Donnerstag, 6. Juni 2013

Krank

Um mit Herrn Herrndorf zu sprechen, ich bin nicht so der Experte im Kranksein. da war ich noch nie so gut drin. aber. Ab und zu muss ich mal, zum Arzt, meine ich. Der sieht ganz nett aus und begrüßt mich so, als wenn er freundlich wäre. Untersucht mich und hat es gleich, was mir schwer imponiert. Ich stehe nämlich total auf Leute, die einen sicheren Eindruck machen, auch wenn das nur gespielt ist. es beruhigt eben. Ein Jahr bis anderthalb würde das dauern, sagt er, so als müsse mir das alles nichts ausmachen. Jetzt soll ich erst mal einen Monat lang ein Medikament nehmen. Das gibt es als Pulver oder als Tablette. Vier Mal am Tag, aber das schafft eigentlich Keiner. Regelmäßig wären drei Mal am Tag genug. Mir ist es eigentlich egal wie oft, lästig ist es allemal. Ich bin nämlich geschulter Medikamenteneinnehmer, das kann er aber nicht wissen. Dann komme ich nach einem Monat wieder, sage ich, seine Sicherheit in mir aufsaugend. So machen wir das, meint er. Ich frage sicherheitshalber noch mal nach, wie "meine Krankheit" nun heißt, schließlich hat er sie ja nicht. Er schreibt es mir auf einen Zettel, falls ich googeln will. 
Sehr praktisch, ich beschließe den Zettel wie ein Gebetsbuch zu hüten und beginne gleich, als ich wieder vorm PC sitze, danach zu suchen. In einem Monat, das ist klar, werde ich bei dem größten Experten für meine Krankheit sitzen, einem Professor. Denn es gibt viel mehr Medikamente, die man bei einer Krankheit nehmen kann und sollten nicht jede Menge Blutbilder gemacht werden. Vitamine, Vitamine und die richtige Strategie.. 
Wozu sollte ich denn meine ganzen Strategiespiele gemacht haben, wenn er mir hinterher alles über den Haufen wirft, der Herr Doktor? Ist es denn nicht in einem Monat viel zu spät?

Dienstag, 4. Juni 2013

The Dream of the Celt

Roger Casement wird in Irland in der Nähe von Dublin als  Sohn eines protestantischen Vaters und einer katholischen Mutter geboren. Die Mutter lässt ihren Sohn heimlich katholisch taufen und stirbt, als Roger 10 Jahre alt ist. Der strenge Vater hat in der Armee des britischen Empire gedient, bricht aber nach dem Tod seiner Frau völlig zusammen. Roger wächst von da an bei seinem Onkel in der Provinz Ulster auf. 
Nicht vergessen hat er die für ihn faszinierenden Schilderungen seines Vaters über dessen Auslandseinsätze. Nach dem Ende seiner Schulausbildung nimmt er auch aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen eine Stelle in Liverpool bei einer Schiffsfirma an. 
Schon dort beobachtet er die Schiffsbewegungen zwischen den Kolonien und England. Er erweist sich als ein introvertierter junger gewissenhafter Mann, der einen Traum hat: nach Afrika zu reisen. 
So schafft er es, als britischer Konsul im Französischen Kongo zu arbeiten. 1903, mittlerweile im Freistaat Kongo auf dem gleichen Posten, wird er dazu auserkoren, die Menschenrechtssituation der Eingeborenen zu untersuchen. Der Freistaat ist im Besitz des belgischen Königs Leopold II, der ihn systematisch ausbeutet (Kautschukvorkommen). Der Report, den Roger Casement erstellt, macht ihn nicht nur zu einem berühmten Mann, sondern er führt letztlich auch dazu, dass Leopold der II. seinen Besitz an den belgischen Staat abgeben muss. 
Die Welt braucht Kautschuk und dieser wird auch in Südamerika gewonnen. Casement wird nun vom Foreign Office gebeten, die Gerüchte über die Behandlung der Eingeborenen im peruanischen Amazonasgebiet durch die in Großbritannien registrierte Peruvian Amazon Company zu überprüfen. 
Wiederum deckt er grausamste Ausbeutungsmethoden und Folter auf. Sein Bericht führte dieses Mal zur Auflösung des Unternehmen, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.
Roger Casement wird zum Sir geschlagen (Companion of the Order of. St.Michael and St. George), was ihm die Widerspüchlichkeit seines bisherigen Lebens vor Augen geführt haben dürfte. Nicht nur gesundheitliche Gründe führten dazu, dass er sich aus dem diplomatischen Dienst für das Empire zurück zog. Die Liebe zu seiner viel zu früh gestorbenen Mutter war auch eine Liebe zu Irland. 
Völlig desillusioniert vom EInfluss der Europäer in den Entwicklungsländern mag er für sich auch in Irland das unterdrückte Land gesehen haben. Roger Casement war stets ein Getriebener und er half, wo er konnte auch mit seinem Privatvermögen.
Mario Vargas Llosa hat nun mit dem Roman "The Dream of the Celt" praktisch eine Autobiographie von Roger Casement verfasst, die eine sehr persönliche Sicht auf den Protagonisten erlaubt. 
Roger Casement hat Tagebücher, seine black und white diaries, geschrieben, die die Quelle für die geschilderten intimen persönlichen Erlebnisse von Roger Casement sind.
Leider hat Roger Casement auch seine homoerotischen Abenteuer aufgeschrieben und seine erotischen Fantasien dazu. Und es mutet schon ein wenig merkwürdig an, wenn man liest, dass er einheimischen Jungen Geld gibt, um sie nackt zu fotografieren und sich weiter mit ihnen zu vergnügen.
Alles vom britischen Geheimdienst erfunden, in Deutschland wird das gern behauptet. 
Nachdem er auch überzeugt davon war, Irland könne die Befreiung vom britischen Joch nur durch einen bewaffneten Kampf erzwingen, sah er im aufstrebenden Deutschen Kaiserreich dessen natürlichen Verbündeten. Unter der Prämisse, dass Deutschland eine Invasion Englands starten würde, erschien ihm der Zeitpunkt für einen irischen Aufstand erfolgversprechend. 
Er war der gälischen Liga beigetreten, mühte sich redlich, gälisch zu lernen und hatte zahlreiche Kontakte zu irischen Schriftstellern und Aktivisten. Als der Krieg ausbrach, reiste er über Umwege nach New York, um Mittel für die irischen Volontäre zu sammeln. Clan-na-Gael ermöglichten es ihm, den Kontakt zum deutschen Botschafter herzustellen. Bereits in New York lernte er einen jungen norwegischen Mann kennen, der ihn faszinierte und zu seinem ständigen Begleiter werden sollte. Über Norwegen reiste Roger Casement nun weiter nach Berlin, was dem britischen Geheimdienst sehr schnell bekannt wurde. Sein Begleiter informierte ihn über jeden Schritt Casements. 
Die Pläne Casements, eine irische Brigade aus Kriegsgefangenen aufzubauen und Deutschland zu einem militärischen Angriff auf England zu veranlassen, gingen nicht auf. Casement, der den Aaubbau an seinen körperlichen Resourcen nun zu spüren bekam, musste sich in Bayern behandeln lassen und erholte sich am Ammersee völlig enttäuscht und teilweise auch allein gelassen von besten britischen Freunden, die seinen Aufenthalt in Deutschland als Verrat am Empire betrachteten. Der Dubliner Osteraufstand 1916 wurde ohne ihn geplant, denn auch in Irland hatte man Vorbehalte gegen den Intellektuellen Casement. Als er davon erfuhr, setzte er alles daran, den aus einer Sicht nun ohne ausreichende deutsche Hilfe völlig aussichtslosen Aufstand, zu verhindern. Die deutsche Regierung ermöglichte es ihm, mit einem U-Boot nach Irland zurück zu kehren und sandte ein Schiff mit Gewehren, das jedoch von den Engländern abgefangen wurde. Casement selbst wurde nach seiner Landung verraten und verhaftet. 
Nach seiner Überstellung nach England begann im Juni 1916 der Prozeß wegen Hochverrats, Sabotage und Spionage gegen ihn. Das Todesurteil gegen ihn war zu erwarten, die prominenten Gnadenbesuche von Sir Arthur Canon Doyle und George Bernard Shaw hätten sicher ihre Wirkung nicht verfehlt und auch der amerikanische Präsident sowie der englische König wären vermutlich zu einem Gnadengesuch zu bewegen gewesen, gäbe es eben nicht jene Tagebücher mit den Aufzeichnungen über seine homoerotischen und sodomitischen Neigungen. 
Scotland Yard hatte diese in der Londoner Wohnung Casements gefunden und Polizeikommissar Basil Thomsen ließ Tagebuchkopien in Umlauf kommen, die eine erwartete Begnadigung vereitelten. 
( Eine dieser Kopien blieb im Unlauf und führte dazu, dass die britische Regierung über vierzig Jahre später das Schweigen zu den Tagebüchern brechen müsste.)
Trotz anderlautender Spekulationen: Casement hat sich zu seinen Tagebüchern auch im Prozeß bekannt.
Mario Vargas Llosa hat das Verdient, in seinem Roman Einblicke zu geben in das Schicksal von einem Menschen. EInem Menschen, den man, wie viele andere auch, nie richtig kennen lernen kann " ... that is impossible to know definitively a human being, a totality that always slips through the theoretical and rational nets that try to capture it."
Roger Casement starb als "the bravest man it ever Fell to my unhappy lot to execute", so drückte es sein Henker, John Ellis, aus.
Der Osteraufstand jedenfalls kann getrost als Geburtsstunde irischen Republik gelten, auch wenn er blutig nieder geschlagen wurde. Es zeichnete sich bereits 1916 der Preis für die Unabhängigkeit Irands ab: die Teilung Irlands.
Roger Casement wurde erst 1965 in Irland beerdigt, wobei das Begräbnis in seiner Heimat, der Provinz Ulster, von der britischen Regierung als Bedingung verweigert wurde.




Freitag, 24. Mai 2013

Ein Lied

Amüsant fand ich den Bericht eines amerikanischen Offiziers, der die deutschen Soldaten in einem Gefangenenlager dabei beobachtete, wie sie ihre Wege im Gleichschritt und teilweise unter Ansingen von Liedern absolvierten. Dies sei zur Aufrechterhaltung der Disziplin der Truppe erforderlich, so begründeten dies deutsche Offiziere. Letztlich wurde es von den Amerikanern dann untersagt. Auch in Russland hatte ja auch in aussichtslosen Lagen noch immer eine Hierarchie bestanden, wo sich ein paar Versprengte deutsche Soldaten zusammen fanden. Das verhinderte dann oftmals flexible Entscheidungen und führte entsprechend in die Gefangenschaft oder gar den Tod. Dass man dem Gegner kund tat und zwar durch laute Gesänge, dass man nach Hause wolle, hat dabei aber auch nicht wirklich geholfen. 
Ähnlich gut organisiert sind wir bei der Platzsuche. So wird in den Berichten der flüchtenden Zivilbevölkerung immer wieder davon gesprochen, dass man einen guten Platz gefunden habe, sei es im Zug, im Warteraum oder sonst wo. 
An diesen guten deutschen Eigenschaften hat sich nichts geändert. Jeder kennt die Figuren, die nachts ihr Handtuch auf der Liege am Pool platzieren, zur Genüge aus dem letzten Strandurlaub. Auch die Trinkgelder an die Kellner verteilenden Gäste "damit wir immer einen guten Platz bekommen" sind ein gewohnter Anblick. Man selbst macht so etwas natürlich nicht.
Der Deutsche regelt immer gern alles, auch wenn rings herum das Chaos unabsehbar ist. Man fahre nur einmal mit dem Auto etwas weniger sicher als gewöhnlich. Schon sieht man sich von einweisenden und winkenden Passanten umgeben, die alle etwas zu sagen haben.
Tunesier wissen das und sprechen Deutsche gern als "Chef" an, was durchaus ein gewisses Wohlwollen erzeugt. 
Im deutschen Land schaut eben jeder gern auf den anderen. Keiner macht einfach so sein eigenes Ding. Wer sich hier unbeachtet entwickeln will, der muss schon so früh aufstehen wie die Handtuchleger im Urlaub. Oder die Möglichkeiten, sich entsprechend und gefahrlos abzugrenzen. 
Ansonsten ist das Versinken im Meer der Gaffer vor programmiert.
Durch unseren ausgesprochenen Beobachtungssinn laufen wir immer wieder den Trends hinter her, meist den vermeintlichen Siegern (wie zuletzt beim ESC), anstatt selbst die Trends zu setzen. Das hier keinem in den Sinn kommt, dass der Aufguss immer schlechter ist als das Original, ist bezeichnend.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Alles verloren

Im Laufe des Lebens verlierst Du alle Menschen, die Dir einmal etwas bedeutet haben, früher oder später. Menschen, die Dir was gelehrt haben, die Dir eine Chance gaben oder die Du einfach ein bisschen zu viel geliebt hast. Das alles war mit tiefem Innern Hoffen und Bangen verbunden, hatte was mit Mühe zu tun und mit Glück, wenn etwas klappte, mit tiefer Trauer, wenn was schief ging. 
Getreu der Ideologie der Siebziger, Wissen ist Macht, solltest Du also was gelernt haben. 
Man soll sich nicht binden, aber wer ist man? Ohne Bindung ist ein Mensch aber nichts. Dein Wissen und die Erfahrung nutzen der Seele nichts. Das Leben geht weiter. Heute lernt man sich zuhause am PC kennen. Da unterhalten sich User, die Profile lesen und nach Bildern beurteilen, wer der andere am Ende der Leitung ist. Das Leben im eigentlichen Sinne ist vorbei, es folgt der Abspann und manchmal fehlt auch der wie im modernen Fernsehfilm. 
Und wenn Du einen Menschen in dieses Kino mitnehmen kannst, dann ist es gut. Der Film heißt dann wahrscheinlich "Rente" oder "Ruhestand". Manchmal, so sagte mein Vater, fehle sie ihm. Das war Jahre nach dem Tod der Mutter. Sie fehlte ihm immer.

Montag, 20. Mai 2013

Eigentlich müssten Sie weinen



Monolog zum Abschied

Du sagtest,
da sei niemand mehr.
Du meintest
den Rest des Lebens.
Vergeblich
die Erinnerung
daran, das
der Himmel weinte
und nicht wir.

Freitag, 10. Mai 2013

Mittagspause in Frankfurt


Dieses Refugium an begrenzter Zeit und Freiheit.

Kein Grund zum Hetzen, denke ich. Weiß wie viel Zeit ich habe und dass ich mein Projekt auf jeden Fall schaffe. Gehe also normalen Schrittes der Mahlzeit entgegen, die so gern überall ausgerufen wird

Hinter mir vernehme ich deutlich schnellere und lang gezogene Schritte, sie kommen näher, aber keiner überholt mich. Der Typ geht stattdessen hinter mir her. Ich bin vorbereitet, sicher wird er mich gleich überholen und mir, so als wäre ich nicht da, den Laufweg abschneiden. Entweder trete ich ihm gleich in die Hacken oder er latscht mir auf die Füße.

Ich erhöhe mein Tempo. Früher hat man mir gesagt, ich würde so langsam gehen. Bei großen Menschen sieht alles etwas langsamer aus. Aber ich verfüge nicht über diesen langen Schritt, meine Anatomie schreibt eigene Gesetze. So habe ich für mich den Schnellgang erfunden, damit ich es den Nörglern zeigen kann.
Mein Hintermann denkt gar nicht dran, sich nun vor mich zu setzen. Mühelos latscht er hinter mir her, während ich mir den Wolf ablaufe.
So hatte ich mir die Vorbereitung auf den Mittagstisch nicht vorgestellt.

Im Walkingschritt mag ich es mit einem langsamen Jogger aufnehmen, das muss ich nun nur abrufen. Aber bevor ich dazu komme, hören die Schritte auf. Ausnahmsweise muss jemand mal nicht den gleichen Weg gehen wie ich. Ich entspanne, bemerke fast gar nicht, dass rechts neben mir ein Typ vorbei rempelt. Kurz geschorene Haare, schlecht sitzender Anzug, das Hemd krumpelig über der Hose, die Krawatte nach hinten über die Schulter gelegt. Er setzt sich vor mich, tritt mir voll auf meinen rechten Fuß, der in frisch geputzten schwarzen Schuhen steckt. Er hat nicht bedacht, dass ich nicht stehen bleibe. Ich rufe: Mensch Maier, kannst Du nicht aufpassen! Es schmerzt, vermutlich ein schöner Bluterguss. Er dreht sich nicht mal um, stiefelt weiter in seinen brauen, nicht geputzten Schuhen und dem grauen Anzug. Mein Fuß war sicher weich wie das Leder meiner Schuhe und er hat nichts gemerkt.

Tage später sitze ich bei einem Menschen, der sich Psychotherapeut nennt und wegen mir aufs Rauchen während der Therapiestunde verzichtet. Er liest meinen ausgefüllten Fragebogen, den ich ihm Punkt für Punkt ausgefüllt habe. Alles riecht nach kaltem Tabak, die vielen Bücher, sein alter Schreibtisch, vor dem ich sitzen darf. Er selbst wirkt wie eine Karikatur von Klaus Kinski in seinen späten Tagen auf mich. Später werden einige Therapiestunden wegen seiner Lungenkrankheit ausfallen.

Er hat mir einiges über seine Therapien erzählt. Oft geht es um die Arbeitsfähigkeit von Patienten. Die Leute, so sagt er, sind froh, wenn sie Frankfurt hinter sich haben. Ich beginne zu verstehen, warum alle am Frankfurter Hauptbahnhof so kreuz und quer rennen, bin schließlich auch immer froh, wenn ich heil am Zug angekommen bin.

Er blickt mich durchdringend und nachdenklich an, sagt dann: Sie haben Angst, von anderen verletzt zu werden.  Da hat er wohl irgendwie recht.

Freitag, 3. Mai 2013

Ohne Dich


Ohne Dich

lebe ich, lebe ich nicht.
Mein Leben lang
stiehlst Du mir meinen Sinn.
Am Tagesende
muss ich an uns denken
und morgens
meinen Weg doch anders lenken.