Mittwoch, 7. März 2012

1998 - I

Kleiner Teufel

Er liegt gern auf der faulen Haut,
schaut ewiglich nach einer Braut,
das Heiligtum ist seine Ruhe,
Genuß des Vino immer zue ,
ein bißchen spielen mit den Karten,
den Lauf des Lebens gern abwarten.

Nichts ist ihm wirklich wichtig,
was er denkt, ist einzig, richtig.
Die Lust ist seine ganze Quelle,
wenn sie versiegt, vergeht er schnelle.
Immer stellt sich ihm die Frage,
was hält am Leben seine Tage ?

Ich will ihm die Leviten lesen,
doch bin ich selbst, gehörnt, das Wesen.

Dienstag, 6. März 2012

"Melancholie unter Palmen" oder 1980


'Das Boot', 'Heißer Stein', 'Königin', 'Mann nehme' und 'Rubbish' sind bereits 1994 erschienen im Sammelband: Unser Bestes - Neue Autoren ...; Herausgeber: Förderkreis Buch und Kunst, Gütersloh
im Autorenverlag im Weserhof

Montag, 5. März 2012

1980 - LI

Königin

Meine Königin hat schöne Beine,
mein Königreich ist 78qm groß
und liegt auf einer Etage,
meine Königin hat einen Purpurumhang,
meine Droschke hat kw,
sie zeigt mir ihr Perlmutt
und ich verliere mich in den zarten
Windungen der Muschel,
kein Anschluß unter der Nummer
meines Telefons,
selbst fahre ich zur Jagd,
die Königin sitzt neben mir
im Wolfspelz,
knirschend rutschende Räder,
Schnee,
die Zentralheizung meines
Königreiches lärmt
und verursacht quellende Augen,
Durst und ausgetrocknete Hälse
trotz preußischblauem Hintergrund
für die Orangen im Fernsehen,
das schale Bier und die Qual der Prospekte,
tausendfach weiches Papier gespült
im Schlund der Abflußrohre,
kistenweise Papier und Glas vom
Wochenende mit der Königin,
die Fata Morgana zeigt ihr wirkliches Gesicht,
die Kehrseite, die trennt und doch verbindet,
wo ist das Königreich des Herzens ?
Der weiße Held, der schwarze Dämon.

Sonntag, 4. März 2012

1980 - L

Auch die Hessen haben süße Töchter

Sportliche junge Damen kennen kaum Probleme mit den Pfunden und der Figur.
Ehefrau Andrea: "Wir haben nicht den geringsten Grund, das Geschäft zu bedauern,
so angenehm sind wir noch nie ins neue Jahr gerutscht."
Kein Wunder bei dem Talent.
Durch einen unwahrscheinlichen Zufall ist jetzt entdeckt worden,
daß vor 20 Jahren eine Mutter ihren dreijährigen Jungen verhungern ließ.
Die Waschmaschine der Kompanie blieb leer,
das Geld stecken wir lieber ins neue Haus.
Aber jetzt schon damit posieren ?
Mannequins haben's halt auch manchmal schwer,
meist gebe es keine Leistungssteigerung,
Marion und Vicky überlegen aber,
ob sie die Hüllen fallen lassen.
Im Kaisersaal sorgen sie "für das gewisse Extra" und
verleihen dem Frankfurter Rathaus bei großen Empfängen den festlichen Glanz.
Auf diese Weise soll die nach wie vor weitverbreitete und
umweltfeindliche Öl- und Kohle-Einzelheizung drastisch zurück gedrängt werden.
Mitmenschlichkeit, die Bundespräsident von Weizsäcker forderte,
ist kein leeres Wort.
Schön und gut - ein aufregender Einteiler im Leopardenlook,
find' ich auch chic.
"Lady Tiger", die bei einem Aufenthalt ihrer Familie im Airporthotel
in eine Klimaanlage gelaufen ist
und daher in Deutschland bleiben mußte,
kommt vermutlich zu einer Dame.
Die Studiochefin macht derzeit verstärkt Jagd
auf die schönen Mädchen von Rhein-Main,
um sie gegen Honorar, nackt oder zumindest halbnackt,
ins Blatt zu kriegen.
Wer nimmt da noch ein Blatt vor den Mund ?

aus: Armenlust Nacktausgabe

Samstag, 3. März 2012

1980 - XLIX

Errare humanum est - let's go west

Automatisieren wir unsere orgiastischen Bemühungen,
möglichst viel des kostbaren Geldgutes zu subsumieren,
stabilisieren wir uns, indem wir statt
mit unmoralischer Gewalt, uns dialogisierend, einzelne Monologe infiltrieren.
Substitute - me for him, unser Video läuft aus in den Alltag,
läßt sich nicht konsumieren, sondern konsumiert, deformiert,
und degeneriert unsere Phantasie zu einer Second-Hand-Erscheinung,
bereits mutiert, erblickt der Gedanke das Abblendlicht der Existenz,
die sich als Lichthupe entpuppt und nach einer kräftigen Tastatur verlangt.
Tja, Freunde, wir alle hängen fest im Netz der Kreuzspinne
und bald wird das letzte bißchen unseres Inhalts ausgelutscht sein.
Der Nihilismus greift greift um sich, er expandiert
mit dem Bruttosozialprodukt, spasmiert sich in Optimismen.
Positivistisch birnengleich entsteht der Konsens in diesem unseren Raumzeitkontinuum,
welches nur durch das schwarze Loch zu beenden ist, doch dafür addiert sich nicht die ausreichende Materialmaterie.
Eine kleine Eruktation kulminiert die Historie des Homo Sapiens.

Freitag, 2. März 2012

1980 - XLVIII

Das Boot

Stille herrscht im Boot. Tauchfahrt, doch die Ortung besagt: Zerstörer im Anmarsch.
Schraubengeräusche, Maschinen halbe Kraft zurück. Der Bildschirm flimmert unruhig. Nicht abzuschütteln, Maschinen stop und tauchen, weit über die Werksgarantie hinaus. Der Stahl stöhnt, Knacken im roten Bereich des Tiefenmessers oder war es das Aufeinanderschlagen der Zähne beim vergeblichen Versuch eine Salznuß zu zermalmen. Chips stehen bereit. Drangvolle Enge und der Mief von fuffzig Mann plötzlich im Wohnzimmer. Jetzt rechnen wir ab, das Boot verharrt regungslos, der Zerstörer rauscht darüber. Tief durchatmen, gleich explodieren die Wasserbomben, vielleicht zum allerletzten Mal.
Das abgebrochene Messer schlitzt den Karton auf, jeder Handgriff muß sitzen. Die Bücher sind in Folie eingeschweißt und fliegen fast von allein auf den Packtisch in Stapeln zu Fünfen, kein Lieferschein, doch da die Rechnung, komm' Junge, hak' die Positionen ab: 5 x Pucki im Wald, 5 x Pucki lernt laufen, 5 x Pucki in der Schule, das wars. Stempel, Eingangsdatum, Herr Pfennischfuchs legt den nächsten Karton vor. Immer wenn Fracht im Hof abgeladen wird, stürmt er über eine Wendeltreppe in den Keller, um seinen Mannen beim Auspacken zu helfen. Auf dem Boot hat er sich um den Diesel gekümmert, da war's noch enger als im Keller.
Volle Paletten in den Aufzug wuchten, Türe zu, klingeln, ab geht die Post. Oben entfernt sich das Mahlen der Schrauben. Detonation !! Eine nach der anderen, alles fliegt durcheinander, die Vormerkungen sind nicht gezogen: Bücher zurückholen. Endlich Stille, das Boot ist noch ganz. Schleichfahrt, bis es wieder heißt: Schiffe im Anmarsch.
Aufzugtüren auf, Vormerkungen rausziehen, Torpedorohre eins bis vier wässern. Es sind dicke Pötte, Frachter, auftauchen, der Aufzug fährt wieder nach oben, Maschinen volle Kraft voraus, alles klarmachen zum Überwasserschuß, Rohre eins bis vier: Feuer! Warten, die Palette wird oben aus dem Aufzug geschoben, Treffer mittschiffs, da und noch einer, Feuer, das Geräusch einer leeren Palette, die in den Aufzug gestellt wird. Zerstörer, volle Fahrt zurück, Tauchen, tiefer, tiefer. Der Aufzug kommt zurück.
Tolle Männer, diese Milchbubis, die naßforschen Typen, was können sie schon einem alten Bücherhasen anhaben. Die Schotten der untergehenden Schiffe krachen wie Paprikachips. Blättern im Bordbuch: Girls in 3-D, Taucherbrille aufsetzen, so richtig treten sie nicht hervor, die Mädels, sehen eher aus wie Pappkameraden, wie sie da in oder ohne Höschen stehen. Heute morgen war die Ampel zwanzig Mal auf rot, komische Schaltung, jetzt auch noch der Bus und jede Menge Kinder zu umkurven. Wieder bummelt der Vordermann.
Der Aufzug mit der leeren Palette ist angekommen. Die Druckwellen der Wasserbomben schütteln das Boot ein letztes Mal, ein schwarzer Finger verdeckt das Bild zunehmend, Beethovens Neunte ertönt, Kartons zerschlagen mit der Faust, falten, pressen, Zeitungspakete schnüren, auf den LKW werfen, das Band läuft schnell, bald endet die Reihe der Pakete. Übrigens, das Sehen mit der 3-D - Brille strengt mehr an, als Fernsehen. Rot und grün bleibt der vorherrschende Eindruck nach Absetzen der Brille. Ich liege nackt im Park und sonne mich. Dorle, Deine Augen sind braun. Mein Nachbar spielt mit seinem Glied. Der Diesel rattert in meinem Kopf.

Donnerstag, 1. März 2012

1980 - XLVII

Kinderbild

Im Zimmer steht ein Kinderbild von mir,
das gleiche wie in Euren Köpfen,
doch ich kehre nicht mehr zurück,
habe den Schlüssel weggeworfen,
weil mich Euer Bild bedrückt wie ein Gefängnis,
ein neues Verließ aus Gedanken umgibt mich
und ich weiß,
das Ihr mich nicht besuchen könnt,
meine Seele schreit nach Freiheit,
aber der Verstand kesselt mich ein,
formuliert die Ängste und bedrückt die Sinne,
schluckt das Gefühl weg wie ein Schalldämpfer.
Herrgott, ich glaube,
ich tausche immer nur eine Zelle mit einer anderen.
Gib' mir endlich ein Zuhause,
eine Zuflucht vor den Übervätern, -müttern meines Kopfes.