Montag, 10. Dezember 2012

Gold - XLII

Paul weigerte sich noch, eine gewisse Regel in seinem Leben zu erkennen. Sobald ihm jemand nahe kam, 
sei es als Freund oder Freundin, sah sich diese Person etlichen unschönen Verhaltensweisen der anderen Bekannten ausgesetzt. Die Entscheidung für jemanden schien automatisch eine Entscheidung gegen den Rest der Welt zu sein. Sein Kreis der Kneipenbekanntschaften war dahin. Leute, mit denen er sich manchmal täglich getroffen, manche Nächte verbracht hatte, wendeten sich ab. Ebenso sein "bester" nordhessischer "Freund". Der Neubeginn war eine Zeit der stillschweigenden Abschiede.
Zusätzlich quälte ihn die latent immer schon vorhandene Ungewissheit, wie er sein Sprachstudium in Frankfurt abschließen sollte. Er fragte sich, wie er seine englischen Sprachkenntnisse einsetzen sollte, wenn fast alle Vorlesungen in deutsch gehalten wurden. Und wie er einen Professor dazu bringen könnte, ihm Tipps für eine Forschungsarbeit zu geben. Der Amerikanistikprofessor war sicher ein netter alten Zausel, aber gerade deswegen auch eher an jungen Studentinnen interessiert. Er wunderte sich über die einzigen in englisch gehaltenen Vorlesungen für Linguistik und stöberte in Büchern herum, deren Logik ihm fremd war. Diese ganze Suche nach wortgeschichtlichen Bedeutungen erschien ihm völlig abstrus und an den Haaren herbei gezogen. Soweit er ein System an der Frankfurter Uni erkennen konnte, bestand es darin, möglichst viele Scheine zusammen zu bekommen. Scheine gab es für die Teilnahme an Seminaren oder für das Schreiben von Ausarbeitungen. Da eine Zwischenprüfung genauso fehlte wie jede Anleitung für ein sinnvolles Studium, würde er auf ewig  studieren können, bis er alles zusammen hatte. Die in Frankfurt praktizierte völlige Freiheit bei der Gestaltung des Studiums irritierte ihn und machte ihn angesichts der begrenzten zeitlichen Gewährung von Bafög sehr unsicher. Sein ehemaliger Chef hatte seine Studienabsichten resignierend mit den Worten, er wolle also die Frankfurter Uni beglücken, abgetan.
In der Tat hatte Paul ja bereits neben seinem Ausbildungsberuf in einem weiteren Beruf ohne Ausbildung gearbeitet. Er war die Arbeit als Buchhersteller und Auftragsabwickler allerdings leid gewesen und hätte sich gern den Aufstieg zu einem Lektor ermöglicht. Die Zeit aber schien ihn wieder einmal zu überholen. 
Mittlerweile wurde auch für sein ehemaliges Arbeitsgebiet nur noch Leute mit einem abgeschlossenen Studium eingestellt. Paul wusste das, da er stets Kontakt zu seinen Kolleginnen gehalten hatte.    
So tat er, was notwendig war, um wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Er ging zurück, sobald sich die Chance bot.      

Samstag, 8. Dezember 2012

Gold - XLI

Nach einem Besuch bei meinem Bruder finden wir schließlich das Krankenhaus. Wir haben die Wäsche dabei, die wir eigentlich schon hätten nach Bad Orb mitbringen wollen. Einen Arzt sehen wir an diesem späten Sonntagnachmittag nicht. Wir haben auf Wunsch der Schwestern Handtücher gekauft. Vater reagiert mit einem Seufzer, nachdem ich ihn aus seinem Dämmerzustand geweckt habe. Er redet sehr undeutlich. Ich kontrolliere erst einmal die Wäsche, finde wieder schmutzige Sachen. Er liegt nun am Fenster, ein zweiter Patient liegt längs dazu. Es sei hier ganz gut, sagt Egon. Ich stelle ihm das Kopfteil hoch. Ich erzähle ihm, dass er in Gießen ist.   
Das mein Bruder auch in Gießen ist. Aber er spricht sehr leise. Wir stellen fest, daß das Bad relativ geräumig und modern ist. Jeder Patient hat seine Seite und wir können die neuen Handtücher aufhängen. Aus den Schwestern ist nicht viel heraus zu bekommen, so ist die Dauer des geplanten Aufenthalts nicht zu ermitteln. Nach dem ich routinemäßig über die Wohnung berichtet habe und darüber, daß ich mal wieder hin müßte, gehen wir. Als ich die Tür hinter mir schließen will, hebt Egon den linken Arm, so, als ob er sich verabschieden oder mir zu winken will.  Ich hebe den linken Arm auch und balle ihn zur Faust, um ihm Mut zu machen Dabei habe ich selbst keine Kraft mehr. Schleiche mit dem Auto durch die Dunkelheit nach hause. Wir werden in der Tat demnächst abwägen müssen, ob wir ihn besuchen oder seine Wohnung, am besten beides. So wie er nun ist, scheint er keine Kraft mehr zu haben. Schon die Woche darauf ist er im psychiatrischen Krankenhaus zurück. Allerdings versteht die Ärztin das dort nicht. Er leidet immer noch an Infektionen. Dieses Mal klappt es mit einer Verlegung ins evangelische Krankenhaus. 
Ich nehme mir frei, denn ich schaffe diesen Rhythmus aus Arbeit und Besuchen kaum noch. Wieder ein anderes Krankenhaus und am anderen Ende der Stadt.. Vater hat wieder ein Zimmer für sich. Die Aussicht ist noch nicht einmal schlecht. Man blickt auf Gießen, da das Krankenhaus etwas erhöht steht. Über seinem Bett hängt ein Schild: "Patient darf keine feste Nahrung bekommen." Ich spreche mit Egon darüber, dass er eventuell und nach Möglichkeit in unsere Nähe verlegt werden sollte. Und das wir für ihn eine Unterbringungsmöglichkeit suchen müssen für die Zeit danach. Zu meiner Überraschung sagt er: "Mir ist alles recht, was Du machst." Dabei legt er fast beschwichtigend seine Hände auf die Bettdecke. Wir werden unterbrochen. In zeitlichen Abständen wird Vater gedreht, was jetzt ungünstig ist. Etwas mißmutig ziehen die Schwestern ab. Ich hatte mir doch noch eine Erbsensuppe gemacht, sagt Vater. Das weiß ich, erwidere ich, denn wir haben sie gefunden. Eine Woche zuvor waren wir  in Kassel gewesen. Auf dem Tisch stand noch ein Topf, den wir nicht zu öffnen wagten und den wir bei unseren vorherigen Besuchen übersehen hatten. 
Die große Pflanze im Wohnzimmer verschenkte ich an die Nachbarin, deren Sohn sie in Empfang nahm. Gleiches geschah mit einem Kasten Wasser. Wir entsorgten noch einige Dinge, verkratzte Pfannen wird er sicher nicht mehr brauchen. Auf seinem Nachttisch liegt noch die Bild-Zeitung vom 3. Dezember, ich entsorge sie. Ich ziehe die Bettwäsche ab. Das Laken ist mit Hosenträgern von unten befestigt. Es erscheint mir fast undenkbar, dass Vater wieder hierher zurück kehrt. Im Briefkasten liegt ein Prospekt, "Pflegeheim am Burgfeldkrankenhaus" lese ich. Hier könnte Ihr Vater hin kommen, schreibt die Nachbarin dazu. Wir sortieren die Post und schmeißen das Unwichtige in den Müll. Auf der Rückfahrt wollen wir noch in Gießen aussteigen. Wir schaffen das nicht mehr.

Freitag, 7. Dezember 2012

Gold - XL

Eine schwer wiegende Hürde, über er noch gar nicht nachgedacht hatte, erwartete ihn noch. Er müsste seine Zukünftige noch seinen Eltern vorstellen. Insbesondere sein Vater glaubte, er müsse seine Begutachtung abgeben und ihm die spätere Hochzeit genehmigen.
Soweit war er ja noch nicht. Erst einmal sollte sie nur mit kommen. Das war ein schweres Risiko an sich, denn für ihn war es unschwer zu erkennen, dass es da einen Zusammenhang gab zwischen dem Besuch bei seinen Eltern und der bald darauf erfolgten Trennung von der Ex-Freundin. Solche Besuche hatten ihr Rückschlüsse erlaubt wie: "Für Dich war es schon eine Leistung, nach Frankfurt zu ziehen." Mit anderen Worten: die große weite Welt werde ich mit Dir nicht sehen. Dabei wäre er so bereit gewesen für einen Aufbruch. Seine Eltern hatten die unbekümmerte norwegisch-englische Mischung ganz ansprechend gefunden und amüsierten sich über ihre Dekorationsvorschläge für die Wohnung.  Pet jedoch war total "disgusted" und wunderte sich, wie Paul da heraus gekommen sei.
Noch Jahre danach hielt die Wirkung seines pet an.
Die Neue nun, die es ernst meinte, kam nicht an. Sie ist so still, meinte Mutter. Sein Vater äußerte seine Vorbehalte nicht, er fand sie wohl nicht jung genug. Über einen Altersunterschied, der ja kaum bestand, hatte sich Paul keine Gedanken gemacht. 
Seine Freundin tat das Beste, was sie tun konnte: sie schwieg. Meinte hinterher, Paul sei angespannt, was gelinde untertrieben war. "Das wird schwer." hatte Mutter nur kommentiert.
Paul befand sich "zuhause" jedes Mal in Hochspannung. Bereit, jeden Senf, den man ihm an den Kopf warf, zurück zu geben. Seine Eltern wollten oder hatten nicht begriffen, dass er ausgezogen war, sie ignorierten seine Lebensumstände. Vater ignorierte alles, was Paul über Frankfurt erzählte, mit Spott und der Bemerkung "Das haben wir hier auch.". Brachte das Thema gleich wieder auf Kassel und auf seinen kranken Bruder. 
Man sah da nun auch noch eine Frau, die nicht zu den belanglosesten Nettigkeiten bereit war. Die nicht mit dem Hintern wackelte und die nicht wie ein Tuschkasten herum lief und permanent lachte. 
Seine Mutter dagegen lachte gern, am liebsten über ihre eigenen Bemerkungen. 
Paul verstand, dass sie ihre Unsicherheit kaschieren musste, die permanente Zigarettenraucherei half ihr dabei, machte aber keinen guten Eindruck. Mutter sah einfach nicht seriös aus mit ihren nackten Armen, die aus ihren billigen Versandhauskleidern oder dem Kittel hervor stachen.
In ihrem Mietshaus störte das Keinen, aber Paul hatte sich entfernt. Paul fühlte mit ihr, es war nicht so, dass er seine Eltern nicht mochte. Jeder allein wäre für ihn ein wichtiger Mensch gewesen. 
Zusammen waren sie beide nicht auf seiner Seite.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Gold - XXXIX

Ich erhalte einen Anruf von Frau Dr. R. am Montag der darauf folgenden Woche. Sie eröffnet mir, daß mein Vater aggressiv sei und sich jeglicher Therapie verweigere. So können sie ihn nicht behandeln. Er müsse erst einmal in einer psychiatrischen Klinik medikamentös eingestellt werden, um therapiefähig zu werden. Auf meinen Einwand hin, ob dies nicht in Bad Orb geschehen könnte, erwidert sie, dass sie das nicht dürften. 
An welche Klinik sie gedacht hätte? Ich fürchte einen Verlegung nach Kassel und einen anstrengenden Rücktransport für ihn. Frau Dr. R. erklärt, zuständig sei die Psychiatrie in Schlüchtern. Das wiederum würde weder Egon noch mir helfen. Die Verlegung müsse unbedingt spätestens morgen, erklärt mir Frau Dr.R. Ich erkläre ihr daraufhin, dass ich Vater nicht hergeholt habe, um ihn jetzt wieder irgendwo zu haben, wo ich nicht oft genug hin komme. Ich könne mich gern um ein Krankenhaus bemühen, so Frau Dr. R. Notfalls werde sie ihn nach hause transportieren lassen. 
Mir brennen fast die Sicherungen durch. Mein Vater in seiner Wohnung und ohne Aussicht auf Hilfe, ich beende das Gespräch und beginne, die Krankenhäuser ab zu telefonieren. In Hanau erklärt man mir, man könne keine so alten Patienten aufnehmen. Sie würden hier Schizophrene in Behandlung haben. Das paßt nicht. Die sind von der Betreuung her zu intensiv. Auch Frankfurt am Main und Offenbach passen. Ich rufe Frau Dr. R. zurück, wie sieht es denn in Schlüchtern aus?  Schlüchtern habe sie bereits an telefoniert, sie nehmen nur Patienten aus dem Main-Kinzig-Kreis. Das, so lerne ich, ist wohl bei allen psychiatrischen Klinken so. Diese Art Lokalkolorit gefällt mir gar nicht. Ich schlage vor, Vater selbst zu fragen. Wenn er wirklich nach Kassel will, so muß ich ihn gehen lassen. Frau Dr. R. sicherte mir zuvor zu, daß er nach erfolgreicher medizinischer Einstellung in Bad Orb wieder aufgenommen würde. "Meinen Sie," fragt sie mich "Ihr Vater kann darauf antworten? Er war ja schon verwirrt, als er eingeliefert wurde." Mit ihrer Geduld ist sie am Ende. Sie gibt mir höchstens einen Tag, dann muss mein Vater weg. Mir fällt ein, daß mein Bruder in Gießen in einem psychiatrischen Krankenhaus ist, obwohl er auch nicht aus Gießen ist. Tatsächlich, sie wären bereit ihn zu nehmen, die behandelnde Ärztin ist sogar sehr interessiert und kann sich gut vorstellen, daß Egon vom Krankheitsbild her paßt. Frau Dr. R. klingt erleichtert, auch wenn ein weiterer Tag benötigt wird, um die Übernahme nach Gießen zu organisieren. Vom PKH Gießen höre ich zunächst nichts. Egon ist aber angekommen und ich erhalte einen Anruf der verantwortlichen Ärztin. Vater muß wieder verlegt werden, um internistisch behandelt zu werden. Momentan sei er für die medikamentöse Einstellung zu schwach. Man werde ihn untersuchen und arbeite mit dem evangelischen Krankenhaus in Gießen zusammen. Einen Tag später erfahre ich, daß Vater infektiös ist. Ein klarer internistischer Fall.. Das Problem ist nur,, daß das evangelische Krankenhaus in Gießen keinen Platz für ihn frei hat. Man sucht und findet (ev. müsse er nach Lich) im Balserischen Stift (angeblich ein gutes Krankenhaus) einen Platz. Am Wochenende wird er dorthin verlegt. 

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Gold - XXXVIII

Rachel war zufrieden. Endlich schrieb er als sein eigenes Ich und nicht als ein imaginärer Paul. Wer ist denn dieser Paul auch, wer sollte das sein? 
Ich bin Paul, wer sonst? erklärte er. Den kleinen Jungen, der aufgeregt den Dampflokomotiven zugesehen hatte, den gab es nicht mehr. Der für alles Begeisterung zeigte, was neu war und der schöne Geschichten mochte. Dessen Fantasie an der Schlafzimmerdecke eine Bühne bot, der sich solange vertiefte, bis er Figuren sah, die sich bewegten.    
So, dann bist Du also tot? setzte Rachel nach. 
Nur weil etwas nicht mehr lebt, ist es ja nicht tot. 
Untot sozusagen? Warum lebt denn dieser kleiner Junge nicht mehr?
Der ist einen langen Weg gegangen, hat Stück für Stück nicht mehr geglaubt, eine Mutter gesehen, die mit der Bierflasche in der Hand den Vater schlagen wollte, hat mit Spannung gesehen, wie der Vater sich verteidigen wollte, als Zuschauer, wie bei einem Boxkampf.
Die Mutter tobte, bis sie vor Erschöpfung ins Bett fiel, nicht ohne vorher ins Zimmer des Jungen zu kommen und sich zu beklagen, wie schlecht der Vater sie behandelt habe. der Junge hatte tagsüber den Alkohol besorgt und wusste genau, was die Mutter getrunken hatte.
Vater hat auch geschlagen und der Junge konnte es teilweise verstehen, war hin und her gerissen.
Ich habe es Dir gesagt, so schlecht war Dein Vater nicht.
Paul erwachte. Der Mann, der ihn zum Militärdienst gezwungen hatte, ihm kaum zu behandelnde Angstzustände eingebrockt hatte und der verhindert hatte, dass er sein Studium rechtzeitig begann, der war nicht schlecht?
An Weihnachten, ja, da wurde dieser Mann sentimental, während die Mutter spöttelte. 
Da sollte man Lieder singen und das "Ave Maria" hören.
Und wenn er am 2.Weihnachtsfeiertag nach hause kam statt am Heiligen Abend, weil er es nicht aushalten konnte, da schickte er ihn gleich wieder weg.
Das war Paul, er ging seelenruhig sogar mit einer gewissen Erleichterung. Er machte weiter, wo der kleine Junge nicht mehr konnte. Er ignorierte den Zusammenbruch bis zur Selbstauflösung.
Du meinst, Du bist erwachsen geworden? fragte Rachel nachdenklich. Und: meinst Du nicht, dass andere ähnliches erlebt haben? So schlimm war es doch bei euch zuhause gar nicht. Mache doch andere nicht laufend für Dein Leben verantwortlich.
Paul hatte seine Ideale nicht vergessen. Aber wie soll man jemandem erklären, in welchem Gefängnis man sitzen muss, um innerlich zu sterben?



Dienstag, 4. Dezember 2012

Gold - XXXVII

Irgend wann geht auch die längste Reise zu Ende und so tauchte meine Verflossene wieder auf. Sie wusste bereits, dass ich mittlerweile wieder gebunden war und meinen ersten Urlaub mit meiner neuen Beziehung plante. Sie selbst war ihrer ersten Liebe nach gereist, hatte ihn in England getroffen. Das Ganze muss jedoch sehr desillusionierend gewesen sein. 
Es galt aber auch Abschied zu nehmen von meinen eigenen Plänen. Noch war ich Student, noch stand der Auslands- und Studienaufenthalt in England an, dessen Finanzierung nicht klar war. Ich erzählte meiner künftigen Frau von meinen Plänen und das ich eventuell für ein Jahr gehen wollte. Sie hatte irgend etwas bereits befürchet und es schien so, als ob ihre Welt, die auf einer gemeinsamen Zukunft mit mir aufgebaut war, geradewegs zusammen brach. ich erblickte in ihren dunklen Augen ein Kartenhaus, sollte ich das gewesen sein? Ich fühlte nach, was in ihr vorging, hielt mir die Entscheidung dennoch offen. 
Innerlich war ich mir allerdings klar, dass ein Abbruch meines Studiums auch aus ganz anderen Gründen sinnvoll war. Ganz im Gegensatz zu mir stand sie finanziell auf solidem Grund. 
Ich musste und wollte Geld verdienen, wenn ich ihr Niveau mit leben wollte. Ich arbeitete in den Semesterferien bei einer Metallbaufirma und kam gut klar, war stolz auf mein Geld.
Zudem der Plan, mit meiner muttersprachlichen Freundin nach England zu gehen, war gescheitert.
Ich schaffte es tatsächlich, einigermaßen kalt zu bleiben, auch als sie mir etwas zu schmeicheln begann, indem sie mir sagte, es sei wohltuend, dass ich mich nicht verändert habe. Und mich nach meinem Urlaub fragte, den ich längst mit meiner neuen Partnerin geplant hatte.
Zu meinen eigenen Erwartungen, etwas Genugtuung für das Erlebte zu erhalten, das mir meine eigene Freundin, mein pet, zugefügt hatte, kamen nicht unerhebliche Erwartungen von meiner neuen Freundin dazu. Es war ohnehin ein Wunder, dass sie beim Anblick der Möbel ihrer Vorgängerin nicht gleich wieder geflüchtet war. Nach einigem, aus meiner Sicht überflüssigen Geplänkel, sagte ich ihr, wann sie ausziehen müsse. Die Auflösung meiner Wohnung stand sowieso bevor. Dann ging ich, wir haben uns bis heute nicht mehr gesehen. 
Nach meinem Urlaub würde die Erinnerung an sie in Gestalt ihrer Sachen getilgt sein.

Samstag, 1. Dezember 2012

Gold - XXXVI

Paul hatte nach seinem Israel-Aufenthalt und der halbwegs erfolgten Genesung, den Entschluss gefasst, mit der Vergangenheit abzuschließen. Er hatte sein Studium an der Frankfurter Uni wieder im Sinn, wo er Philosophie und Anglistik belegt hatte. Er wusste aber auch, dass ihm das studentische Leben fremd war und die sehr unstrukturierte Gestaltung der Studiengänge Probleme bereiten würde. Im Grunde war er ein Arbeiter, so sagte er es sich selbst. Egal was der Vater über Praktiker und Theoretiker erzählte (zu letzteren zählte er seinen Sohn), er wurde im akademischen Leben ignoriert und fand selbst auch keinen Zugang dazu. 
Sicher entsprach es ihm mehr, im anglistischen Institut über die geschniegelten BWL-Studenten zu lästern, aber das allein reichte nicht als Grundlage für ein erfolgversprechendes Studentendasein und vor allem dessen Abschluss. Paul war erfolgsorientiert, auch wenn das niemand wahr nahm und seine Geduld war in allen Belangen nicht allzu groß.
Die Geduld mit der herum reisenden Exfreundin hatte ihn längst verlassen und nachdem er bereits zwei Monate nach seiner Rückkehr aus Israel eine neue Freundin kennengelernt hatte, wusste er schnell, was er zu tun hatte. Ein letztes Gespräch mit ihr würde anstehen, dieses Mal unter "seinen" Bedingungen.
Die Möbel der "Ex" standen noch in seiner Wohnung, die er selbst nun schon meist nicht mehr bewohnte.
Schon aus finanziellen Gründen (außer dem Bafög hatte er kein eigenes Einkommen) würde er schnell mit in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Die Wohnungsauflösung stand an, nachdem eine andere Entscheidung bereits gefallen war.