Situation der Russen in der Ukraine und hat uns das bisher ernstlich interessiert? Wenn Stefan Zweig darüber schreibt, wie fern er der öffentlichen Meinung bei allen großen historischen Ereignissen seiner Zeit geblieben ist, dann habe ich dafür großes Verständnis. Der Wandel der Welt bleibt und auch mein Leben spielte sich in einer "Welt von gestern" ab.
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