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2009 - II

Stralsund:
"Wir sind hier nicht in Afrika."

Da fahre ich nun wieder durch die Gegend, die mir so ans Herz gewachsen ist. Schon in Berlin fühlte ich mich so, als müsse ich sofort aus dem Zug aussteigen. Draußen fliegt nun die sehr vorfrühlingshafte Seenlandschaft nördlich von Berlin vorbei, bald ist Vorpommern erreicht. Fast wie Steppe muten die Wiesen und Felder an, der Boden ist immer wieder sehr feucht, größere Pfützen und Tümpel haben sich hier und da gebildet, ja kleinere Gewässer sind entstanden und auch der Waldboden saugt nicht all das Wasser auf. Störche und Reiher sind auf den Wiesen zu sehen. Einzelne Rehe stehen sehr dicht am Bahndamm, eine Rotte Wildschweine lagert in der Ferne. Pasewalk, Anklam, Greifswald und dann endlich Stralsund sind die weiteren Stationen des Zuges. Verfallene Schuppen und neue Bahnsteige wechseln sich ab. Es ist wie ein Nachhausekommen und doch sehr fremd.
In Stralsund laufen wir mit dem Koffer vom Bahnhof zur gebuchten Unterkunft. Die Strecke ist nicht unangenehm zu gehen, vor allem wenn man in die Altstadt einbiegt. Zwar sind die Straßen mit Kopfsteinen gepflastert und die Bürgersteige mit Platten belegt, sodass mein Koffer über jeden Absatz hörbar knallt, aber es ist ja nicht so weit.
Die Begrüßung im Hotel ist sehr freundlich und nicht aufgesetzt. Das gebuchte Zimmer steht nicht zur Verfügung, dafür darf ich in einer Suite für den gleichen Preis wohnen. Sie liegt abgeschlossen im Hinterhof und ist natürlich wesentlich geräumiger als ein Doppelzimmer.
Schräg über uns ist der Turm der Marienkirche zu sehen, neben dem Haus fallen zwei verfallene Wohnhäuser ins Auge. Im obersten Stockwerk sehe ich noch Gardinen am Fenster, doch da wohnt längst keiner mehr. Vor den Fenstern sind Wäschestangen montiert, doch funktionsfähig sieht das alles nicht mehr aus.
Wir werden die Altstadt erkunden und fragen nach einem Esslokal. Es gibt viel Gastronomie, die sich mit dem Attribut "Flair" schmücken könnte. Backsteingotik ist das Stichwort. Es ist zu sehen, dass es der Stadt einmal sehr gut ging. Der Handel bestimmte die Geschicke.
Wir entscheiden uns aber dann doch eher für eine uns ebenfalls empfohlene Brasserie moderneren Stils.
Es ist Samstagabend und da gehen die Stralsunder selbst gern aus. Entsprechend voll und laut ist das Lokal. Aber, so schnell es sich füllte, so schnell leert es sich auch wieder. Geht man etwas später oder an den anderen Tagen weg, so ist alles ziemlich leer. Der Gang durch die Altstadt zur St. Nikolaikirche und dem Rathaus und weiter zum Hafen fasziniert, wären da nicht die Autos, so fühlte man sich in alte Zeiten versetzt. Leider fahren die Schiffe nach Hiddensee erst ab April, die Ausflugsmöglichkeiten sind somit bis dahin ein bisschen eingegrenzt. Stralsund bietet neben dem sehenswerten Ozeaneum noch das Meeresmuseum.
Letzteres strahlt noch den DDR-Charme aus, den man auf Rügen besonders in Prora billiger genießen kann. Immerhin gibt es ein sehr schönes Self-Service-Restaurant mit Blick auf die Altstadt und das große Aquarium mit den Seeschildkröten. Zum Spaziergehen lädt die Promenade am Sund ein, die bis zum Krankenhaus führt (weiter geht es dann durch Kleingärten und über das Gelände des Berufsbildungzentrums).
Dann verläuft der Weg endgültig an der Straße und von der Küste weg. Eine weitere Route könnte am Hafen entlang zur Insel Dänholm führen, Industrieanlagen und Hafenverkehr sind aber nicht jedermanns Geschmack. Die Insel ist über die Ziegelgrabenbrücke zu erreichen, die vor kurzem noch Teil der einzigen Landverbindung nach Rügen war.
Zurück gekehrt, lässt es sich am Hafen gut essen und am Sonntag die Angler beobachten. Es sind viele Ausländer darunter und zu unserem Erstaunen werden die Fische nicht gleich nach dem Angeln getötet, sondern lebendig in einen gelben Sack geschmissen, wo sie noch eine Weile vor sich hin zappeln dürfen. Das diese Tierquälerei nicht unterbunden wird, verwundert doch sehr. Wir sollen ans Wasser gehen und nicht in die Kirchen, hat uns ein junger Mann geraten. Das haben wir auch befolgt. Er stellte fragend fest, dass Stralsund doch eine schöne Stadt sei und das kann ich ohne weiteres bejahen. Auch wenn es beim Italiener keinen Mozzarella gibt und das Eierkochen nicht immer so gut geklappt hat in unserem Hotel.

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