Mittwoch, 30. April 2014

Abschluß - Brief an keinen Unbekannten

Hallo Herr,

ihr Blog "Arbeit und Struktur" hat mich sehr beeindruckt.
Ich hoffe, Sie haben noch möglichst viel Zeit, um daran weiter zu schreiben. Als vor 1993 Geborener habe ich ja das Recht, Ihnen einen Brief zu schreiben. Als typischem Computer-Hocker fällt mir das gar nicht so leicht. So trainiere ich meine Handschrift mal wieder, aber das nur am Rande.
Das Sie sehr geehrt sind, ist klar, obwohl ich es in der Anrede nicht zum Ausdruck bringe. Sonst würde ich Ihnen wohl auch nicht schreiben.
Ich fliege zur Zeit über ihren Blog gerade zu hinweg. Es ist keine leichte Lektüre, die sie da anbieten, aber sie ist wenigstens der Wahrheit gemäß. Sie schreiben in Ihrem Blog Wahrheiten auf und das ehrt sie. Es ist beeindruckend, wie Sie den Irrwitz des Lebens auf den Punkt bringen.
"Wenn ich etwas merke, rufe ich Dich an." Das steht ganz im Gegensatz zu ganz im Gegensatz zu der Szene vor ihres Zusammenbruchs vor einer Krankenhaus-Einlieferung, die von Kontrollverlust und der damit verbundenen Dramatik geprägt ist. Der Ausspruch stammt im wahren Leben von meinem Vater und in eben solchem erlitt er eine Hirnblutung, von der er sich nicht mehr erholte, die uns aber eine dreimonatige Zeit der Annäherung und des Abschiednehmens ermöglichte. Eine aufmerksame Nachbarin hatte den Notarzt gerufen und damit sein Leben zunächst gerettet. Ich selbst erlebte diese Zeit als Betreuer im Zusammenspiel mit Krankenhäusern, Reha-Kliniken und Pflegeheimen in völliger Ohnmacht. hinsichtlich der Abläufe.
Heute würde ich vieles anders machen.
Zwei Tage vor seinem Tod sagte Vater zu mir: "Du lebst ja noch!", als ich ihn besuchte. Da hatte er recht, ich war wie immer mit dem Auto unterwegs. Er lebte in einer eigenen Zeit und einer anderen Welt als ich, aber er traf wie immer "des Pudels Kern". "Noch" ist das Stichwort. Der Tod grenz uns alle ein, macht das Leben wertvoll und wird uns meist erst bewusst, wenn er unvermeidlich ist. Erst die Angst vor ihm zwingt uns die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit auf. Dabei ist er immer gegenwärtig. Diese Konstante und das Wissen, dass am Ende alles Nichts ist, hat mich immer eher beruhigt.
Aber, darf ich Ihnen das schreiben? Ich fühle als Voyeur, wenn ich Ihren Blog lese.
Sie haben den Mut, ihre Situation zu beschreiben, ungeschminkt. Das ist mehr, als man von einem Schriftsteller erwarten kann. Sie nutzen die Möglichkeit, sich auszudrücken, bis zuletzt. Ich wäre dazu zu faul.
Der große "Vereinfacher", so wurde ich mal genannt.
Aber wie würde ich mich in Ihrer Situation verhalten? Sie hinterlassen Ratlosigkeit. Mein Motor ist die Ungeduld, der lange Atem hat mir stets gefehlt.
Vielleicht finde ich die Lösung in Ihrem Blog. Immerhin hat es mich berührt und dafür danke ich Ihnen.

Herzliche Grüße

Im November 2011



Samstag, 26. April 2014

Laufen

Wie er so lief durch Feldes Flur,
umgab ihn eigentümliche Natur.
Gedanken, die schon lange warten
und ihrer Eingebung harrten,
kamen plötzlich nun hervor.
Es war, als öffnete sich ein Tor.

Tod der Mutter, fast vergessen,
Tod des Vaters, gut beschrieben,
nicht zu sehr ist es vermessen,
zu sagen, es sind die Lieben,
die ihm fehlen und ins Leere laufen lassen,
doch es fällt ihm schwer, zu hassen.
Die Sonne scheint ihm ins Gesicht,
er hat sich, siehst Du es nicht?

Wenn alle würden an sich denken,
die Welt wär' reich an den Geschenken,
die alle gern sich selber machen,
mag man nun darüber lachen?
Die Jugendliebe, längst verflossen,
verlorene Kinder und ein kranker Bruder,
Tränen drüber sind vergossen,
allein, was hilft's, das Schicksal ist ein Luder.

Er läuft weiter und versucht zu bleiben,
was er ist und war und gewesen sein wird.
Lässt Luft durch seine Lunge treiben,
denkt und weiß, dass er sich irrt.
Er hört es nicht, sein eigenes Schnaufen,
er will doch noch ein Weilchen laufen.



Mittwoch, 23. April 2014

Goethe'n

Was Goethe einst schon längst gewusst,
im Reimen liegt des Dichters Lust.
Ungereimt der Alltag rennt
mit vielen Regeln, die man kennt.
Es schreibt der Tätowierer E-Mails nicht,
er stattdessen große Flächen sticht.
Der Handwerksmeister betritt den Teppich,
nur weil er da ist, dieser Nebbisch.
Er gibt Dir nichts Schriftliches in die Hand,
erst die Rechnung raubt Dir den Verstand.
Und der Anzugträger im Büro
glaubt, er sei der Chef im großen Zoo.
Dies und mehr wiederholt sich ständig,
Du wirst alt und nicht verständig.
Warum nur dieser Lebenswandel?
Weil sich's reimt, das ist der Handel.




Sonntag, 20. April 2014

Rezept

Ich bewege mich in einer mir sehr vertrauten Stadt,
nur das Stadtviertel kenne ich nicht.
Wie komme ich in die mir bekannte Gegend?
Ich frage nach Verbindungen.
Gehe in die Apotheke, habe ein Rezept,
kenne aber den Namen des Medikaments nicht
oder kann ihn nicht aussprechen.
Ich rufe meinen Arzt an,
der sagt, mit mir wird das nichts,
ich soll ihm den Apotheker geben.
Er findet das richtige Medikament.
Bin erleichtert, jetzt muss ich nur noch nach hause,
gehe über Stock und Stein.








Freitag, 18. April 2014

Klauseln

Im Käfig will ich mich verklauseln,
ohne Gefühl weiter verzauseln.
Des Lebens Mitte längst durchschritten,
ohne um Respekt zu bitten.
Es liegt die Weisheit dieser Tage
im Gedicht und ohne Klage.

Mittwoch, 16. April 2014

Fausten

Der Teufel sieht Dir ins Gesicht,
allein die Maske kennst Du nicht.
Der liebe Gott ist schon gegangen,
die Schöpfung hat ihn eingefangen.
Ach, Gretchen, was ich hier verkünde,
ist nichts, was nicht woanders stünde.
Am besten wär's, wie ich es fände,
es käme alles schnell zum Ende.
Die  Zeit die Uhr umsonst vertickt,
die Illusion ist nicht geglückt.

Montag, 14. April 2014

Wie?

Wie komme ich damit klar,
dass, was einmal war,
nicht mehr als gewesen ist,
solange, bis der Zeiten List
alle Erinnerung an Dich vermisst.