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1999 - XI

Athena Bringen Sie die Karte morgen mit, sagt der Kellner. Grosse Erleichterung macht sich in mir breit. Glück gehabt, ich bekomme mein Abendessen in der byzantinischen Taverne, ohne meine Zimmerkarte vorzulegen. Was mit grossen Erwartungen beginnt, endet im Kleinkram. Im Zweifelsfall mit einer dreistündigen Verspätung unseres Abflugs nach Frankfurt. Aber soweit bin ich noch nicht. Noch geniesse ich mein Dasein als Herr der 1000 Fliegen und Herrscher über die Gier aller Katzen. Herrscher ? Mit der Tatze macht mir eine klar, dass der Fisch auch Katzen schmeckt. Bitte sehr, abgeben ist hier Pflicht. Der griechische Traum zerspringt manchmal wie das Geschirr auf dem Boden neben mir. Die Scherben fügen sich zu einem Bild nicht zusammen. Musik und Gesang stimmen immerhin. Authentisch vom Busfahrer vorgefahren, begleitet uns die Musik zum Airport. Im Gegensatz zu uns, weiss der Fahrer von der Verspätung. Sie brauchen sich nicht zu beeilen, hören wir erst später. Er teilt unsere Zeit ein biss...

1999 - XI

Deadly Unliving Show Fakten, Fakten, Fakten, brüllte der Dicke, hieb mit der Faust auf den Tisch und stierte ausdrucksvoll. Er war im falschen Film, nicht seine Redaktionssitzung lief hier ab, Tatsache ist, dass Sie mit Ihren Gästen keine Zuschauer ansprechen. Die Quoten sinken und das heißt: ganz schnell muß ein neues Konzept her. Vielleicht ohne Sie ? Sie haben noch eine Chance ! Welche ? Der Moderator grübelte, als wachte er aus einem bösen Traum auf. Da war etwas, er mußte es einladen. Etwas, das es garnicht gibt, die Attraktion. Keine anderer Sender hätte da eine Chance. Einladendes Es fesselt uns, so sah er die Schlagzeilen, eine nach der anderen an sich vorbei laufen. Moderator bietet dem Tod brillant die Stirn. Unmenschlich gut, schreiben Sie das. Raus aus diesem Gefasel, ja dann will ich mal, an die Arbeit, Sie verstehen ? Allgemeines Grinsen folgte im versteckt auf den Flur des endlosen Korridors, trieb ihn in das kleine Aufnahmestudio. Große Bühne, Vorhang auf ! Gelungen, ei...

1999 - X

Aslema Die Sandscheibe drehte sich in einem Spiegel des Meeres. Sie tauchte auf und verwandelte sich in eine glasierte Tortenoberfläche. Marzipancreme, bedeckt mit blauen und gelben Rändern, auf der grüne Zuckerpalmen ihr kurzes Dasein fristen. Der Mann im schwarzen Anzug sagt, daß er den Tisch bis 19 Uhr reserviert, oder auch nicht, und feiert weiter seine mediterran-arabische Männlichkeit, mehr Ober als -kellner eben. Die Anzüge versammeln sich jeden Abend bei der Wacht am Buffet und über den Saal. Die Herrschaft bleibt, auch wenn es am Strand tönt: Chef ! Der verschwindet im grünen Tang des Meeres, sanft vereinnahmend und pikend. Natur ist das und kein kunstblau mit weißen Kunststoffschirmkontrasten. Die Verpflegung ist gut. Cola mit Sand, wieviel Dinar ? Was gibt es zu kauen, außer einzelnen Halmen, die Gras nachahmen. Schaukelnd im Meer, ein Schleier vor der Sonnenscheibe. Die Erde ist was ? Steinig: wieder eine Drehung, 1000 Jahre Oliven ohne Schütteln geerntet. Ein weißer Streif...

1999 - IX

Es waren einmal 1000 Jahre Nun Adé, Du altes Jahrtausend, Zahlen verändern sich plötzlich sausend, Januar, Februar habe ich genossen, der März ist schon fast ganz verflossen, April, Mai, Juni, Juli und August: Monate voll Frühlings- und Sommerlust. Im September dreht meine Lebensuhr sich um die Schnapszahl der Jahre nur. Oktober, November und Dezember, zeitlose Weihnachten, Geplember. Im nächsten Jahrtausend wird alles enden, Leben und Schicksal zum Abschied sich wenden. Vorbei, die Zeit bei der Mutter im Arme, die Schule, Beruf, die Frau, die warme. 2000, die Zahl will mich fixieren, soll ich jetzt noch einmal alles riskieren ? Altes Jahrtausend, Du kannst ruhig gehen: in mir wirst Du ewig weiter bestehen.

1999 - VIII

Wonnemonat Wenn die Hochzeitsglocken läuten, über vielen glücklichen Bräuten sich Feld und Kleider wiegen im Pollenwind und fliegen, das Weiß die Weisheit besiegt, so plötzlich viel an Ringen liegt, die über Finger gezogen, so manches Glück verbogen, doch auf dem Foto bedeuten Ansehen und Liebe bei Leuten; dann nimm es zur Kenntnis mit Freude: die Zeit ist hier und heute zum Höhepunkt gelangt, dem Maibock sei gedankt

1999 - VII

Abra.. ? Abraxas schüttelt sein Gefieder dunkle Schauer schwingend hernieder, dabei ist doch dieses Federvieh ein fetter Vogel und kein Genie. Was will er voller Ahnung wissen, ich lehne mich zurück ins Kissen, schlummere halb und denke kaum, spüre etwas, so zart wie Flaum. Ein Luftzug streichelt mein Gesicht, öffne die Augen, sehe noch nicht. Was war das für eine Bewegung, so unsichtbar und doch voll Regung. Ähnliches habe ich nie gespürt, als ob ein Engel Dich ganz verführt. Dank der Inspiration, sehe ich Abraxas schon, wie er zum weißen Adler wird, nicht müde und mir längst entschwirrt.

1999 - VI

Soldat Stets mahnte der Soldat des Lebens, den Träumer im Gewandt des Strebens, der seiner Uhr lauscht und die Minuten zählt, sich Termine anschaut, ohne das ihn das quält. Er weiß, die Zeit geht einmal um, hält sie mit Lust: warum, darum ! Er breitet seine Arme aus, spricht, brüskiert, verläßt das Haus. Die Freiheit, wo ist sie gelegen ? Er atmet und braucht keinen Segen. Soldat des Lebens, setzt an sein Gewehr, da denkt der Träumer den Schuß nicht mehr. Der Soldat des Lebens stets Wache steht, der Träumer schlafwandelnd die Runden dreht.