Direkt zum Hauptbereich

Gold - XXII

Er erzählte zwei englischen Volontärinnen von seiner verflossenen Beziehung und sie kannten seine Ex-Freundin.. Er aber wurde schließlich krank, Durchfall, einer schlimmer als der andere. Die Tabletten aus dem Krankenbereich halfen nicht. Nachts schaffte er es kaum zur Toilette, erledigte seine Geschäfte neben der Holzhütte. Zum Glück standen die Häuser auf Stelzen. Das Land der jüdischen Siedler war oftmals vormals Sumpfgebiet. Die Siedler hatten es trocken gelegt und urbar gemacht. Das Kibbuzz Tel Yosef existierte bereits seit den Zwanziger Jahren, also lange vor der Gründung des Staates Israel.
Er hatte israelischen Rotwein getrunken, das nahm er als Auslöser. Vorausgegangen war eine versuchte Umsiedlung in ein anderes Kibbuzz namens Nir David. Die Anlage war vergleichsweise schön, die Ausrichtung des Kibbuzz sozialistisch geprägt. Die Volontäre schliefen in Steinbaracken, aber die zugewiesene Schlafstätte musste er in Anwesenheit eines französischen Volontärs in Augenschein nehmen, der offensichtlich gleichgeschlechtliche Interessen hatte. Es machte die Sache nicht besser, die Atmosphäre erschien ihm als streng und wesentlich weniger locker, als er das von Tel Yosef gewohnt war.
So empfand er plötzlich Heimweh nach diesem so gar nicht perfekten Kibbuzz. Er sprach erneut bei der Verwaltung des Kibbuzz vor und erklärte, dass er seine Freunde in Tel Yosef vermisse. Etwas mitleidig ließ man ihn ziehen.
In Tel Yosef hatte er in der der Küche gearbeitet, dort die großen Kübel gespült. Er trug bei der Arbeit Knobelbecher und konnte den Blick nicht vergessen, den ihm eine ältere Frau zu warf, als er hinter ihrem Rücken den Raum betrat. Das Geräusch der Stiefel hatte sie erschreckt. Aber er war kein SS- oder SA-Mann, nur ein junger und dazu langhaariger deutscher Volontär mit einer Nickelbrille im Gesicht. Einer, dem man ein "proper englisch" attestierte oder den man mit den Worten "Jetzt kommt das Leben." ein bisschen aufzog. Und Einer, der sich nach dem Genuss von frischen Milchprodukten und besagtem Wein nicht mehr ein kriegte.
Er machte sich Gedanken um seine vorzeitige Abreise. Hier war nichts mehr, was ihn hielt, der Mythos seiner  Ex schien mit der Krankheit zu zerplatzen. Dieses Mal dachte er wirklich an zu hause, an Deutschland.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

MyLife 2006 - 2011

Auf dem Weg  Als frisch gebackene Wohnungseigentümer fühlten wir uns wie befreit. Über der ganzen Wohnanlage lag eine gewisse Euphorie. Gespräche zwischen den neuen Nachbarn fanden fast überall statt. Der Weg zum Müll und zurück kostete oft sehr viel Zeit in der Kennenlernphase. Schon bei der ersten Eigentümerversammlung stellte sich ein Eigentümer für die Hausmeisterdienste zur Verfügung und Ruth ließ sich in den Wohnungseigentümerbeirat wählen. Nachdem wir zu Anfang mit den Nachbarn unter uns ein freundliches Verhältnis hatten, immerhin wurde uns sogar Hilfe bei elektrischen Installationen seitens des Mannes angeboten, kam es bald zu Dissonanzen. Die Frau des Hauses war auch im Beirat, der aus drei Personen bestand, und nutzte ihre Position, um ihrer Reklamation vermeintlicher Geräusche in den Heizkörpern mehr Gewicht zu verleihen. Mehrfach wurde nach den Ursachen geforscht, letztlich ein Gutachter bestellt. Warum die Reklamation so hartnäckig betrieben wurde, das lässt Spekulationen

2000 - X

Eine Brise Der Wunsch nach Veränderung überzog ihn wie eine leichte Brise die Oberfläche eines tiefen Sees. Zu bestimmten Zeiten kritzelte er Telefonnummern auf Papier, begann, Informationen zu sammeln, neue Ordner anzulegen, Seiten zu beschriften und zu verwerfen. Anrufe erledigen, Aufträge ausführen und dann. Fühlte er diese Unruhe, auf der er sich zurücklehnen konnte. Keine schlechte Stimmung, kein passives Unwohlsein. Der See ist tief und die Oberflächenbewegungen richten nicht viel an. So etwas wie Brandung entsteht, aber entwickelt sich nicht. Schön anzusehen, wie das Wasser sich kräuselt und dennoch den Blick in die Tiefe nicht versperrt. Da leben Fische, die den Weg nie nach oben finden. Irgendwann hört die Bewegung auf, die Aufzeichnungen werden nicht genutzt, die Telefonnummern vernichtet. Es war kein schlechter Wind, doch eher ein Lüftchen.

Platz

Ein großer Flachbau im Industriegebiet, das nennt sich hier "Lieblingsplatz" für Hunde. Nix mit familiären Anschluss oder persönlicher Betreuung wie noch zu Schönecker Zeiten. Auch für Hunde ist das Leben in Lippe härter als gewohnt.