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Es werden Posts vom September, 2011 angezeigt.

Applelei

Ich gebe es zu, ich lese und bin auch noch Abonnent einer Tageszeitung. Wenn ich ehrlich bin, komme ich am Wochenende kaum zum lesen. Die Ausgabe landet meist im Papierkorb. Dann sind unsere Austräger auf dem flachen Land auch nicht immer willig, einige Male kommt die Zeitung im Monat nicht. Meistens dann, wenn besondere Ereignisse am Vortag waren oder Beilagen die Zeitung aufwerten, dann eben ist sie nicht da. Grund genug über ein Ipad-Abo nachzudenken, dachte ich jedenfalls. (Überhaupt, mir tun die gefällten Bäume leid, ich lese längst nicht alles, was in der Zeitung steht.) Zur elektronischen Zeitung gibt es das Gerät dazu und für läppische 24 Monate Bindung ist es meins. Das Ganze kostet nicht mehr als meine bisherige Zeitung im print. Tolles Geschäft, denke ich. Dabei habe ich mir allerdings nicht überlegt, was ich mit dem iPad (dem iPad2) überhaupt will. Nun egal, es kommt vom Paketversand und ich bin erst mal enttäuscht. Es ist so klein und hat kaum Knöpfe, geschweige denn Taste...

2002 - III (Le Fin)

Früher war der Bahnhof eine Heimat. Hier trafen sich alle, um irgendwo hinzufahren oder anzukommen. Eine große Gemeinschaft der Reisenden, die sich ständig veränderte, wie das Leben. All das konnte ich genießen, mir einbilden, stets mit jedem oder jeder ein Gespräch haben zu können, wenn ich nur wollte. Die Landschaft zog vorbei, die Orte sind wie eine Kette vertrauter Namen, die nur eins im Sinn haben: mich nach hause zu bringen und zu begleiten. Heute fährst Du selber, eingesperrt in den eigenen Blechkasten und keiner hindert Deine Mitmenschen daran, kein Blick ins Gesicht oder sonst etwas, Dich zu schneiden oder zu drängeln. Die Geschwindigkeit, mit der alle hintereinander her fahren, scheinbar geschützt durch Kopf- und Seitenairbags, Aufprallschutz, ABS und Antriebsschlupfregelung, ist nicht natürlich. Etwas für Spieler, die die Regeln des Spiels immer neu setzen, sich manchmal dabei überschätzen. Wer lenkt Dich? Da fehlt ein Gespräch, ein Augenblick. Du redest mit der Strasse, mit...

2002 - II

Wer bin ich nun? Eine Hure meiner Zeit? Bin ich schon bereit? Habe ich genug verdient? Zeit meines Lebens nur gegrient? Ein Pendel zum Schlag einer Uhr, ein Rädchen sich drehender Natur? Der Inhalt in einem Buch, auf wen lastet welcher Fluch? Am Ende ist es egal, ob die Zeit verfliegt oder als Qual mir vorkommt oder gelingt. Es zu vergessen, Hoffnung bringt.

2001 - I

Hoffnung des Lebens, wo bist Du geblieben? Güte, meine, wer hat Dich zerrieben? Welche finstere Türe zugeschlagen, Licht verdunkelnd, zum Verzagen. Meine Kraft reißt Dir die Maske vom Gesicht, widerwillig wendest Du Dich ab vor meinem Licht. Liebe meines Lebens, wo bist Du gewesen? Nicht lange her, im Buch habe ich darüber gelesen. Das wäre was für Dich gewesen, aue, die Sächsin lacht in die Nacht, die laue. Sei ein letztes Mal in meiner Mitte, ich weiß, Du kannst das, bitte!

2000 - II

Es tut mir leid, ich habe das nicht gewollt, sagte Gott und zog sich in den Schmollwinkel seines Daseins zurück. Gerade war die Schöpfung zu Ende gegangen. Es kann passieren, war seine Meinung. Es war einmal, er kannte es nicht. Wer oder was war dieses kleine, große „Es“, das ihn überall umgab? Es war nicht aktiv und doch da. Er weiß es, es ist vorgekommen, erschließt sich seiner Betrachtung, schmeckt gut. Es könnte sein, Du fasst es nicht: es macht sich.

1999 - VII

Herzlichen Glückwunsch, der Mensch ist nicht mehr da, dessen Stimme nicht immer zum richtigen Zeitpunkt zu hören war. Wie willst Du ihm noch gratulieren? Eine Gedenkanzeige schalten, einen Blumenstrauß aufs Grab legen, am Ende selbst zum Grab gehen? Wo sollen wir denn sein? fragte mich dieser Mensch einmal, als ich ihn zuletzt zuhause besuchte und vorher fragte, ob er auch da sei. Meine Frage erschien damals so banal unsinnig und ist es bis heute geblieben, obwohl doch die Antwort so anders ausfallen müsste. Es gibt niemanden mehr, der sich anstelle dieses Menschen über Blumen freut. Ein Stückchen Erde vielleicht irgendwann mit einem Stein drauf. Das Gefühl der Verlorenheit stellt sich da schnell ein. Irgendwo gibt es doch eine Verletzlichkeit, die den Automatismus unserer Zeit bremst. Der Tod kann übersehen werden, aber nicht ignoriert. Er mahnt uns zu leben, solange wir leben. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

1999 - VI

Zwischen Alpenrand und Waterkant erstreckt sich so ein schönes Land, für seine Regeln wohl bekannt, mit Bürgern, die sozialverträglich leben, für die Sache an sich den Finger heben, die Arbeit schaffen sich als Monument von Wohlstand und Reichtum   für sich getrennt. Solidarität steht auf dem Papier, sozial produktiv, auch mal beim Bier. Die ganze Welt soll von uns lernen, doch erst was kaufen, sich dann entfernen.

8. Mai 1945

Das Kriegsende nach 50 Jahren als Tag der „Befreiung“ in Deutschland feiern zu wollen, das ist eine Verarschung des Auslands. Schließlich ist das „Großdeutsche Reich“ mindestens mit einem Drittel Überzeugungstätern, einem weiteren Drittel Mitläufern und höchstens mit einem Drittel an kritisch eingestellten Menschen angetreten, um die Welt zu erobern. Nur die völlige militärische Niederlage bescherte einigen ein Quentchen Einsicht. Aber letztendlich ist Deutschland eben nur militärisch besiegt worden. Rechthaberei, Selbstüberschätzung, Moralismus und Intoleranz haben überlebt. Schauen wir z.B. den Straßenverkehr an und wir wissen: es ist Krieg. Den Tag der „Befreiung“ muss sich jeder selbst erarbeiten. Wir sollten froh sein, dass die politische Lage in Europa nicht mehr so labil ist wie zu Weimarer Zeiten. – Die Frankfurter Neue Presse druckte den Leserbrief mit dem Hinweis, zum Thema gäbe es schon so viele Leserbriefe, nicht ab. –