Dienstag, 3. Januar 2012

1980 - II

Herr Robinson

Herr Robinson, Leiter oder viel mehr leitender Angestellter einer Werbeagentur, nannte eine schmucke Segeljacht sein eigen. Eines Tages nahm er seinen kompletten Jahresurlaub, ließ Streß Streß sein und segelte von der Nord- bis in die Südsee. Wie auch im Dschungel von Frankfurt spielte sich seine Crew glänzend aufeinander ein. Diese bestand aus der Lebensgefährtin Liane, braungebrannt, und zwei seiner besten Freunde, Grafiker und Fotograf von Beruf.
Alles stand im Banne von Palmen, Sand und glasklarem Wasser, bis der Sturm den Mast von 'Antigone' umknickte wie ein Streichholz, sie antriebslos hinterließ und außerdem dafür sorgte. daß ein Leck das Schiff schneller sinken ließ, als ein Notruf braucht, um gesendet zu werden. Herr Robinson in Seenot: gerade ein Stück der Deckverkleidung diente ihm als Floß, die Gefährten verlor er aus den Augen. Vor Trauer und Sehnsucht nach Liane krank, der Einsamkeit überdrüssig und zu Tode erschöpft, strandete er auf einer Insel, die ihm als winziges Eiland erschien. Feiner weißer Sandstrand, die letzte Empfindung vor der Ohnmacht. Das Meer so unendlich blau, die Brandung so lieblich, die Sonne so gelb, als habe es nie einen Sturm gegeben. Und jetzt tauchte auch noch ein Kreuzfahrerschiff am Horizont auf. Groß, weiß und bedächtig ging es vor Anker.
Kleine Boote mit neugierigen, kamerabehängten, kurzhosigen Touristen schwärmten aus. Die Anführerin der ersten Gruppe schien erstaunt, als sie den so gut wie unbekleideten Herrn Robinson sah, den langbärtigen, farbigen, etwas wirr blickenden Sonderling. Er wollte sich vor den klickenden, surrenden Film- und Fotokameras schützen und den entsetzten, teilweise belustigten Blicken der älteren Frauen entgehen. Dann begann er zu sprechen, wollte erklären, aber die Kreuzfahrer hasteten weiter zu irgendeiner angekündigten roten Grotte, wie jemand murmelte. Vollgepackt das Programm der Reisenden, keine Zeit für Small-Talk mit Eingeborenen, das war nicht vorher arrangiert, sogar ärgerlich.
Doch Robinson wollte zurück ins Dunkle seines schattigen, klimatisierten, Büros. Das glaubt mir kein Mensch, durchzuckte es ihn, er bemerkte Bewegungen. Jemand faßte auf seine Schulter, er schnellte herum. " He, Dein Rücken ist schon ganz rot, das gibt Sonnenbrand ! ", unverkennbar die Stimme von Liane. " Komm', laß' uns was trinken gehen, wir haben genug Sonne getankt ! " Ja, murmelte Herr Robinson, fühlend das große Schwitzen, bloß zurück zum Hotelzimmer in den Schatten.
Du, sagt er später zu Liane, eigentlich hätten wir auch was anderes machen können als so einen Pauschalurlaub. Ja, ja, spottet Liane, Deine ewige Unzufriedenheit, Du wolltest doch segeln !

1980 - I

Das Nichts sagte zum Etwas:
Hoffentlich nimmst Du es mir nicht übel,
daß ich Dich geboren habe.
Darauf antwortete das Etwas:
I never mind being born !


(Geschrieben in großer Sinnlosigkeit und
momentan unterwegs zum Titan mit der Huygens-Mission der ESA)

2012

Ein neues Jahr, ohne dass es etwas wirklich Neues passiert. Vorsätze habe ich keine, ohnehin ist der Jahresanfang eine Zeit der endlosen Wiederholungen. Gute Wünsche werden gemurmelt und allseits hat man noch Urlaub. Man wundert sich, dass Menschen immer nur ihren Vorteil im Kopf haben, so wie unser Bundespräsi. Und das alte Feindschaften neu weiter leben.
Mir fehlt momentan der Glaube, dass ein Mensch so etwas 108 mal erleben will, schon 50 bewusste Male finde ich ermüdend, auch wenn ich zugeben muss, eine vernünftige Alternative fehlt. Also blende ich mit den folgenden Beiträgen zurück. 

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Phänomenal

Da glaubte man über der Römerberg-Ostzeile eine biblische Erscheinung zu sehen an diesem so heiligen Abend. Und als man dann noch hörte, dass sicher Herr Heesters nun doch entscheiden hat, mit dem Tod mitzugehen und nicht länger nach Simone zu rufen,
da war ja eigentlich klar, das war ein Zeichen. Des Niedergangs oder des Aufstiegs? Es ging deutlich nach unten, es war ja nur Schrott, immerhin Weltraumschrott. Nun werden die Phänomene wieder alltäglicher. Jeder kennt ja das Hoch- oder Runter-Syndrom beim Kloodeckel, jeder Mann zumindest hat davon gehört. Und auch das Fenster auf- oder Fenster zu-Problem ist bekannt. Man muss also nicht in den Himmel sehen, um unerklärliche Vorgänge zu betrachten. Und um eine Entscheidungshilfe zu geben: im Zweifelsfalle geht das Licht immer aus, auch wenn es manchmal an ist.
Das ist im Übrigen auch im neuen Jahr so.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Glückstraum

Weihnachten ist da und wer hat es bestellt?
All das Grün, das viele Geld.
Moralisch wirst Du nun vermessen,
hast Du Geschenke, hast Du Vergessen?
Die Entscheidung unterm Weihnachtsbaum
entpuppt sich schnell als kruder Traum. 
Die Toten werden nicht mehr lebend,
Zeit ist vergänglich, nicht vergebend

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Contestant

Nachdem ich ein paar Bilder geflickrt habe, tumblr ich weiter, um mir via Instagram einen zu twittern. Ich hätte aber auch mit dem Facebook ins Haus fallen können.
Kontakt mit meinen Kollegen habe ich kaum noch, bin einfach zu beschäftigt. Außer wenn ich gerade ein gebrauchtes Theraband um einen Schädel gelegt habe, um meine Halsmuskulatur zu dehnen. "Rücken fit" nennt sich so etwas. Dabei hat mein Rücken gar keine Chance gegen mein iPad (2 wohl gemerkt). Oder doch?
Da fragt mich neulich der tumblrbot vom tumblr, was mein liebster materieller Gegenstand sei. Das iPad ist mir nicht eingefallen, er war beleidigt, der Roboter.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

John M. Coetzee – Summertime

Das Buch des südafrikanischen Schriftstellers ist Fiktion und dennoch autobiographisch.
Mehrere wichtige Personen im Leben des Alter Ego kommen zu Wort, interviewt von dem stets im Hintergrund bleibenden englischen Ph.D.-Studenten, dessen Fragen aber den Charakter des zu erforschenden, vermeintlich bereits verstorbenen, Autors John M. Coetzee
ein ums andere mal heraus arbeiten. Da tritt in den Schilderungen der Zeitzeugen ein recht spröder und weltfremder Mensch hervor, der seine Cousine als Kind lieb hatte, ein kurzes Verhältnis mit einer betrogenen Ehefrau eingeht, eine brasilianische Sambatänzerin stalkt und deren Tochter unterricht und eine Liebe zu einer französischen Lehrerkollegin hatte.
Ein Mensch, der von den Frauen als zu leicht empfunden wird, zu wenig gefühlvoll und zu andersartig, um als richtiger Mann durchzugehen. Und auch der übrige Erfolg im Leben stellt sich kaum ein. Dieser John M. Coetzee ist in die U.S.A. ausgewandert, muss das Land verlassen, weil er dort Probleme wegen seiner Einstellung zum Vietnamkrieg bekommt und lebt dann bei seinem Vater.
Szenen aus Kapstadt und dem Outback wechseln sich ab, Szenen aus der Zeit der Apartheid in den Siebziger Jahren. Einer Zeit, in der schon viele Weiße wussten, dass das Paradies ihrer eingezäunten Vorstädte nicht ewig bestehen würde..
Dieser Coetzee kann nichts richtig und arbeitet doch immer weiter. Er versucht, das Haus des Vaters zu erneuern und unterschätzt die damit verbundene Arbeit. Er gibt Nachhilfeunterricht an der Uni, ohne ein richtiger Hochschullehrer zu sein. Er bleibt mit dem uralten Pickup, den er vergeblich zu reparieren versucht, bei einem Ausflug mit seiner Cousine in der Wüste stecken.
Das große Geheimnis des Buches ist: wie viel John M. Coetzee ist dieser John M. Coetzee?
Er schreibt Poesie, das macht ihn für seine Farmerfamilie nicht besser. Er ist kein Rassist und doch nicht politisch.
Da man diese Frage dennoch nicht beantworten kann, liest man einfach das Buch, als das, was ist: ein sehr menschliches Portrait des untergegangenen südafrikanischen Apartheidstaates.
Und eines Menschen, dessen Bemühen im Vordergrund steht, der beschreibt und nicht handelt.  
John M. Coetzee erhielt 2003 den Nobelpreis für Literatur. Er ist Vater zweier Töchter und Witwer. Und lebt in Australien.