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Donnerstag, 27. April 2023

April-Wein

 In unruhigen Zeiten wie diesen macht sich Unsicherheit breit über auch über einzelne Lebenswege. Meine Unsicherheit war in einem April sehr groß und das ist schon Jahrzehnte her.

Ein Schock breitet sich in mir aus,

was getan im fremden Haus?

An der Station stehe ich allein,

fahre zurück, fühle mich klein.

Im Büro geht das Leben weiter,

als wäre nichts geschehn, heiter.

Was war, was wird, wer kann es wissen?

Meine Unschuld werde ich sicher vermissen.


Dienstag, 1. Juni 2021

MyLife 1999 - 2005

Neue Zeit & neues Leben

Seit dem 4.1.1999 war der Euro Buchungswährung, auch wenn die DM weiter Zahlungsmittel blieb. 

Im Urlaub auf Djerba schrieb ich: 
"Das ist der erste Urlaub, von dem niemand aus meiner Familie weiß. Wer ist da noch übrig? Mein Vater hat, nachdem er mir versicherte, dass er mich nicht anrufen wird, auch das Abheben des Telefonhörers verweigert. Zu Pfingsten musste ich das Grab meiner Mutter suchen. Es ist die Nummer 532 auf dem Kasseler Westfriedhof. Konsequent werde ich nun die elterliche Wohnung meiden. Der einzige Ort des Gedenkens wird die kleine Grabstelle sein, für deren Zustandekommen ich mich eingesetzt habe. Mein Vater wird so schnell wie möglich das ihm geliehene Geld zurück zahlen, um seinem verhassten Sohn nichts schuldig zu sein."

Im Frühjahr bekamen wir während eines gemeinsamen Restaurantbesuchs in Lemgo die Mitteilung, dass mein Schwager und seine Freundin ein Kind erwarteten. Das kam ziemlich unerwartet für uns, auch wenn es offensichtlich war, dass mein Schwager den Tod seines Vaters nur schwer verkraftete. Der Gedanke, das uns Kinderlose im Alter mal niemand mehr besuchen würde, so wie wir es mit unseren Eltern getan haben, schien ihn schwer zu belasten. Obwohl es mir kaum zu Bewusstsein kam, erschütterte mich die Tatsache unbewusst sehr. 

Einstweilen beschäftigte ich mich noch immer damit, meine nicht ausgelebten erotischen Fantasien aufzuschreiben. Einzelne Beiträge erschienen in einem Portal für softe SM-Praktiken. Die Wortschöpfung aus Romantik und Dominanz, "Domantik", gefiel mir dabei besonders. Meine Beiträge fanden Anerkennung. Ich selbst verwendete verschiedene Alias-Namen im Internet. Denn das Bekennen mit dem eigenen Namen ist gesellschaftlich nicht ratsam. Letztlich scheiterte auch das Projekt daran, dass jemand enttarnt wurde und sich keine Nachfolger-/innen für die Weiterführung des Portals fanden. 

Mir blieb die Idee, für meine Frau einen erotischen Kalender zu gestalten, in dem ich mich nackt oder mit sehr wenig Kleidung ablichten ließ. Die Fotografin fand das so lustig, wie sie es missbilligte. Für mich war es aber der Ausdruck meiner Identität. Da ich mit Nacktheit kein Problem hatte und der Meinung war, durch die Kleidung verstecke der Mensch seine wahre Persönlichkeit, empfand ich die Aktion für mich als einen kleinen Meilenstein. Die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen sich über ihren Körper identifizierten, die gab es nicht für Männer, die sich körperlich zeigten. Schön wollte auch ich für mich selbst sein, ohne dass ich auf meine Männlichkeit zu verzichten. Dabei mochte ich andere Männer nicht, ihr Denken war mir stets zu eindimensional. Mit Frauen konnte ich mich besser verständigen, ohne dass ich damit eindeutige Absichten verfolgte. Irgendwie war ich ein sexuelles Neutrum, das sich nun selbst spiegelte.

Beruflich bahnte sich neues Ungemach an. Unser Wertpapierinformationssystem war, sobald online, der Kritik ausgesetzt. Nachbesserungen vielfach gewünscht, neue Module mussten konzipiert werden. Obwohl ich Ansprechpartner für die beauftragte Firma war, wirkten weitere Akteure mit. Die mittlerweile in der IT tätigen Kollegen nahmen ebenso wie mein unmittelbarer Kollege eine überwachende Funktion ein. Meine Nachrichten wurden gelesen, kommentiert und kritisiert. Dabei hatte sich der Verlagsleiter in den Kopf gesetzt, mich allein mit der Projektarbeit zu betrauen. 

Eines Tages fuhr ich hinter dem Wagen meines Schwagers her. In der Dunkelheit ging es von Lemgo-Brake aus nach Detmold ins Krankenhaus, wo wir erstmals seinen neu geborenen Sohn zu Gesicht bekamen. Wie üblich drückte er ganz schön aufs Gas, sodass ich, der die Strecke nicht so genau kannte, Mühe hatte, ihm zu folgen. Die Spannung stieg. Hinter Glas lag da ein kleines Kind, verkabelt und mit Schläuchen in der Nase, sah es aus wie eine Puppe. Mein erster Säugling, den ich zu Gesicht bekam, war ein Frühchen und daher untergewichtig. Mein Schwiegermutter war auch mit gekommen und sie meinte, etwas in meinem Gesicht zu sehen.     

Das Y2K-Problem reihte sich in die Fülle der Erwartungen an die besondere Silvesternacht des Jahres 1999/2000 ein. Jeder wollte an einem besonderen Ort sein, um das neue Jahrtausend zu begrüßen. Am Mainufer leuchtete in groß die Zahl 2000, wie um den Jahrtausendwechsel fassbar zu machen.. 
"Soeben ist pünktlich um null Uhr meine zeituhrgesteuerte Lichterkette ausgegangen, sowie ich sie programmierte. Hurra, wir leben noch und die Schamanen packen ein."
"Die Endzeit, sie bricht zusammen und alles wird so profan. Jetzt können wir wieder feiern."
Zwar hatte Y2K viel gekostet, aber es war eben ein Computerproblem, die erwarteten Katastrophen blieben dank umfangreicher Vorbereitungen aus. 

Niklas hieß der Junge, der nun getauft werden sollte und der Taufpate sollte ich sein, anstatt seiner Tante, meiner Frau. Das ehrte mich natürlich, leider war ich jedoch kein Kirchenmitglied mehr. Ich musste also wieder eintreten. Eine peinliche Zeremonie im neuen Gemeindehaus in Frankfurt-Kalbach folgte daraus. Ein Gottesdienst, an dem ich teilnahm und mich erklärte. Im Endeffekt ein formaler Akt, denn das mich nicht die Frömmigkeit bewogen hatte, wieder Kirchensteuer zu zahlen, das war offensichtlich. Ich überwand mich und mir wurde noch klarer, wie wichtig ein Kind für mich wäre. 

Ein neuer Mitarbeiter vervollständigte unsere Abteilung. Er sollte mit mir gemeinsam die der Abteilung übertragene Investmentfondsverwaltung bearbeiten und mich dabei entlasten. Bei dessen Einstellung durfte ich mein Urteil abgeben, obwohl es letztlich nicht die Rolle spielte. Denn er kam auf Empfehlung eines weiteren Kollegen unserer Abteilung. Mein Chef hatte allerdings Bedenken gegen den Bewerber, weil er angeblich älter als ich sei. In Wahrheit war es deutlich umgekehrt, denn ich war gut 5 Jahre älter. Mein für mein Alter zu junges Aussehen führte hier wie oft in meinem Leben zu einer deutlichen Fehleinschätzung meiner Person. Ich konnte das zum Glück  in diesem Fall aufklären und fortan waren wir zu viert in der Abteilung.    

Die Vergangenheit meldete sich in Gestalt eines Klassentreffens unserer Klasse vom Wirtschaftsgymnasium. Einer meiner Mitschüler fragte sogar schriftlich bei mir nach, ob mir der Termin passen würde. Das war der Fall. So fuhr ich mit Ruth zusammen nach Kassel, wo wir eine Übernachtung in einem Hotel in der Nähe der Dönche (Wilhelmshöher Tor) gebucht hatten. Ich ging dann abends zum ausgesuchten Lokal in Wahlershausen (einem Brauhaus). Und da saßen sie dann fast alle am langen Tisch. Mein Kumpel Bernd O., nicht jedoch Gerhard T., aber meine "Liebe" Conny R. waren anwesend. Was mir schnell klar wurde, das war dass die alten Rollenverteilungen von früher noch immer galten. Wer früher das große Wort in der Klasse geführt hatte, der tat es immer noch. Nur passte ich nicht mehr in meine frühere Rolle. Ich hielt mich allerdings wieder mal zurück, so wie früher. Ich wurde allerdings selten ins Gespräch mit einbezogen. Großes Hallo gab es lediglich, als mich Kollege Edgar P. fragte, was ich denn arbeite und ich wahrheitsgemäß die Börsen-Zeitung als meinen Arbeitgeber preis gab. Er tat denn aus Unkenntnis so, als würde ich die Börse im Alleingang managen. Anerkennung erhielt ich dann auch noch von Conny, die mir auf die Schulter klopfte und mich ganz einfach fragte, ob ich Kinder hätte. Worauf ich sagte: "Nicht das ich wüsste." Das kam gut. Aber insgesamt entwickelte sich der Abend gar nicht. Die Zeit verrann und ich hatte das ungute Gefühl, dass es wieder so läuft wir früher. Man braucht Unmengen von Alkohol und einen späten Abend, damit es irgendwie locker wird. Beides kam mir ungelegen. Michael Herwig, den ich als eines der beiden Mathegenies der Klasse in Erinnerung hatte und der nun wohl als Steuerberater seine Berufung gefunden hatte, himmelte Conny ununterbrochen an. Bernd O. saß zu weit weg, als das wir eine sinnvolle Unterhaltung hätten führen können und Ruth verbrachte die Zeit allein im Hotel. Selbst wenn es jetzt noch zu mehr Kontakt kommen sollte, was nicht sicher war, ich beschloss diesen Einblick in meine schulische Vergangenheit zu beenden. So stand ich auf, grüßte in die Runde und ging. Bernd O. meinte, das sei aber schade und Gabi Gundlach, die das Ganze wohl eigentlich organisiert hatte, schaute zu mir herüber, ich winkte ihr zu. Ich war teils froh, teils doch etwas bedrückt, als ich draußen war. Hatte es sich gelohnt und was hatte ich eigentlich erwartet? Meine Frau holte mich ab und nun hatte alles wieder seine gewohnte Ordnung.          

Auch im neuen Jahrtausend bleiben wir unserem Wunsch, Urlaub zu machen treu. Im September war die Insel Fuerteventura unser Ziel. Schon die Busfahrt vom Flughafen zum Hotel war ein echtes Erlebnis, da der Fahrer es offensichtlich eilig hatte, uns abzuliefern. Immer dabei: eine Kladde, die ich auch im Urlaub mit Gedanken füllte. Ich selbst schrieb sozusagen "im Dunkeln", wie ich es einmal formulierte. Dabei ging es um eine Geschichte der Sehnsucht nach dem Leben und dem Wissen um die eigene Endlichkeit. Sie spielte in Russland und war lange schon in meinem Kopf. Der Mensch, über den ich schrieb, war ein ehemaliger staatlicher Forstaufseher, der nach dem Verfall der Sowjetunion nun auf sich selbst gestellt vom Tauschhandel lebte. Allein, aber nicht einsam, mit einer Liebe zu dem, was in Russland Kosmos heißt. 
Das All, immer im Fokus meines Interesses, im Grunde beschrieb ich mich in dem Plot selbst. Aber es gab da noch andere Träume.

Luftballon kaputt, alle kaputt?    

"Willst du es sehen, nach der Geburt?
Vielleicht, denke noch darüber nach.
Wie wird es sein, ohne mich?
Warum soll es werden, nur um der Idee wegen,
ein Werk, so kalkuliert wie ein neues Auto. "

Die Überschrift war eine Frage eines behinderten Menschen, die ich ihm als Überschrift klaute. nachdem ich meinen Bruder, der mittlerweile in einem Wohnheim in Homberg/Ohm untergebracht war, besuchte. Frank wurde täglich in eine Werkstatt gebracht, in der er einfache Arbeiten verrichten konnte.
Es schien ihm ganz gut zu gehen und wir waren mit ihm in eine Eisdiele im Ort.

Ich begann darüber nachzugrübeln, wie ich in meinem fortgeschrittenen Alter meinen Kinderwunsch zu realisieren. Gene weiterzugeben, war es das, was ich wollte? Mein Genmaterial zu spenden, das erschien mir mehr und mehr als der Königsweg. Er würde es mir ermöglichen, meine Ehe aufrecht zu erhalten.

Doch der Alltag verlangte nach mir. Weihnachten und Silvester, das wollten wir in der Ramsau in Österreich verbringen. Schon die Anfahrt stand für mich unterkeinem guten Stern. Kurz bevor wir endgültig die Autobahnabfahrt für Schladming erreichten, verlor ich die Nerven. Autobahn und das bedrückende Bergpanorama, das war zu viel für mich. Nervlich befand ich mich ohnehin in keiner guten Verfassung. Meine Frau musste die restliche Anfahrt auch über die Serpentinen der Straße Richtung Ramsau übernehmen. Meine Schwägerin reiste ebenfalls, aber mit eigenem Auto, an. Sie wohnte auch wo anders als wir. Im Feistererhof gab es eine schöne Weihnachtsfeier am Heiligabend. 
"Ich vergesse viel und habe meine Gedanken ständig woanders. Die Option auf ein eigenes Kind und die Selbstverwirklichungsversuche bezüglich meiner Aktbilder machen Spaß, kosten aber auch Kraft."
Am 2. Weihnachtsfeiertag wollten wir uns mit meiner Schwägerin zum Langlauf treffen. Doch:
"Ruth liegt im Krankenhaus in Schladming. Sie hat sich beim Sturz auf dem Weg zur Loipe verletzt. Ein Wirbel ist gebrochen, ebenso das Steißbein. Nun denke ich den Tag zu Ende, den ich mit ihr zusammen angefangen hatte." 
Für den 30.12. hatte ich über das örtliche Rote Kreuz eine Rückfahrt nach Deutschland organisiert. Ich würde das Auto allein nach Hause fahren. Meine Schwägerin war nicht dazu bereit, die Fahrt mit mir zusammen anzutreten. Die jungen Leute, die unseren Transport begleiteten, hätten auch unser Auto gefahren, aber da hatte ich doch noch meinen Stolz. Der Abschied vom Hotel wird für immer in meinem Gedächtnis bleiben, vor allem wegen der treuen Hündin: 


Ich nahm die erste Hürde und kam direkt am Schladminger Krankenhaus an, welches am Fuß der Serpentinenstraße quasi am Ortseingang liegt. Dort erwartete mich bereits der Krankentransporter, dem ich Mühe hatte, bis zur Autobahn zu folgen. Erst später konnte ich mich etwas absetzen. Meine Ängste versetzten mich in eine Art hypnotische Starre. Das half und verging mit Dauer der Fahrt. Unterwegs gab ich dem netten Team was aus. Am späten Nachmittag trafen wir in Frankfurt am Markuskrankenhaus ein. Bei der Übergabe mutmaßten die Österreicher schon, dass hier wieder alle Untersuchungen neu gemacht werden würden, obwohl die Unterlagen von Schladming vorlagen. Im Endeffekt folgte für meine Frau eine schwere Zeit. Denn in Frankfurt setzte man auf eine sehr konservative Therapie. Sie musste über Wochen liegen. In Schladming war sie bereits mit einer stützenden Corsage herum gelaufen. Es war ein Schock. Es verging eine lange Zeit inklusive ihrem Geburtstag, bis ich sie endlich nach hause holen konnte.

Derweil rückte die Wahrscheinlichkeit näher, dass es tatsächlich zu einer Vermittlung eines Spende kommen würde. Über eine Agentur ließ ich mich vermitteln. Die Beiden schienen zu passen. Die Familie der Mutter würde sich Kinder von ihr wünschen. Ein Wunschkind also oder ein Queer Kid? Ob der Becher zu groß sein, fragten sie. Eine Eigenkreation, Spende im Becher. Vielleicht interessierst du dich nicht für kleine Kinder, meinte sie. Zwei wurden es schließlich. Bingo?
Am Tag vor meinem Geburtstag flogen zwei Flugzeuge mit arabischen Terroristen an Bord in die beiden Türme des World Trade Centers in New York und brachten sie zum Einsturz. 
Als ich erfuhr, dass es nun zwei Kinder werden würden, die entstanden waren, begann ich mir Sorgen zu machen. Ich müsste doch helfen. und das Gewissen pochte. Als ich mit meiner Frau am Nikolaustag, über die Möglichkeiten per Samenspende Kinder zu bekommen, diskutierte, konnte ich die Wahrheit nicht mehr für mich behalten. Trotz der mit den Frauen (es handelte sich um ein gleichgeschlechtliches Paar) vereinbarten Anonymität, beichtete ich, dass ich keine Nikolausüberraschung in den Schuh getan hatte, sondern tags zuvor ohne große Anstrengung Vater geworden war. 
Unsere Welt brach zusammen. da hilf mir auch ein Termin bei Pro Familia nicht.
"Sie haben etwas gemacht, was unmöglich ist.“ So lautete das Verdikt der Psychologin. Patchwork: ich wollte Bezugsperson für die Kleinen sein. „Warum wollen Sie das denn machen?“
Ich glaubte im falschen Film zu sein. Die Mutter der Kinder brachte ihr Erstaunen zum Ausdruck, dass ich nicht verlassen wurde. Wir waren in der Tat schlecht beraten worden, machten aber in der Folge das Beste daraus.

Mein Vater meinte, als er von der Sache hörte, da müsse ich ja nichts machen. Immerhin hatte er mir jetzt telefonische Sprechzeiten eingeräumt, also Zeiten, in denen er den Hörer abnehmen würde. 
Bei einem Besuch sah ich, dass er meine zuhause verbliebenen Tonbänder vernichtet hatte, ohne mich vorher zu fragen. Seine Hände hatten sich verfärbt, weil er sie per Hand von den Spulen wickelte. Es ist nicht so, dass mir an den Aufnahmen unserer Gruppe viel gelegen hätte, die Qualität der Bänder wäre ohnehin schlecht gewesen. Dennoch hätte ich über den Verbleib gern selbst entschieden. 
Er gab wenigstens zu, dass ihm Mutter fehle. Ich verarbeitete unser Verhältnis traumhaft. 

"Ich lief durch dunkle Räume, die Treppen hoch und runter. Fand dann endlich einen Ausgang.
Die Szene mag meiner Kindheit entflohen sein, als ich als Säugling oft genug die dunklen Treppen eines Altbaus hinuntergetragen wurde. Windeln mussten gekocht und zum Trocknen im Garten ausgehängt werden.
Ich betrat einen großen Saal mit Bühne.
Eine verhüllte Gestalt bewegte sich im Scheinwerferlicht, eine Kutte ragte spitz in die Luft und warf Schatten auf das Gesicht der überhöhten Statue. Schriftzeichen zierten den bunten und doch dunklen Umhang. Die Figur wandte sich mir zu und beobachtete mich. Sie schwebte, ich selbst konnte das auch. Ich fühlte mich bedroht, die Gestalt war so hoch und unheimlich. Panik stieg in mir hoch und gleichzeitig stieg meine Entschlossenheit. Ich schnappte mir eine zweizackige Gabel und näherte mich mit unheimlich starkem Willen und unter Aufbietung aller Kräfte sehr schnell an, ja ich flog eigentlich. Mein Vernichtungswille war groß und gab mir Kraft. Die Gestalt schien nicht überrascht, als erstes verlor ich meinen Zweizack. So benutzte ich meine Hände, um die irgendetwas zu greifen. Ich schaffte es trotz großer Gegenenergie, an den Hals der Person zu kommen. Ich blickte durch eine durchsichtige Gesichtsöffnung auf : Knochen! Durch den Umhang konnte ich sie schon spüren. Gleichzeitig mit der erneut aufkeimenden Angst kam die Erkenntnis. Ich kämpfte gegen mich selbst. Ich ließ sofort ab und fühlte mich erlöst. Ruhe machte sich in mir breit und ich hatte einen Irrweg beendet."
Einen Besuch bei meinem Vater beschrieb ich hier: 


Im Betrieb lief es gut für mich. Ich durfte sogar den Text für den Kursteil-Leitfaden "Was steht wo?" zuhause bearbeiten und bekam es separat vergütet. Überhaupt, die Arbeit mit dem Verlagsleiter machte Spaß. Ich scheute mich nicht, wenn ich neue Ideen hatte, zu ihm zu gehen und die Vorschläge anzubringen. Sie fielen durchaus manches Mal auf fruchtbaren Boden. Wenigstens hier schien ich Sicherheit zu haben. Wenn man Fehler machte, gab der Verlagsleiter stets die Möglichkeit, alles zu prüfen und es dann besser zu machen. 

Was mich immer wieder in den ganzen Projektsitzungen überraschte war, dass man mit einem relativ geringen Wortschatz Eindruck machen konnte.
"Eine gewisse Wertigkeit stand flächend im Raum." Da gab es durchaus kreative Wortschöpfungen, zu denen sich gern Anglizismen aller Art gesellten. Das war nicht meine Welt.
Endgültig schlug das Pendel zu meinen Ungunsten aus, als ich in der Firma bekanntmachen musste, dass ich mittlerweile einen Grad der Behinderung von 50% amtlicherseits erreicht hatte.
Die Bildschirmtätigkeit hatte zu unumkehrbaren orthopädischen Beschwerden geführt. Der Tinnitus war ebenfalls schon anerkannt, nun kamen meine Depressionen und Ängste dazu. Letztere machten zunächst eine neurologische Behandlung erforderlich, die Ärztin erkannte allerdings, was mit mir los war. Mein Chef allerdings sah die Sache ganz anders. Er zitierte mich heran und fragte mich, wie ich dazu käme, mir aufgrund der fünf Tage weiteren Urlaubs quasi eine Gehaltserhöhung zu verschaffen. Ich solle auf den Urlaub verzichten. Ich erwiderte nur knapp, dass ich darüber nachdenken würde, was ich natürlich nicht tat. 

Das Grundvertrauen in unserer Ehe war schwer gestört. Sie betrachtete unser Zusammenleben lediglich als Wohngemeinschaft. Gleichwohl wollte sie, dass ich Kontakt zu den Kindern aufnehme. Mir blieb die bittere Erkenntnis, dass meine Frau gar nicht unbedingt "meinen Weg" abgelehnt hätte. Sie hätte allerdings bei der Suche nach einem geeigneten Paar mit entscheiden wollen. 
Wir besuchten dann erstmals die beiden kleinen Säuglinge und das war schon sehr berührend. Immerhin hatte ich ja die mit dem Paar vereinbarte Anonymität gebrochen, dafür verhielten sie sich sehr kooperativ. Das half mir bei meinem Problem nicht weiter. Einerseits fühlte ich ja, dass es meine Kinder waren, andererseits wusste ich nicht, wie ich mit der Trennung von ihnen leben sollte. 
Die Kinder sollten ihren "Vater" kennen, da herrschte zwischen den Frauen Übereinstimmung. Das war es dann aber auch schon. Wir vereinbarten regelmäßige Besuchstermine, luden die beiden Mütter auch zu uns nach hause ein. Ruth bekochte uns sogar. Alles sah erst einmal gut aus. Fotos hatte ich schon sehr frühzeitig bekommen. Nur in mir selbst war nichts richtig gut.   

2004 schrieb ich: "Wenn die Projekte nicht mehr wichtig sind, an denen man gerade arbeitet und einem die Kollegen das Wort im Mund herum drehen, spätestens dann, sollte einem klar sein, dass es nur noch ein Projekt gibt, was sich wirklich lohnt: Abstand gewinnen. In diesem Haus regiert die IT. Die IT ist kein Dienstleister, sondern bestimmt letztlich, was gemacht wird und mit wem sie zusammen arbeitet. Verstehen werde ich das auf meine alten Tage nicht mehr. Der Ärger wird kein Ende mehr nehmen, soviel weiß ich, also muss mir die Psychologie wieder einmal helfen. Im Prinzip regt es mich noch nicht einmal mehr auf, weil die Abläufe erkannt sind."
In der Firma musste ich nun irgendwie die Kurve kriegen und aus der scheinbaren Alleinverantwortung für Projekte heraus kommen.
Ich wusste, dass ich die IT-Leute, insbesondere die Gruppe, die sich mit dem Internet-Auftritt beschäftigte, nicht auf meiner Seite hatte. Zudem war ich selbstkritisch genug um zusehen, dass ich als Netzwerker nicht geeignet war. Ich schlug also auch zur Beruhigung meines direkten Kollegen unserem Verlagsleiter vor, mir die Projektarbeit mit dem Kollegen zu teilen. De facto war das sowieso schon so. Denn ich beackerte immer den Bereich Stammdaten und damit den Kontakt inhouse, während der Kollege sich um die Kurse und die Technik kümmerte. Dennoch erntete ich damit keine Zustimmung beim Chef, er vermutete sogar, dass ich glaubte, er würde mich im Zweifelsfall nicht unterstützen. Das war nicht mein erster Grund, dennoch konnte ich ein gewisses Misstrauen Vorgesetzten gegenüber nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht ausschließen. Zudem wusste ich auch, dass auch Vorschläge meines Kollegen sein Wohlgefallen fanden, ein Pro für mich ließ sich nicht unbedingt erwarten. 
Halb zog ich mich, halb wurde ich in meinem Arbeitsleben auf den Bereich  Investmentfonds zurück reduziert.  Die Fondsverwaltung lag in meiner Verantwortung. Der Ablauf von der Veröffentlichung eines Fonds bis zur Fakturierung war von mir mit dem Verlagsleiter zusammen abgestimmt worden. Längst hatte ich Excel-Sheets konzipiert, die alle für die Abrechnung und spätere Fakturierung notwendigen Daten enthielten. Leider zerschoss mir der zugeordnete Kollege manchmal die hinterlegten Formeln, sodass ich wie ein Luchs aufzupassen hatte. Anlässlich eines größeren Malheurs sagte unser Verlagsleiter zu mir: "Seien Sie froh, dass ich sie nicht verantwortlich mache." Mittlerweile berechneten wir den Fondsgesellschaften und Agenturen die Veröffentlichung von Fondspreisen in unserer Zeitung und im Internetportal. da waren Fehler unangenehm. Verantwortlichkeiten gab es dennoch ja nicht wirklich, auch wenn unser Dienstältester die Welt gern scherzhaft in Masters und Boys einteilte und sich dabei gern selbst als Master sah. Zum Glück für mich war die Gruppe der Investmentpreiserfasser nicht mehr der Kursredaktion zugeordnet, sondern sie arbeitete in Diensten der Wertpapier-Mitteilungen. Es gab also mehr Platz in der Etage und wir beiden älteren Kollegen bekamen je ein Einzelzimmer. Das war Fluch und Segen zugleich für mich. Einerseits musste ich nicht mehr alle Bandwurmtelefonate kollegial mithören, andererseits bekam ich nicht mehr mit, was hinter meinem Rücken geschah. Immerhin, meinen Bereich hatte ich und durch die Gleitzeit ohne Zwang zu bestimmten Zeiten Pausen nehmen zu müssen, auch eine gewisse Freiheit im Kommen und Gehen.  
Das Jahr 2004 brachte mit dem InvStG auch inhaltlich große Herausforderungen mit sich. Bisher nicht gerechnete Daten waren zu veröffentlichen und die Umsetzung gehörte zu meinem Metier.      

 

Einen denkwürdigen Besuch machte ich mich März des Jahres bei meinem Vater. Hier weihte er mich die Geheimnisse seiner persönlichen Unterlagen ein. Er gab mir sogar die Pin für seine EC-Karte und etliche alte Familienfotos mit, von denen er sich trennen wollte. Doch sein Vertrauen hatte Grenzen. Bevollmächtigen wollte er mich nicht.



In unserer Ehe hatte sich wieder eine gewisse Normalität breit gemacht. Weiterhin reisten wir viel und ich lief auch weiterhin. So hatte ich in Esens die Gelegenheit, am Balthasarlauf, einem Volkslauf, teilzunehmen. Die Kontakte zu meinen Kindern hatten sich eingependelt. Allerdings belasteten mich die Besuche auch wegen der notwendigen Fahrerei sehr. Denn auch kürzere Autobahnstrecken machten mir zu schaffen und als Albtraum empfand ich es stets, mir nahestehende Menschen in für mich scheinbar schwierigen Entfernungen zu wissen. Einen Urlaub mit Schwager, Schwiegermutter und meinem Patenkind Niklas hatten wir auch schon absolviert. Der Kleine schaute mir beim Bierzapfen zu, während ich ihn auf dem Arm trug. Und er konnte nicht genug von der Weihnachtsbäckerei kriegen, die er lautstark im Speisesaal unseres Hotels im Kleinwalsertal gesanglich präsentierte. 
Während mein Patenkind sich im familiären Umfeld von einem kleinen Frühchen zu einem properen Kleinkind entwickelte und ihm auch ein kleines Brüderchen als Spielkamerad zur Verfügung stand, wuchsen auch meine Kinder heran. Dennoch würde sich eine familiäre Vertrautheit nie so einstellen, wie es eben mit der Familie meines Patenkindes der Fall war. Den 50. Geburtstag meiner Frau begingen wir gemeinsam mit Schwiegermutter, Schwager und dem kleinen Niklas in Fieberbrunn in Österreich. Niklas zeigte hier besonderes Interesse am Schneeräumen, davon gab es genügend. Auch wenn das Geburtstagsgeschenk der Schwiegermutter (eine Ananasbombe) sehr originell ausfiel, blieb das Ereignis doch sehr in Erinnerung. Und immerhin war mein Schwager die ganze Strecke gefahren, was mich erheblich entlastete. 
Mein Leben war weiterhin reich an Eindrücken. 2004 begann für mich das Zeitalter der digitalen Fotografie und auf Kos stand mir erstmals eine solche Kamera zur Verfügung.    

Unsere Pläne, doch noch einmal eine Eigentumswohnung zu erwerben, wurden durch die Umstände in unserem Mietshaus befeuert. Unter uns wohnte nun ein junges deutsches Ehepaar mit Kindern, die im Gegensatz zu den Vormietern gern feierten und dabei auch keine Rücksicht auf uns nahmen. Zudem wurden wir von Mietern aus dem Nachbarhaus regelrecht gemobbt. Aber auch Kalbach selbst entwickelte sich zum Nachteil. Mit dem Baubeginn der Riedbergstadt verschlechterte sich die Lebensqualität extrem, vor allem in Bezug auf die Freizeitmöglichkeiten. Schon bald würden einige meine Laufstrecken nicht mehr existieren. Mein läuferischer Bereich reichte von Kalbach bis nach Praunheim / Brücke. Im BUGA-Gelände nahe Frankfurt-Ginnheim joggten wir gemeinsam sehr oft samstags. Es gab die Gelegenheit, in unserem Haus noch eine Wohnung zu kaufen, aber der Kaufpreis, der aufgerufen war, erschien uns zu hoch. Ende 2004 sahen wir schließlich Eigentumswohnungen in einem sanierten Altbau in Schöneck-Kilianstädten. Durch eine Zeitungsanzeige im Immobilienteil, den meine Frau oft studierte, waren wir aufmerksam geworden. Unsere Fahrtroute zu den Kindern ließ sich für mich angenehmerweise so legen, dass wir die Häuser von außen betrachten konnten und wir beschlossen, sie auf jeden Fall zu besichtigen, was erst in neuen Jahr 2005 möglich sein würde. 
   
Noch im alten Jahr hatte mein Vater sein ganz eigenes Projekt durchgezogen. Hatte seinen Koffer für das Krankenhaus gepackt und war nach Arolsen gefahren, wo er an der Halsschlagader operiert wurde. 
Eine nicht ganz ungefährliche Operation, deren Nebenwirkungen sich auch später noch auswirken können. Ich erfuhr davon erst im nachhinein, wunderte mich eigentlich nur, dass ich ihn während der Zeit telefonisch nicht erreichen konnte. 
"Mein Vater glaubt immer noch, er könne alles in Ordnung bringen. Bis heute steht kein Grabstein auf Mutters Grab. Meine Besuche werden weniger. Wenn ich länger nicht da war, muss ich das Grab suchen. Ich erkenne es an der akkuraten Pflege meines Vaters. Er ist jeden Tag da. Mir fehlen die Tränen. Nur einmal musste ich sie gehen lassen. Als mir bewusst wurde, dass sie nie wieder ihren Kopf aus der Wohnungstür stecken würde."

Die neue Wohnung wurde unser Zukunftsprojekt. Erstmals konnten wir es uns leisten, eine Eigentumswohnung zu kaufen, ohne sie finanzieren zu müssen. Der Preis passte. In unseren Augen eine gute gelungene Sanierung einer in den Sechziger Jahren für die Bundeswehr erstellte Anlage, die eine solide Bausubstanz aufwies. Wir entschieden uns für eine möglichste helle Wohnung, denn Helligkeit waren wir von unserer Kalbacher Wohnung gewohnt. Einige Wohnungen waren schon verkauft und einer der Interessenten sagte mir, dass er auf jeden Fall etwas kaufen wolle. Nach unserer Besichtigung im Januar unterzeichneten wir im Februar den Kaufvertrag. Es fühlte sich alles nach Heimat und Ankommen an. Zena, meine Kollegin aus der IT-Gruppe, die für den Host-Rechner zuständig war, wohnte auch in Kilianstädten und schwärmte regelmäßig davon. Es begann nun die Zeit des Hin- und Herfahrens. Da die Wohnung komplett tapeziert war, blieb uns nur verschönernde Malerarbeiten übrig. Wir wollten aber persönliche Dinge und alles was in unsere BMW-Limousine passte, möglichst selbst transportieren. Dabei merkten wir schnell, dass auch das Nachfolgemodell des E36 (3er Baureihe), die wir mittlerweile unser eigen nannten, kein guter Transporter war. Sperrige Dinge ließen sich schlichtweg nicht verladen. So bekamen wir unerwartet Unterstützung von der Mutter meiner Kinder, die uns half, die Pakete mit unserem neuen Schlafzimmerschrank in ihrem Wagen zu transportieren. Dabei konnte sie sich ein Bild unserer neuen Wohnung machen und das Fazit fiel wohl positiv aus. 
Die Notwendigkeit, dauernd fahren zu müssen, brachte mich auch schon an meine Grenze. Im Mai war es dann soweit, der Umzugswagen stand vor der Tür und wenig später die Übergabe der von uns verschönerten Mietwohnung an Frau Wertsch, unserer langjährigen Vermietern. Es stellte sich im späteren Gespräch mit ihrer Tochter, die die restliche Abwicklung übernahm heraus, dass Frau Wertsch im Grunde ganz genau wusste, was für solide Mieter sie mit uns gehen ließ. Für uns war sie immer eine harte Verhandlerin, beim letzten Termin merkte man ihr allerdings schon eine gewisse Wehmut an. So war sie dann auch bei einigen Kleinigkeiten großzügiger als gewohnt. Wir hinterließen immerhin eine Hülsta-Küche samt neu gekachelten Küchenboden und ein neu gefliestes Bad mit allen neuen Objekten. An vielen Dingen hatten wir uns zudem kostenmäßig anteilig beteiligt. Zeiten gehen zu Ende, auch wenn man es nicht glaubt. Sie hatte immer darauf geachtet, dass die Mieter in ihrem Haus zusammen passen. Zuletzt ging das ein bisschen schief.

Trotz der ganzen Belastungen flogen meine Interessen weiterhin umher. Ich regte mich über einen unfähigen Wettermoderator im ZDF auf, ärgerte mich über den deutschen Beitrag zum Eurovision Song Contest und dachte mir einen Spruch aus, der auf einem Datenträger an Bord der Sonde Huygens ins Weltall geschickt werden sollte, in der Hoffnung, Außerirdische würden die Botschaft entziffern.  Das Planen einer neuen Küche für die neue Wohnung machte mir ebenfalls soviel Freude, dass ich noch im Möbelhaus einen Hörsturz erlitt, der sich aber zum Glück als aushaltbar erwies. 
Zu meinem 50. Geburtstag lud ich meinen Vater ein. Der ließ mich lediglich wissen: "Ich will das nicht." Es überraschte mich nicht. Wie oft hatte ich mir vorgestellt, dass mein Vater mich als Läufer mal bei einem Run als Zuschauer am Streckenrand sehen würde. Das er stolz wäre darauf, wie sportlich sein Sohn nun geworden war. Aber der Film lief nur in meiner Fantasie. Eine Einladung an die Lemgoer sprach ich dieses Mal nicht aus. Also verbrachte ich diesen bedeutsamen Geburtstag im kleinen Walsertal, das ja schon zu unserer zweiten Heimat wurde und wiederum mit Schwägerin an Bord.  
Hier hatte ich Zeit, meinen Gedanken nachzuhängen:

"Hier bin ich, es ist das Ende.
Es tut nicht weh.
Ich bin dein Alter, es tut nicht weh.
Es ist das Ende.
Du spürst es vom Kopf bis in die Zeh'.
Des Mangels Verwalter,
bin ich, dein Alter."

Das Weihnachtsfest 2005 verbrachten wir wieder einmal in Lemgo und zwar dieses Mal im neuen Haus meines Schwagers. Bereits im Vorjahr hatte er, nachdem die Überschreibung von Haus und Grund an ihn seitens der Schwiegermutter notariell erfolgt war, das alte Fachwerkhaus (Elternhaus) abreißen können. Die Schwiegermutter zog während der Bauarbeiten in eine kleine Wohnung in derselben Straße um und zog als erste in die Einliegerwohnung des neuen Hauses ein. Zu Weihnachten waren dann aber alle von der bisherigen Wohnung an den neuen Wohnort gezogen. Das alte Haus war reparaturanfällig geworden und die zwischen den Lemgoern gefundene Lösung wohl die einzig Mögliche. Mein Schwager hatte uns gefragt, ob wir einverstanden seien, allerdings jegliche Auszahlung an die Schwestern ausgeschlossen, da er sonst die Kosten für den Abriss des alten Hauses nicht finanziell stemmen könne. Von der notariellen Übertragung erfuhren wir allerdings mit Verspätung vom Gericht. Insgesamt war der Bau eines neuen Hauses an der Stelle des alten Hauses von glücklichen Umständen begleitet, da der zuständige Mitarbeiter beim Lemgoer Bauamt in Urlaub war, als die Abrissgenehmigung erteilt wurde. Er hätte dem, so verlautete später, sicher nicht zugestimmt, denn es handelte sich um ein Jahrhunderte altes Gebäude. Unserem gemütlichen Heiligabend stand das aber nicht im Wege. Wir waren zum ersten Mal auch Wohnungseigentümer und dieser Umstand sorgte durchaus angesichts unseres fortgeschrittenen Alters für Aufmerksamkeit. Mit vielen Schnäpsen ging der Abend zu Ende und mit Mühe schaffte ich es ins Gästebett.