Dienstag, 12. April 2016

Czech Dream

Aus dem Busfenster sehe ich Strassengräben. Meistens mit Bäumen, sodass die Straßen einen alleenartigen Charakter haben.
Ostern in Tschechien, Gedanken an die Vergangenheit gehen mir durch den Kopf.  Eine Vergangenheit, die man in Tschechien nicht mehr zu kennen scheint. Unsere Reiseführerin wird mir sagen,  dass in Budweis nichts zerstört wurde. Bomben fielen nur auf Prag und die Rüstungsbetriebe.
Nichts zu hören ist über das Schicksal der Deutschen, die hier mal lebten.
Im Mai 1945 waren die amerikanischen Truppen bis in die Gegend um Pilsen vorgestoßen.
Ein amerikanischer Filmer hielt die Szenen fest,  die nun seit Jahren im Internet für Interesse sorgen.
"The Lost German Girl" heißt  die Sequenz, die eine junge, offensichtlich misshandelte, Frau zeigt,  die gekleidet in einer Militärhose auf den Berichterstatter zu läuft.
Völlig verzweifelt zeigt sie ein paar Geldscheine des Protektorats Böhmen und Mähren. In eben jenen Straßengräben liegen tote und sterbende deutsche Soldaten. Aber auch Zivilisten wurden nicht geschont, selbst im Tod noch bespuckt. Offen bleibt, ob das Mädchen überlebte und bei den Amerikanern Schutz fand. Bekannt und im Film auch zu sehen ist,  dass sich das Ganze am Kilometerstein 78 auf dem der Straße von Prag nach Nürnberg abgespielt hatte.
Eben diese Gegend, die wir nach dem Verlassen der Autobahn bei Pilsen durchfahren.
Deutsche und Österreicher haben lange Zeit in Tschechien gelebt,  de Land ihr Aussehen gegeben,
doch haben die Tschechen damit offenbar mit insbesondere den Deutschen ein Problem.
Trotz vieler deutscher Touristen wird Deutsch oft nicht verstanden, bieten Hotels oftmals noch nicht einmal deutsche Fernsehprogramme an. Beim Essen kann es dann schon mal passieren, dass die Kellnerin patzig wird, wenn man reklamiert, so wie wir das in unserem Hotel erlebten. 
Und auf die Frage, ob es sich beim servierten Wein um tschechischen handelt, kommt nur ein kurzes "Ja". Man erfährt also nicht all zu viel über dieses Land, außer vielleicht etwas über die länger zurück liegende Historie.
So ist es nicht verwunderlich, wenn man sich ein eigenes Bild macht. Ich träume also wenige Tage nach Rückkehr von unserer Osterreise, dass ich einst ein Geschäft im Sudetenland hatte. Ich kam mit 
allen Bewohnern des kleinen Ortes gut aus, egal ob es nun Deutsche oder Tschechen waren. Meine tschechischen Sprachkenntnisse waren nicht groß, aber es reichte, um sich verständlich zu machen. 
Unterschiede machte ich keine zwischen den Menschen und politisch war ich nicht aktiv. Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde die Situation unangenehm. Tschechische Freunde rieten mir, mein Geschäft aufzugeben und das Land zu verlassen, solange dies noch ungefährdet möglich sei. Sie wären nicht in der Lage, mir zu helfen, wenn der Krieg aus sei. So ungeheuerlich mir dies zunächst schien, so klar war es mir aber, dass mir keine Wahl blieb. Ich packte zusammen, was möglich war und kam noch unbehelligt nach Deutschland. Soweit dieser Traum, der nur ein Gefühl ausdrückt, denn real war ich nie dort.
Fakt ist aber, dass es weder Sozialdemokraten noch Kommunisten etwas nutzte und sie der Vertreibung aus der Tschechoslawakei genauso wenig entgingen wie die übrige deutsche Bevölkerung. Beim "Lost German Girl" heißt es ja nun, sie sei eine SS-Angehörige gewesen.
War die Rache der Sieger damit gerecht? Aber Rache ist ja nie gerecht.

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