Freitag, 5. Dezember 2014

Rauchmelder

Ein Gespenst geht um in Hessen. Es ist viel bedrohlicher als der erste linke Ministerpräsident in Deutschland.
Es ist die Rauchwarnmelderpflicht. Ab 2015 musst Du sie in Deinen Schlafräumen haben.
Männer werden in Deine Wohnung kommen, fremde Männer. Sie werden überall in jedes Zimmer mit ihren Straßenschuhen gehen, um festzustellen, ob da ein Mensch schläft oder schlafen kann.
Sie wollen die Dinger unter die Decke montieren und: sie werden wieder kommen, um sie zu warten.
Wenn Du schon Rauchmelder hast, es wird Dir nichts nutzen. Sie nehmen sie ab und machen eigene dran.
Du hast keine Chance, Deine Hausverwaltung macht mit, Sie hat Dir die Firma empfohlen und alle anderen Wohnungseigentümer finden es gut, weil sie dann  nichts mehr tun müssen, nicht mehr verantwortlich sind, wenn's mal brennt und sie zuhause sind.
Wenn Du nicht installieren lässt, dann werden sie Dich verantwortlich machen, Deine Miteigentümer, vielleicht bringen sie Dich um. Sieh' Dich vor und lass' die Männer rein, sie meinen es gut für ein bisschen Geld.
Dabei ist die Wartung von so einem Rauchmelder doch so einfach. Wenn die Batterie alle ist, gibt er einen Warnton ab. Man kann es auch selbst prüfen, indem man den Funktionsknopf drückt.
Aber das ist ja nun wirklich kein Argument.
Ich habe jetzt jedenfalls zwei statt einen Rauchmelder und keine Angst mehr in Hessen.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Verwunschenes Berlin - des Kaisers Reste

Moabit - Ferienwohnung
Ich stolpere fast die Treppe hinein in den Flur der angemieteten Ferienwohnung. Der Hinweis "Vorsicht Stufe" ist mittig auf der Tür angebracht und ich habe ihn übersehen. Der Verwalter der Wohnung wird mir später mitteilen, ich solle mich doch in Berlin amüsieren, statt nach Mängeln zu suchen.
Doch leider lässt sich wenig übersehen. Es wird gleich klar, dass es sich bei der Wohnung nicht um die eigentlich gebuchte Wohnung handelt. Wir sind im Erdgeschoss gelandet, mit direktem Blick auf die Mülltonnen in einem Hinterhof, der so typisch für Berlin erscheint. Nun ja, wir werden die zerfletterten Jalousien sowieso nicht hoch ziehen.
Die Wohnung ist nur oberflächlich auf Stand gebracht. So finden wir angebrochene Lebensmittel in der Küche. Wasser vom Vorgänger in einem gammeligen Wasserkocher. Unsauberkeit in Küche und Bad, eine Geschirrspülmaschine gibt es nicht, dafür einen alten Gasherd und eine Therme, die angeblich in der Wohnung über uns kaputt ist. Dies, so der Verwalter, sei der Grund, warum wir die eigentlich gesuchte Wohnung nicht beziehen konnten. Wir würden uns sicher nicht über das auslaufende Wasser freuen, so der Verwalter. Am Abend hören wir in der Wohnung über uns allerdings Geräusche und wir sehen Licht, nicht nur am ersten Abend, sondern während der ganzen Zeit unseres Aufenthalts. Irgendwann soll dort um Punkt 12 auch jemand hoch leben. Verkehr im Treppenhaus.
Wir dagegen werden tief leben. Packen nichts aus. Als ich die Bettdecke aufschlage, entdecke ich Krümel.
Es ist mir egal. Es ist Berlin und da meckert man nicht ungestraft.
Unseren Röhrenfernseher werden wir kaum nutzen. Ab 11 Uhr abends, so die zufällig anwesende Vermieterin, werde die Heizung abgestellt. Meine Angst, mir an der nicht normgerechten Badezimmertür den Kopf zu stoßen, mündet in einer überbordenden Vorsicht, die immerhin dazu führt, dass ich diesen Kontakt vermeiden kann. Überflüssig zu erwähnen, dass eine sinnvolle Wäsche wegen des zu kleinen Waschbeckens nur unter der Dusche statt finden kann.
Mein Berliner Herz ist gestorben bei minus 5 Grad und eisigem Ostwind. Mein Lieblingsschriftsteller hat sich ja schon vor über einem Jahr, todkrank, erschossen.
Dazu passt der Abend in einem Lokal, das ostpreußische und andere Spezialitäten anbietet.
West-Berlin, das scheint so etwas zu sein, wie ein Ort der Erinnerung an vergangene Zeiten.
Lichtblicke sind hier die Freundlichkeiten der türkischen Cafes, die es in unserer Umgebung gibt. So etwas erwartet man eigentlich in Berlin nicht. Moabit ist aber anders. Ein einfacher Arbeiterbezirk, in dem wir leider zu spät entdecken, dass es hier einige gute Lokale gibt. Keine restaurierten Prachtbauten, aber einheitlich graue Mietsubstanz. Es strahlt aber mehr Wärme aus als der Weihnachtsmarkt vor der Gedächtniskirche. Das Geschiebe auf dem Kudamm so wie in Frankfurt auf der Zeil. Austauschbar, alles vielleicht noch ein bisschen größer. Glanz der Marke, das Café Kranzler, wozu? Warum sollte man da hin?
Ich komme dieses Mal nicht weit. Tegel, Spaziergang am See, eine Pizzeria in der Markthalle. Super freundliche Bedienung, die es versteht, einer an Demenz leidenden Seniorin nicht zu nahe zu treten.
Die Dame wollte zahlen, bevor sie gegessen hatte. Mit Mühe überredete unsere Bedienung sie, auf das Essen zu warten. Sie, jedoch empört, nimmt nur einige kleine Bissen, fühlt sich übers Ohr gehauen wg. des Preises und schiebt mit ihrem Rollator ab. Es ist nicht der einzige, bei unserem Tisch parken weitere.
Vergessen in Berlin.
Ich werde noch Salzlakritz kaufen an diesem Tag und ein Gummibärherz mit Lebkuchengeschmack zur Verkostung erhalten. Die Bedienung lobt hier meine Kaufentscheidung.
Am nächsten Tag Charlottenburg, Park und Schloß, als wir etwas kaufen, erkennt eine Dame, dass ich nicht zum Zug komme. Berlin hält immer wieder Erkenntnisse parat, ungefragt.
Ein Abstecher noch nach dem Osten, Hackescher Markt, Leute wollen uns in Lokale locken. S-Bahn nach Strausberg. Voll, ein Farbiger bietet mir seinen Platz an der Haltestange an.
Weiter als zum Hackeschen Markt wollten wir aber nicht.
Mit dem Bus fahren wir morgens durch das nun schon tagelang grau verhangene Berlin zum ehemaligen Lehrter Bahnhof, pirschen uns durch den Hintereingang rein.
Gehen noch durch den Glaspalast und schauen vorn auf den Reichstag und das Kanzleramt.
Wäre besser gewesen, alles wäre in Bonn geblieben, geht durch unsere Köpfe. Die Hässlichkeit des Bundeskanzleramts ist bedrückend. Wahrscheinlich wird das eines Tage wg. Baumängeln abgerissen.
Unser Zug zurück scheint aus DDR-Zeiten zu stammen. Ein IC mit uralten, schon lange nicht mehr gesehenen Waggons. Es kommt die Durchsage, dass neben der ersten Klasse auch das Bordrestaurant fehlt und das auch keine mobile Verpflegung angeboten wird.
Längst fährt der Zug nach Spandau, als wir die Schaffnerin ansprechen. Es sind "des Kaisers Reste", klärt sie uns auf. Wir trinken türkisches Wasser.





    

Dienstag, 25. November 2014

Trust

Lange nichts mehr gefühlt,
keinen Sinn mehr,
gleichgültig gekühlt
die Gefühle sehr,
ein Nerv getroffen an einer Stelle,
die nicht verschlossen ist,
Du lebst noch, das ist die Quelle,
Du hast noch Frist.

Dienstag, 18. November 2014

Platzhalter

"Platz!" Ruft man dem Hund zu, wenn er sitzen soll. Platz will man auch im täglichen Leben, in der Bahn, im Bus und überall, wo es beste Plätze gibt. Auch den Platz an der Sonne hat die ganze Nation schon mal gewollt. Heute sind davon nur noch die Handtücher auf den Liegen am Pool übrig geblieben oder die Reservierung eines solchen im Restaurant.
Wenn man den Platz nicht reservieren kann, ihn aber trotzdem haben will, dann braucht man einen Platzhalter. Das kann eine Tasche sein oder x-beliebige Kleidungsstücke oder besagtes Handtuch.
Manche Leute ziehen sich ja auch bei kurzen Fahrten in der Bahn die Oberbekleidung aus.
Da ein Platzhalter der Bedeutung nach und an und für sich keine eigene Aussage hat und durch jede beliebige andere Aussage ersetzt werden kann, ist er grußlos ersetzbar.
"Platz da" möchte man ihm zu rufen.
Das Handtuch weht nun über'm Deich und fröhlich winkt dazu ein Scheich.

Donnerstag, 13. November 2014

Kabarettismus

Kabarett kommt mir immer mehr vor wie reine Selbstbefriedigung. Da wird Leuten etwas erzählt, was sie bereitwillig aufnehmen, die Leute, denen man solche Inhalte mal vermitteln müsste, die erreicht man nicht.
Vermutlich können sie sich den Eintritt für diese Veranstaltungen gar nicht leisten.
Es verhält sich also mit dem Kabarett so wie mit der Psychotherapie. Die sie nötig hätten, gehen nicht hin, weil Ihnen entweder die Einsicht fehlt oder sie sich für Gott halten.
Vielleicht sind sie aber auch einfach nur zufrieden mit sich. Natürlich stimmt es, dass "La Merkel" tatenlos zu sieht, wie die EZB Schrottanleihen aufkauft und die Banken durch niedrige Zinsen saniert. Natürlich, haben wir es dem Kanzler der Einheit zu verdanken, das wir heute mit Euros bezahlen, was woanders vor die Wand gefahren ist. Natürlich werden wir uns mit der Ukraine ein riesiges Problem in die EU holen. Natürlich wird die EU Verbraucherschutzinteressen an die USA verscherbeln, mittels Freihandelsabkommen. Natürlich bräuchten wir eine gangbare Alternative für Deutschland, gegen die wir uns natürlich wenden.
Aber: interessiert es jemanden? Es geht doch allen immer noch zu gut und wenn nicht, dann wird bald ein neues iPhone aus China zu uns kommen und wir sind viel zu beschäftigt damit, es zu benutzen.
Der kleine Rest der Unzufriedenen und Unangepassten (nicht Bülent und seine Freunde), der geht auf die Straße oder in den sehr nahen Osten.

Mittwoch, 12. November 2014

Zero

Ich gehe im dunklen Mantel und bringe die Leere mit,
Vergänglichkeit ist nicht mein Handel,
bin der Erinnerung Schnitt.

Mittwoch, 5. November 2014

Sie haben's nöthig.

"Gott schütze die Reisenden, die um jeden Preis reisen, sie haben's nöthig."
Das schreibt Heinrich Laube in seinem Reisetagebuch "Eine Reise nach Pommern und auf die Insel Rügen".
Er schreibt aber auch: "Wer viel braucht, entbehrt mehr, aber er hat auch mehr."
Erschienen ist das Tagebuch zuerst 1837, also zu Zeiten des Deutschen Bundes und als die Nordspitze Rügens noch als der nördlichste Punkt Deutschlands galt.
Die Betrachtungen des Schreibers sind jedoch zeitlos, soweit sie das Leben an sich betreffen.
Eines offenbaren historische Tagebücher auf jeden Fall: dass sich die Charaktere der Menschen nicht geändert haben. Es sind lediglich die äußeren Umstände, die sich ändern.
So sehr man stutzt und sich amüsiert, wenn man so einem eloquenten Schreiber wie Heinrich Laube folgt,
selbst ein Tagebuch zu schreiben, ist etwas anderes.
Die Vergangenheit ist eine Geschichte, die Zukunft gibt es noch nicht. Das "Hier und Jetzt" ist das einzig Vorhandene. Es lässt sich nicht festhalten. Das Lesen eines historischen Berichts hat etwas von Grabpflege.
Für den Leser ist es evident, aber der Verstorbene hat nichts davon.
Doch liegt es in der Absurdität des menschlichen Daseins, immer wieder etwas hinterlassen zu wollen.