Mittwoch, 27. April 2016

Der Hund

Deutschland ist auf den Hund gekommen. Tierschutzvereine kümmern sich darum, Hunde nach Deutschland zu holen, damit sie vor der Tötung in ihren Heimatländern bewahrt werden.
Dieses humane Anliegen einem Tier gegenüber ehrt uns. Auch wir wollen helfen, in erster Linie allerdings um selbst einen Hund zu bekommen, der keine Windeln mehr braucht und um keinem Züchter auf den Leim zu gehen.
Vorbereitet sind wir ja wirklich gut. Ein amerikanischer Hundetrainer beschreibt ein "Naturgesetz" für Hunde. Sie sind, so meint er, erst Tier, dann Art, dann Rasse und zuletzt Individuum.
Ein Tier denkt nicht, es folgt seinen Instinkten und es hat einfache Grundbedürfnisse:
Fressen, Schlafen, Kuscheln, Bewegung und ab und zu mal zu festgelegten Zeiten mal Sex.
Das Gefühl lässt der Meister hier außen vor.
Wie merkwürdig müssen wir Zweibeiner einem Hund vorkommen, so wird es mir die nächsten Tage durch den Kopf gehen. Wir verbringen so viel Zeit mit scheinbar sinnlosen Dingen. Reden, den Haushalt machen, zur Arbeit gehen und meist auch wieder nach hause kommen, sich die ganze Zeit mit unerklärlichen Gegenständen befassen und vor allem viel von A nach B oder sonst wohin unterwegs sein. Meist in Blechkisten, die einem Hund wenig Anheimelndes bieten.
Klingt alles nach wenig Spaß. Aber der Hund hört ja auch nicht in erster Linie, er riecht. (aktiv und passiv)
Die zweite Frage, die ich mir stelle, wird lauten, warum ich mir ein Lebewesen an den Hals lade, dass sich abseits seiner Grundbedürfnisse nicht für mich interessiert. Wahrlich habe ich schon genügend Menschen um mich herum, die mich nicht verstehen.
Unser Hund nun lebt schon vier Monate in Deutschland bei einer Pflegestelle und wir reißen ihn nun erneut aus seinem gewohnten Umfeld heraus. Da hatte er einen Leidensgenossen und Kinder, die mit ihm spielten. Nun ist er allein mit uns, meiner Frau und mir. Auto fährt er nicht gern, genau da fährt er jetzt mit. Nach Deutschland kam er nach 20 Stunden Busfahrt und war völlig verwirrt. So erhalten wir auch jetzt den Tipp, nach dem Ende der Fahrt erst mal Gassi zu gehen.
Jetzt zittert und pupst er, auf die Rückbank hinsetzen ist nicht. Er klammert sich an mich, schmiegt sich an. Ich kann nicht fahren. Meine Frau tut es.
Wir erleben ein paar schöne Tage mit ihm. Sie (eine Hündin) hört allerdings nicht die Bohne, wird aber auch nicht böse, schmollt nur. Sie soll nicht ins Schlafzimmer und nicht auf die Couch. Das alles kannte sie bisher. Sie geht nicht bei Fuß, zieht immer vorweg mit der Schnauze am Boden. Meine Frau kann sie kaum halten. Sie ist eine Jägerin, sobald wir draußen sind, interessieren wir nicht mehr.
Sie springt katzengleich auf, sobald sie was peilt und rennt los. Zwei Jahre alt, Straßenhündin eben und schon Mutter eines Wurfs. Sie weiß, was sie will. Sie mag mich, bilde ich mir ein. Wenn ich mir ihr raus gehen will, macht sie vorher ihre Unterwürfigkeitsgeste, will gestreichelt werden, leckt mich, wo sie kann. Sie ist schön, ihre braunen Augen sind klar und eindrucksvoll. Ihr Fell ist kurz und honigbraun. Ein Dackel mag in der Mixtur dabei gewesen sein. Sie blickt uns traurig an, wenn sie in ihrem Bettchen liegt und wieder mal nichts los ist. Spielen wird sie bei uns nicht, auch nicht mit ihrem Lieblingsspielzeug. Es wird bald klar, joggen werde ich nicht mit ihr können, sie hält kein konstantes Tempo, wandern auch nicht. Autofahren, eine Riesen-Nummer, Alleinsein, geht so.
Es wird uns klar, sie ist anders, als sie uns beschrieben wurde und wir sind nicht die richtigen Partner.
Wir mögen sie, aber sie ist nicht glücklich. Sie merkt es, als wir sie zurück bringen wollen.
Hatte mich zuvor noch einmal begrüßt, drückte ihren Kopf an mein Bein. Aufforderung zum Schmusen.
Das Bettchen geht mit. Vor dem Auto hat sie wie immer Respekt, gibt ihr typisches Wimmern von sich. Sie bellt nie. Sie zittert unterwegs, schmiegt sich noch einmal an mich an.
Wir nehmen Abschied in ihrem Zuhause. Sie springt wild vor Freude mit ihrer ehemaligen Spielgefährtin herum. Schaut mich noch einmal an. Alles gut, ob wir noch einmal einen Versuch unternehmen, ich weiß es nicht.
Hund und Mensch verstehen sich, wenn sie wollen und manchmal müssen sie sich trennen. Sehr viel menschliche Vorstellungskraft fließt in so eine Beziehung ein.




Dienstag, 19. April 2016

Rachel Joyce - The Unlikely Pilgrimage Of Harold Fry

Die Geschichte in diesem Buch könnte so oder so erzählt werden.

So: der Pensionär Harold Fry erhält eines Tages einen Brief einer ehemaligen Arbeitskollegin, in den sie ihm schreibt, dass sie unheilbar an Krebs erkrankt unter Angabe des Krankenhauses, in dem sie liegt. Harold erhält diesen Brief von seiner Frau, die diese Kollegin kennt. Er beschließt zu antworten und den Brief persönlich zum Briefkasten zu bringen. Der Weg dahin entwickelt sich zur langen, völlig ungeplanten, Reise und das Pilgern zu sich selbst beginnt. Harold beschließt, den Brief persönlich abzugeben.
Oder so: es wird die Lebensgeschichte zweier Menschen beschrieben, die durch eine Krise gehen mussten (Selbstmord des gemeinsamen Sohnes). Obwohl sie sich die Eheleute danach voneinander entfremdet haben und Maureen (Harold's Ehefrau) nun die plötzliche Trennung von ihrem Mann verkraften muss, finden beide letztlich wieder zueinander, kann es Maureen sogar tolerieren, dass ihr Mann Gefühle für ihre vermeintliche Konkurrentin Queenie (die Kollegin) zeigt.
Man kann also getrost von drei Hauptpersonen reden.

Doch das Buch ist erstaunlicherweise noch mehr. Es leistet sich einen Blick auf unsere Gesellschaft von außen. Es lässt den Protagonisten Harold alle Stadien durchleben, die ein einsamer Wanderer auf Britanniens Straßen durchlaufen mag. Harald lebt im Südwesten Englands und Queenie stirbt im Nordosten. Außer einer Reise durch England leistet sich die Autorin einen genauen Blick auf die Art, wie heutzutage Vermarktung funktioniert und wo sie schon einsetzen mag. Ein Reporter stößt auf Harold und befragt ihn eingehend nach seiner Reise, fotografiert ihn und fortan wird Harold nicht mehr allein sein, werden Festivitäten und Veranstaltungen seinen Weg begleiten. Harold wird das mühsam gefundene Selbst, seine Verbindung zur Natur, sein Leben mit und in ihr, kurzzeitig verlieren.
Beeindruckend die Szene, in der Queenies Tod aus ihrer Sicht geschildert wird, nachdem sie zuvor noch den Harold's Besuch bemerkt hatte, ohne mit ihm sprechen zu können.

Das Leben schreibt oft tiefe und einsame Dramen verbunden mit Gefühlen der Angst und Einsamkeit, der Ohnmacht und auch der Zuneigung gegenüber der Person, die einem im besten Fall das ganze Leben begleitet. Eine ganze Menge davon stellt Rachel Joyce in diesem Roman sehr emphatisch dar.
 

Mittwoch, 13. April 2016

Urknall

Echo des Urknalls gehört,
doch war ich nicht verstört.
Das Leben geht durch mich hindurch,
bin ein seltsam berührter Lurch.

Dienstag, 12. April 2016

Czech Dream

Aus dem Busfenster sehe ich Strassengräben. Meistens mit Bäumen, sodass die Straßen einen alleenartigen Charakter haben.
Ostern in Tschechien, Gedanken an die Vergangenheit gehen mir durch den Kopf.  Eine Vergangenheit, die man in Tschechien nicht mehr zu kennen scheint. Unsere Reiseführerin wird mir sagen,  dass in Budweis nichts zerstört wurde. Bomben fielen nur auf Prag und die Rüstungsbetriebe.
Nichts zu hören ist über das Schicksal der Deutschen, die hier mal lebten.
Im Mai 1945 waren die amerikanischen Truppen bis in die Gegend um Pilsen vorgestoßen.
Ein amerikanischer Filmer hielt die Szenen fest,  die nun seit Jahren im Internet für Interesse sorgen.
"The Lost German Girl" heißt  die Sequenz, die eine junge, offensichtlich misshandelte, Frau zeigt,  die gekleidet in einer Militärhose auf den Berichterstatter zu läuft.
Völlig verzweifelt zeigt sie ein paar Geldscheine des Protektorats Böhmen und Mähren. In eben jenen Straßengräben liegen tote und sterbende deutsche Soldaten. Aber auch Zivilisten wurden nicht geschont, selbst im Tod noch bespuckt. Offen bleibt, ob das Mädchen überlebte und bei den Amerikanern Schutz fand. Bekannt und im Film auch zu sehen ist,  dass sich das Ganze am Kilometerstein 78 auf dem der Straße von Prag nach Nürnberg abgespielt hatte.
Eben diese Gegend, die wir nach dem Verlassen der Autobahn bei Pilsen durchfahren.
Deutsche und Österreicher haben lange Zeit in Tschechien gelebt,  de Land ihr Aussehen gegeben,
doch haben die Tschechen damit offenbar mit insbesondere den Deutschen ein Problem.
Trotz vieler deutscher Touristen wird Deutsch oft nicht verstanden, bieten Hotels oftmals noch nicht einmal deutsche Fernsehprogramme an. Beim Essen kann es dann schon mal passieren, dass die Kellnerin patzig wird, wenn man reklamiert, so wie wir das in unserem Hotel erlebten. 
Und auf die Frage, ob es sich beim servierten Wein um tschechischen handelt, kommt nur ein kurzes "Ja". Man erfährt also nicht all zu viel über dieses Land, außer vielleicht etwas über die länger zurück liegende Historie.
So ist es nicht verwunderlich, wenn man sich ein eigenes Bild macht. Ich träume also wenige Tage nach Rückkehr von unserer Osterreise, dass ich einst ein Geschäft im Sudetenland hatte. Ich kam mit 
allen Bewohnern des kleinen Ortes gut aus, egal ob es nun Deutsche oder Tschechen waren. Meine tschechischen Sprachkenntnisse waren nicht groß, aber es reichte, um sich verständlich zu machen. 
Unterschiede machte ich keine zwischen den Menschen und politisch war ich nicht aktiv. Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde die Situation unangenehm. Tschechische Freunde rieten mir, mein Geschäft aufzugeben und das Land zu verlassen, solange dies noch ungefährdet möglich sei. Sie wären nicht in der Lage, mir zu helfen, wenn der Krieg aus sei. So ungeheuerlich mir dies zunächst schien, so klar war es mir aber, dass mir keine Wahl blieb. Ich packte zusammen, was möglich war und kam noch unbehelligt nach Deutschland. Soweit dieser Traum, der nur ein Gefühl ausdrückt, denn real war ich nie dort.
Fakt ist aber, dass es weder Sozialdemokraten noch Kommunisten etwas nutzte und sie der Vertreibung aus der Tschechoslawakei genauso wenig entgingen wie die übrige deutsche Bevölkerung. Beim "Lost German Girl" heißt es ja nun, sie sei eine SS-Angehörige gewesen.
War die Rache der Sieger damit gerecht? Aber Rache ist ja nie gerecht.

Freitag, 8. April 2016

Bildnis

Als ich den Gipfel des Berges erreiche, fühle ich mich von einer euphorischen Wärme durchströmt.
Ich sehe die Wiesen und Wälder unter mir und genieße die Aussicht von der Gipfelkuppe aus. Bald schon mahnt mich ein kühlerer Wind und lässt mich zum Rückweg aufbrechen. Unterwegs erreiche ich einen See, der die verschiedenartigsten Farben annimmt.
Am Rande des Sees steht eine schrecklich schöne Frau wie in den Boden gebohrt oder angewurzelt.  Sie wirkt verschlossen wie eine Jungfrau und gleichzeitig alt. Sie scheint mir Frieden zu versprechen. Ich laufe direkt auf sie zu, will sie zum Leben erwecken und weiß doch, dass sie mich mit nehmen wird. Meine Seele aber, die wird auf ewig am See zurück bleiben.

Mittwoch, 6. April 2016

Auto

Der Liebe geflohen,  zwei Kinder vergessen.
Welches Schicksal hat mir das denn bemessen?
Im Beruf gedrückt , im Leben  missachtet
Wieviel Unglück habe ich wohl gepachtet?
Fragen, die ich mich fragen kann.
Doch habe ich mich,  so dann und wann.
Ich fühle mich wohl in meinem Sein.
Was juckt mich da ein anderes Schwein?

Dienstag, 29. März 2016

Blind

Should my eyes be blind,
I will always find
a sense of life
in a wife.