Direkt zum Hauptbereich

Gold - LXV

An einem sonnigen Tag sitze ich im Zug nach Kassel. Mein Vater wird mich vom Bahnhof Wilhelmshöhe abholen und wir werden Weg zur seiner Wohnung zu Fuß gehen. 
In einem Kopfhörer läuft "Time & Again".  
The sun brought me
The moon caught me
The wind fought me
The rain got me..
Schon die ersten Worte drücken meine Gefühle aus. Es ist schön und traurig zugleich.
Eine tiefe melancholische Stimmung erfasst mich, die ich kaum aushalte.

Am Bahnhof empfängt mich mein Vater. "Das kannst Du öfter machen" sagt er, während wir gehen und meint damit meinen Besuch. Wir werden in der Wohnung Musik hören, seine Musik. Er ist gut gelaunt.
Seine Hände haben dunkle blaue Streifen, ich frage danach. Er hat die alten Tonbänder vernichtet, nicht einfach weg geschmissen. Er hat sie mühsam von Hand abgespult. Da war Musik drauf von mir und von meiner Band. Er hat mich nicht gefragt vorher und wir sprechen nicht drüber.

Wir gehen zum Friedhof, zum Grab seiner Frau, meiner Mutter. Die Rosi, sie fehlt mir schon manchmal, wird er sagen. Beim Verlassen der Wohnung vergewissert er sich mehrmals, dass er den Schlüssel dabei hat. Ich kenne das. Wir gehen essen, weil ich keine Bratkartoffeln aus zerkratzten Pfannen mag. 
Wie hat Vater immer gesagt, er isst nicht bei alten Leuten. Das Lokal ist schön gelegen, "Schöne Aussicht" eben, Vater ist hier bekannt. 
In der Nähe haben die Eltern immer auf einer Bank gesessen. 
Die Luft, sage ich, ist hier besser als bei uns.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

2002 - X

A rock feels no pain and an island never cries.. Auf der Insel Wahrheit gestrandet, möglicherweise völlig versandet? Einfacher jede Klippe zu umrunden, die Wirklichkeit darstellt und wählt, sich über den Riffen zu bekunden: der eigene Weg nur zählt! Auf dem Meer der Lügen, da lässt es sich gut segeln. Denn im Meer der Lügen, da gibt es keine Regeln.

Platz

Ein großer Flachbau im Industriegebiet, das nennt sich hier "Lieblingsplatz" für Hunde. Nix mit familiären Anschluss oder persönlicher Betreuung wie noch zu Schönecker Zeiten. Auch für Hunde ist das Leben in Lippe härter als gewohnt. 

Wolfgang Herrndorf – Sand

Man könnte meinen, hier habe jemand möglichst viele Klischees zusammen gestellt und sie durcheinander gewürfelt. Aus den vielfältigen und genau beobachteten Eindrücken ist dann die Aufgabe erwachsen, einen roten Faden zu finden, der das ganze zu einem Roman macht. Dieser rote Faden ist der Irrwitz des Lebens, der konsequent durchhält. Der Irrwitz, den wir alle kennen, den die meisten jedoch verdrängen, denn das menschliche Gehirn neigt dazu, Zusammenhänge zu erkennen, wo es keine gibt. Falscher Ort, falsche Zeit, diese Umstände kosten den meisten Menschen das Leben. Und so geht es schlussendlich auch dem Protagonisten, der den Namen Carl trägt, weil er seinen eigenen Namen nicht mehr kennt. Man hat ihm den Schädel eingeschlagen und er darf trotzdem weiter leben, ohne zu wissen warum und mit der Verzweiflung sich selbst finden zu müssen. Denn sie sind hinter ihm her, er hat etwas, was sie brauchen. Ist es eine Mine? Eigentlich auch egal. Da taucht Helen auf, die Frau, die sein Schicksal...