Donnerstag, 28. März 2013

Albtraum

Ich hatte mir tatsächlich im Geschosswohungsbau ein paar Wände erworben, nicht tragende wohl gemerkt. Die gängige Bezeichnung dafür ist wohl "Eigentumswohnung". 
Der Kaufpreis war so günstig, weil die Wände bereits standen und das schon länger. Und auch nicht in Frankfurt. Saniert vor allem.
Während ich noch auf dem Parkplatz vor dem Haus stehe, sagt Einer zu mir, er habe auch gekauft, was mich beruhigt.
Das verbessert nun auch meinen Schlaf entsprechend. Doch ach, bald werde ich wach. 
Tritte von Füßen gegen einen Ball, immer wieder. Ich öffne den Rouladen etwas. 
Unter meinem Schlafzimmerfemster steht ein Fußballtor, auf dem, was man gemeinschaftliches Eigentum nennt. Ein Stück Rasen mit Fußball spielenden Kindern drauf. 
Dann steigt mir Grillgeruch in die Nase. mein Nachbar winkt mir fröhlich zu. "Ich bin Amerikaner, ich muss grillen!" Er hat Besuch, ein italienischer Nachbar mit seiner Frau. Man erzählt sich lauter Geschichten, die Kinder spielen. Und er fordert Respekt, den er selbst bei sich vergebens sucht.
Ich lege mich wieder hin. Es gibt solche und solche, hat einmal einen andere Eigentümerin gesagt, natürlich nicht zu mir, denn ich bin ein Solcher. 
Anfangs war alles ganz toll. Jeder war neu im Business der gekauften Wände. Man freute sich die Kinder der anderen aufwachsen zu sehen. Sie sollten zusammen spielen im Sandkasten unter meinem Fenster, den man vorsichtshalber mit einer häßlichen grünen Pläne abdeckte.
Dann merkten einige Eigentümer, dass nicht alle Eigentümer gleich sind und zogen aus. Sie wollten eben keine Solchen sein. Andere machten es sich dafür umso gemütlicher. 
Die Nachbarin unter mir betreibt nun einen Kinderhort und der Nachbar über mir mag auch Kinder und lädt sie zu sich ein.
Eine andere Nachbarin mag nicht gern mittig einparken und sucht die Nähe meines Autos. damit ich mich nicht aufrege, grüßt sie mich lieber nicht mehr.
Der Nächste fährt mit dem Motorrad gleich durch den Garten bis zu seiner Terrasse.
Der Hausmeister, man ahnt es vielleicht schon, kommt aus dem Kreise solcher Eigentümer.
Die Hausverwaltung hat der Erbauer der Wände bestellt und keiner mag sich von ihm trennen. 
Gut, dass das alles nur ein Traum ist. Sicher kommt gleich meine Vermieterin und bereitet dem Spuk ein Ende.

Montag, 18. März 2013

Heiliger Samsung

Wie hieß es doch bei Til Schwaiger im Tatort: mach das Handy aus, er kann uns orten. Wer immer dieser Er ist (vermutlich ein böser und dunkelbärtiger Mann), er findet sicher eine Möglichkeit, mit meinem Handy zu kommunizieren.
So, nun habe ich mein Sam- und es hat sung gemacht. Obwohl auch ich eigentlich genug Waren in meinem Haus habe, bin ich der Versuchung erlegen, mir ein sogenanntes Smartphone zuzulegen. 
Und habe mir damit einen einen weiteren Computer angelacht. 
Was dieser kann, ist erstaunlich. Ob ich das will, ist etwas anderes. Was es macht, ist häufig nicht von mir gesteuert. Das Ding blinkert und flackert mit den Anzeigen nur so herum, sobald ich es irgendwo berühre.
Ich werde über den Aktienkurs von Samsung oder wahlweise Yahoo informiert, schön. Ich kriege Nachrichten gezeigt, auch gut, aber wo bitte geht es zum Telefon? 
Durchaus möglich, dass mein Mobile mal eben eine Hotline selbstständig anruft, wenn ich es in die Tasche stecke und das Display berühre.
Ja, ich weiß, ich müsste mich damit beschäftigen. Da sind drei oder mehr verschiebbare Bildschirme mit Symbolen, die ich teilweise gar nicht kenne.
Mir kommt langsam der Verdacht, dass ich genauso blöd aus der Wäsche schaue, wie die meisten Leute, wenn sie ihr Handy angucken. Ob ich damit jemals kontrolliert telefonieren kann? Geschweige denn die wichtige Frage, wo ich den gerade sei, beantworten kann.
Ich könnte ja ein Bild von mir machen, nur mal so zur Kontrolle, ob ich noch da bin. Das wird dann sofort in google+ upgeloaded. Eine deaktivierbare Funktion wie ich mittlerweile weiß.
Leider habe ich es noch nicht geschafft, meinen Fernseher mit dem Handy auszuschalten. 
Aber ich arbeite dran, versprochen, Zeit für Telefonate, geschweige denn Briefe, habe ich jetzt schon nicht mehr.mehr. "Angry Birds" werde ich auf dem kleinen Display kaum hin kriegen.
Aber ich habe jetzt eine schön stinkende Verpackung für mein Mobile gekauft, da kommt es hinein und ist vor meinen Berührungen sicher.
Bekannte haben mir gesagt, dass Samsung sein mittlerweile besser als ein iPhone.

Dienstag, 26. Februar 2013

Hirn

Eine der herausragenden und überlebensnotwendigen Leistungen unseres Gehirns ist das Vergessen, sagen die Hirnforscher. Das leuchtet ja auch ein. Schließlich ist weder unsere Festplatte erweiterbar, noch wird der Arbeitsspeicher wirklich schneller. So wird neuer Platz nur durch das Löschen als überflüssig angesehener Informationen geschaffen, wobei unser Hirn hier offensichtlich selbstständig neue Prioritäten setzt. 
Es ist auch gemein genug, nicht alles vollständig zu löschen, es komprimiert nur einfach alles ein bisschen. Kein Wunder, dass einem so manche Namen dann zwar einfallen, man hat aber die Nase dazu vergessen. 
Manchmal weiß ich noch, dass meine Kommunikationsstrukturen lax waren und ich unter Wohlstandswehwehchen gelitten habe, aber ich bringe den Namen dazu nicht mehr zusammen.
Naja, Hauptsache, man weiß noch, dass es schön und am Ende ärgerlich daher kam. Dieses Erlebnis..
Vergesslichkeit kann etwas sehr Gnädiges sein, aber manchmal ist es auch sehr ärgerlich. 
Da weiß man noch, dass es da einen Mann gab, der gut Gitarre spielte, nur der Name dazu, der fehlt.
Und der Gott des Googelns hilft hier auch nicht weiter.

Donnerstag, 21. Februar 2013

Hotline

Ich hatte die Nummer einer Hotline gewählt und war nun nach minutenlanger Musikberieselung überrascht, eine Stimme zu hören. Das sie einen anderen Klang hatte und nach der Begrüßung eine seltene Stille eintrat, irritierte mich. 
Plötzlich entstand in mir das Bild einer russischen Tundralandschaft mit lichtem Gehölz, einzelnen Baumgruppen und weiten Ebenen. Hier würden ganze Panzerarmeen spurlos verschwinden, ganz zu schweigen, dass sie ebenso wie schwere deutsche Limousinen kaum vernünftigen Untergrund zum Fahren fänden. Hier könnten die Herren Hitler und Goebbels gleichzeitig im Lebensraum herum brüllen, es würde niemanden stören. Willkommen im realen Leben, in dem ich mich offensichtlich gerade nicht befand.
Unbeirrt schilderte ich mein Anliegen und schloss mit dem, was ich erfragen wollte. Anschließend machte sich wieder eine Stille breit, die aus meinem Hörer zu entweichen schien. Ein "Das weiß ich nicht." erklang schließlich, wobei das "nicht" eher "niecht" zu verstehen war. 
Da meine Frage technischer Natur war und ich die technische Hotline angerufen hatte, fühlte ich mich genötigt, die Dame darauf hinzuweisen, dass sie da eigentlich an der falschen Stelle säße. 
Nun brachte sie mich endgültig zur Ruhe, ein Teppich des Schweigens breitete sich über mir aus, ich hätte die Vögel zwitschern hören können, wenn es mir gefallen hätte. 
"Ich will in die Heimat." wollte ich zunächst rufen, aber das schien mir doch zu sinnlos. 
Immerhin bekam ich eine Bestätigung auf meine Aussage, dass sie mir wohl nicht helfen könne.



Donnerstag, 14. Februar 2013

Gold - LXVII

Jemand hatte ihm gesagt, dass er seine Gene weitergegeben habe und das sie ja sich selbst hätten, die beiden.
Siehst Du, sagte Rachel, dieser jemand hatte prophetische Gaben. Wer ist denn für uns da? Wir.

Sie hatten viel mit den Puppen gespielt. Die Puppen waren lieb, lustig, aber manchmal auch heimtückisch und böse. Ihre Abbilder sahen aus wie ein in Scheiben geschnittenes Profil und sie lagerten in einem Keller. Der kleine Junge fragte, ob man die Puppen nicht wegwerfen könnte. Eine alte Frau beugte sich lächelnd zu ihm herunter. "Aber Jungchen, das geht doch nicht. Die Puppen haben Deine Seele, die musst sie nur mit Leben erfüllen. Sie sind wie Du!" Der kleine Junge zuckte mit den Schultern und wischte sich den Speichel der alten Frau ab, die ihm einen Kuss auf die Wange gegeben hatte und ging lieber zum Nachbarn, um dessen Klavierspiel zuzuhören. (2004)

Mittwoch, 13. Februar 2013

Gold - LXVI

Rachel war es nicht verborgen geblieben, dass er über die letzten zwei Tage des Lebens seines Vaters nicht berichtet hatte. So fragte sie Paul mit einem leichten Unterton in der Stimme, ob er seinen Vater denn nicht mehr gesehen habe. Paul antwortete ihr, wie sooft nicht direkt darauf.

"Ich betrat einen großen Saal mit Bühne.
Eine verhüllte Gestalt bewegte sich im Scheinwerferlicht, eine Kutte ragte spitz in die Luft und warf Schatten auf das Gesicht der überhöhten Statue. Schriftzeichen zierten den bunten und doch dunklen Umhang. Die Figur wandte sich mir zu und beobachtete mich. Sie schwebte, ich selbst konnte das auch. Ich fühlte mich bedroht, die Gestalt war so hoch und unheimlich. Panik stieg in mir hoch und gleichzeitig stieg meine Entschlossenheit. Ich schnappte mir eine zweizackige Gabel und näherte mich mit unheimlich starkem Willen und unter Aufbietung aller Kräfte sehr schnell an, ja ich flog eigentlich. Mein Vernichtungswille war groß und gab mir Kraft. Die Gestalt schien nicht überrascht, als erstes verlor ich meinen Zweizack. So benutzte ich meine Hände, um die irgendetwas zu greifen. Ich schaffte es trotz großer Gegenenergie, an den Hals der Person zu kommen. Ich blickte durch eine durchsichtige Gesichtsöffnung auf : Knochen! Durch den Umhang konnte ich sie schon spüren. Gleichzeitig mit der erneut aufkeimenden Angst kam die Erkenntnis. Ich kämpfte gegen mich selbst. Ich ließ sofort ab und fühlte mich erlöst Ruhe machte sich in mir breit und ich hatte einen Irrweg beendet. "(2002)