Freitag, 12. September 2014

12.9.

Die Sonne geht unabhängig von meinem Geburtstag auf und unter und scheint dabei den ganzen Tag.
Das Kind in mir ruft "Mama" (eine Mama, die es so nie gegeben hat und nie geben wird). Der Erwachsene sagt "Geh weiter!". So gehe ich auch an diesem Morgen zum Ida-Tallinna-Krankenhaus mit einigen Sachen, die ich mit bringen soll. Meine Frau ist an diesem Tag unleidlich. Mehr Handreichungen als üblich sind zu machen, meist ist sie nicht zufrieden Ich bin für die Kommunikation mit dem Schwesternzimmer zuständig, dies vorwiegend in englisch. Eine jüngere Schwester, die einmal in Deutschland gewesen ist und ganz gut Deutsch spricht, nimmt sich meiner Frau an. Sie muss und soll laufen mit Hilfe des Gehwagens. Wir bewältigen erst die Strecke des Flurs im Seitentrakt und gelangen später bis zum Schwesternzimmer vor.
Toilettengänge sind mit Unterstützung möglich. Die Schwester hat einen Übungsplan erstellt, den meine Frau abarbeiten soll. Das sind kleine Abwechslungen im Krankenhausalltag, die auch mir helfen, die Zeit zu überstehen. Außer der Mittagspause hole ich meist noch was zum Kaffee. Ein kleines Café unten im Krankenhaus ist so was wie eine Oase der Normalität im ganzen Betrieb.
Manchmal vertrete ich mir die Beine im Innenhof. Alle notwendigen Telefonate habe ich erledigt, dafür ist ein Handy gut. Der Chef meiner Frau reagierte mit den Worten "Scheiße, scheiße, scheiße - ich muss die Arbeit neu organisieren." Du hast Sorgen, denke ich mir. Zu allem Überfluss erhalten wir vom ADAC die Nachricht, dass sich unsere Heimflug nicht am Freitag, den 13.9., einrichten lässt. Es gibt nicht genügend Plätze in den Maschinen nach Frankfurt, daran ist auch die IAA schuld.
Am Samstag soll es dann nach hause gehen. Ein Tag länger des Hoffens und Bangens, nun endlich nach hause zu kommen.
Wir wollen versuchen, für meine Frau einen Rollstuhl zu organisieren, damit sie mal aus der Abteilung heraus kommt. Medizinisch ist alles in Ordnung, das wird immer wieder bestätigt. Und wenn wir was brauchen, sollen wir uns melden. So die Ärzte. Aber was hilft es, Unterhaltungsmöglichkeiten wie Fernsehen und Radio gibt es nicht. Das die Betten morgens nicht gemacht werden, trägt nicht zur Gemütlichkeit bei.
Aber auch dieser Tag vergeht, einer meiner längsten. Ich suche beim Kaufhaus Stockmanns abends auf dem Rückweg ein paar Sachen zu kaufen. Finnische Socken, ein Buch um etwas aufzuschreiben, ein paar deutsche Zeitschriften, die es hier kaum gibt. Das Warenangebot ist nicht mit dem eines deutschen Kaufhauses zu vergleichen.
Mein Schwager ruft an, sagt mir, er wisse zu schätzen, was ich tue. Abends im Hotel überlege ich, ob ich unsere Reiseleiterin Sirli zum Essen einladen soll, damit ich nicht allein bin. Ich rede mit Ihr über die Situation, sie sagt mir, sie sei in der Stadt und nennt mir einen möglichen Treffpunkt. Aber letztlich will ich nichts außer Essen, Trinken, Schlafen.


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